OGH 5Ob580/78

OGH5Ob580/789.5.1978

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold, Dr. Griehsler, Dr. Winklbauer und Dr. Jensik als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz A. S*****, vertreten durch Dr. Ewald Weninger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Dipl.-Lw. Gabor S*****, 2.) Georg S*****, beide vertreten durch Dr. Fritz Leon, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 250.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 14. Oktober 1977, GZ 4 R 145/77-21, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. März 1977, GZ 28 Cg 39/77-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 8.038,83 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 640 S Barauslagen und 548,03 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger und der Zweitbeklagte haben im Frühjahr 1975 den Erstbeklagten und Vincent W***** mit der Entscheidung ihren Meinungsverschiedenheiten über ihre wechselseitigen Ansprüche aus einem bestimmten Geschäft beauftragt. Im diesbezüglichen Vertrag ist die Anrufung des (ursprünglich Drittbeklagten) Prof. Dr. Julius M***** als Schiedsrichter für den Fall vorgesehen, dass eine der Parteien des Schiedsvertrags die Entscheidung der Gutachter nicht annehmen sollte.

Mit dem streitverfangenen Teil der vorliegenden Klage begehrt der Kläger 1.) die Feststellung a) dass die „Entscheidung" vom 26. 3. 1976 kein Schiedsurteil ist; b) dass die „Entscheidung" vom 26. 3. 1976 wirkungslos ist und 2.) die „Entscheidung" vom 26. 3. 1976 aufgehoben ist. Das auf Herausgabe des vom Kläger blanco unterfertigten Wechsels gegen den Zweitbeklagten gerichtete Klagebegehren wurde bereits rechtskräftig abgewiesen. Der Kläger bezeichnet den Vertrag über die Einsetzung von Schiedsmännern als Schiedsgutachtervertrag. Er behauptet, die Entscheidung der Schiedsmänner vom 11. 3. 1976 sei ein bloßes Schiedsgutachten gewesen; der „Entscheidung" vom 26. 3. 1976 sei kein Verfahren, geschweige denn eine Anhörung der Parteien vorangegangen. Sie sei auch weder vom Schiedsrichter (dem zunächst Drittbeklagten) Prof. Dr. Julius M***** noch den Schiedsgutachtern gefällt worden, sondern nur durch Mitunterfertigung des seinerzeit Drittbeklagten zustandegekommen. Dieses Schreiben stelle kein Schiedsurteil dar. Zur ersten Tagsatzung erschienen nur der Erst- und Zweitbeklagte. Sie bestritten das Klagebegehren und beantragten kostenpflichtige Klagsabweisung. Das Erstgericht fällte daraufhin im Sinne des Antrags der beiden Beklagten ein „negatives" Versäumungsurteil. Dieses wurde vom Berufungsgericht mit der Begründung aufgehoben, dass das Vorbringen der erschienenen Partei gemäß § 396 ZPO nur insoweit für wahr zu halten sei, als es nicht durch die vorliegenden Beweise widerlegt werde. Da der Kläger mit der Klage eine Reihe von Urkunden vorgelegt habe, hätte das Erstgericht diese einer Würdigung unterziehen und feststellen müssen, ob und gegebenenfalls inwieweit durch sie das sich allein auf die Bestreitung des Klagsvorbringens beschränkende Vorbringen des Erst- und Zweitbeklagten widerlegt werde.

Im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt, das Berufungsgericht wies es hingegen mit Versäumungsurteil ab. Es stellte aus den vorgelegten Urkunden folgenden Sachverhalt fest:

