European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0050OB00600.77.0607.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Zu dem zum größten Teil aus Liegenschaften bestehenden Nachlaß des * 1976 verstorbenen A* haben die acht Töchter eines Neffen des Erblassers auf Grund des Testamentes vom 27. Juni 1975 bedingte Erbserklärungen abgegeben. Der Adoptivsohn W*, der im Testament enterbt wurde, behauptet einen Pflichtteilsanspruch sowie den Bestand einer Lohnforderung.
Er stellte am 3. November 1976 den Antrag auf Nachlaßseparation und brachte dazu vor:
„Als Noterbe und Nachlaßgläubiger stelle ich hiemit den Antrag, mir die Absonderung des Nachlasses vom Vermögen der Erben gemäß § 812 ABGB zu bewilligen und zur Verwaltung des Nachlasses einen Separationskurator zu bestellen.
Ich erkläre hiemit meine subjektive Besorgnis, daß infolge der in dem erblasserischen Testament vom 27. Juni 1975 ausgesprochenen, wenn auch von mir bestrittenen Enterbung, die Testamentserben, deren Erbserklärungen bereits zu Gericht angenommen wurden, ohne das Ergebnis von möglichen Vergleichsverhandlungen oder ohne das Ergebnis eines allenfalls durchzuführenden Pflichtteilsprozesses abzuwarten, sich veranlaßt sehen könnten, Verfügungen über den Nachlaß zu treffen wodurch die Befriedigung meines Pflichtteilsanspruches und meiner Lohnforderung gefährdet werden. Da im Falle der durch Vergleich oder Prozeß festzustellenden Rechtsmäßigkeit meines Noterbenanspruches und meiner Lohnforderung zur Berichtigung dieser Forderungen auch die Legate heranzuziehen sein werden, welche in der Befriedigungsordnung dem Noterben und den Gläubigern nachgehen, kann auch eine Verfügung nach § 178 AußStrG zugunsten der Legatare F* und T* eine Gefährdung meiner Ansprüche bewirken. Mit der Einantwortung erhalten die Erben auf jeden Fall die freie Verfügung über das Nachlaßvermögen, zumal sich unter den Erben auch großjährige Erben befinden. Die Nachlaßseparation kann jedoch nur von der Einantwortung beantragt werden.
Ich habe im Vorstehenden meine subjektive Besorgnis motiviert. Die Bescheinigung einer Gefahr für die Befriedigung meiner Ansprüche ist nach dem Gesetz und der Judikatur nicht erforderlich.“
Das Erstgericht bewilligte die Absonderung des Nachlasses vom Vermögen der Erben gemäß § 812 ABGB und traf im Sinne eines weiteren Antrages des Noterben Maßnahmen zur Todfallssperre von Guthaben bei der Sparkasse * und erließ das gerichtliche Veräußerungs- und Belastungsverbot bezüglich der zum Nachlaß gehörenden Liegenschaften EZ. 207 KG. *, EZ. 195 KG. * und EZ. 236 KG. * zugunsten des Noterben W* auf die Dauer der Verlassenschaftsabhandlung, längstens jedoch bis 8. November 1979 (drei Jahre).
Das Rekursgericht gab dem rechtzeitig erhobenen Rekurse der Testamentserben Folge und wies den Antrag des Noterben auf Nachlaßseparation ab.
Zu der nunmehr vom Revisionsrekurswerber in Frage gestellten Rechtzeitigkeit dieses Rekurses ist darauf zu verweisen, dass der erstgerichtliche Beschluß den erbserklärten Erben am 12. November 1976 zugestellt, ihr dagegen gerichteter Rekurs vom Gerichtskommisär am 22. November 1976 zu Protokoll aufgenommen wurde und dieses Protokoll am 24. November 1976 beim Erstgericht eingelangt ist (ON 37/38).
