OGH 1Ob856/52

OGH1Ob856/5220.11.1952

SZ 25/308

Normen

ZPO §577
ZPO §577

 

Spruch:

Wer nur die Grundsätze eines bereits abgeschlossenen Vergleiches im einzelnen durchzuführen hat (Aufteilung von Grundstücken), ist nicht Schiedsrichter, sondern Schiedsmann.

Ein solches Schiedsgutachten ist nur dann für die Parteien bindend, wenn es den Grundsätzen des Vergleiches im wesentlichen entspricht.

Entscheidung vom 20. November 1952, 1 Ob 856/52.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Das Erstgericht erkannte die Beklagten schuldig, in Erfüllung des gerichtlichen Vergleiches vom 30. März 1946, der realen Teilung der den Streitteilen gemeinsam gehörigen Liegenschaft Grundbuch U. EZ. 85 zuzustimmen und das von den Klägern entworfene Teilungsübereinkommen in einverleibungsfähiger Form zu unterfertigen. Die Streitteile, die Geschwister seien, hätten zur Beendigung der zwischen ihnen schwebenden Differenzen den Vergleich vom 30. März 1946 geschlossen, mit dem die Realteilung der Liegenschaft vereinbart worden sei. Durch diese Teilung sollte die Drittklägerin Maria B. ihren Anteil grundsätzlich aus der Waldparzelle 1489/1 und der Ackerparzelle 1490/1 erhalten. Die Erst- und Zweitkläger Franz und Josef F. sollten die an ihre übrigen Besitzungen angrenzenden Grundkomplexe und die Beklagten gemeinsam das Wohn- und Wirtschaftsgebäude in G. 109 und die um dieses Haus gelegene Grundstück bekommen. Im Punkt 4 des Vergleiches sei die wesentliche Bestimmung enthalten, daß sich zur Durchführung des Teilungsübereinkommens alle Beteiligten dem von Ökonomierat Franz G. als gerichtlich beeideten Sachverständigen ermittelten Schätzergebnisse unterwerfen sollten. Grundsätzlich habe jeder der Streitteile einen Realwert in der Höhe eines Sechstels des gesamten Schätzwertes zu bekommen. Bei Uneinigkeit über die Durchführung der Teilung im einzelnen entscheide der vom Sachverständigengesichtspunkt geleitete Schiedsspruch des Sachverständigen. Schließlich sei im Vergleich vom 30. März 1946 noch vereinbart worden, daß bei der wertmäßigen Aufteilung des Besitzes auf jene Grundteile Bedacht zu nehmen sei, die die Erst- und Zweitkläger Franz und Josef F. in Anrechnung auf ihren Erbteil nach dem Vater bereits erhalten hätten. Dasselbe gelte von einem Vorausempfang der Drittklägerin Maria B. in der Höhe von 400 S. Auf Grund des Vergleiches habe der Sachverständige Franz G. ein als Teilungsübereinkommen bezeichnetes Elaborat über die Durchführung der Aufteilung entworfen. Dieses Elaborat bilde die Grundlage des von den Klägern im einzelnen ausgeführten, verbücherungsfähigen Teilungsübereinkommens, das nach deren Begehren die Grundlage der bücherlichen Durchführung sein solle und von den Beklagten zu unterschreiben sei. Aus dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien und dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. K. gehe hervor, daß das Teilungsübereinkommen der Kläger mit dem Elaborat Franz G. durchaus übereinstimme, und zwar sowohl in vermessungstechnischer als auch in grundbuchsrechtlicher Hinsicht. Es seien nur unwesentliche vermessungstechnische Fehler aufgezeigt worden. Was die Funktion Franz G.'s betreffe, sei er als Schiedsrichter anzusehen. Den Parteien sei vor der Anfertigung des als Schiedsspruch anzusehenden Elaborats Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Daß der Schiedsspruch den Parteien noch nicht zugestellt worden sei, mache ihn nicht unwirksam. Auch dann, wenn das Elaborat nicht als Schiedsspruch gewertet werden könnte, wäre es nach Ansicht des Erstgerichtes für die Parteien bindend, weil es im wesentlichen den Vereinbarungen im Vergleich vom 30. März I946 entspreche. Die Beklagten seien daher verpflichtet, das Teilungsübereinkommen, das den Bestimmungen des Vergleiches vom 30. März 1946 entspreche, zu unterfertigen.

Infolge Berufung der Beklagten änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß die Klage abgewiesen wurde. Franz G. könne nicht als Schiedsrichter angesehen werden, da er keinen Rechtsstreit entscheiden, sondern die am 30. März 1946 getroffene Vereinbarung der Parteien nur ergänzen sollte. Er müsse daher als Schiedsmann betrachtet werden. Der praktisch bedeutendste Unterschied zwischen einem Schiedsgutachten und einem Schiedsspruch liege darin, daß das erstere für die Parteien dann nicht bindend sei, wenn es der Billigkeit offenbar widerstreite. Tatsächlich habe sich Franz G. nicht an die Bestimmungen des Vergleiches gehalten. Er habe die Grundstücke unter die Beteiligten anders verteilt als vorgesehen worden sei. Insbesondere habe er den Beklagten Grundstücke zugewiesen, die abseits vom Haus lägen. Dadurch sei es notwendig geworden, mehrere Dienstbarkeiten des Fahrweges und des Viehtriebes zu begrunden, was die Parteien bei Abschluß des Vergleiches hätten ausschließen wollen. Der Sachverständige Franz G. habe auch unterlassen, die im Vergleich vorgesehene Schätzung der einzelnen Grundstücke vor der Aufteilung durchzuführen und die Vorausempfänge der Erst- und Zweitkläger richtig zu berücksichtigen. Da Franz G. in wesentlichen Punkten vom Vergleich abgewichen sei, komme seinem Gutachten keine die Parteien bindende Wirkung zu.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge und stellte das erstinstanzliche Urteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Revisionsgericht tritt der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zwar darin bei, daß der von den Parteien berufene Sachverständige Ökonomierat Franz G. nicht als Schiedsrichter, sondern als Schiedsmann anzusehen ist. Von einem Schiedsrichter könnte nur dann die Rede sein, wenn diesem die Entscheidung des ganzen Streitfalles übertragen worden wäre, wenn er also nach eigenem Gutdünken und ohne Bindung an die Wünsche der Parteien die reale Teilung des den Parteien gemeinsam gehörigen landwirtschaftlichen Besitzes vorzunehmen gehabt hätte. So aber lag bei der Betrauung Franz G.'s die Einigung der Parteien über die Realteilung in den wesentlichen Grundzügen schon vor. Es war nämlich bereits vereinbart worden, welche Lage die den einzelnen Beteiligten zukommenden Grundstücke haben sollten, wer Haus und Wirtschaftsgebäude bekommen sollte, was mit den Überlandgrundstücken in W. zu geschehen habe und inwiefern die Vorausempfänge der Kläger zu berücksichtigen sein würden. Die von den Parteien vorgesehene Tätigkeit Franz G.'s hatte sich darauf zu beschränken, die Grundsätze des Vergleichs im einzelnen durchzuführen. Darin besteht nicht die Aufgabe eines Schiedsrichters, sondern die eines Schiedsmannes (OGH. E. v. 17. September 1952, 1 Ob 679/52; DRG. E. v. 18. November 1942, DREvBl. 1943, Nr. 90; DRG. E. v. 30. Oktober 1939, DREvBl. 1939 Nr. 637). Das Berufungsgericht hat auch richtig erkannt, daß das Schiedsgutachten Franz G. für die Parteien nur dann bindend sein kann, wenn es den Grundsätzen des Vergleichs nicht zuwiderläuft. Hinsichtlich der Frage, ob letzteres der Fall ist, kann aber der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht zugestimmt werden. Es darf von vornherein nicht außer Acht gelassen werden, daß geringe Abweichungen von den Grundsätzen des Vergleichs das Schiedsgutachten noch nicht unwirksam machen können. Denn gerade bei der realen Teilung eines landwirtschaftlichen Gutes ergeben sich erst anläßlich der Durchführung aller Einzelheiten Gesichtspunkte wirtschaftlicher Art, die bei der grundsätzlichen Einigung nicht vorausgesehen werden konnten.

Das Berufungsgericht hält es für einen wesentlichen Verstoß gegen den Vergleich, daß den Beklagten neben anderen Grundstücken auch Teile der Parzelle 1494/2, 1495/1, 1496/1 und 1489/1 zugesprochen worden seien, die nicht in der Umgebung des Hauses lägen, wie dies im Vergleich vereinbart worden sei. Das Revisionsgericht hält diese Abweichung nicht für so wesentlich, daß darin eine in die Waagschale fallende Abweichung vom Vertragswillen zu erblicken wäre. Wenn sich die genannten Grundstücke auch nicht in unmittelbarer Nähe des Hauses befinden, liegen sie nach den Plänen doch nicht so abseitig, daß eine ordentliche Bewirtschaftung unmöglich wäre. Wenn die Parteien auf die damit im Zusammenhang stehende Notwendigkeit, drei Wegservituten einzuräumen, hinweisen, die die Quelle neuer Streitigkeiten der Parteien sein würden, so ist nach der vom Berufungsgericht übernommenen Feststellung des Erstgerichtes etwas Derartiges von den Parteien nicht ausgeschlossen worden.

Was die vom Sachverständigen Franz G. nach Ansicht des Berufungsgerichtes unterlassene vorhergehende Schätzung aller Grundstücke betrifft, hat das Beweisverfahren ergeben, daß der Sachverständige vor der Aufteilung der Grundstücke diese nach seinem sachkundigen Wissen approximativ geschätzt hat. Dazu war der Sachverständige nach dem Vergleich, der eine bis ins Detail gehende Schätzung nicht vorschrieb, berechtigt. Übrigens stimmte die nachträgliche genaue Bewertung mit der ursprünglichen Schätzung überein und die Parteien konnten nichts vorbringen, was wertmäßig dem Gutachten Franz G. zum Vorwurf gemacht werden könnte.

Schließlich ist es auch unrichtig, daß Franz G. die Vorausempfänge der Erst- und Zweitkläger nicht gebührend berücksichtigt habe. Er erwähnt diese Empfänge in seinem Elaborat ausdrücklich und auch der Sachverständige Dipl.-Ing. K. konnte nicht feststellen, daß eine der Parteien etwa in dieser Richtung wertmäßig benachteiligt worden wäre.

Das Elaborat des Schiedsmannes Franz G. muß als dem Vergleich vom 30. März 1946 entsprechend und daher für die Parteien als bindend angesehen werden. Diese sind nach Punkt 4 des Vergleiches verpflichtet, das im Urteilsspruch des Erstgerichtes bezeichnete, mit dem Elaborat Franz G. übereinstimmende Übereinkommen zu unterfertigen, damit der im Vergleich vom 30. März 1946 niedergelegte und durch das Gutachten Franz G. ergänzte Vertragswille der Parteien in die Wirklichkeit umgesetzt werden kann.

Bei dieser Rechtslage bedurfte es keiner Ergänzung des Verfahrens, weil die maßgebenden Feststellungen vorliegen.

Da der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gegeben ist, mußte der Revision Folge gegeben und das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes dahin abgeändert werden, daß das erstgerichtliche Urteil wieder hergestellt wurde.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte