OGH 7Ob607/78

OGH7Ob607/7821.9.1978

SZ 51/130

Normen

HGB §171 Abs1
HGB §172 Abs3
HGB §174
HGB §171 Abs1
HGB §172 Abs3
HGB §174

 

Spruch:

Die Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern bezieht sich auf die in das Handelsregister eingetragene Hafteinlage und nicht auf die im Innenverhältnis vereinbarte Pflichteinlage. Diese Haftung ist unabhängig von der Vereinbarung einer Bedingung oder Stundung und von der Befreiung im Innenverhältnis etwa wegen eines pflichtwidrigen Verhaltens der Gesellschaft. - Wegen Ansprüchen, die nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis stammen, stehen auch dem Mitgesellschafter die Gläubigerrechte gegen den Kommanditisten voll zu

OGH 21. September 1978, 7 Ob 607/78 (OLG Innsbruck 2 R 78/78; LG Feldkirch 6 Cg 3729/77)

Text

Die Streitteile sind Kommanditisten der H-Gesellschaft m. b. H. und Co. KG in P,und zwar der Beklagte auf Grund der Eintragung ins Handelsregister vom 12. Feber 1974 mit einer Einlage von 3 Mill. S und der Kläger seit 29. April 1977. Die Kommanditgesellschaft schuldet dem Kläger auf Grund eines gerichtlichen Vergleiches vom 2. September 1977 den Klagsbetrag als Entgelt für Arbeitsleistungen. Der Beklagte hat seine Kommanditeinlage in mindestens dieser Höhe noch nicht eingezahlt. Der Kläger nimmt deshalb seine Haftung nach § 171 HGB in Anspruch.

Der Erstrichter gab der Klage statt. Nach seinen Feststellungen erfolgte der Beitritt des Beklagten als Kommanditist mit der Zeichnungs- und Beitrittserklärung vom 22. Jänner 1974 in Verbindung mit den einen integrierenden Bestandteil dieser Erklärung darstellenden Schreiben des Beklagten und der Gesellschaft je vom 22. Jänner 1974. Danach verpflichtete sich die Gesellschaft, dem Beklagten im Rahmen des Gesamtprojektes M Aufträge für Erd-, Baumeister- und Zimmermannsarbeiten in Höhe von 12 Mill. S zu erteilen. Die Kommanditeinlage des Beklagten sollte 25% des Auftragsvolumens betragen und sich bei Verringerung desselben im gleichen Umfange reduzieren. Die Bezahlung der Kommanditeinlage sollte in der Art erfolgen, daß bei Rechnungslegung des Beklagten jeweils 25% als Kommanditbeteiligung verrechnet und der Rest von 75% zuzüglich Mehrwertsteuer an den Beklagten ausbezahlt wird. Die Gesellschaft konnte ihr Projekt der Errichtung einer Seilbahn bisher nicht ausführen und hat dem Beklagten noch keine Bauaufträge erteilt. Er hat auch keine Kommanditeinlage geleistet. Der Kläger war vor seinem Eintritt als Kommanditist zunächst vom 1. April 1974 bis 30. September 1975 als Angestellter der "technische Projektieiter" der Gesellschaft und dann deren freier Mitarbeiter. Seine Forderung gegen die Kommanditgesellschaft stammt aus Ansprüchen auf Grund dieser Arbeitsleistungen. Die von ihm noch zu entrichtende restliche Kommanditeinlage von 150 000 S ist ihm von der Gesellschaft bis 31. Dezember 1978 zinsenlos gestundet.

Nach der Rechtsansicht des Erstrichters wurde (auch) dem Beklagten mit der anläßlich seines Eintritts als Kommanditist getroffenen Vereinbarung der Anrechnung je eines Viertels der Rechnungsbeträge aus erteilten Bauaufträgen die Kommanditeinlage gestundet, doch brauche der Kläger als Gesellschaftsgläubiger diese Stundung gemäß § 172 Abs. 3 HGB nicht gegen sich gelten zu lassen, zumal es sich bei der Forderung des Klägers um einen außergesellschaftlichen, nämlich von seiner gesellschafterlichen Beteiligung unabhängigen Anspruch handle. Auch die eigene offene Verbindlichkeit des Klägers gegenüber der Gesellschaft ändere an diesem Gläubigerrecht nichts.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es trat der rechtlichen Beurteilung des Erstrichters bei, zumal die sogenannte Unbekanntheitsvermutung des § 15 HGB dem Beklagten schon deshalb nicht zugute komme, weil eine nach § 172 Abs. 3 HGB unwirksame Vereinbarung nicht registerfähig sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach § 171 Abs. 1 HGB haftet der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft bis zu Höhe "seiner Einlage" unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist. Nach § 172 Abs. 1 HGB wird im Verhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft nach der Eintragung in das Handelsregister die Einlage eines Kommanditisten durch den in der Eintragung angegebenen Betrag bestimmt. Eine Vereinbarung der Gesellschafter, durch die einem Kommanditisten die Einlage erlassen oder gestundet wird, ist nach § 172 Abs. 3 HGB den Gläubigern gegenüber unwirksam. Auch eine Herabsetzung der Einlage eines Kommanditisten ist gemäß § 174 HGB den Gläubigern gegenüber unwirksam, solange sie nicht in das Handelsregister eingetragen ist.

