OGH 13Os91/78

OGH13Os91/789.11.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.November 1978 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Loesch als Schriftführers in der Strafsache gegen Erwin A wegen des Finanzvergehens nach den § 33 Abs. 1 und 3 (lit. a) sowie 12 FinStrG. über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengerichtes vom 23. Februar 1978, GZ. 11 b Vr 30/76-19, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Roessler und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil zur Gänze aufgehoben und 1) gemäß dem § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt, daß der Angeklagte vom dem Punkt 1 des Schuldspruchs zugrundeliegenden Anklagevorwurf der Hinterziehung von Abgaben im Gesamtbetrag von 69.293 S in den Jahren 1970 bis 1972 gemäß dem § 214 FinStrG. wegen Unzuständigkeit der Gerichte freigesprochen wird, 2) im übrigen (wegen Beteiligung an der Abgabenhinterziehung des Günther und des Eduard B in den Jahren 1972 bzw. 1973 mit einer Abgabenverkürzung von 43.851 S, Punkt 2 des Schuldspruchs) gemäß dem § 288 Abs. 2 Z. 1

StPO die Sache (in diesem Umfang) zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Gerichtshof erster Instanz zurückverwiesen. Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Weingroßhändler und Sekterzeuger Erwin A des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 und 3 (lit. a) FinStrG., teils als Beteiligter im Sinn des § 11 leg.cit., schuldig erkannt.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9 lit. a, b und c des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt. Nach den wesentlichen Urteilsannahmen hatte der Angeklagte als abgabenpflichter Weingroßhändler und Sekterzeuger in den Jahren 1970 bis 1972 vorsätzlich unrichtige und unvollständige Steuererklärungen abgegeben und hiedurch Abgabenverkürzungen (an Umsatz- und Gewerbesteuer sowie an Sonderabgaben von alkoholischen Getränken) in der Gesamthöhe von 69.293 S bewirkt (Punkt 1 des Schuldspruchs). Als Kaufpreis für drei von der Firma Engelbert B in Bregenz erworbene (und nur bei diesem Unternehmen beziehbare) Sekttanks leistete der Angeklagte in den Jahren 1972 und 1973 sogenannte 'Schwarzzahlungen' in der Höhe von 380.000 S, die weder in seinen Büchern noch in jenen der Firma B aufschienen, 'sodaß die Abgabenbehörden davon keine Kenntnis erhalten sollten'. Die solcherart durch vorsätzlichen Tatbeitrag des Beschwerdeführers von Eduard und Günther B, die u.a. deshalb vom Landesgericht Feldkirch (mit dem rechtskräftigen Urteil vom 13.Oktober 1977, GZ. 13 a Vr 1.409/77-91) wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a und b (Abs. 3) FinStrG. verurteilt wurden, für die Jahre 1972 und 1973 hinterzogene Umsatz- und Einkommensteuer betrug insgesamt 43.851 S (Punkt 2 des Schuldspruchs). In der letzteren Abgabenverkürzung weicht das Urteil von der vom Ankläger in der Hauptverhandlung erklärten Modifikation der Anklage ab, wonach sich dieser Abgabenbetrag aus Umsatzsteuer (20.900 S) und aus Gewerbesteuer (22.951 S) zusammensetze (S. 86, 94 f.).

Rechtliche Beurteilung

Zum Teil, wiewohl nur im Ergebnis, begründet ist die Rechtsrüge, soweit sie aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO Mangel der gerichtlichen Zuständigkeit geltend macht. Vorweg zu beachten ist zu Punkt 2) des Schuldspruchs, daß sowohl das Strafverfahren gegen Eduard und Günther B (AZ. 13 a Vr 1.409/74 des Landesgerichtes Feldkirch) als auch das (am 20.März 1975 aus diesem Verfahren gemäß dem § 57 StPO ausgeschiedene) Verfahren gegen den Beschwerdeführer vor dem Inkrafttreten der Finanzstrafgesetznovelle 1975 (1.Jänner 1976) anhängig wurde (vgl. S. 8 der gegenständlichen Akten und Bd. I, S. 2 f. und ON. 15 der Akten AZ. 13 a Vr 1.409/74 des Landesgerichtes Feldkirch) und deshalb für die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit auch die übergangsbestimmungen des § 3 des Art. VII der Finanzstrafgesetznovelle 1975 maßgeblich sind. Entgegen der Ansicht der Beschwerde zieht die gerichtliche Zuständigkeit für die Eduard und Günther B zur Last liegenden Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 und 2 lit. a und b (Abs. 3) FinStrG. (mit jeweils 150.000 S übersteigenden strafbestimmenden Wertbeträgen /§ 53 Abs. 1 lit. e, Abs. 3 FinStrG. in der gemäß dem Art. VII, § 3 Abs. 2 FinStrG-Novelle 1975 anzuwendenden a.F. /; vgl. Urteil ON. 91 in AZ. 13 a Vr 1.409/74 des Landesgerichtes Feldkirch) auch die gerichtliche Zuständigkeit für die an der Abgabenhinterziehung des Eduard und Günther B im Sinn des § 11 FinStrG. Beteiligten, somit auch für den Beschwerdeführer (Punkt 2 des Schuldspruchs) nach sich. Denn nach dem § 53 Abs. 4 FinStrG. n.F. (der insoweit mit § 53 Abs. 7 a.F. übereinstimmt) ist das Verfahren u.a. gegen Täter und andere vorsätzlich an der Tat Beteiligte bei Gericht durchzuführen, wenn auch nur bei einer dieser Personen die gerichtliche Zuständigkeit gegeben ist. Für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung kommt es nicht auf die prozessuale Stellung der erwähnten Personen als im selben Verfahren Beschuldigte und mit demselben Urteil Verurteilte an, sondern nur auf ihre materiellrechtliche Position (als Täter und Beteiligte), die durch eine getrennte Führung oder einen getrennten Abschluß des Strafverfahrens nicht verloren geht (EvBl. 1965/122; Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, S. 24 f. zu § 53 FinStrG.).