Nach § 812 ABGB könne zwar ein Erbschaftsgläubiger, ein Legatar oder ein Noterbe die Nachlaßabsonderung verlangen, wenn er besorge, daß er durch die Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen der Erben für seine Forderung Gefahr laufen könne. Er müsse hiezu aber hinreichende Gründe angeben, welche bei vernünftiger Überlegung eine subjektive Besorgnis in der angeführten Richtung rechtfertigen könnten. Dies habe er aber nicht getan. Insoweit die Testamentserben die Forderungen des erbl. Adoptivsohnes bestreiten, könne daraus noch nicht abgeleitet werden, daß dadurch eine Gefahr für die Einbringlichkeit der Forderungen des Antragstellers gegeben wäre. Im übrigen enthalte das ganz allgemein gehaltene Vorbringen des Antragstellers keine konkreten Anhaltspunkte dafür, daß die Erben Maßnahmen oder Rechtshandlungen setzen wollten, durch die sie die Einbringlichmachung der gegenständlichen Lohn- und Pflichtteilsforderungen erschweren oder vereiteln könnten. Der Antragsteller habe auch nicht behauptet, daß die Gefahr bestehe, daß durch Rechtshandlungen dritter Personen die Einbringlichmachung seiner Forderungen erschwert oder vereitelt werden könnte.
Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß richtet sich der Revisionrekurs des Antragstellers mit dem Begehren, den erstgerichtlichen Beschluß wiederherzustellen, bzw die Nachlaßabsonderung mit den Maßnahmen der Todfallssperre und des Veräußerungs-, Belastungs- und Verpfändungsverbotes zu bewilligen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Das Recht, die Nachlaßseparation gemäß § 812 ABGB zu begehen, steht allen Gläubigern zu, die auf die Erbschaft angewiesen sind. Dazu gehört auch der Pflichtteilsberechtigte. Es soll damit bewirkt werden, daß das getrennt verwaltete Sondervermögen trotz Einantwortung ausschließlich zur Befriedigung der Absonderungsgläubiger dient (Koziol-Welser, Grundriß3 II 266). Diese Nachlaßseparation ist nicht an strenge Bedingungen zu knüpfen (NZ 1927, 11 uva). Mit Rücksicht auf den Zweck des § 812 ABGB, den Antragsberechtigten vor allen Gefahren zu schützen, die aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Erben über den Nachlaß mit der darin liegenden Verquickung der vermögensrechtlichen Beziehungen entstehen können, genügt auch jede hinreichend motivierte Besorgnis, daß der Erbe selbst den Nachlaß und damit den Befriedigungsfonds für die Nachlaßforderung schmälern könnte (SZ 8/5, 8 Ob 159/72 ua). Eine Bescheinigung der besorgten Gefährdung ist nicht erforderlich (NZ 1969, 156; NZ 1971, 80; 5 Ob 188/75). Der Gläubiger muß aber jene Umstände anführen, die bei vernünftiger Überlegung eine subjektive Besorgnis rechtfertigen können (vgl. SZ 18/181; SZ 23/299, SZ 24/194; SZ 25/215; NZ 1971, 80). Der Antragsteller hat nun zur Motivierung seiner subjektiven Besorgnis allein die abstrakte Möglichkeit angegeben, daß sich die Testamentserben veranlaßt sehen könnten, Verfügungen über den Nachlaß zu treffen. Eine solche Möglichkeit ist wohl in jedem Falle gegeben und kann daher für sich allein noch nicht die Absonderung der Verlassenschaft von dem Vermögen der Erben im Sinne des § 812 ABGB rechtfertigen. Wenn der Revisionsrekurswerber nunmehr ergänzend darauf hinweist, daß die Testamentserben in ganz einfachen wirtschaftlichen Verhältnissen lebten und daher die Versuchung für sie, möglichst bald in den Besitz von Nachlaßgegenständen zu kommen, sehr groß sei, so handelt es sich diesbezüglich um eine im Revisionsrekursverfahren unzulässige Neuerung, weil derartige Schlüsse allein aus den Berufsangaben im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht gezogen werden können.
Daß das Rekursgericht auch den Antrag, einen Separationskurator zu bestellen, abgewiesen hat, obwohl dieser ursprünglich gestellte Antrag in dem ergänzenden Schriftsatz ON 29 nicht aufrecht erhalten wurde, kann außer Betracht bleiben, weil diesbezüglich die rekursgerichtliche Entscheidung ins Leere geht.
Dem unbegründeten Revisionsrekurs muß daher ein Erfolg versagt bleiben.
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