Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22.Oktober 1940 geborene Hilfsarbeiter Franz A 1.) des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs 1
StGB und 2.) des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Nach den Urteilsannahmen liegt ihm zur Last, jeweils mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, zu 1.) am 21.Jänner 1977 der 63-jährigen Pensionistin Christine B mit Gewalt, indem er sie gegen die Hand schlug und ihr die Plastikhandtasche mit derartiger Wucht entriß, daß die 'Tragriemen' abrissen, die einen Bargeldbetrag von ca. 800 S beinhaltende Geldbärse, und zu 2.) am 12.September 1977 dem Franz C aus dessen in einem gemeinsamen Schlafraum abgelegten Sakko die Geldbärse mit einem Bargeldbetrag von über 570 S weggenommen zu haben.
Der Angeklagte ficht den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs 1 StGB (Pkt. 1 des Urteilssatzes) mit einer ziffernmäßig auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs . 1 Z 5 StPO bezogenen Nichtigkeitsbeschwerde an; der Sache nach wird sie auch auf die Nichtigkeitsgründe der Z 3 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützt.
Rechtliche Beurteilung
Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt in keiner Richtung hin Berechtigung zu.
Insoweit der Beschwerdeführer - inhaltlich aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO - ein Abweichen der Urteilsausfertigung vom verkündeten Urteil hinsichtlich der Tathandlung (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) mit der Behauptung geltend macht, im verkündeten Schuldspruch sei ihm ein 'Erfassen am Handgelenk' als Gewaltanwendung (u. a.) angelastet worden, während statt dessen in der Urteilsausfertigung von einem 'Schlag' die Rede sei, ist er auf den vom Obersten Gerichtshof bereits in nichtöffentlicher Sitzung gefaßten Beschluß vom 16.März 1978, GZ. 12 Os 196/77-6, womit seiner Beschwerde (ON 42) gegen den erstgerichtlichen Beschluß auf Abweisung seines Antrages auf Angleichung der Ausfertigung des Urteils an das mündlich verkündete (ON 41) keine Folge gegeben wurde, zu verweisen.
Dem eine Abweichung der Urteilsausfertigung vom verkündeten Urteil relevierenden Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde ist deshalb der Boden entzogen.
Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO rügt der Beschwerdeführer die schöffengerichtliche Urteilsbegründung (global) als unvollständig, teils in sich widersprüchlich, teils aktenwidrig und nur unzureichend. Der Mängelrüge kommt keine Berechtigung zu.
Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugeben, daß das Schöffengericht bei der Feststellung der zwischen Tat und Festnahme (des Beschwerdeführers) verstrichenen Zeit mit 'etwa 1 1/2 Stunden' (S 138; auch S 142) auf die in der Polizeianzeige festgehaltenen Zeitangaben (vgl. dazu S 9 und 10), nämlich: Verständigung vom Vorfall um 19 Uhr 50, Tat etwa 5 Minuten früher, sohin gegen 19 Uhr 45, Festnahme um 20 Uhr 25, nicht einging und sich diesbezüglich (nur) auf die Angaben des Beschwerdeführers stützte. Dem Erstgericht unterlief mithin in diesem Belange eine Unvollständigkeit, weil es ein Verfahrensergebnis, nämlich die in der Anzeige enthaltenen Zeitangaben, mit Stillschweigen überging.
(Nur der Vollständigkeit halber ist anzumerken, daß - im Gegensatz zur Ansicht des Beschwerdeführers - eine Aktenwidrigkeit nicht vorliegt, weil das Gericht weder den Inhalt einer Aussage noch den einer Urkunde unrichtig oder unvollständig wiedergab.) Die aufgezeigte Unvollständigkeit bezieht sich jedoch nicht auf den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache im Sinne des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 StPO;
übt doch der Umstand, ob zwischen Tat und Festnahme rund eineinhalb Stunden oder nur 40 Minuten verstrichen, weder auf die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz noch auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes einen Einfluß aus. Denn der von der als geraubt angenommenen Summe von ca. 800 S fehlende Betrag von rund 370 S kann auch innerhalb von 40 Minuten ausgegeben oder verloren worden sein. Der vom Erstgericht unter der Annahme des Verstreichens eines Zeitraumes von eineinhalb Stunden in Ausübung der freien Beweiswürdigung gezogene (denkrichtige) Schluß, daß - auch unter Berücksichtigung der übrigen Beweisergebnisse - das Fehlen von 370 S nicht zur Verneinung der Täterschaft des Beschwerdeführers führt (vgl. dazu S 142), gilt nämlich auch für den Zeitraum von rund 40 Minuten. Betrifft nun die aufgezeigte Unvollständigkeit keine entscheidende Tatsache (im vorstehend erläuterten Sinn), vermag der Begründungsmangel den Nichtigkeitsgrund der Z 5
des § 281 Abs 1 StPO nicht zu verwirklichen.
Mit seinem übrigen Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keinen formellen Begründungsmangel auf. Es darf nämlich zunächst nicht übersehen werden, daß das Schöffengericht im Rahmen der ihm zustehenden freien Beweiswürdigung aufgrund der für glaubwürdig erachteten Aussagen bzw. auch der Demonstration der Art der Gewaltanwendung der Zeuginnen Christine B (S 127 ff) und Ernestine D (S 129 f) annahm, die Erstgenannte habe den Angeklagten als denjenigen 'eindeutig erkannt', der ihr einen Schlag gegen die Hand versetzte und die Plastiktasche so heftig entriß, daß die 'Tragriemen' (ersichtlich gemeint: Traglaschen) rissen. Darüberhinaus stellte es fest, daß Christine B kurz nach der Tat in den Pensionistenclub zurückgekehrt war und den vorher vom Angeklagten besetzten Platz als jenen bezeichnete, den der (spätere) Täter (vor dem Verlassen des Clubraumes) eingenommen hatte (S 138).
Das Erstgericht schloß eine Sinnestäuschung der Zeugin B ausdrücklich aus (S 140) und erachtete insgesamt die in Ansehung der Raubtat leugnende Verantwortung des Angeklagten für widerlegt. Angesichts dieser im Sinne des § 270 Abs 2 Z 5 StPO ausreichend begründeten Urteilsannahmen in tatsächlicher Hinsicht laufen die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Mängelrüge (lediglich) auf eine Bekämpfung der - einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entrückten - Beweiswürdigung hinaus. Denn anstatt formale Begründungsmängel aufzuzeigen, wie es die gesetzmäßige Darstellung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 StPO verlangt, unternimmt es der Beschwerdeführer unter Vernachlässigung der vorstehend zusammengefaßt wiedergegebenen Tatsachenannahmen des Schöffengerichtes, die in den Aussagen bzw. auch in der erwähnten Demonstration der Zeuginnen B und D volle Deckung finden, einzelne unwesentliche Aussprüche im Lichte seiner vom Schöffengericht - wie erwähnt, mit hinreichender Begründung - abgelehnten Verantwortung aus dem Zusammenhang zu nehmen und an Hand derer nach Art einer Schuldberufung aufzuzeigen, daß seine Täterschaft (hinsichtlich des Raubdeliktes) ausgeschlossen oder doch zumindest zweifelhaft sei. Dies gilt auch für die Ausführungen des Beschwerdeführers zum festgestellten Tathergang, in denen er unter Anführung von - nur hypothetischen - Möglichkeiten der Würdigung und Auslegung der von Christine B abgelegten Zeugenaussage darzutun versucht, daß nicht ein Schlag auf die Hand versetzt wurde.
Mithin zeigte der Beschwerdeführer keinen unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO Relevanz zukommenden Begründungsmangel auf.
In der - dem Inhalte nach auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten - Rechtsrüge macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, ein Erfassen an der Hand und ein Entreißen der Plastiktasche bedeute keine Gewalt gemäß dem § 142 Abs 1 StGB. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen implicite den festgestellten Schlag gegen die Hand des Opfers negiert und damit die Nichtigkeitsbeschwerde nicht dem Gesetz entsprechend ausführt, ist seine Rechtsansicht verfehlt. Denn schon das Entreißen einer Plastikhandtasche mit derartiger Gewalt, daß die Laschen abreissen, stellt eine gewaltsame Ausschaltung oder Überwindung des widerstrebenden Willens der (wenn auch überraschend) Angegriffenen, somit Gewalt gegen deren Person im Sinne des Tatbildes des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs 1 StGB dar (ÖJZ-LSK 1976/77, 9 Os 16/76, 115/76, 10 Os 2/77, 12 Os 52/77). Auf die zusätzliche Gewalteinwirkung durch Versetzen eines Schlages gegen die Hand des Opfers kommt es dabei gar nicht mehr an, wiewohl auch aus einem solchen Verhalten allein, nach dem Willen des Täters und nach dem Eindruck des ihm körperlich unterlegenen Opfers, unter den konkreten Umständen des Falles (gegenständlich erfolgte der Überfall auf eine korpulente und eher schwer bewegliche /vgl. Seite 138/ 63-jährige Frau durch den 36- jährigen Angeklagten in der Dunkelheit auf einsamer Straße) weitere zur Beugung des Widerstandswillens des Opfers geeignete Gewalttätigkeiten befürchtet werden konnten, sodaß die durch den Schlag tatsächlich ausgeübte, wenn auch nicht erhebliche (§ 142 Abs 2 StGB), Gewalt, getrennt betrachtet, ebenfalls als nach dem § 142 Abs 1 StGB tatbildlich anzusehen ist.
Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdeführer schließlich auch insoweit, als er die Beurteilung seiner Tat als sogenannten minderschweren Raub im Sinne des § 142 Abs 2 StGB anstrebt. Gemäß dieser Gesetzesstelle ist nur die - mit Bereicherungsvorsatz - ohne Anwendung erheblicher Gewalt geschehene Wegnahme oder Abnötigung einer Sache geringen Wertes, sofern weiters die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und es sich um keinen schweren Raub (§ 143 StGB) handelt, privilergiert. Alle diese Voraussetzungen müssen jedoch kumulativ gegeben sein (ÖJZ-LSK 1975/188). Gegenständlich scheidet die Subsumtion der Tat unter den § 142 Abs 2 StGB aber schon deshalb aus, weil der Betrag von ca. 800 S keinesfalls als geringwertige Sache angesehen werden kann (vgl. dazu ÖJZ-LSK 1976/
28; auch ÖJZ-LSK 1975/122). Im übrigen bedeutet die Wegnahme von rund 800 S Bargeld für eine Pensionistin einen empfindlichen Schaden. (Zur Beurteilung der Empfindlichkeit des Schadens für das Opfer und Relevanz dieses Umstandes vgl. 13 Os 125/75 = ÖJZ-LS1976/28.) Aus den genannten Gründen war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als unbegründet und teils als nicht dem Gesetze entsprechend ausgeführt zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 142 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28
StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von eineinhalb Jahren.
Bei der Strafbemessung erachtete es als erschwerend:
das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen (§ 33 Z 1 StGB), hingegen wertete es als mildernd: das teilweise Geständnis im Diebstahlsfaktum (§ 34 Z 17 StGB), den bisherigen ordentlichen Wandel des Angeklagten (§ 34 Z 2 StGB) und das Schadensanerkenntnis im 'Faktum C'. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter Gewährung der außerordentlichen Strafmilderung nach dem § 41 StGB und darüberhinaus die bedingte Strafnachsicht im Sinne des § 43 StGB an. Der Berufungswerber reklamiert als zusätzliche Milderungsumstände den auffallenden Widerspruch der Tat mit seinem bisherigen Verhalten, Unbesonnenheit, Unterbleiben einer gräßeren Schadenszufügung, ferner Schadensgutmachung gegenüber dem Diebstahlsopfer Franz C, eine nicht unerhebliche Alkoholisierung sowie ein volles Geständnis in Ansehung des Diebstahlsfaktums. Das Begehren um Gewährung der bedingten Strafnachsicht begründet der Berufungswerber vor allem mit seiner bisherigen Straflosigkeit. Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Es ist zwar - im Sinne der Berufungsausführungen -
richtig, daß dem Angeklagten hinsichtlich des Diebstahlsdeliktes der Milderungsumstand des Geständnisses voll zugute kommt (siehe S 130) und die Schadensgutmachung (aufgrund eines polizeilich sichergestellten Geldbetrages -
vgl. dazu S 83 und 139) nach dem § 34 Z 14 StGB als mildernd zu berücksichtigen ist. Hingegen entfällt das vom Erstgericht als mildernd angenommene (bloße) 'Schadensanerkenntnis im Faktum C'. Für die Annahme der übrigen, vom Berufungswerber relevierten Milderungsgründe besteht jedoch kein Anlaß, insbesondere liegen auch nicht die Voraussetzungen des § 35
StGB vor. Daß die Taten im auffallenden Widerspruch zum sonstigen Verhalten des Angeklagten stehen, wurde vom Erstgericht infolge Annahme des Milderungsumstandes der Z 2
des § 34 StGB ohnehin berücksichtigt.
Die vom Schöffengericht verhängte Freiheitsstrafe entspricht der vom Angeklagten zu verantwortenden Schuld und dem Unrechtsgehalt der Taten.
Die Gewährung der bedingten Strafnachsicht ist - trotz der bisherigen Unbescholtenheit des Berufungswerbers -
mit Rücksicht auf die Raubtat und die Begehung des Diebstahls an seinem Arbeitskollegen Franz C zu einer Zeit, als die (auch mit einer Untersuchungshaft von rund zwei Wochen verbunden gewesene) Voruntersuchung wegen Raubes noch anhängig war, nicht indiziert. Denn unter den aufgezeigten Umständen kann - wie das Erstgericht zutreffend erkannte - die nach der Bestimmung des Abs 2 des § 43 StGB erforderliche Annahme des Vorliegens von besonderen Gründen für künftiges Wohlverhalten aus spezialpräventiven Gründen, aber auch aus generalfräventiven Überlegungen nicht getroffen werden. Es war daher der Berufung in keinem Punkte Folge zu geben. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruche angeführte Gesetzesstelle.
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