OGH 1Ob726/77

OGH1Ob726/775.4.1978

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Schragel, Dr. Schubert und Dr. Winklbauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm. Dr. E*, vertreten durch Dr. Otfried Fresacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Dkfm. F*, vertreten durch Dr. Herbert Schaller, Rechtsanwalt in Wien, wegen Widerruf und Veröffentlichung infolge Revision der klagenden und beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 6. September 1977, GZ 6 R 102, 110/77‑11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 16. Mai 1976, GZ 20 Cg 58/77‑7, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1978:0010OB00726.77.0405.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird (in seinen Punkte 2) aufgehoben und die Rechtssache zur neuen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, wobei auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gleich weiteren Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen sein wird.

 

Begründung:

Der Kläger stellte das Begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe

1) „Im ‚Schnellsiederverfahren‘ hat die K*Ges.m.b.H. eine derart umfangreiche Nachgründungsprüfung in nur einem einzigen Tag ‚durchgepeitscht‘;

2) In der in der ‚Einbringungsbilanz‘ zum 1. Jänner 1976 getätigten Weglassung einer nachhaltig eingeforderten und zu einem Teil auch bereits eingeklagten Verpflichtung in einem samt den weiterlaufenden Zinsen und mit den aus der Wertsicherungsvereinbarung sich ergebenden Nominalerhöhungen den Betrag von rund S 400 Mio bald erreichenden Ausmaß, liegt zweifellos ein Bilanzdelikt, weil hiedurch die wahre Vermögenslage der V* OHG völlig entstellt wird. Dennoch wurde am 9. April 1976 der Bestätigungsvermerk der K* Ges.m.b.H. erteilt. Objektiv bedeutet dieser Bestätigungsvermerk einen krassen Verstoß gegen das Gläubigerschutzprinzip, weil der Tatbestand eines Bilanzdeliktes dadurch verwirklicht ist, daß meine gegen die V* OHG geltend gemachte, im Verhältnis zu deren Bilanzsumme außerordentlich hohe Abfindungsforderung in der ‚Einbringungsbilanz‘ zum 1. Jänner 1976 überhaupt nicht erwähnt, also völlig verschwiegen wird;“

zu widerrufen und den Widerruf in der „Kleinen Zeitung“ und im Nachrichtenmagazin „Profil“ zu veröffentlichen.

Zur Begründung seines Begehrens brachte der Kläger vor, die Beklagte sei Gesellschafterin der Firma V* OHG, * gewesen, aus der sie durch Kündigung zum 31. Dezember 1973 ausgeschieden sei. Der Gesellschafter Dkfm. Dr. V* habe ihren Anteil nach dem Gesellschaftsvertrag aufgegriffen und sei zum Schuldner der Abfindungsforderung der ausgeschiedenen Gesellschafterin geworden. Die Beklagte habe eine Abfindungsforderung geltend gemacht, die sie mit S 317 Millionen beziffert habe. Im Verfahren 23 Cg 487/75 des Landesgerichtes Klagenfurt habe die Beklagte die Haftung der Firma V* OHG, * und deren Gesellschafterin M* für ihre Abfindungsforderungen in Anspruch genommen. Das Klagebegehren sei in zwei Instanzen abgewiesen worden. In der Einbringungsbilanz der Firma V* OHG zum 1. Jänner 1976 sei eine Verbindlichkeit gegenüber der Beklagten für ihre Abfindungsforderung gegen Dkfm. Dr. V* nicht ausgewiesen. Hiezu habe auch kein Anlaß bestanden, weil die Abfindungsforderung der Beklagten nur gegen den Gesellschafter Dkfm. Dr. V* gerichtet sei, nicht aber gegen die Gesellschaft, sodaß eine Verbindlichkeit der Gesellschaft nicht vorliege. Ungeachtet dieses Umstandes habe die Beklagte am 30. November 1976 an die Presse, darunter an die Redaktionen der Volkszeitung, der Kärntner Tageszeitung, der Kleinen Zeitung, an die Austria Presseagentur und an die Zeitschrift „Profil“ eine Ablichtung des von ihrem Anwalt Dr. Herbert Schaller verfaßten Rekurses vom 30. November 1976 versendet. Sie trage damit die volle Verantwortung für die in diesem Schriftsatz enthaltenen, öffentlich verbreiteten Tatsachenmitteilungen. Diese Behauptungen seien geeignet, seinen Kredit und Erwerb sowie sein Fortkommen zu gefährden. Die im Rekurs enthaltene Behauptung, der Nachgründungsprüfungsbericht sei in einem einzigen Tag im Schnellsiederverfahren zustandegekommen, sei unrichtig. Desgleichen könne keine Rede davon sein, daß die Unterlassung der Aufnahme der Forderung der Beklagten gegenüber der L* OHG ein Bilanzdelikt darstelle.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und führte aus, die Einbringungsbilanz der V* OHG zum 1. Jänner 1976 sei materiell unvollständig, weil ihre Abfindungsforderung von rund S 400 Millionen darin nicht aufscheine. Die Weglassung bzw Verschweigung eines Passivums von einer derartigen Größenordnung sei zu Recht aus Bilanzdelikt bezeichnet worden. Im übrigen sei durch den Registerakt eindeutig zu erweisen, daß die Nachgründungsprüfung innerhalb eins einzigen Tages durchgeführt worden sei.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt und stellte fest:

Die Beklagte kündigte als persönlich haftende Gesellschafterin der V* OHG mit Schreiben vom 14. Juni 1973 die Gesellschaft zum 31. Dezember 1973 auf. Da den übrigen Gesellschaftern der OHG Dkfm. Dr. V* und M*, laut Gesellschaftsvertrag das Recht auf Übernahme des Anteiles der Kündigenden zustand, übernahm Dr. V* die 20/48 Anteile der Beklagten. Dr. V* schuldet der Beklagten dafür den hiefür gebührenden Abfindungsbetrag über dessen Höhe Streit herrscht. Das von Dkfm. Z* gegen die Firma V* OHG und M* erhobene Klagebegehren auf Zahlung der Abfindungsforderung (23 Cg 487/75 des Landesgerichtes Klagenfurt) wurde rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen, daß die Beklagten hiefür nicht haften. Am 8. April 1976 beantragte die L* AG, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Fresacher beim Erstgericht als Registergericht, die K*gesellschaft m.b.H. als Nachgründungsprüfer zu bestellen, weil beabsichtigt sei, das Kapital der Aktiengesellschaft durch Einbringung der Firma V* OHG, *, im Sinne des Strukturverbesserungsgesetzes zu erhöhen; diese Kapitalerhöhung könne als Nachgründung im Sinne des § 45 AktG aufgefaßt werden. Am 9. April 1976 bestätigte der Kläger auf Grund der durchgeführten Gründungsprüfung (Nachgründungsprüfung), daß die Gegenleistung für die Einbringung der V* OHG, *, in die L* AG angemessen ist, die Angaben über die in den §§ 19 und 20 AktG vorgesehenen Festsetzungen richtig und vollständig sowie die für die einzubringende Sacheinlage zu gewährenden Leistungen angemessen sind und legte den Bericht über die anläßlich der Einbringung der V* OHG * zum 1. Jänner 1976 in die L* AG * gemäß § 25 Abs 2 AktG vorgenommene Prüfung der Nachgründung vor; der Beschluß über die Bestellung zum Nachgründungsprüfer (§ 45 Abs 2 AktG) erging erst am 12. April 1976. Mit Beschluß der Hauptversammlung der L* AG vom 10. April 1976 wurde das Grundkapital durch Ausgabe neuer Aktien um S 99 Mio auf S 100 Mio erhöht und die Satzung in den §§ 4 und 10 geändert. Dies wurde am 18. November 1976 im Handelsregister des Landes- als Handelsgerichtes Klagenfurt eingetragen. Gegen den Beschluß des Registergerichtes vom 17. Oktober 1976, mit dem die Eintragung der Erhöhung des Grundkapitals und die Satzungsänderung beschlossen wurde, erhob die Beklagte Rekurs, der unter anderem die zum Gegenstand der Klage gemachten Ausführungen enthält. Abschließend heißt es im Rekurs, Dkfm. F* habe gegen Dkfm. Dr. E*, den verantwortlichen Verfasser des Bestätigungsvermerkes der K*ges.m.b.H. vom 9. April 1976 bei der Kammer der Wirtschaftstreuhänder Disziplinaranzeige wegen Verletzung der ihm obliegenden Berufspflichten erstattet.