Im Frühjahr 1975 schloss der Kläger mit dem Zweitbeklagten Georg S***** eine Vereinbarung, die als undatierte „Verpflichtungserklärung" schriftlich fixiert und von beiden Kontrahenten offensichtlich unterfertigt wurde (Beilage ./B). In dieser wurde festgesetzt, dass zur Regelung eines „Streites über Abrechnungen, welche beim Abverkauf des Palais in der Bergmanngasse entstanden sind" zwei Personen ausgewählt wurden, deren Aufgabe es sei, festzustellen, „welche Summe je an den einen, je an den anderen der beiden Brüder" (Franz und Georg S*****) auszubezahlen ist. Einer der beiden Vertrauensmänner war Vincent W*****, der die Interessen des Klägers vertreten sollte. Dieser und der andere Vertrauensmann (der erste Beklagte Dipl.-Lw. Gabor S*****) wählten gemeinsam „Gyula" (Dr. Julius M*****), der auch von den beiden Auftraggebern akzeptiert wurde. Falls die „Entscheidung der beiden Vertreter übereinstimmend ist und von den Brüdern angenommen wird, muss der Schiedsrichter nicht in Anspruch genommen werden."

Aufgrund dieser Vereinbarung übergab der Kläger an Vincent W***** einen Blankowechsel. Dieser war vom Kläger bereits unterfertigt und sollte von Vincent W***** selbst fällig gestellt und eingeklagt werden, wenn ein nach einem ordentlichen Schiedsverfahren ergangener Spruch nicht eingehalten würde.

Mit Schreiben vom 11. März 1976, Beilage ./E, teilten die beiden Vertrauensmänner, die sich hierin als Schiedsrichter bezeichneten, dem Kläger und seinem Bruder mit, dass sie aufgrund der von ihnen durchgeführten Erhebungen zu einer Abrechnung gelangt seien, wonach der Kläger seinem Bruder mit 1. April 1976 einen Betrag von 324.144 S schulde; falls der Kläger diesen Betrag zum Fälligkeitstag zahle, seien damit das Kapital und die Zinsen getilgt; falls der Kläger in Raten bezahle, erhöhe sich die Forderung seines Bruders durch die Zinsen auf 364.595 S; der vom Kläger ausgestellte Blankowechsel verbleibe bis zur Bezahlung in treuhändiger Verwahrung des Schiedsgerichts; bei Zahlungsverzug werde der Wechsel auf die noch offene Schuld des Klägers ausgestellt und an den Bruder des Klägers weitergegeben. Aus diesem Schreiben vom 11. 3. 1976 geht weiter hervor, dass die beiden bestellten Schiedsmänner sich mit folgenden Forderungen und Gegenforderungen befassten

1.) mit einer am 16. 5. 1974 vom Kläger anerkannten Schuld von 265.576 S gegenüber dem Zweitbeklagten;

2.) mit einer Wechselforderung von 65.486 S des Zweitbeklagten an den Kläger, welcher jener mit seinem Schreiben vom 2. 12. 1975 bestätigt habe;

3.) mit einer Forderung von 230.423 S, die dem Kläger gegenüber dem Zweitbeklagten aus der seiner Meinung nach unrichtig erfolgten Aufteilung einer beiden Brüdern im Mai 1971 gemeinsam zugekommenen Summe zustehe. Dazu führten die Verfasser des Schreibens Beilage ./E aus, dass sie nach Überprüfung aller auf diese Angelegenheit bezüglichen Dokumente und Aussagen beider Parteien keinen schlüssigen Beweis des rechtmäßigen Bestehens dieses Schuldanspruchs des Klägers gefunden hätten. Die Zuteilung der betreffenden Summe an die beiden Brüder sei auftragsgemäß durchgeführt worden.

Sodann folgen eine Gegenüberstellung der unter 1.) und 2.) genannten Forderungen sowie Ausführungen über die Verzinsung, die von den Verfassern dieser Entscheidung mit 12 % festgesetzt wurde. Mit Schreiben vom 24. 3. 1976 teilte der Kläger den beiden Vertrauensmännern und Dr. Julius M***** mit, dass er die Entscheidung vom 11. März 1976 nicht anerkenne und dass er die Rückgabe des Blankowechsels oder dessen Übergabe an Dr. M***** verlange. In der Folge erklärten Vincent W*****, Dipl.-Lw. Gabor S***** und Dr. Julius M***** in dem von ihnen gemeinsam unterfertigten Schreiben vom 26. 3. 1976 (bezeichnet mit „Entscheidung des gewählten Schiedsgerichtes"); Beilage ./F, dass sich nur eine Korrektur der Zinsen gegenüber dem Schreiben vom 11. März 1976 ergeben habe, sodass die Schuld des Klägers an seinen Bruder nunmehr 271.650 S (bei Ratenzahlung 328.280 S) betrage. Die zur Bekräftigung der Anerkennung dieses Urteils von den Brüdern ausgestellte Blankowechsel könnten bis zur fristgerechten Zahlung nicht zurückgestellt werden; bei Zahlungsverzug des Klägers werde sein Wechsel auf die noch aushaftende Summe ausgestellt und an den Bruder des Klägers ausgehändigt werden.

Denselben Standpunkt wiederholte Vincent W***** in seinem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 7. 4. 1976, in dem er auch ausdrücklich erklärte, der Wechsel des Klägers werde bei Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Zahlungstermine auf den offenen Betrag ausgestellt und dem Bruder des Klägers ausgehändigt werden. Hiebei betonte Vincent W*****, dass dem Wunsch der Brüder entsprechend ein privates, zur Klärung einer familiären Angelegenheit betrautes, jedoch kein den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Schiedsgericht entschieden habe.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Berufungsgericht das Vorliegen eines gültigen Schiedsvertrags. Gegenstand desselben sei die Schlichtung des Streits der Parteien über wechselseitige Forderungen aus dem Abverkauf des Palais in der B*****gasse gewesen. Die Aufgabe des Schiedsgerichts habe nicht bloß in der Abgabe eines Schiedsgerichts bestanden, sondern es habe wie ein staatliches Gericht über behauptete Forderungen und Gegenforderungen zu entscheiden gehabt. Die offenbar auf § 595 Z 1 ZPO gestützte Anfechtung des Schiedsurteils sei daher nicht gerechtfertigt und Punkt 1.) a) des Klagebegehren somit abzuweisen gewesen. Die weiteren in Richtung des Anfechtungsgrundes nach § 595 Z 2 ZPO abzielenden Behauptungen, dass dem Urteil ein Schiedsverfahren nicht vorausgegangen und dem Kläger das rechtliche Gehör nicht gewährt worden sei, seien bestritten und die gemäß § 396 ZPO anzunehmende Richtigkeit der Bestreitung durch die vorgelegten Urkunden nicht widerlegt worden. Auch treffe es nicht zu, dass das Schreiben vom 26. 3. 1976 seinem gesamten Inhalt nach nicht als Schiedsurteil bezeichnet werden könne. Es weise im Gegenteil alle wesentlichen Merkmale eines Schiedsanspruchs auf, zumal bestimmte Formvorschriften hiefür nicht bestünden und die Person des Berechtigten und Verpflichteten sowie Zeit und Umfang der geschuldeten Leistung zweifelsfrei daraus entnommen werden könnten. Das Schiedsgericht sei auch dem Schiedsvertrag entsprechend besetzt gewesen und der Schiedsspruch trage die erforderliche Unterschrift des Schiedsrichters Dr. Julius M***** sowie - wenn man der Meinung sei, dass auch die beiden vorher allein tätig gewordenen Schiedsrichter an der weiteren Entscheidung mitzuwirken hatten - auch deren Unterschrift. Es liege daher auch der Anfechtungsgrund des § 595 Z 3 ZPO nicht vor. Die Klage sei in Abänderung des Ersturteils abzuweisen gewesen.

Dieses Versäumungsurteil, nach dessen Ausspruch der Wert des Streitgegenstands 2.000 S übersteigt, bekämpft der Kläger mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Ersturteil wiederhergestellt werde, oder es aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungs- oder Erstgericht zurückzuverweisen.

Die beklagten Parteien haben beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Ansicht des Revisionswerbers, es liege kein Schiedsvertrag vor, weshalb bei der Entscheidung vom 26. 3. 1976 auch nicht von einem wirksamen Schiedsspruch gesprochen werden könne, kann nicht gefolgt werden.

§ 577 Abs 1 ZPO definiert den Schiedsvertrag als Vereinbarung, laut welcher die Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit durch einen oder mehrere Schiedsrichter erfolgen solle. Die Willenseinigung der Vertragspartner ist somit nicht auf das streitige Rechtsverhältnis selbst, sondern nur auf dessen verfahrensrechtliche Regelung gerichtet. Schiedsgerichtliche Tätigkeit ist sachlich gesehen Gerichtstätigkeit, Entscheidung an Stelle des ordentlichen Gerichts (Fasching IV, 711). Wie bereits das Berufungsgericht unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung zutreffend ausgeführt hat, ist Gegenstand eines Schiedsgutachtervertrags lediglich die einer oder mehreren Personen übertragene Aufgabe, einzelne Tatbestandselemente oder einzelne Tatsachen festzustellen und allenfalls über die reine Tatsachenfeststellung hinaus den Parteiwillen durch einen entsprechenden Ausspruch zu ergänzen oder zu ersetzen (Fasching aaO 712, Kastner, Außerstreitverfahren, Schiedsgericht und Schiedsmänner, JBl 1950, 563 ff; SZ 11/215, SZ 25/308, RZ 1961, 14, JBl 1955, 503). Demgegenüber ist für das Vorliegen eines Schiedsvertrags wesentlich, dass eine sonst den staatlichen Gerichten obliegende streitentscheidende Tätigkeit über einen vergleichsfähigen Gegenstand (§ 577 Abs 1 ZPO) durch schriftliche Parteienvereinbarung (§ 577 Abs 3 ZPO) einen oder mehreren privaten Schiedsrichtern übertragen wird. Aufgabe der Schiedsrichter ist es somit nur wie Schiedsgutachter, die Tatsachengrundlagen einer allfälligen Streitbereinigung durch die Parteien zu schaffen, sondern selbst die Subsumtion des Sachverhalts unter die Rechtsnorm vorzunehmen und die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen verbindlich festzusetzen (SZ 42/53 = EvBl 1969/360, SZ 39/132). Damit üben die Schiedsrichter nicht mehr eine privatrechtliche, sondern eine ihrem Wesen nach obrigkeitliche Tätigkeit aus (JBl 1955, 473).

Nach der „Verpflichtungserklärung" Beilage ./B war es nicht bloß, wie der Revisionswerber fälschlich behauptet, Aufgabe der Schiedsrichter, den Saldo einer Verrechnung aufgrund unstreitiger Voraussetzungen zu ermitteln, sondern sie hatten den Streit der Parteien über die Abrechnung aus dem Verkauf einer Liegenschaft zu entscheiden und dabei festzustellen, „welche Summe je an den einen, je an den anderen der Brüder auszubezahlen ist". Sie erklärten, sich zu bemühen, aus dem Vorgetragenen festzustellen, welche Zahlungen zu leisten sind. Die Tätigkeit der Schiedsrichter bestand somit in der Entscheidung eines Streits aufgrund festzustellender Tatsachen und im Ausspruch der sich daraus ergebenden Zahlungspflicht des einen oder anderen Teils. Sie hatten also gleich einem Richter über strittige Ansprüche rechtsverbindlich zu entscheiden. Es trifft daher nicht zu, dass die Beilage ./B nur ein bloßer Schiedsgutachtervertrag und kein echter Schiedsvertrag im Sinne des § 577 ZPO ist. Damit erweist sich aber die Anfechtung des Schiedsspruchs nach § 595 Z 1 ZPO wegen angeblichen Fehlens eines Schiedsvertrags als nicht begründet. Auf die übrigen zutreffenden Rechtsausführungen des Berufungsgerichts geht die Revision nicht mehr ein, weshalb hiezu nicht weiter Stellung genommen werden muss. Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigt sich auch ein Eingehen auf den Einwand der mangelnden Passivlegitimation des Erstbeklagten. Das angefochtene Urteil war somit zu bestätigen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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