Normen
ABGB §1323 Abs1
ABGB §1323
ABGB §1323 Abs1
ABGB §1323
Spruch:
Besteht kein Markt zur Beschaffung eines gleichwertigen Gegenstandes, so hat eine Bewertung dahin stattzufinden, welchen Wert der zerstörte Gegenstand für den Eigentümer noch hatte
OGH 30. März 1978, 2 Ob 29/78 (OLG Wien 10 R 156/77; LGZ Wien 22 Cg 793/76)
Text
Die beklagte Partei haftet dem Kläger für alle ihm aus dem Unfall vom 10. August 1976 entstandenen Schäden.
Der Kläger begehrt von der beklagten Partei zuletzt die Bezahlung eines Betrages von 77 076 S, darunter die Reparaturkosten für einen Tankwagenanhänger in der Höhe von 82 990 S (effektive Reparaturkosten 118 000 S minus Zahlung der beklagten Partei vor Klagseinbringung von 45 000 S). Er begrundet sein Begehren damit, daß es sich bei dem beschädigten Tankwagenanhänger um ein Spezialtankfahrzeug handle, das auf dem gesamten Markt gebraucht nicht erhältlich sei. Als Möglichkeit, sich wieder in den Besitz eines solchen fahrbereiten Anhängers zu versetzen, bleibe nur die Reparatur oder die Herstellung eines gleichartigen Neufahrzeuges. Für letztere würden sich die Kosten auf 240 000 S belaufen. Er begehre daher die Bezahlung der Reparaturkosten, obwohl die zuständige Haftpflichtversicherungsanstalt erklärt habe, daß Totalschaden eingetreten sei und der Zeitwert nur mit 50 000 S sowie der Restwert mit 5000 S zu beziffern seien. Es seien ihm demnach auch nur 45 000 S bezahlt worden.
Die beklagte Partei bestreitet das Klagebegehren und wendet ein, daß Totalschaden am Tankwagenanhänger entstanden sei. Dieser sei 18 Jahre alt und weise einen Zeitwert von höchstens 50 000 S auf. Unter Annahme eines Restwertes von 5000 S sei auf Rechnung der beklagten Partei ein Betrag von 45 000 S bezahlt worden.
Das Erstgericht gab dem (eingeschränkten) Klagebegehren samt stufenweisen Zinsen statt und stellte folgenden hier noch wesentlichen Sachverhalt fest:
Bei dem vom Kläger nicht verschuldeten Verkehrsunfall am 10. August 1976 wurde sein LKW-Zug, bestehend aus einer Zugmaschine und einem Kesseltankwagenanhänger, beschädigt. Kesseltankwagenanhänger werden jeweils nur über Bestellung einzeln angefertigt, und zwar überwiegend in einer Dimension ab 9000 l Fassungsvermögen. Der Kesseltankwagenanhänger des Klägers war wegen der Schwäche des Zugwagens nur mit 7000 l dimensioniert und von den gängigen Kesseltankwagen sohin abweichend. Nach dem Unfallereignis bemühte sich der Kläger bei verschiedenen Firmen, wie der Tankwagenbaufirma A, der Firma S und einer weiteren Wiener Firma sowie einem Unternehmen in Bruck an der Leitha, welche dem Kläger als Kesseltankfirmen namhaft gemacht worden waren, um den Ankauf eines gebrauchten Ersatzkesseltankwagenanhängers. Es war dem Kläger jedoch unmöglich, ein solches Ersatzfahrzeug zu finden. Am einschlägigen Markt, auch im Rahmen der Kessel- und Tankwagenbaufirma in Wien-Simmering, war und ist seit dem Unfallszeitpunkt ein Kesseltankwagenanhänger in der vom Kläger benötigten Dimension nicht erhältlich. Am Kesseltankwagenanhänger des Klägers entstand ein Schaden von 113 200 S exklusive Mehrwertsteuer. Der beschädigte Kesseltankwagenanhänger hatte zum Unfallszeitpunkt einen Zeitwert von 50 000 S und einen Restwert von 5000 S. Der Kläger ist zur Anschaffung eines neuen Anhängers finanziell nicht in der Lage.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, daß sich für den Kläger offenkundig nur die Möglichkeit einer Reparatur oder einer Neuanschaffung ergebe. Nach der Gesetzeslage und der ständigen Judikatur sei im Rahmen des Schadenersatzes die Wiederherstellung des Vorzustandes anzustreben, das heiße, der Geschädigte sei vom Schädiger in die vor dem Schadensereignis herrschende Lage zu versetzen. Dies bedeute im vorliegenden Fall für die beklagte Partei die grundsätzliche Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, daß der Kläger in die Lage versetzt werde, wieder einen kompletten Tankwagenzug zu besitzen. Hiebei ergeben sich grundsätzlich drei Möglichkeiten, nämlich entweder die Reparatur des beschädigten Anhängers, die Anschaffung eines gleichwertigen gebrauchten Ersatzfahrzeuges oder die Herstellung eines Neufahrzeuges. Nach dem Beweisergebnis sei die Anschaffung eines Gebrauchtfahrzeuges ausgeschlossen, so daß der Kläger in die Lage versetzt werden bzw. berechtigt sein müsse, den beschädigten Anhanger reparieren zu lassen. Im vorliegenden Fall könne die Abgeltung nur unter Bedachtnahme auf den sogenannten wirtschaftlichen Totalschaden nicht Platz greifen.
Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei erhobenen Berufung Folge und änderte das Ersturteil, das in seinem 8876 S samt Anhang zusprechenden Teil als nicht in Beschwerde gezogen unberührt blieb, dahin ab, daß es das Mehrbegehren von 68 200 S samt Anhang abwies. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Ersturteiles als unbedenklich und ausreichend und führte in rechtlicher Hinsicht aus:
Beim Tankwagenanhänger des Klägers liege Totalschaden vor. Nach ständiger Rechtsprechung hafte der Schädiger nicht für den Zeitwert übersteigende und daher unwirtschaftliche Reparaturkosten. Das gelte auch dann, wenn, wie hier, ein gleichwertiges Gebrauchtfahrzeug nicht erhältlich und der Kläger zur Anschaffung eines neuen Anhängers finanziell nicht in der Lage sei. Andernfalls würde der Schädiger immer das Risiko tragen, dann für unwirtschaftliche Reparaturkosten in Anspruch genommen zu werden, wenn ein altes Kraftfahrzeug beschädigt wurde, das am Altwagenmarkt nicht wieder beschafft werden kann. Dies würde zu einer vom Gesetz nicht gewollten zusätzlichen Belastung des Schädigers führen. Der Kläger habe daher nur Anspruch auf Ersatz des Schätzwertes des Tankwagenanhängers.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge. Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes und das Ersturteil, soweit dieses nicht laut Punkt 1 des berufungsgerichtlichen Urteils als nicht in Beschwerde gezogen unberührt blieb, wurde im übrigen aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen im angefochtenen Umfang aus nachstehenden Erwägungen gerechtfertigt:
Auszugehen ist von der Bestimmung des § 1323 ABGB, wonach ein Schaden grundsätzlich durch Wiederherstellung des Zustandes vor der Beschädigung gutzumachen ist. Dies bedeutet, daß bei Beschädigung einer Sache die Ersatzleistung regelmäßig in der Reparatur dieser Sache besteht. Der Beschädigte kann somit grundsätzlich die angemessenen Kosten der Reparatur verlangen. Ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten besteht nur dann nicht, wenn die Reparatur des beschädigten Kraftfahrzeuges unmöglich oder unwirtschaftlich wäre, also ein sogenannter Totalschaden angenommen werden müßte. Unwirtschaftlichkeit der Reparatur, somit das Vorliegen eines Totalschadens, ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn der Zeitwert bei der Schadenszufügung erheblich hinter den veranschlagten Reparaturkosten zurückbleibt. Der vom Schädiger in Geld zu ersetzende Sachschaden findet grundsätzlich im Zeitwert = Wiederbeschaffungswert der beschädigten Sache seine Grenze (vgl. ZVR 1970/34; ZVR 1974/55; ZVR 1975/ 79; SZ 41/114 = ZVR 1969/115 u. a.). Dieser Grundsatz muß indes dann eingeschränkt werden, wenn ein Markt zur Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzgegenstandes nicht vorhanden ist. Kein Markt für gleichwertige Gegenstände besteht z. B. für Fahrzeuge einer speziellen Bauart, die auf dem Markt nicht zu kaufen sind. Während es mithin insbesondere bei serienmäßigen Kraftfahrzeugen und anderen Gegenständen, bei denen auf dem Markt ein gleichwertiger gebrauchter Gegenstand gekauft werden kann, auf den hiefür auszulegenden Preis ankommt, muß bei den Gegenständen, für die ein Gebrauchtwagenmarkt nicht besteht, eine Bewertung dahin stattfinden, welchen Wert der zerstörte Gegenstand für den Eigentümer noch hatte. Das wird durch eine technische Bewertung des zerstörten Gegenstandes unter Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen der Gesamtlebensdauer und der im Zeitpunkt der Zerstörung noch vorhandenen Benutzungszeit ermittelt. Dabei sind die persönlichen Verhältnisse des Geschädigten zu berücksichtigen (vgl. Wussow, Das Unfallhaftpflichtrecht[12], Randzahl 1196 a; BGH VersR 64, 257; WJ 59, 174).
Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein eigens für die Bedürfnisse des Klägers angefertigtes Fahrzeug, für das nach den Feststellungen Ersatz auf einem Markt nicht beschafft werden kann. Es muß daher im Sinne des oben Gesagten eine spezielle Bewertung dahin stattfinden, welchen Wert der zerstörte Tankwagenanhänger für den Kläger unter Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen der Gesamtlebensdauer und der im Zeitpunkt der Zerstörung noch vorhandenen Benutzungszeit sowie der persönlichen - das ist auch der wirtschaftlichen - Verhältnisse des Klägers hatte. Dies wird durch Ergänzung des Sachverständigenbeweises in einem zweiten Rechtsgang des erstinstanzlichen Verfahrens zu erfolgen haben.
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