OGH 13Os84/78

OGH13Os84/7815.6.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Juni 1978 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schertler als Schriftführers in der Strafsache gegen Leopold A wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls nach den § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 3, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 27.Jänner 1978, GZ. 4 d Vr 5055/77-43, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Philipp und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt I/1 des Urteilssatzes, in der rechtlichen Beurteilung der dem Angeklagten gemäß den Punkten I/ und II/ des Urteilssatzes zur Last fallenden strafbaren Handlungen und im Strafausspruch aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Leopold A ist schuldig, am 2.Juni 1977 in Wien ein ihm anvertrautes Gut, dessen Wert 5.000 S übersteigt, nämlich von ihm als Tankwart der Tankstelle des Gerhard B für den Verkauf von Benzin und Tankstellenwaren erzielte Erlöse von ca. 25.000 S, sich mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Er hat hiedurch in Verbindung mit dem zu Punkt II/

des Urteilssatzes ergangenen - unberührt gebliebenen - Schuldspruch das Vergehen der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 und Abs. 2, erster Fall, StGB. begangen und wird hiefür sowie für das ihm nach den Punkten I/2 und I/3 des Urteilssatzes zur Last fallende Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs. 1, 128

Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 StGB. und das Vergehen des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1

StGB. (Punkt III/ des Urteilssatzes) unter Anwendung des § 28 StGB. nach dem § 129 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von 2 1/4 (zweieinviertel) Jahren sowie gemäß dem § 389

StPO. zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Die Aussprüche gemäß den § 38, 366 und 369 StPO.

werden aus dem Ersturteil übernommen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung

verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Leopold A des Verbrechens des schweren Diebstahls nach den § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 3, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 StGB., des Vergehens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 StGB. und des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Inhaltlich des Schuldspruchs hat er in Wien und Groß-Stelzendorf I./ fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt 5.000 S übersteigenden Wert nachgenannten Personen, bei dem zu 3.) bezeichneten Fall auch durch Einsteigen und Aufbrechen eines Behältnisses, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

1.) am 2.Juni 1977 unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihm aufgetragene Arbeit geschaffen wurde, seinem Dienstgeber Gerhard B ca. 25.000 S Bargeld, 2.) am 19.Juli 1977 der Elisabeth C ein goldenes Bettelarmband, ein goldenes Armband, eine silberne Damenarmbanduhr, eine Halskette mit einem goldenen Schutzengelanhänger, ein Paar goldene Ohrringe, eine silberne Halskette mit Anhänger, einen goldenen Damenring, einen silbernen Anhänger, zwei Anhänger aus Rauchtopas, eine vergoldete Halskette mit einer Uhr als Anhänger und ein weißes Herrenhemd im Gesamtwert von ca. 8.000 S, 3.) am 7.September 1977 der Hildegard D vier silberne Zehnschilling-Münzen, eine Schweinsstelze, eine Flasche Bier und 95

S Bargeld (Gesamtwert der Beute ca. 150 S);

II./ am 19.Juli 1977 ein ihm anvertrautes Gut, nämlich 300 S Bargeld, das ihm von Elisabeth C zum Ankauf von Sesselleisten übergeben worden war, dadurch, daß er den Geldbetrag für sich verwendete, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern;

III./am 2.Juni 1977 ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich den PKW.

VW K 70 mit dem Kennzeichen W 529.196 des Durmus E ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte lediglich in dem zum Punkt I./ 1./ des Urteilssatzes erfolgten Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9 lit. a (sachlich auch 10) des § 281 Abs. 1 StPO.

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie im Strafausspruch mit Berufung.

