OGH 11Os158/78

OGH11Os158/7831.10.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Oktober 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Goldmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf A und andere wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls nach den § 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 128 Abs. 2 StGB über die vom Angeklagten Rudolf A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21.Juli 1978, GZ. 5 a Vr 2391/78-37, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Berufung des Angeklagten Johann A nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, der Ausführungen des Verteidigers der Angeklagten Rechtsanwalt Dr. Philipp und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Rudolf A wird verworfen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird jedoch gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil im Ausspruch über die Vorhaftanrechnung bei Rudolf A dahin ergänzt, daß diesem Angeklagten gemäß dem § 38 Abs. 1 StGB auch die Vorhaft vom 30.März 1978, 14,25 Uhr, bis 7.April 1978, 15,30 Uhr, auf die Strafe angerechnet wird. Den Berufungen beider Angeklagten wird Folge gegeben und die über sie verhängten Freiheitsstrafen wie folgt herabgesetzt: beim Angeklagten Rudolf A auf 2 1/2 Jahre, beim Angeklagten Johann A auf 20 Monate.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 14.März 1957 geborene Marktfahrer Rudolf A und der am 12.Juni 1958 geborene Musiker Johann A des Verbrechens des schweren Diebstahls nach den § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 2 StGB schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Gemäß dem § 38 Abs. 1 StGB wurde beim Angeklagten Rudolf A die Vorhaft vom 7.April 1978, 15,30 Uhr, bis 21.Juli 1978, 13 Uhr, auf die Strafe angerechnet.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen haben die Angeklagten am 14. März 1978 in Wien mit dem Jugendlichen Viktor B und einem weiteren bisher nicht ausgeforschten Beteiligten (angeblich Rudolf C) vereinbart, aus der Wohnung der Eheleute Simon und Ingeborg D - des Schwagers und der Schwester Viktor B - Schmuck zu stehlen. Die Tat wurde am selben Tag in der Weise verübt, daß die vier Täter in einem PKW.

zum Wohnhaus der Familie D fuhren, wo die Angeklagten Rudolf und Johann A in unmittelbarer Nähe des Tatortes im PKW. verblieben, während Viktor B in der ebenerdig gelegenen Wohnung seiner Schwester und seines Schwagers eine - samt Inhalt im Eigentum des letzteren stehende - Kassette mit Schmuck im Gesamtwert von mindestens ca. 174.000 S sowie 26.000 S Bargeld in einem unbewachten Augenblick (unrechtmäßig) an sich brachte und sodann durch ein Fenster dem vor der Wohnung wartenden unbekannten vierten Täter reichte, der sich mit der Beute zum PKW. zurückbegab und diese den beiden Angeklagten aushändigte. Aus dem Erlös der von ihnen in der Folgezeit verkauften gestohlenen Schmuckstücke übergaben die Angeklagten Rudolf und Johann A Viktor B und dem vierten Täter je 6.500 S. Den Rest der Beute bzw. des Erlöses behielten die Angeklagten 'für sich'. Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Rudolf A.

Mit ihren Berufungen streben dieser Angeklagte sowie der Angeklagte Johann A eine Herabsetzung des Strafausmaßes an.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung nicht zu. Mit dem Vorwurf einer unzureichenden Begründung im Sinne der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO rügt der Beschwerdeführer, daß die nur aus dem Urteilstenor, nicht aber aus den Gründen sich ergebende Feststellung des Gewahrsams des Simon D an den gestohlenen Sachen sowie auch jene dessen Eigentums an diesen einer Begründung entbehren und im Widerspruch zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens stünden. Die gestohlenen Gegenstände seien 'primär' im Gewahrsam der Frau des Simon D, welcher zur Tatzeit verreist gewesen sei, gestanden. Der Aussage Simon D nach sei der gestohlene Schmuck zum Teil in seinem, zum Teil im Eigentum seiner Gattin gestanden (vgl. S. 261). Da es sich bei Frau D um die Schwester Viktor B, der deshalb zum privilegierten Personenkreis des § 166 Abs. 1 StGB gehöre, handle und gemäß dem Absatz 2 dieser Gesetzesstelle 'auch die an einem Diebstahl im Sinne des § 12 StGB Beteiligten nach § 166 StGB zu bestrafen seien', hätten die im Eigentum von Frau D gestandenen Sachen bei der Wertberechnung nicht herangezogen werden dürfen. Bei der Annahme, daß die Sachen im Gesamtwert von 200.000 S sich im Hälfteeigentum der Eheleute D befunden haben, ergebe sich kein (den Strafsatz des § 128 Abs. 2 StGB begründendes) übersteigen der Wertgrenze von 100.000 S. Die gegenteilige Feststellung des Alleineigentums Simon D habe das Erstgericht nicht begründet. Die Rüge versagt.

Im vorliegenden Fall ist es nämlich, - für die rechtliche Unterstellung der Tat des Angeklagten Rudolf und Johann A sowie für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes - nicht entscheidungswesentlich, ob und inwieweit die gestohlenen Sachen im Eigentum des Simon D oder dessen Frau standen. Denn nach dem § 166 Abs. 2 StGB ist - was der Beschwerdeführer übersieht - nur der ausschließlich zum Vorteil (also uneigennützig) an der Tat eines anderen, der zum Verletzten in einer der im Abs. 1

leg.cit. genannten Beziehungen steht, beteiligte gleich diesem privilegiert. Wer hingegen, wie die Angeklagten Rudolf und Johann A, einen Teil der Beute für sich beansprucht, ist ohne Rücksicht auf das privilegierende Verhältnis seines Komplizen zu bestrafen (SSt. 46/45;

EvBl. 1977/183).

Deshalb kommt es gegenständlich bei der rechtlichen Unterstellung des Verhaltens der Angeklagten Rudolf und Johann A unter das objektive (Grund-)Tatbild des Diebstahls nur darauf an, ob die Wegnahme der fremden - nicht den Tätern gehörenden - beweglichen Sachen in der Beseitigung fremden Gewahrsams, d.i. die tatsächliche, unmittelbare, nicht durch das Medium einer anderen Person vermittelte Herrschaft über eine Sache, gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers (Leukauf-Steininger 639; ÖJZ-LSK. 1975/19, 20) gelegen ist. Die für diese rechtlichen Kriterien bedeutsame Feststellung, wonach Viktor B der getroffenen Verabredung gemäß aus der Wohnung des Ehepaares D Schmuck zu stehlen, in dieser 'in einem unbewachten Augenblick' die Kassette an sich brachte (S. 273), wird vom Erstgericht auf die Aussagen des Zeugen Viktor B und das letztlich von den Angeklagten abgelegte Geständnis (S. 262 ff., 274 f.) gestützt und ist daher hinreichend begründet.

Der Umstand aber, daß Simon D zur Zeit des Diebstahls (zufällig und vorübergehend) von der Wohnung abwesend war, ist auf die Frage des Gewahrsams ohne Einfluß, weil durch eine solche Abwesenheit die faktische Voraussetzung für die Möglichkeit des Gewahrsamsinhabers über die Sache zu verfügen, nicht beseitigt wurde.

Ein den Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO verwirklichender Begründungsmangel haftet dem Urteil somit nicht an.

Aber auch die den Nichtigkeitsgrund der Z. 10 leg.cit. geltend machende Rechtsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer darzutun versucht, daß sein Tatverhalten nicht unter den Tatbestand des (Gesellschafts-)Diebstahls, sondern unter jenen der Hehlerei zu subsumieren sei, ist verfehlt. Zufolge des festgestellten Einverständnisses mit Viktor B, dessen Begleitung in einem PKW. zum Tatort, des Aufenthaltes in unmittelbarer Nähe des Tatortes während der Tatverübung durch B und der sofortigen übernahme und des Abtransportes (Insicherheitbringens) der Beute durch die Angeklagten hat das Erstgericht deren Beteiligung rechtsrichtig als (Gesellschafts-) Diebstahl (§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 2 StGB) beurteilt (vgl. insbesondere ÖJZ-LSK. 1977/141, 162, 1978/74). Abgesehen davon, daß in dem vom Einverständnis über die Begehung des Diebstahls getragenen Begleiten der übrigen Täter zum Tatort und dem Verweilen in dessen Nähe eine psychische Unterstützung der unmittelbaren Täter und damit ein Tatbeitrag im Sinne des § 12 StGB, dritte Alternative, zu erblicken ist, der zum Gesellschaftsdiebstahl ausreicht (13 Os 118/76), ist der Vollständigkeit halber den Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Annahme (auch) physischer Unterstützung zu erwidern:

Ob der Beschwerdeführer sogenannte 'Aufpasserdienste' geleistet hat, ist nicht von Belang, da es sich diesfalls nur um eine der möglichen, Gesellschaftstäterschaft begründenden Beteiligungsformen am Diebstahl handelt. Ebenfalls Tatbegehung in Gesellschaft eines Beteiligten bedeutet die (bloße), nicht zugleich mit Vorpaßdiensten verbundene, Hilfeleistung beim Wegschaffen der Beute vom Tatort, sohin vor materieller Deliktsvollendung (ÖJZ-LSK. 1977/141). Dies verkennt der Beschwerdeführer, wenn er den Diebstahl als bereits durch die Ansichbringung und Weitergabe der Beute an den vor dem Wohnungsfenster wartenden vierten Täter und den damit verbundenen 'längst stattgefundenen Gewahrsamwechsel' vollendet ansieht.

Mit seinem Einwand, er sei nicht behilflich gewesen, 'die gestohlenen Gegenstände endgültig der Gewahrsame der Bestohlenen zu entziehen', bzw. er habe an der Wegschaffung der Beute (vor Deliktsvollendung) nicht mitgewirkt, weicht der Beschwerdeführer in unzulässiger und daher unbeachtlicher Weise vom Urteilssachverhalt ab.

Denn das Erstgericht hat ausdrücklich festgestellt, daß der vierte, bisher nicht ausgeforschte Täter die Beute den (in unmittelbarer Nähe des Tatortes im PKW. wartenden) Brüdern A (somit auch dem Beschwerdeführer) übergab und diese in der Folgezeit die Schmuckstücke veräußerten.

In diesen Konstatierungen ist jedoch (denkfolgerichtig) auch die Feststellung des Wegschaffens der Beute durch die Angeklagten vom Tatort enthalten (vgl. S. 274, 277 unten).

Aus den angeführten Erwägungen war der sohin zur Gänze unbegründeten

Nichtigkeitsbeschwerde der Erfolg zu versagen.

Zur Maßnahme nach dem § 290 Abs. 1 StPO:

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Rudolf A war jedoch von Amts wegen wahrzunehmen, daß das Urteil im unbekämpften Ausspruch über die Vorhaftanrechnung gemäß dem § 38 Abs. 1 StGB mit einer sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkenden Nichtigkeit im Sinne der Z. 11 des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist. Denn der Aktenlage nach war diesem Angeklagten die gesamte Vorhaft sohin nicht erst ab dem 7. April 1978, 15,30 Uhr, sondern schon seit dem 30.März 1978, 14,25 Uhr (S. 133, 135, 145, 157, 163) auf die Strafe anzurechnen gewesen. Das Erstgericht verhängte gemäß dem § 128 Abs. 2

StGB über den Angeklagten Rudolf A eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 Jahren und über den Angeklagten Johann A, unter Bedachtnahme gemäß den § 31 und 40

StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. Juni 1978, 5 a E Vr 2684/78, eine zusätzliche Freiheitsstrafe in der Dauer von 26 Monaten. Dabei wertete es bei beiden Angeklagten als mildernd deren Geständnis, durch das sie wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen haben, eine teilweise, wenn auch nur geringfügige Zustandebringung des Diebsgutes sowie ihr Alter unter 21 Jahren zur Tatzeit, als erschwerend ihre einschlägigen Vorstrafen sowie den auch im Rahmen des § 128 Abs. 2 StGB als ziemlich hoch zu bezeichnenden Schaden.

Mit ihren getrennt ausgeführten Berufungen begehren beide Angeklagte die Herabsetzung der über sie verhängten Freiheitsstrafen. Ihr Begehren ist berechtigt.

Die vom Erstgericht angeführten Strafzumessungsgründe sind insofern richtigzustellen, als bei der gegebenen Strafsatzqualifikation von 100.000 S die Schadenshöhe von 200.000 S nicht als zusätzlicher Erschwerungsgrund zu werten und daß beiden Angeklagten als zusätzlicher Milderungsgrund der Umstand zugute zu halten ist, daß die Initiative zum Diebstahl von Viktor B ausging.

Hingegen kann weder von einer geringen Tatbeteiligung der Angeklagten, noch auch vom Fehlen eines direkten Vorsatzes hinsichtlich des Werts der gestohlenen Gegenstände, noch auch von einer besonders verlockenden Gelegenheit als weitere Milderungsumstände gesprochen werden.

So gesehen erweist sich eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf das nunmehr verhängte Ausmaß dem Unrechtsgehalt der Tat wie auch der Schuld der Täter adäquat.

Der Kostenausspruch beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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