OGH 4Ob91/77

OGH4Ob91/7712.7.1977

SZ 50/103

Normen

ABGB §531
AngG §23 Abs2
Bundesangestelltengesetz §14
KO §46 Abs1 Z4
ABGB §531
AngG §23 Abs2
Bundesangestelltengesetz §14
KO §46 Abs1 Z4

 

Spruch:

Das Arbeitsverhältnis wird durch den Tod des Arbeitgebers im allgemeinen nicht aufgelöst; nur dann, wenn Arbeitsleistungen ausschließlich und unmittelbar für die Person des Arbeitgebers zu erbringen sind oder wenn - wie beim Lehrverhältnis - auch der Arbeitgeber persönliche Leistungen zu erbringen hat, beendet auch der Tod des Arbeitgebers das Arbeits-(Lehr-)Verhältnis § 23 Abs. 2 AngG kommt bei Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Arbeitgebers nicht zur Anwendung

OGH 12. Juli 1977, 4 Ob 91/77 (LGZ Wien 44 Cg 34/77; ArbG Wien 8 Cr 118/71

Text

Der Kläger begehrt zuletzt die Zahlung von 51 333 S brutto und 29

637.48 netto als Masseforderung nach Maßgabe der Deckung im Sinne des § 47 KO. Der Bruttobetrag wird unter dem Titel der Abfertigung (§ 23 AngG) verlangt und setzt sich aus vier Monatsgehältern zu je 12 833.33 S zusammen. Der Nettobetrag erstreckt sich im wesentlichen auf restliches Entgelt für die Zeit von Mai 1975 bis Oktober 1975 nach Abzug eines vom Beklagten im Konkursverfahren bereits anerkannten Teilbetrages von 30 185.05 S netto. Dieser Teilbetrag umfaßt die Monatsbezüge des Klägers für die Monate August, September und Oktober 1975 einschließlich Sonderzahlungen. Zur Begründung bringt der Kläger vor, er sei im Unternehmen des am 30. Mai 1975 verstorbenen Ing. Karl S seit 4. Juni 1962 gegen ein Monatsentgelt von 11 000 S als Montagemeister angestellt gewesen. Sein Arbeitsverhältnis sei vom Verlassenschaftskurator am 31. Juli 1975 zum 31. Oktober 1975 gekundigt worden. Er habe seine Forderungen in dem über die Verlassenschaft nach Ing. Karl S eröffneten Konkursverfahren angemeldet, doch seien diese nur mit dem vorerwähnten Teilbetrag vom Beklagten anerkannt worden.

Der beklagte Masseverwalter beantragte Klagsabweisung und bestritt das Vorliegen von Masseforderungen mit der Begründung, die Forderungen seien zwar von der Konkurseröffnung, aber nach dem Tode des Ing. S entstanden, so daß sie in Auslegung des § 46 Abs. 2 lit. b KO in der dritten Klasse zu berücksichtigen seien.

Die Parteien stellten außer Streit, daß das Bruttogehalt des Klägers 11 000 S, der Anspruch auf Familienbeihilfe 340 S und auf Wohnungsbeihilfe 30 S pro Monat betragen habe, ferner, daß der Kläger von Juni 1975 bis einschließlich Oktober 1975 kein Gehalt bezogen habe und daß sein Abfertigungsanspruch vier Monatsgehälter in der Höhe von insgesamt 51 333 S brutto zuzüglich 120 S netto (Wohnungsbeihilfe für vier Monate) beträgt. Schließlich stellten die Parteien außer Streit, daß das Konkursverfahren über die Verlassenschaft nach dem am 30. Mai 1975 verstorbenen Ing. Karl S am 28. Oktober 1975 eröffnet wurde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich eines Bruttobetrages von 51 333 S abzüglich 4 143.90 S netto statt und wies das Mehrbegehren von 33 781.38 S netto ab. Es traf folgende, für das Revisionsverfahren noch wesentliche Feststellungen:

Der Verlassenschaftskurator kundigte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. Oktober 1975. Dieser hat die geltend gemachten Entgeltbeträge mangels vorhandener Mittel nicht erhalten.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht den Anspruch auf Abfertigung in der Höhe von 51 333 S brutto zuzüglich 120 S netto sowie auf anteilsmäßige Sonderzahlungen in der Höhe von 16 146.93 S netto aus dem Gründe des § 46 Abs. 1 Z. 4 KO. Dem Kläger stehe ferner ein Entgeltanspruch für die Zeit vom 28. Oktober bis 31. Oktober 1975 in der Höhe von 1149.92 S netto gemäß § 46 Abs. 3 KO (richtig § 46 Abs. 1 Z. 3 KO) und ein Anspruch auf ein Monatsgehalt in der Höhe von 8624.30 S netto für die letzten dreißig Tage vor der Konkurseröffnung gemäß § 46 Abs. 2 lit. a KO als Masseforderung zu. Unter Berücksichtigung des vom Beklagten im Konkurs anerkannten Betrages von 30 185.05 S netto sei der oben erwähnte Betrag dem Kläger zuzusprechen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß es den Beklagten schuldig erkannte, dem Kläger einen Betrag von 51 333 S brutto und 871.99 S netto als Masseforderung unter Bedachtnahme auf §§ 47, 124 KO zu zahlen und wies das Mehrbegehren von 28765.49 S netto ab. Es führte das Verfahren gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGG neu durch und traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht. Ergänzend stellte es, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, fest, daß an den Kläger die ihm aus einer Reiseabrechnung gebührenden Entgeltbeträge von 435.60 S und 702.70 S nicht gezahlt wurden, daß er aber einen Vorschuß von 2000 S für diese Posten gegen nachträgliche Verrechnung erhalten hat.

Die Parteien stellten in der Berufungsverhandlung außer Streit, daß der vom Kläger geltend gemachte Urlaubszuschuß im Ausmaß von 6/12 nach dem Tode des Ing. S jedenfalls längstens bis zum 30. Juni 1975 fällig geworden ist. Der weitere Urlaubszuschuß und die Weihnachtsremuneration im Ausmaß von je 4/12 sind hingegen zum Ende des Arbeitsverhältnisses des Klägers, nämlich zum 31. Oktober 1975, fällig geworden. 2/12 der - auf den Monat Juli entfallenden - Sonderzahlungen betragen 1614.60 S netto.

In rechtlicher Hinsicht teilte das Berufungsgericht die Auffassung des Erstgerichtes über die Eigenschaft des Abfertigungsanspruches als Masseforderung im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 4 KO, weil sich dieser Anspruch aus der nach der Konkurseröffnung eingetretenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergebe. Eine Anwendung des § 23 Abs. 2 AngG komme im Hinblick auf den Konkurs nicht in Betracht. Neben der Abfertigung stehe dem Kläger aber nur noch ein Nettobetrag von 871.99 S zu. Da die vom Beklagten im Konkursverfahren anerkannten Bezüge für die Monate August, September und Oktober 1975 keinen Gegenstand dieses Rechtsstreites bildeten, seien nur noch die Sonderzahlungen, soweit sie sich aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergeben und nach der Konkurseröffnung fällig geworden sind (nämlich 8/12), zu berücksichtigen. Da die Sonderzahlungen in dem vorgenannten, vom Beklagten anerkannten Teilbetrag für die Monate August, September und Oktober, sohin im Ausmaß von insgesamt 6/12, enthalten seien, stehe dem Kläger nur noch ein Anspruch auf die verbleibenden 2/12 im Ausmaß von 1614.60 S zu. Dazu kämen noch die (zur Abfertigung gehörende) Wohnungsbeihilfe von 120 S netto und die offenen Reisekosten von 435.60 S und 702.70 S netto. Unter Berücksichtigung eines Vorschusses von 2000 S verbleibe ein dem Kläger noch zustehender Nettobetrag von 871.99 S (richtig: 872.99 S).