Unter Anrufung des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes bezeichnet der Beschwerdeführer die Urteilsannahme, daß er sich durch die Zueignung des im Punkt I./ 1./ des Urteilsspruchs angeführten Geldbetrages von 25.000 S bereichern wollte, deshalb als unzureichend begründet, weil das Urteil angeblich auch die Feststellung enthalte, es sei keine Abrechnung über die ihm zustehende Honorierung erfolgt, weswegen nicht ausgeschlossen werden könne, daß er den Geldbetrag als ihm zustehenden Lohn betrachtet habe.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Ausführungen ist zunächst der richtige Wortlaut der vom Beschwerdeführer bezogenen Konstatierung, dem zufolge eine Abrechnung lediglich 'einverständlich nicht geführt' wurde, entgegenzuhalten, wobei die bezüglichen im Zusammenhang gelesenen Urteilsfeststellungen klar zum Ausdruck bringen, daß der Angeklagte dessen ungeachtet für seine Tätigkeit als Tankwart sehr wohl honoriert worden ist (vgl. S. 237). Darüber hinaus werden aber im angefochtenen Urteil - sogar besonders ausführlich und sorgfältig - auch die Gründe dargelegt, aus denen das Erstgericht zu der überzeugung gelangte, daß die Verantwortung des Angeklagten, den Betrag von 25.000 S als vermeintliche Entlohnung für seine Tätigkeit in der Tankstelle des Gerhard B behalten zu haben, unglaubwürdig ist, und daß er daher diese Summe mit Bereicherungsvorsatz wegnahm (vgl. S. 242 - 248). Von einem (formalen) Begründungsmangel im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. kann daher keine Rede sein. Die Feststellung, mit welchem Vorsatz ein Angeklagter bei Ausführung der Tat handelte, ist eine Tatsachenfeststellung. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht - wie gezeigt mängelfrei - festgestellt, daß der Angeklagte (unter anderem auch) mit Bereicherungsvorsatz handelte. über diese Konstatierung setzt sich der Beschwerdeführer hinweg, wenn er in weiterer Ausführung seiner Nichtigkeitsbeschwerde mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. vorbringt, der zum Punkt I./ 1./ des Urteilssatzes erfolgte Schuldspruch sei mangels Vorliegens eines Bereicherungsvorsatzes verfehlt. Da bei Ausführung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe an den Urteilsfeststellungen (die mit dem darauf angewendeten Gesetz zu vergleichen sind) festgehalten werden muß, wird der bezeichnete Nichtigkeitsgrund somit nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht.

Dies gilt auch insoweit, als der Beschwerdeführer behauptet, er sei bei der Aneignung der 25.000 S zumindest von der Annahme ausgegangen, daß ihm eine kompensable Gegenforderung in dieser Höhe zustehe. Denn abgesehen davon, daß der Angeklagte einen Willen, aufzurechnen, in keiner Weise zu erkennen gegeben hat, lassen die Urteilsfeststellungen auch in diesem Zusammenhang keinen Zweifel daran, daß er sich dessen bewußt war, keine Lohnforderungen zu haben, und nicht etwa vermeinte, der erwähnte Geldbetrag stehe ihm (als offener Lohn) zu (vgl. insbes. S. 248).

Es bleibt daher zu prüfen, ob der Angeklagte - wie er sachlich aus

dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. geltend macht - wegen des ihm zu Punkt I./ 1./ des Urteilsspruchs angelasteten Tatverhaltens nicht Diebstahl, sondern Veruntreuung zu verantworten hat.

Maßgebend für die rechtliche Beurteilung einer durch vorsätzliche und widerrechtliche Entziehung fremder beweglicher Sachen begangenen Tat als Diebstahl oder als Veruntreuung ist in objektiver Hinsicht der Umstand, ob der Täter die faktische Verfügungsgewalt erst durch Gewahrsamsbruch erlangt oder ob er Sachen entzieht, die sich bereits in seinem ausschließlichen Gewahrsam befinden (vgl. ÖJZ-LSK. 1976/195, 1978/120 zu § 133 StGB. u.a.).