Deshalb sind jene Beschwerdeausführungen, welche für die dem Beschwerdeführer unter Punkt 2) des Schuldspruchs zur Last liegende Beteiligung an der Abgabenhinterziehung durch Günther und Eduard B die finanzbehördliche Zuständigkeit (§ 53 Abs. 6 n.F. = Abs. 10 a.F. FinStrG.) behaupten, nicht im Recht.

Es fehlt jedoch an der gerichtlichen Zuständigkeit für die vom Angeklagten (als unmittelbarem Täter) begangene Abgabenhinterziehung laut dem Punkt 1) des Schuldspruchs, weil weder die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge im gesamten Veranlagungszeitraum (1970 bis 1972) 150.000 S überstieg (sondern nur 69.293 S betrug), noch der strafbestimmende Wertbetrag in einem der Veranlagungsjahre höher als 50.000 S war, sodaß sich die Klärung der Frage, ob der strafbestimmende Wertbetrag sich auf mehr als ein Drittel des gesamten jährlichen Abgabenbetrages belief, erübrigt (§ 53 Abs. 1 lit. e, Abs. 3 lit. b, Abs. 4 FinStrG. a.F.

in Verbindung mit Art. VII § 3 Abs. 2 FinStrG-Novelle 1975; vgl. auch Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch a.a.O., S. 16, 19 f.). Eine dem § 53 Abs. 3 FinStrG. (n.F.), wonach das Gericht auch zur Ahndung von mit gerichtlich strafbaren Finanzvergehen zusammentreffenden anderen Vergehen - wie hier die Beteiligung an der Abgabenhinterziehung laut Punkt 2) des Schuldspruchs mit der Abgabenverkürzung laut dessen Punkt 1) - zuständig ist, wenn alle diese Vergehen in die örtliche und sachliche Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde fallen, analoge Konnexitätsbestimmung war dem Finanzstrafgesetz bis zur FinStrG-Novelle 1975

fremd und kann daher gemäß Art. VII § 3 Abs. 1 und 2 dieser Novelle auf vor dem 1.Jänner 1976 anhängige Verfahren nicht angewendet werden (11 Os 66/76). Abgesehen davon, würde es vorliegend an der für die Konnexitätszuständigkeit vorausgesetzten örtlichen und sachlichen Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde fehlen. Zufolge Unzuständigkeit der Gerichte zur Ahndung der Abgabenhinterziehung laut dem Punkt 1) des Tenors des Ersturteils war der Angeklagte somit insoweit gemäß dem § 214

FinStrG. von der Anklage freizusprechen.

Zum verbleibenden Faktum Punkt 2) des Schuldspruchs:

Begründet ist die Beschwerde ebenso, insofern sie sich der Sache nach aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 5

des § 281 Abs. 1 StPO gegen die erstgerichtliche Annahme einer durch das Verhalten des Beschwerdeführers bewirkten Verkürzung von Einkommensteuer (neben der Umsatzsteuer) wendet.