Der Kläger ist verantwortlicher Wirtschaftsprüfer und Gesellschafter der K*gesellschaft m.b.H. Berufsrechtlich ist er für die Richtigkeit der von der K*gesellschaft m.b.H. erstellten Bilanzen persönlich als Wirtschaftsprüfer verantwortlich. Auch für die Beklagte bildete subjektiv der Kläger und die K*gesellschaft m.b.H. eine Personaleinheit. Der Kläger vertrat seit 1969 die Firma V* OHG und ist seit der Gründung der AG deren Wirtschaftsprüfer.

Der der Hauptversammlung vom 10. April 1976 zu Grunde liegende Prüfungsbericht wurde mit 9. April 1976 datiert und vom Kläger gezeichnet, jedoch wurde dieser nicht in einem Schnellsiederverfahren in einem Tag, sondern seit Mitte März 1976 erarbeitet; der Kläger hatte hiezu nämlich schon Anfang März 1976 einen mündlichen Auftrag vom Vorstand der AG erhalten. Außer dem Kläger arbeiteten auch Dr. P* und A* an der Erstellung des Prüfungsberichtes mit. Der formelle Auftrag durch das Gericht war damals noch nicht erteilt. Die Abfindungsforderung der Beklagten nahm der Kläger deshalb nicht in die Einbringungsbilanz der V* OHG auf, weil Schuldner dieser Forderung nur Dr. V* als aufgreifender Gesellschafter und nicht die Firma L* OHG oder M* sind.

Als für Anfang Dezember 1976 von den Firma L* eine Pressekonferenz einberufen wurde, um die neugegründete L* AG und die für die neue Firma zeichnungsberechtigten Personen vorzustellen, versendete die Beklagte am 30. November 1976 an die Presse, darunter an die Redaktion der „Kärntner Tageszeitung“, „Volkszeitung“, „Kleine Zeitung“, „APA“ und an das „Profil“ eine Ablichtung ihres von ihrem Rechtsanwalt Dr. Herbert Schaller verfaßten Rekurses vom 30. November 1976, in dem die bereits mehrfach erwähnten Äußerungen enthalten sind. Diese Äußerungen, von denen ein großer Personenkreis unter anderem auch durch die Verlautbarung in der „Kleinen Zeitung“ und im „Profil“ Kenntnis erlangte, sind geeignet den Kredit, Erwerb und das Fortkommen des Klägers zu gefährden. Die Beklagte wußte die Unwahrheit ihrer Behauptungen oder hätte sie zumindest wissen müssen. Sie besitzt auf Grund ihres Studiums an der Hochschule für Welthandel und ihrer Tätigkeit nicht nur theoretische sondern auch praktische Kenntnisse in Buchhaltung, Bilanzerstellung, kaufmännischem Rechnen und in der Betriebswirtschaft. Sie war als Gesellschafterin und Geschäftsführerin häufig mit der Tätigkeit der K*gesellschaft konfrontiert und wußte, welche Zeitspanne die Erstellung eines solchen Berichtes benötigt.

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, alle von der Beklagten erhobenen Behauptungen seien Tatsachen, wobei unerheblich sei, ob sie zum Teil auch Werturteile darstellten, weil die Tatsachenbehauptungen jedenfalls überwiegen. Der Nachweis eines eingetretenen Schadens sei nicht erforderlich. Dem Kläger sei es gelungen, die Unwahrheit der Behauptungen der Beklagten in objektiver und subjektiver Hinsicht zu beweisen. Die Beklagte habe auf jeden Fall grob fahrlässig gehandelt, weil sie auf Grund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen die Unwahrheit der von ihr erhobenen Behauptungen unbedingt hätte kennen müssen. Für die Abfindungsforderung der Beklagten sei die Gesellschaft nicht haftbar, sodaß es auch kein Bilanzdelikt darstellen könne, wenn diese Anforderung in der Einbringungsbilanz der Gesellschaft nicht aufscheine.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte es dahin ab, daß es das Teilbegehren betreffend den Vorwurf eines „Bilanzdeliktes“ abwies. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des von der Abänderung betroffenen Streitgegenstandes den Betrag von S 2.000,-- übersteigt.

Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils und führte aus, es sei erwiesen, daß der Nachgründungsprüfungsbericht nicht an einem Tag erstellt wurde, sondern daß der Kläger hiezu bereits Anfang März 1976 einen mündlichen Auftrag vom Vorstand der L* AG erhalten und seither an der Erstattung des Berichtes gearbeitet habe. Die objektive Unrichtigkeit der von der Beklagten erhobenen Tatsachenbehauptung stehe somit fest. Habe die Beklagte die Unwahrheit dieser Behauptung aber nicht gekannt, so habe sie grob fahrlässig gehandelt. Denn sie stützte ihre Behauptung lediglich auf den Inhalt des Registeraktes, aus dem sie aber leicht hätte ersehen können, daß der Prüfungsbericht am 13. April 1976 beim Registergericht eingelangt sei, obwohl der Gesellschaft ein Auftrag zur Nachgründungsprüfung erst einen Tag später, nämlich am 14. April 1976, erteilt worden sei. Es sei somit für jedermann klar, daß dieser Bericht schon vor dem gerichtlichen Auftrag ausgearbeitet worden sein mußte, sodaß von einem Schnellsiederverfahren und einem Durchpeitschen in einem einzigen Tag keine Rede sein könne. Insoferne sei der Berufung daher der Erfolg zu versagen gewesen. Berechtigt sei die Berufung hingegen hinsichtlich des gegen den Kläger erhobenen Vorwurfs eines Bilanzdeliktes. Kernpunkt der Tatsachenbehauptungen sei der Vorwurf, ein „Bilanzdelikt“ begangen zu haben. Dieser Ausdruck sei der österreichischen Rechtssprache fremd, er bedeute umgangssprachlich einen nicht geringfügigen Verstoß gegen Prinzipien ordnungsgemäßer Bilanzierung. Dem Kläger sei nun der Beweis dafür, daß die Abfindungsforderung der Beklagten nach der im Zeitpunkt der Erstellung der Einbringungsbilanz gegebenen Sachlage nicht zu berücksichtigen gewesen sei, gelungen. Dies genüge jedoch nicht, um seinem Klagebegehren zum Erfolg zu verhelfen. Der Kläger müsse darüber hinaus noch nachweisen, daß es eine Fahrlässigkeit bedeute, die Unwahrheit dieser Mitteilung nicht zu kennen. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes habe der Kläger dabei grobe Fahrlässigkeit zu erweisen. Eine solche sei nur dann anzunehmen, wenn die Unwahrheit bei durchschnittlicher, jedermann zumutbarer Auffassung, erkennbar gewesen wäre. Dies sei jedoch hier nicht der Fall. Ob die Offene Handelsgesellschaft für die Abfindungsforderung der Beklagten hafte, sei eine Rechtsfrage. Es sei dann aber nicht anhängig, der Beklagten grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, wenn sie diese Rechtsfrage anders als der Kläger und die Gerichtsinstanzen beurteilt habe.

Gegen dieses Urteil, richten sich die Revisionen beider Streitteile. Der Kläger bekämpft das angefochtene Urteil in seinem abändernden Teil, also insoweit als das Klagebegehren abgewiesen wurde, aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Er beantragt, das angefochtene Urteil im angefochtenen Umfang dahin abzuändern, daß das Urteil des Gerichtes erster Instanz in vollem Umfang wiederhergestellt werde.

Die Revision der Beklagten wendet sich gegen den bestätigenden Teil des berufungsgerichtlichen Urteils; geltend gemacht werden die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag das angefochtene Urteil im Umfang der Anfechtung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde oder es hinsichtlich des angefochtenen Teiles aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die zweite oder erste Instanz zurückzuverweisen.

Die Streitteile beantragen, der Revision des Gegners den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind gerechtfertigt.

 

1.) Zur Revision der Beklagten:

 

Die Beklagte führt im wesentlichen aus, die Behauptung, der umfangreiche Nachgründungsbericht sei im Schnellsiederverfahren in einem einzigen Tag durchgepeitscht worden, stelle eine gemischte Äußerung dar, die aus Tatsachenbehauptungen und einem Werturteil zusammengesetzt sei. Bei einer solchen gemischten Äußerung müsse jener Teil, der ein unüberprüfbares Werturteil darstelle, außer Betracht bleiben; dies führe im vorliegenden Fall dazu, daß ihr der Vorwurf des „Schnellsiederverfahrens“ nicht zur Last gelegt werden könne, weil darin ein reines Werturteil zu erblicken sei. Darüber hinaus habe sie, Beklagte, nicht grob fahrlässig gehandelt, weil sie auf Grund des Registeraktes zur Überzeugung habe kommen können, daß das in Rede stehende Operat tatsächlich in einem einzigen Tag ausgearbeitet worden sei, habe sich doch die Prüfungsgesellschaft erst am 8. April 1976 bereit erklärt, die Bestellung zum Nachgründungsprüfer anzunehmen und bereits am 9. April 1976 den Bericht fertiggestellt. Der Kläger habe im Nachgründungsbericht selbst ausgeführt, daß die Prüfung im April 1976 ausgeführt worden sei; die hiefür erforderlichen Unterlagen habe er aber offenbar erst am 8. April 1976 erhalten.

Was zunächst die Frage betrifft, ob die klagsgegenständliche Äußerung eine Tatsachenbehauptung oder aber ein Werturteil darstellt, so ist davon auszugehen, daß die weitaus herrschende Praxis des Obersten Gerichtshofes den Begriff der Tatsachenbehauptung im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB seit jeher weit auslegt. Da der Tatbestand der Kreditschädigung im österreichischen Recht sowohl im § 1330 Abs 2 ABGB als auch in der Bestimmung des § 7 UWG geregelt ist, ist dabei auch auf die zur letztgenannten Gesetzesbestimmung ergangene Rechtsprechung Bedacht zu nehmen. In der Rechtsprechung wurde aber nun in Äußerungen, wie eine Zeitung sei eine „Sumpfblüte“ und inhaltlich minderwertig (JBl 1963, 267), es bestehe eine belastende Verbindung mit einer bestimmten Form (ÖBl 1958, 46), ein bestimmtes Erzeugnis sei ein Bluff und Schwindel (SZ 34/76), ein Institut sei eine korrupte Bank (SZ 7/133), Tatsachenbehauptungen erblickt. In SZ 11/39 wurde der Begriff des Werturteils dahin umschrieben, daß ein solches nur dann gegeben sei, wenn eine Äußerung Zeugnis einer rein individuellen Einstellung ohne tatsächlichen Gehalt sei. Dieses weite Verständnis des Begriffs der Tatsachenbehauptung wird auch von der Lehre gebilligt. Nach Gschnitzer, Schuldrecht, Besonderer Teil 179, kommen für die Anwendung des § 1330 Abs 2 ABGB Verdächtigungen und abfällige Urteile dann in Betracht, wenn sie auf entsprechende Tatsachen schließen lassen. Auch Wolff schließt in Klang2 VI 162 nur reine Wertungen von der Anwendung des § 1330 Abs 2 ABGB aus, nicht aber Äußerungen, die auf entsprechende Tatsachen schließen lassen. Die dargestellte Rechtsprechung wird auch von Schönherr, Kreditschädigende Tatsachenbehauptungen, ÖBl 1975, 77, gutgeheißen und als dem Sinn der gesetzlichen Regelung entsprechend bezeichnet. Entscheidend ist daher, ob eine Äußerung, wenn auch nur mittelbar, eine abfällige Tatsachenbehauptung enthält, die objektiver Nachprüfung zugänglich ist. Dies trifft aber im vorliegenden Fall zu. Auch die Äußerung, der Bericht sei in einem Schnellsiederverfahren durchgepeitscht worden, beinhaltet nämlich den Tatsachenkern, daß es sich bei dem in Rede stehenden Nachgründungsbericht um eine flüchtige und oberflächliche Arbeit handle; ein reines Werturteil liegt daher nicht vor. Die Äußerung ist daher auch in ihrer Gesamtheit an der Bestimmung des § 1330 Abs 2 ABGB zu messen. Daß nun die Behauptung über die Anfertigung der Arbeit in einem einzigen Tag objektiv unrichtig ist, steht fest. Es kann auch füglich nicht in Zweifel gezogen werden, daß die Äußerung, die sich erkennbar auf den Kläger bezog, der ja ach als verantwortlicher Verfasser des Bestätigungsvermerkes bezeichnet wird, als solche geeignet ist, dessen Kredit, Erwerb und Fortkommen zu gefährden. Was aber die weitere Frage betrifft, ob die Beklagte bei Verbreitung ihrer Äußerungen vorsätzlich oder doch grob fahrlässig gehandelt hat, so ist zunächst davon auszugehen, daß die Frage, ob eine bestimmte Tatsache – hier die Unrichtigkeit der von der Beklagten verbreiteten Äußerungen – einer Partei hätte bekannt sein müssen, ob also die Unkenntnis Fahrlässigkeit bedeutet, dem Bereich der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen ist (Fasching IV 340; SZ 35/20, JBl 1956, 211). Die Aussage hingegen, eine Person habe von der Unrichtigkeit einer bestimmten Behauptung gewußt, beinhaltet eine Tatsachenfeststellung (vgl. EvBl 1959/101). Der Erstrichter führte nun in seinem Urteil (S 67 d.A.) aus, die Beklagte wußte die Unwahrheit ihrer Behauptungen oder hätte sie zumindest wissen müssen. Die Feststellung, der Beklagten sei die Unrichtigkeit ihrer Tatsachenbehauptungen bewußt gewesen, wurde in der Berufung der Beklagten mit ausführlichen Darlegungen bekämpft. Das Berfungsgericht hat – offenbar ausgehend von seiner Rechtsansicht, der Beklagten falle jedenfalls grobe Fahrlässigkeit zur Last – zur Frage, ob auch die in Rede stehende Feststellung übernommen wird, nicht ausdrücklich Stellung bezogen. Der Oberste Gerichtshof vermag nun aber der auf der Basis der übrigen Tatsachenfeststellungen gezogenen Schlußfolgerung des Berufungsgerichtes über ein (grob) fahrlässiges Verhalten der Beklagten nicht beizupflichten. Bei Beurteilung dieser Frage ist davon auszugehen, daß dem Akt 6 HRB * des Landesgerichtes Klagenfurt zu entnehmen war, daß die L* Aktiengesellschaft am 8. April 1976 beim Registergericht beantragte, die K*gesellschaft m.b.H. zum Nachgründungsprüfer zu bestellen; die Gesellschaft sei bereit, die Bestellung anzunehmen, sie sei nicht befangen. Wenn dann der vom Kläger unterfertigte Nachgründungsbericht mit 9. April 1976 datiert wurde, so konnten daraus nur zwei Schlußfolgerungen gezogen werden: Entweder die, daß der Bericht in einem Tag erarbeitet worden ist oder aber, daß die gerichtliche Bestellung zum Nachgründungsprüfer, die von der L* AG auch bei der hier vorliegenden Erhöhung des Grundkapitals für erforderlich erachtet wurde, eine belanglose Normalität darstellte, weil in Wahrheit der Prüfungsauftrag längst von der L* AG erteilt und diese Vorgangsweise vom Gericht nachträglich genehmigt wurde. Wenn sich die Beklagte nicht auf letzteren Standpunkt stellte, sondern davon ausging, daß auch im vorliegenden Fall ein unabhängiges Prüfungsorgan vom Gericht bestellt wurde, so stellt ihre Äußerung, wenn ihr als Erkenntnismittel lediglich die Aktenlage zur Verfügung stand, keine Fahrlässigkeit dar. Es kommt dann aber der Frage Bedeutung zu, ob der Beklagten nicht (aus anderen Erkenntnismitteln) bekannt war, daß der Auftrag zur Erstattung des Prüfungsberichtes von der L* AG schon geraume Zeit vorher erteilt worden war, die K*gesellschaft m.b.H. diesen Auftrag angenommen und mit der Ausarbeitung des Gutachtens begonnen hatte und die Beklagte dennoch in Kenntnis dieses Sachverhaltes, somit wissentlich, die unrichtige Tatsachenbehauptung aufstellte, der in Rede stehende Nachgründungsbericht sei in einem Schnellsiedeverfahren in einem Tag erstellt worden. Nur dann, wenn davon auszugehen wäre, der Beklagten sei die Unrichtigkeit ihrer Behauptungen bekannt gewesen, wäre ihre Haftung für die inkriminierte Äußerung – deren objektive Unrichtigkeit feststeht – zu bejahen.

 

2.) Zur Revision des Klägers:

 

Der Kläger führt aus, der ihm gegenüber von der Beklagten erhobene Vorwurf liege nicht, wie das Berufungsgericht annehme, darin, daß die Beklagte die Behauptung aufgestellt habe, ihre Abfindungsforderung wäre in der Bilanz der Offenen Handelsgesellschaft zu passivieren gewesen, sondern in der weiteren Behauptung, er habe als verantwortlicher Buchprüfer durch die Unterlassung dieser Buchung ein Bilanzdelikt begangen. Insbesondere in jenen Kreisen, an die die Beklagte ihre Mitteilung richtete, werde unter dem Wort „Bilanzdelikt“ ein nicht geringfügiges und unter Umständen strafwürdiges Verhalten verstanden.

Nun trifft es zu, daß der der Österreichischen Gesetzessprache an sich fremde Ausdruck „Bilanzdelikt“ in der Literatur auch für strafrechtlich relevante Verhaltensweisen verwendet wird. So wird etwa das Vergehen nach § 255 AktienG als solches Bilanzdelikt verstanden (vgl. Auer, Die Ahndung von Verletzungen der kaufmännischen Buchführungspflicht durch strafrechtliche Normen, GesRZ 1975, 84). Auch jener Personenkreis, an den die Äußerung gerichtet war, wird durchaus in Übereinstimmung mit dieser in der Literatur vertretenen Auffassung unter dem Wort Bilanzdelikt ein strafrechtlich relevantes Geschehen verstehen. Selbst wenn der Ausdruck teilweise auch anders verstanden wurde, so läge doch ein mehrdeutiger Ausdruck vor, dessen ungünstige Auslegung die Beklagte gegen sich gelten lassen müßte. Das Berufungsgericht verneinte die Haftung der Beklagten für ihre Äußerung nur unter dem Gesichtspunkt, daß die Frage, ob die Abfindungsforderung in die Bilanz aufzunehmen war, eine Rechtsfrage darstelle, die im Zeitpunkt der Abgabe der Äußerung noch nicht von den Gerichten rechtskräftig entschieden worden sei, weshalb ein fahrlässiges Verhalten der Beklagten zu verneinen sei, wenn sie nicht die Aussichtslosigkeit, ja Unrichtigkeit ihres Rechtsstandpunktes erkannte. Entscheidend ist aber, wie bereits oben dargestellt, ob die Beklagte für ihre Äußerung dem Kläger falle ein Bilanzdelikt zur Last, einzustehen hat. Bei Prüfung dieser Frage ist zunächst davon auszugehen, daß die Beklagte den gesamten Inhalt einer von ihrem Rechtsanwalt erstatteten Rekursschrift in der festgestellten Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemach hat. Damit wurde zunächst auch den Empfängern der Mitteilung deutlich gemacht, daß es sich um den vor den Gerichten vertretenen Rechtsstandpunkt der Beklagten handelt und andererseits zugleich auch die Möglichkeit eingeräumt, das gesamte Vorbringen der Beklagten zu würdigen. Entscheidende Bedeutung kommt aber doch dem Umstand zu, daß diesfalls, wo es sich ersichtlich um die Weitergabe des vom Rechtsanwalt der Beklagten erstatteten Rechtsmittels handelt, der Beklagten eine Prüfungspflicht in der Richtung, ob der von ihrem Rechtsfreund vertretene Standpunkt zutreffend ist, nicht aufgebürdet werden kann. In der Unterlassung der Nachprüfung des vertretenen Rechtsstandpunktes auf seine Richtigkeit kann, jedenfalls im hier vorliegenden Fall, eine Fahrlässigkeit der Beklagten nicht erblickt werden.

Das Berufungsgericht hat aber auch hier übersehen, daß nach den Feststellungen des Erstrichters die Beklagte ihre Äußerungen – und daher auch den hier in Rede stehenden Vorwurf – wider besseres Wissen erstattet haben soll. Wäre der Beklagten aus eigener besserer Rechts- und Sachkenntnis oder sonstigen Umständen die Unrichtigkeit des von ihrem Rechtsfreund erhobenen Vorwufs bewußt gewesen, müßte sie für die von ihr durch Versendung der Rekursschrift aufgestellte Behauptung, deren kreditschädigende Natur an sich nicht in Zweifel zu ziehen ist, haften. Es gilt hier das schon zur Revision der Beklagten Gesagte. Das Berufungsgericht wird daher auch in diesem Punkte dazu Stellung zu beziehen haben, ob es die in Rede stehende Feststellung des Erstrichters übernimmt. Eine Haftung der Beklagten gemäß § 1330 Abs 2 ABGB käme auch hier nur im Falle vorsätzlichen Handelns der Beklagten in Betracht.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

 

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