Normen
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §65 (1)
KO §31 (1) Z2
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §65 (1)
KO §31 (1) Z2
Spruch:
Auch die den Dienstnehmeranteil betreffende Befriedigung einer Forderung für rückständige Sozialversicherungsbeiträge kann gemäß § 31 (1) Z. 2 KO. angefochten werden.
Dem Sozialversicherungsinstitut, welches zur Hereinbringung der Beitragsforderungen Exekutions- und Konkursantrag gestellt hat, mußte die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekannt sein.
Entscheidung vom 1. Februar 1962, 5 Ob 1/62.
I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Am 14. Dezember 1960 wurde über das Vermögen der Fa. Josef L. & Co., KG und des Josef L. vom Landesgericht Salzburg der Konkurs eröffnet. Im Konkursverfahren wurden folgende Forderungen der ersten Klasse festgestellt: Eine Forderung der beklagten Partei mit 49.500 S, der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Salzburg mit 6000 S, der Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft mit 2500 S und die Lohnforderung des Adam G. mit 7000 S. Vor der Konkurseröffnung wurden an die Beklagte zwei Zahlungen geleistet, und zwar zunächst im Juli 1960 ein Betrag von 37.000 S zur Abwendung eines von der Beklagten gestellten Konkursantrages, in welchem von der beklagten Partei Zahlungsunfähigkeit behauptet wurde und in welchem auf verschiedene, gegen die Fa. L. & Co. ergebnislos geführte Exekutionen hingewiesen wurde; Josef L. verpflichtete sich anläßlich der Zahlung von 37.000 S, den Rest der geltend gemachten Forderung von 74.275.06 S in Monatsraten von 5000 S zu bezahlen. Eine zweite Zahlung von 36.482.60 S erfolgte, nachdem die beklagte Partei, die den ersten Konkursantrag zurückgezogen hatte, neuerlich die Eröffnung des Konkurses beantragte, weil Josef L. seine Ratenzahlungsverpflichtung nicht einhielt. Auch in diesem Antrag wurde Zahlungsunfähigkeit und Gläubigermehrheit behauptet. Nach Bezahlung des zweiten Betrages wurde der zweite Konkursantrag ebenfalls zurückgenommen. Die bezahlten Sozialversicherungsbeiträge würden in dem nun anhängigen Konkursverfahren in die erste Klasse der Konkursforderungen fallen.
Auf Grund der Anfechtungsklage der klagenden Partei erklärte das Erstgericht die im Juli 1960 und am 10. November 1960 zur Abstattung von Beitragsrückständen an die beklagte Partei geleisteten Zahlungen gegenüber den Gläubigern der Fa. Josef L. & Co., KG. und des Josef L. für unwirksam und verurteilte die beklagte Partei zur Bezahlung eines Betrages von 73.482.60 S samt Zinsen an die Konkursmasse der Fa. L. & Co., KG. und des Josef L.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Vorausgeschickt sei, daß gemäß § 37 (1) KO. das Anfechtungsrecht vom Masseverwalter auszuüben ist. Richtigerweise ist daher Partei im Anfechtungsprozeß der Masseverwalter und nicht die Konkursgläubiger (s. Bartsch - Pollak I S. 232). Da die vom Masseverwalter gewählte Bezeichnung: "Die Gläubiger im Konkurs der Gemeinschuldner, vertreten durch den Masseverwalter" mit genügender Klarheit erkennen läßt, welches Rechtsobjekt als Kläger auftritt, bestand kein Hindernis, die Parteienbezeichnung von Amts wegen zu verbessern (vgl. SZ. XXV 329).
In der Sache selbst hat der Oberste Gerichtshof folgendes erwogen:
Für die Anfechtung nach § 31 (1) Z. 2 KO. sind zwei Voraussetzungen notwendig. Erstens die objektive Voraussetzung der Gläubigerbenachteiligung, welche bei allen Anfechtungstatbeständen Tatbestandsmerkmal ist, obwohl sie im § 31 (1) Z. 2 als Tatbestandsmerkmal nicht ausdrücklich angeführt ist (Bartsch - Pollak I S. 169) und zweitens die subjektive Voraussetzung, daß dem anderen Teil die Zahlungsunfähigkeit bekannt war oder zumindest bekannt sein mußte.
Beide Voraussetzungen sind hier gegeben.
Das Erfordernis der Gläubigerbenachteiligung bedeutet, daß die Anfechtung befriedigungstauglich sein muß; d. h. sie ist dann ausgeschlossen, wenn sie nicht zu einer Leistung an die allgemeine Konkursmasse und damit zu einer Erhöhung der Befriedigungsaussicht der Konkursgläubiger führen kann (SZ. XII 95, Bartsch - Pollak I S. 166). Nun ist im vorliegenden Falle im Konkursverfahren eine ganze Reihe von Gläubigern erster Klasse festgestellt worden, welche nicht befriedigt werden können, weil bei einem Schuldenstand von 9.000.000 S die vorhandene Masse derzeit nur 4000 S beträgt. Diese Gläubiger erster Klasse könnten aber befriedigt werden, wenn die Anfechtung Erfolg hat. Darauf, wann alle diese Forderungen erster Klasse entstanden sind, kommt es hierbei nicht an. Entscheidend ist nur, daß sie im Konkurse festgestellt sind und befriedigt werden könnten, wenn die Zahlungen an die beklagte Partei mit Erfolg angefochten werden. Es ist daher auch die Mängelrüge der Revision, die sich gegen die Unterlassung der Feststellung richtet, wann die weiteren Forderungen erster Klasse entstanden sind, verfehlt.
Auch wenn es richtig wäre, daß die angefochtenen Zahlungen nur den von der Fa. Josef L. & Co. einbehaltenen Dienstnehmeranteil der Beiträge betreffen, wäre damit für die beklagte Partei nichts gewonnen. Die Beklagte spricht hier von einer Treuhandschuld, durch deren Berichtigung gleichrangige Gläubiger nicht benachteiligt werden konnten und auch nicht benachteiligt worden seien. Das würde dann zutreffen, wenn es sich bei den einbehaltenen Zahlungen um ein fremdes Gut handelte, welches mittels eines Aussonderungsanspruches von der Masse gefordert werden könnte. Davon kann aber keine Rede sein. Ausgesondert kann immer nur ein konkreter, in der Masse noch vorhandener und individualisierbarer Leistungsgegenstand werden (5 Ob 248/61). Die von dem Unternehmer eingehobenen, auf den Versicherten entfallenen Beiträge fallen in das Vermögen des Unternehmens. Dieser wird gegenüber dem Sozialversicherungsinstitut Schuldner hinsichtlich dieser Beiträge ebenso wie hinsichtlich der auf ihn entfallenen Beiträge (§ 58 (2) ASVG.). Gemäß § 65 ASVG. sind für die Behandlung dieser Beiträge im Konkursverfahren die Vorschriften der Konkursordnung maßgebend. Nach der Konkursordnung aber fallen die im letzten Jahre vor der Konkurseröffnung fällig gewordenen Beiträge der Sozialversicherung in die erste Klasse der Konkursforderungen, gleichgültig, ob es sich um Beiträge handelt, die auf den Versicherten entfallen oder um solche, die auf den Dienstgeber entfallen. Um eine Schädigung der Sozialversicherungsinstitute und der Dienstnehmer hintanzuhalten, gewährt § 61 ASVG. den Sozialversicherungsinstituten die Möglichkeit, zu beantragen, daß die Dienstnehmer ihre Beiträge direkt zu entrichten haben. Machen die Institute von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, dann müssen sie es eben in Kauf nehmen, daß die geleisteten Zahlungen in die Konkursmasse fallen. Man könnte hier allenfalls von einer Bereicherung sprechen.
Bereicherungsansprüche können aber als Masseforderung nach § 46 (1) Z. 5 nur dann geltend gemacht werden, wenn diese Ansprüche nach der Konkurseröffnung entstanden sind, weil durch eine vorher entstandene Bereicherung der Gemeinschuldner und nicht die Masse bereichert wurde (Bartsch - Pollak, I. S. 282).
Auch die subjektive Voraussetzung der Anfechtung nach § 31 (1) Z. 2 KO. ist gegeben. Mit Recht hat das Berufungsgericht die Frage, ob der beklagten Partei die Zahlungsunfähigkeit bekannt sein mußte, welche eine Rechtsfrage ist (EvBl. 1959 Nr. 101), bejaht. Aus welchem Gründe zur Klärung dieser Frage die Feststellung der Höhe der Beitragsrückstände im Zeitpunkt der beiden Zahlungen erforderlich sein sollte, wie in der Revision unter dem Revisionsgrund des § 503 Z. 2 ZPO. ausgeführt wird, ist nicht verständlich. Daß der beklagten Partei die Zahlungsunfähigkeit schon bei Leistung der ersten Zahlung von 37.000 S bekannt sein mußte, ergibt sich daraus, daß sie bereits wiederholt Exekutionen gegen die Gemeinschuldner geführt hat und daß sie selbst in ihrem Konkursantrag diesen mit der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit begrundete. Schon in der bei Bartsch - Pollak I S. 211 unter Anm. 13 zitierten Entsch. d. OGH. vom 4. November 1930, 3 Ob 792/30, wurde ausgesprochen, daß der Gläubiger, der Konkursantrag gestellt hat, sich keinesfalls auf Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit berufen kann. Stellt nun aber ein Sozialversicherungsinstitut Konkursantrag, nachdem es zur Hereinbringung der Sozialversicherungsbeiträge wiederholt vergeblich Exekution geführt hat, so muß hieraus um so eher gefolgert werden, daß ihm bekannt sein mußte, das Vermögen des Schuldners reiche nicht einmal hin, die bevorrechteten Gläubiger seiner Klasse zu befriedigen, als nach § 114 ASVG. der Schuldner, der einbehaltene Dienstnehmerbeiträge dem berechtigten Versicherungsträger vorsätzlich vorenthält, sich strafrechtlich verantwortlich macht.
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