Wie bereits erwähnt, wurde vom Vertreter der Anklagebehörde in der Hauptverhandlung vom 23.Februar 1978 in Modifizierung der Anklage der verkürzte Abgabenbetrag von insgesamt 43.851 S in den Betrag von 20.900 S an Umsatzsteuer und 22.951 S an Gewerbesteuer aufgeschlüsselt. Diese Anklagemodifizierung beruht offenbar auf einer entsprechenden Bekanntgabe des informierten Vertreters des Finanzamtes Gänserndorf in der Hauptverhandlung (S. 86). Unerörtert blieb vom Erstgericht, aus welchen Gründen es diese Angaben des Vertreters der Finanzbehörde außer acht ließ und als Komponente des Verkürzungsbetrages, außer der Umsatzsteuer, Einkommensteuer annahm: Der Aktenlage nach kann weder ausgeschlossen werden, daß es sich bei den vorerwähnten Angaben um eine irrtümliche Benennung der Steuer handelt (statt Einkommensteuer Gewerbesteuer; vgl. jedoch auch die vorangegangene Note des Finanzamtes Bregenz vom 23. April 1975, ON. 4 d.A., in welcher die gleiche Abweichung enthalten ist), noch daß dem Erstgericht ein Irrtum im umgekehrten Sinn (Annahme der Einkommensteuer statt der Gewerbesteuer) unterlief, zumal auch außer den erwähnten Angaben des Vertreters der Finanzbehörde den Akten eine ziffernmäßige Detaillierung des gesamten Verkürzungsbetrages nicht zu entnehmen ist. Die Klärung dieser Frage ist deshalb entscheidungswesentlich, weil nach dem Inhalt des (rechtskräftigen) Urteils des Landesgerichtes Feldkirch vom 13.Oktober 1977, GZ. 13 a Vr 1.409/74-91, sowie auch - worauf der Beschwerdeführer zutreffend verweist - der Betriebsprüfungsakten des Finanzamtes Bregenz (wonach sich auf Grund der Betriebsprüfung, also unter Einbeziehung der gegenständlichen 'Schwarzzahlungen', für das Jahr 1972 zufolge einer Gewerbesteuerherabsetzung von 22.647 S keine Gewerbesteuerschulden ergaben /TZ 56, S. 33 der Finanzakten, Steuer-Nr. 150/0897 /) durch die Haupttäter Eduard und Günther B Gewerbesteuern in dem fraglichen Zeitraum nicht hinterzogen wurden, demnach auch der Beschwerdeführer nicht als Beteiligter verantwortlich sein könnte.

Eine Anklageüberschreitung (§ 281 Abs. 1 Z. 8 StPO) - der vom Beschwerdeführer diesfalls herangezogene Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. c leg.cit. betrifft die hier nicht in Zweifel zu ziehende formelle Anklageberechtigung -

würde im Fall einer - der Aktenlage gemäßen und zutreffend begründeten - Annahme der Verkürzung von Einkommensteuer trotz der anderslautenden Modifizierung der Anklage allerdings nicht vorgelegen sein. Die Anklage würde nur dann überschritten, wenn das Urteil den Angeklagten eines Verhaltens schuldig erkennt, das nicht Gegenstand der Anklage war. Vorliegend bildet Gegenstand der Anklage die Beteiligung des Beschwerdeführers an der Abgabenhinterziehung anderer durch sogenannte 'Schwarzzahlungen' in der Höhe von 380.000 S, wobei sich der darauf entfallende Hinterziehungsbetrag auf insgesamt 43.851 S belaufen soll. Bei der Frage der abgabenrechtlichen Qualifikation der Komponenten dieses Hinterziehungsbetrages wäre das Gericht jedoch nicht an die Benennung durch die Anklagebehörde gebunden. Denn eine gerichtliche Bindung an die Anklageschrift besteht nur in der Individualisierung, nicht aber der Konkretisierung der Straftat (vgl. auch Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2 Nr. 1 bis 6, 18 bis 23, 25, 26, 29 ff., 55 zu

§ 262

StPO, Nr. 4 zu § 281 Abs. 1 Z. 8 StPO).

Da das angefochtene Urteil aber in seinem Ausspruch über entscheidende Tatsachen, nämlich zur Frage, ob und welche Abgabenverkürzung - außer jener der Umsatzsteuer -

durch das Verhalten des Beschwerdeführers bewirkt wurde, mit dem erwähnten Begründungsmangel im Sinn der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist, der eine neuerliche Verhandlung in erster Instanz notwendig macht (§ 288 Abs. 2 Z. 1 StPO), ist ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen entbehrlich.

Sollte sich im zu erneuernden Verfahren ergeben, daß durch die anklagegegenständliche 'Schwarzzahlung' von 380.000 S eine Verkürzung nicht nur von Umsatzsteuer, sondern auch von Einkommensteuer bewirkt wurde, so wird es zur Klärung der subjektiven Tatseite einer Auseinandersetzung mit der - in der Nichtigkeitsbeschwerde wiedergegebenen - Verantwortung des Beschwerdeführers bedürfen, wonach er überzeugt gewesen sei, daß Eduard und Günther B sich in finanziellen Schwierigkeiten befanden und ihr Unternehmen keinen Reingewinn aufwies, weshalb er gutgläubig davon ausging, daß eine Verkürzung an Einkommensteuer nicht stattfinde. Anders als für die Umsatzsteuer, bei welcher die Leistung einer 'Schwarzzahlung', die in den Büchern nicht aufscheinen soll, unter Umständen die Annahme indizieren kann, daß auch der Zahlende solcherart eine durch die Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eintretende Abgabenverkürzung zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand (§ 5 Abs. 1 StGB), wäre in bezug auf die Einkommensteuer die erwähnte Verantwortung des Beschwerdeführers beachtlich und der Schluß auf das voluntative und intellektuelle Vorsatzelement allein aus der Tatsache der sogenannten 'Schwarzzahlung' keinesfalls ausreichend begründet.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte