Spruch:
Die Nachlaßabsonderung nach § 812 ABGB. ist dem Wesen nach eine einstweilige Verfügung, für deren Bewilligung lediglich die Bescheinigung der Forderung und einer subjektiven Besorgnis erforderlich ist.
Für die Bescheinigung der Forderung können auch andere als die in der ZPO. angeführten Beweismittel herangezogen werden. Die Einbringung einer Klage allein genügt allerdings nicht.
Entscheidung vom 18. Juli 1951, 3 Ob 359/51.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die geschiedene Gattin des Erblassers, Trude W., beantragt die Nachlaßabsonderung mit der Begründung, daß sie mit dem Verstorbenen anläßlich der Scheidung ein Übereinkommen getroffen habe, demzufolge ihr die Hälfte des zur Zeit der Scheidung vorhandenen Warenlagers der Alteisenhandlung des Erblassers auszufolgen sei. Dieser Verpflichtung sei der Erblasser nur zum Teil nachgekommen. Die Gefährdung des Anspruches wird darin erblickt, daß bereits Alteisenmaterial von den Erben - den Söhnen der Verstorbenen - weggeführt werde.
Das Erstgericht bewilligte die Nachlaßabsonderung.
Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf, weil der Grundsatz des beiderseitigen Gehörs nicht eingehalten worden und auch die Anspruchsbescheinigung deshalb nicht hinreichend sei, weil die Erben zur vorgelegten Photokopie des Übereinkommens nicht Stellung nehmen konnten, auch nicht alle Zeugen der Antragstellerin zur Bescheinigung des Anspruches gehört worden seien.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragstellerin Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Bei der Nachlaßabsonderung nach § 812 ABGB. handelt es sich dem Wesen nach um eine materiellrechtliche einstweilige Verfügung. Voraussetzung der Bewilligung ist der Antrag eines Gläubigers, der seine Forderung zu bescheinigen und eine subjektive Besorgnis zu motivieren vermag. Eine Vorschrift, daß vor Bewilligung der Absonderung der Erbe gehört werden müßte, besteht nicht. Es wird allerdings manchmal zweckmäßig sein, auch dem Gegner Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Doch werden sich Fälle ergeben, bei denen eine vorherige Vernehmung der Erben undurchführbar ist, soll nicht der Zweck der Absonderung vereitelt werden. Verfehlt wäre es, vom Antragsteller den strikten Nachweis des Bestandes seiner Forderung zu begehren. Diese Frage wird häufig von einer Reihe strittiger Tatsachen abhängen, deren Klärung im außerstreitigen Verfahren gar nicht möglich ist. Es wird in der Regel für das Verlassenschaftsgericht unmöglich sein, eine vollständige Erhebung des Tatbestandes herbeizuführen.
Außerdem würde eine derart weitwendige Erhebung allenfalls den Zweck der Absonderung vereiteln. Erforderlich ist vielmehr nur, daß der Gläubiger seine Forderung bescheinigt, das heißt, glaubhaft macht. Zur Bescheinigung des Anspruches können auch andere als die in der Zivilprozeßordnung aufgezählten Beweismittel herangezogen werden, daher auch Briefe und schriftliche Äußerungen von Zeugen.
Unter diesem Gesichtspunkt gesehen, hat die Antragstellerin ihren Anspruch bescheinigt. Der Anspruch wird auf eine Vereinbarung der Antragstellerin mit dem Erblasser während des aufrechten Bestandes der Ehe gestützt, in welcher sich die Ehegatten für den Fall der Scheidung auf eine bestimmte Art der Vermögensauseinandersetzung geeinigt haben. Solche Vereinbarungen für den Fall einer Scheidung müssen grundsätzlich als gültig angesehen werden (§ 80 EheG.), ohne daß sie der Form des Notariatsaktes bedürften, wenn damit kein Ehepakt aufgehoben werden sollte. Zur Bescheinigung des Anspruches legt die Antragstellerin eine nicht beglaubigte Photokopie der schriftlichen Vereinbarung sowie zwei Briefe vor. Es kann nicht übersehen werden, daß durch diese Bescheinigungsmittel sowie durch die Aussage der vernommenen Auskunftsperson der von der Antragstellerin behauptete Anspruch glaubhaft gemacht wurde, wenn auch natürlich nicht gesagt werden kann, daß daraus mit Sicherheit auf den Bestand des Anspruches geschlossen werden könnte. Die Tatsache, daß die Antragstellerin die Klage bezüglich des behaupteten Anspruches überreicht hat, reicht für sich allein zur Bescheinigung des Anspruches nicht aus (ZBl. 1918, Nr. 291), wenn auch die Klagseinbringung zur Unterstützung der übrigen Bescheinigungsmittel herangezogen werden kann. Der Umstand, daß die Forderung der Antragstellerin von den Erben mit zum Teil beachtlichen Gründen bestritten wird, hindert die Bewilligung der Separation nicht. Der Bescheinigung einer Gefahr bedarf es nicht. Daß die Antragstellerin bei der Höhe der behaupteten Forderung und den Tatsachen, daß die Erben Barguthaben der Verlassenschaft unter sich bereits aufgeteilt haben und Abverkäufe vom Warenlager stattfinden, die subjektive Besorgnis haben kann, daß ihr Anspruch ohne Absonderung durch das Verhalten der Erben gefährdet sein könnte, ist zuzugeben. Es liegen daher die Voraussetzungen für eine Nachlaßabsonderung nach § 812 ABGB. vor, ohne daß es der vom Rekursgericht aufgetragenen Erhebungen bedurfte, weshalb der erstgerichtliche Beschluß wiederherzustellen war.
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