Ein solcher ausschließlicher Gewahrsam des Täters wäre allerdings dann nicht gegeben, wenn er ihn nur unter unmittelbarer Aufsicht und Kontrolle des Eigentümers ausgeübt hätte und diesem sonach ein Mit- (Ober-)gewahrsam zugestanden wäre, wie dies etwa bei Geldbeträgen zutrifft, die in einem Verkaufslokal von den Angestellten in Anwesenheit ihres Chefs sozusagen unter dessen Augen übernommen werden. Anders aber, wenn das vereinnahmte Geld zunächst in dem Gewahrsam des Angestellten verbleibt und erst zu einem späteren Zeitpunkt, sei es nun täglich (ÖJZ-LSK. 1977/59 zu § 133 StGB.), sei es nun ein- oder zweimal wöchentlich (ÖJZ-LSK. 1978/120 zu § 133 StGB.), mit dem Arbeitgeber verrechnet wird, wobei es auch gar nicht entscheidend ist, ob das Geld vom Angestellten innerhalb der Betriebsräumlichkeiten des Arbeitgebers verwahrt wurde (ÖJZ-LSK. 1977/59 zu § 133 StGB.). Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht festgestellt, daß der Angeklagte mit dem Verkauf von Benzin und anderer Tankstellenware betraut und verpflichtet war, die Erlöse unter Kontrolle des Tankstellenpächters täglich abzuliefern und mitunter über Verlangen - gegen entsprechende Quittung - auch zwischendurch Geldbeträge aus der Tageslosung auszufolgen. Bis dahin standen aber diese Geldbeträge jedenfalls im ausschließlichen faktischen Gewahrsam des Angeklagten ohne jede laufende und unmittelbare Kontroll- und überwachungstätigkeit des Arbeitgebers, die als ein Mitgewahrsam angesehen werden könnte. Daß der Tankstellenpächter, der nach den Feststellungen des Erstgerichtes an der Tankstelle auch gar nicht ständig anwesend war, einen Anspruch auf die vereinnahmten Geldbeträge hatte, verschafft ihm noch keinen Mitgewahrsam an ihnen. Der vom Erstgericht relevierte Umstand schließlich, daß der Angeklagte keine Verfügungsmacht über die Tageslosung hatte, ist rechtlich irrelevant, da es für den Begriff des Anvertrauens nur auf die überlassung der faktischen Innehabung ankommt.

Es war sohin in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Schuldspruch zu Punkt I/1 des Urteilssatzes, in der rechtlichen Beurteilung der dem Angeklagten gemäß den Punkten I/ und II/

des Urteilssatzes zur Last fallenden strafbaren Handlungen und im Strafausspruch aufzuheben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst zu erkennen.

Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen.

Durch die geänderte rechtliche Beurteilung des Urteilsfaktums I/1 entfällt nunmehr bei dem dem Angeklagten zur Last liegenden Diebstahl gegenüber dem Ersturteil die Qualifikation nach dem § 127 Abs. 2 Z. 3 StGB., hingegen qualifiziert sich die ursprünglich nur dem § 133 Abs. 1 StGB.

unterstellte Veruntreuung jetzt auch noch nach dem ersten Deliktsfall des zweiten Absatzes dieser Gesetzesstelle. Die Vorgangsweise erfordert eine Neubemessung der Strafe, welche (allerdings wie schon bisher) nach dem Strafsatz des § 129 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB.

vorzunehmen war.

Bei der Strafbemessung waren erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art sowie die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, mildernd hingegen die besonders verlockende Gelegenheit, das zu allen bis auf ein Faktum abgelegte Geständnis und die Selbststellung des Angeklagten. Insbesondere aber war darauf Bedacht zu nehmen, daß der Angeklagte wiederholt das ihm (auch als Vorbestraftem) entgegengebrachte Vertrauen - wie (nach dem Inhalt der Vorstrafakten AZ. 2 c Vr 2750/71 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) schon früher - gröblich mißbraucht und dadurch Menschen geschädigt hat, die ihm in beispielhafter Gesinnung Gutes erwiesen und die Möglichkeit eines redlichen und rechtschaffenen Fortkommens eröffnet haben. Der Oberste Gerichtshof vermeint, daß eine Freiheitsstrafe von zweieinviertel Jahren dem Unrechtsgehalt der strafbaren Handlungen und dem Verschulden des Angeklagten entspricht und für einen Resozialisierungsversuch an dem nunmehr bald 30-jährigen Angeklagten ausreicht, in dieser Dauer aber hiezu auch unbedingt erforderlich ist.

Die Aussprüche gemäß den § 38, 366 und 369 StPO.

waren aus dem Ersturteil zu übernehmen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu

verweisen.

Die Verpflichtung des Angeklagten zum Kostenersatz gründet sich auf die § 389 und 390 a StPO.

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