Schon das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß sich die Bestimmungen über die Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf die in das Handelsregister eingetragene Hafteinlage beziehen, die von der im Innenverhältnis vereinbarten Pflichteinlage zu unterscheiden ist und mit ihr nicht übereinstimmen muß (Hämmerle - Wünsch, Handelsrecht II[3], 160, 171; RGRHGB[3]II/2, 127, 198; Schlegelberger, HGB[4]II, 1333 ff., 1376, 1378; HS 1435). Bis zum Betrag der Hafteinlage hat der Kommanditist den Gesellschaftsgläubigern gegenüber zu haften versprochen, und insoweit ist nach § 172 Abs. 3 HGB jede gegenteilige Vereinbarung den Gläubigern gegenüber unwirksam. Da nur die Haftsumme ins Handelsregister eingetragen wird (Hämmerle - Wünsch a. a. O.), kann sich die Außerstreitstellung der Parteien, daß der Beklagte mit einer "Einlage" von 3 Mill. S als Kommanditist eingetragen ist, nur hierauf beziehen. Es ist dann aber gleichgültig, ob und welche Vereinbarungen es dem Beklagten im Innenverhältnis der Gesellschaft erlauben, diese Hafteinlage oder auch die (mit ihr übereinstimmende oder nicht übereinstimmende) Pflichteinlage, zu deren Einbringung in das Gesellschaftsvermögen er sich mit Gesellschaftsvertrag verpflichtet hat, vorläufig nicht zu leisten. Selbst wenn die Erteilung von Bauaufträgen hiefür als Bedingung vereinbart worden wäre (wie es der Beklagte in erster Instanz behauptete), könnte eine solche Abrede dem Gesellschaftsgläubiger gegenüber keine Wirkung haben, weil die Haftung des Kommanditisten bis zur Höhe der im Handelsregister eingetragenen Hafteinlage nach den §§ 171 Abs. 1 und 172 Abs. 3 HGB nur durch die tatsächliche Leistung der Einlage ausgeschlossen wird; diese Haftung ist im Verhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft zwingendes Recht (Hämmerle - Wünsch, 171). Die Befreiung von der Haftung tritt deshalb auch dann nicht ein, wenn der Kommanditist im Innenverhältnis von der Leistungspflicht etwa wegen eines pflichtwidrigen Verhaltens der Gesellschaft, zum Beispiel wegen ihres Verzuges, befreit ist (RGRHGB, 2000). Er kann sich insbesondere auch nicht darauf berufen, daß Leistungen an die Gesellschaft noch nicht fällig seien (Schlegelberger, 1381).

Die Behauptung des Revisionswerbers, nach der zwischen ihm und der Gesellschaft getroffenen Vereinbarung liege nicht bloß eine Stundung der Einlage vor, sondern es sei sein Eintritt als Kommanditist von der Erteilung der Bauaufträge abhängig gemacht worden, so daß er mangels Erteilung solcher Aufträge "noch gar nicht Kommanditist" sei, geht nicht nur über das erstinstanzliche Vorbringen hinaus und ist deshalb eine unzulässige Neuerung; sie steht überdies im Widerspruch zur Eintragung im Handelsregister, die im hier maßgeblichen Punkt nach § 172 Abs. 3 HGB allein entscheidet.

Daß die Ansprüche des Klägers nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis stammen, gesteht der Revisionswerber zu. Unter dieser Voraussetzung stehen aber auch dem Mitgesellschafter die Gläubigerrechte gegen den Kommanditisten voll zu (RGRHGB, 197). Die Behauptung, der Kläger verstoße mit der Geltendmachung seines Anspruches gegen Treu und Glauben, ist deshalb verfehlt. Ebenso hat schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt, daß die Kenntnis des Klägers von der Vereinbarung der Abstattung der Kommanditeinlage im Verrechnungswege für den Klagsanspruch ohne Bedeutung ist, weil dadurch das Haftungsversprechen gegenüber den Gläubigern nicht berührt wird, das vielmehr wirksam nur durch eine Herabsetzung der Einlage des Kommanditisten im Wege der Eintragung ins Handelsregister (§ 174 HGB) beschränkt werden könnte.

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