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Schwergewicht der Revision liegt in der Bekämpfung der Auffassung des Berufungsgerichtes, der Abfertigungsanspruch des Klägers sei erst am 31. Oktober 1975, sohin nach der Konkurseröffnung, entstanden. Der Meinung des Beklagten, dieser Anspruch sei schon am 30. Mai 1975 und somit vor der Konkurseröffnung entstanden, weil das Arbeitsverhältnis des Klägers durch den Tod seines Arbeitgebers, des Ing. S, aufgelöst worden sei, kann jedoch nicht gefolgt werden. Das Arbeitsverhältnis wird zwar durch den Tod des Arbeitnehmers mit Rücksicht auf dessen persönliche, auf die Erben nicht übergehende Arbeitspflicht aufgelöst (Mayer - Maly, Österr. Arbeitsrecht, 110; Martinek - Schwarz, AngG[3], 313; Spielbüchler in Arbeitsrecht I, 72; Schaub, Arbeitsrechthandbuch[2], 512), im allgemeinen aber nicht durch den Tod des Arbeitgebers. Dessen Position ist nämlich in der Regel nicht an die Person gebunden, so daß seine Erben im Wege der Universalsukzession in den Arbeitsvertag eintreten. Nur bei Arbeitsleistungen, die vom Arbeitnehmer ausschließlich und unmittelbar für die Person des Arbeitgebers zu erbringen sind, wie etwa die Tätigkeit einer Pflegerin oder eines Privatsekretärs, oder wenn, wie beim Lehrverhältnis, auch der Arbeitgeber persönliche Leistungen zu erbringen hat (hier unter den besonderen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 lit. b BAG), beendet der Tod des Arbeitgebers das Arbeits(Lehr)Verhältnis (Mayer - Maly a. a. O.; Spielbüchler a. a. O., 73; Floretta in Arbeitsrecht I, 166; Schaub a. a. O.).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor. Das Argument des Beklagten, die Führung des Unternehmens sei ohne die höchstpersönliche Tätigkeit des Gemeinschuldners nicht denkbar gewesen, geht am Kern der Sache vorbei. Entscheidend ist nicht die Notwendigkeit der persönlichen Unternehmensführung durch den Arbeitgeber, sondern der - hier nicht vorhandene und nicht einmal behauptete - ausschließliche und unmittelbare Zusammenhang zwischen der Person des Arbeitnehmers und jener des Arbeitgebers, ohne den die Vertragserfüllung nicht möglich wäre. Im übrigen hat der Kläger seine Arbeitsleistung nach dem Tode des Arbeitgebers zunächst weiterhin erbracht und wurde in der Folge vom Verlassenschaftskurator gekundigt. Am Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den Tod des Ing. S hinaus kann daher auch aus diesem Grund kein Zweifel bestehen. Da der Anspruch des Klägers auf Abfertigung nicht durch den Ausspruch dieser Kündigung, sondern erst mit der nach dem am 31. Oktober 1975 erfolgten Ablauf der Kündigungsfrist eingetretenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und somit nach der am 28. Oktober 1975 erfolgten Konkurseröffnung entstanden ist (vgl. Martinek - Schwarz a. a. O., 372 f., 533; Mayer - Maly a. a. O., 82; Petschek - Reimer - Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, 527; EvBl. 1975/175; EvBl. 1966/223; Arb. 7279 u. a.) und da sich dieser Anspruch aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergibt, liegen die Voraussetzungen einer Masseforderung im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 4 KO vor. Damit erübrigt es sich, auf die Ausführungen des Revisionswerbers über das Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 lit. b KO einzugehen.

Dem Beklagten kann aber auch in seiner Auffassung nicht gefolgt werden, die Untergerichte hätten das Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 AngG prüfen und Feststellungen über die persönliche Wirtschaftslage des Gemeinschuldners treffen müssen. Wie der OGH bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, kommt die zitierte Bestimmung im Falle der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Arbeitgebers nicht zur Anwendung (Martinek - Schwarz a. a. O., 377 f.; Arb. 9461, 8388, 7375; ZAS 1969/7; SZ 10/110 u. a.). Die vom Beklagten gerügten Feststellungsmängel liegen daher nicht vor, das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Abfertigungsanspruch mit Recht bejaht.

Da der Revisionswerber zu dem dem Kläger vom Berufungsgericht zugesprochenen Nettobetrag von 871.99 S keine Rechtsmittelausführungen erstattet hat, dieser Betrag jedoch im wesentlichen mit Sonderzahlungen im Zusammenhang steht, die sich gleichfalls aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergeben (§ 46 Abs. 1 Z. 4 KO), kann der Beklagte auf die diesbezüglichen Darlegungen und zur Höhe dieses Betrages auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte