OGH 2Ob514/77

OGH2Ob514/773.3.1977

SZ 50/36

Normen

ABGB §164a
JN §55
ABGB §164a
JN §55

 

Spruch:

Rechtsunwirksamkeit des Anerkenntnisses der Vaterschaft das unter der Drohung der Mutter des Kindes, der Gattin den Seitensprung mitzuteilen, abgegeben wurde, und des darauf beruhenden Unterhaltsvergleichs

OGH 3. März 1977, 2 Ob 514/77 (KG Korneuburg 5 R 318/76; BG Korneuburg C 399/75 )

Text

Der Kläger begehrte auszusprechen, daß sein Anerkenntnis der Vaterschaft zu der am 6. Juli 1974 unehelich geborenen Beklagten vor der Bezirkshauptmannschaft K vom 26. Juli 1974 rechtsunwirksam sei, ferner, daß der Vergleich zwischen den Streitteilen vor dem Jugendamt K vom 26. Juli 1974, worin sich der Kläger zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 1200 S für die Beklagte verpflichtet hatte, mit der Wirkung aufgehoben werde, daß er als nicht abgeschlossen gelte. Die Mutter des beklagten Kindes, Christine H, geborene L, habe dem Kläger gedroht, sie werde seine frühere Untreue seiner nunmehrigen Ehefrau erzählen, wenn er die Vaterschaft zur Beklagten nicht anerkenne. Der Kläger habe befürchtet, daß sich seine Ehefrau von ihm trennen werde, wenn sie von der Sache erfahre und habe deshalb die Vaterschaft anerkannt und sich zur Unterhaltsleistung verpflichtet. Zufällig habe die Gattin des Klägers aber doch vom Sachverhalt erfahren und habe sich nicht vom Kläger abgewendet. Nach Wegfall der Zwangslage habe der Kläger Erhebungen angestellt und erfahren, daß die Kindesmutter auch Beziehungen zu einem anderen Mann unterhalten habe, dessen Vaterschaft wahrscheinlicher sei, als die des Klägers. Der Unterhaltsvergleich sei unter denselben Voraussetzungen wie das Anerkenntnis der Vaterschaft zustande gekommen und unterliege daher denselben Mängeln; überdies fehle dem Vergleich bei Wegfall des Anerkenntnisses die Geschäftsgrundlage.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und bestritt, daß dem Kläger gedroht worden sei. Außerdem sei die Frist des § 164a Abs. 2 ABGB bereits verstrichen.

Beide Untergerichte gaben dem Klagebegehren statt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Untergerichte sind von folgenden Feststellungen ausgegangen:

Seit August 1973 wohnte der Kläger mit seiner späteren Frau Brigitte K zusammen und es hatten die nunmehrigen Eheleute auch seit damals die Absicht zu heiraten. Brigitte K hatte dem Kläger von Anfang ihrer Beziehungen an klar gemacht, daß sie keinen Fehltritt dulde. Am 6. Dezember 1973 brachte der Kläger der Christine H, mit der er zwischen 1971 und Sommer 1973 eng befreundet gewesen war, zwei Kanister Öl in ihre Wohnung. Bei dieser Gelegenheit kam es zwischen dem Kläger und Christine H zu einem Geschlechtsverkehr. Nach Eintritt der Schwangerschaft wandte sich die Kindesmutter telefonisch an den Kläger, worauf es in der Folge im Frühjahr 1974 zu mehreren Treffen zwischen ihnen kam. Bei diesen Zusammenkünften hielt Christine H dem Kläger seine Vaterschaft vor und sagte ihm, als er sich mit der Tatsache, daß er der Vater ihres Kindes sei, nicht anfreunden wollte, daß sie die ganze Affäre ja seiner Frau erzählen könne und daß sich das ja gut machen würde für einen frisch verheirateten Mann, der zum Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs mit ihr seine nunmehrige Frau bereits gekannt haben müsse. Christine H sagte hiebei zum Kläger, daß sie ihm Schwierigkeiten machen und zu seiner Frau gehen werde, vor der er sich ohnehin so fürchte, wenn sie das Kind bekomme und er die Vaterschaft nicht anerkennen sollte. Angesichts der von der Kindesmutter gegen den Kläger erhobenen Drohung, die Angelegenheit seiner Frau zu erzählen, beschäftigte sich der Kläger sogar mit der Möglichkeit einer Abtreibung als Lösung des Problems.

Im Zuge der Gespräche zwischen dem Kläger und Christine H vor der Geburt des Kindes, sagte der Kläger, daß seine Frau sehr eifersüchtig sei. Er bat Christine H auch, ihn nicht nachmittags im Büro anzurufen, weil seine Frau da bei ihm sei. Nach der Geburt des Kindes rief die Mutter den Bekannten des Klägers Karl Z an und sagte ihm, er solle dem Kläger ausrichten, er möge schleunigst die Vaterschaft anerkennen, sonst würde sie andere Schritte unternehmen und er würde sonst schon sehen. Der Kläger fragte Karl Z um Rat, was er tun solle und teilte ihm mit, daß seine Ehe mit Brigitte K ruiniert wäre, wenn die Angelegenheit herauskäme. Am 26. Juli 1974 erkannte der Kläger vor dem Jugendamt K in Gegenwart des Alfred F als Leiter der Amtshandlung, die Vaterschaft zum beklagten Kind an. Mit Vergleich vorn 26. Juli 1974, M 33/74-6 des Jugendamtes K, verpflichtete sich der Kläger zur Bezahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 1200 S zu Handen der Mutter ab dem 6. Juli 1974.

Mitte August 1975 erlangte die Gattin des Klägers schließlich Kenntnis vom ganzen Sachverhalt. Die Gattin des Klägers, die vom Beruf Lehrerin ist, wollte sich daraufhin vom Kläger scheiden lassen. Sie war sich auch im Zeitpunkt ihrer Einvernahme im Feber 1976 noch nicht endgültig im klaren, ob sie mit dem Kläger weiter leben wolle oder nicht. Am 1. Oktober 1975 brachte der Kläger die vorliegende Klage ein.

Das Erstgericht meinte, es könne keinem Zweifel unterliegen, daß für jemanden, der an seiner Ehe festhalten wolle, die Gefahr, daß sein Ehepartner das Interesse an seiner Ehe verliere, geeignet sei, begrundete Furcht hervorzurufen, zumal eine intakte Ehe einen Wert repräsentiere, dessen Gefährdung bei einem an seiner Ehe interessierten Menschen geradezu eine existenzielle Angst hervorrufen müsse. Die Drohung der Kindesmutter, der Gattin des Klägers den Seitensprung ihres Mannes zu erzählen, sei zwar nicht rechtswidrig gewesen, doch habe die Kindesmutter diese Drohung zur Herbeiführung eines Erfolges eingesetzt, auf den sie keinen Anspruch hatte, zumal zur Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind die Vaterschaftsklage diene, wobei die Möglichkeit bestehe, die Tatsache der Vaterschaft einer Prüfung zu unterziehen. Im Falle eines Anerkenntnisses begebe sich der Anerkennende der zum Schutz vor unberechtigter Feststellung seiner Vaterschaft der Wahrheitsfindung dienenden Mittel. Es habe daher weder die Mutter noch das uneheliche Kind ein Recht auf Anerkennung der Vaterschaft, weshalb die beim Kläger hervorgerufene Furcht sowohl als begrundet, als auch als ungerecht im Sinne des § 164a ABGB anzusehen sei. Es sei deshalb nicht nur das Anerkenntnis als rechtsunwirksam zu erklären, sondern auch der Unterhaltsvergleich aufzuheben, weil mit dem Wegfall des Anerkenntnisses auch die darauf beruhende Unterhaltsverpflichtung die Geschäftsgrundlage verliere.

Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte aus, daß die Drohung diesfalls nicht vom beklagten Kind, sondern von dessen Mutter ausgegangen sei, sei rechtlich bedeutungslos, weil § 164a ABGB nicht darauf abstelle, von wem die Drohung ausgegangen sei. Schließlich sei die Klage auch rechtzeitig erhoben, denn die Wirksamkeit der Drohung sei Mitte August weggefallen und die Klage sei am 1. Oktober 1975 eingebracht worden.

Die Revisionswerberin sieht eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens darin, daß trotz Antrages der Beweis für die objektive Richtigkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses durch Einholung eines Tragzeit- und Reifegutachtens sowie eines Blutgruppengutachtens nicht durchgeführt worden sei.

Damit werden in Wahrheit Feststellungsmängel behauptet. Dabei übersieht die Revisionswerberin, daß im gegenständlichen Rechtsstreit nicht Klarheit zu schaffen ist, ob der Kläger der Erzeuger der Beklagten ist, sondern lediglich darüber, ob das Vaterschaftsanerkenntnis und die darauf beruhende Unterhaltsverpflichtung zu Unrecht herbeigeführt wurden.

Zur unrichtigen rechtlichen Beurteilung führt die Revisionswerberin aus: Da die Furcht, den Ehewillen der Gattin zu gefährden, vor Abschluß der Ehe des Klägers entstanden sei, könne nach moderner durchschnittlicher Eheauffassung diese Furcht nicht als gegrundet angesehen werden. Es handle sich ja um einen einmaligen Umgang mit der Kindesmutter, dessen Kenntnis allein noch nicht vorn Abschluß einer Ehe abhalten könne. Nehme man an, daß die Furcht des Klägers erst nach seiner Eheschließung entstanden sei, so sei sie objektiv unbegrundet, weil das Verschweigen eines vorehelichen Verhältnisses keinen Scheidungs- oder Auflösungsgrund für die Ehe bilde. Es treffe auch nicht zu, daß es belanglos sei, von wem die Drohung ausgegangen sei. Ein Mundel habe zwar die zivilrechtlichen Wirkungen einer deliktischen Handlung des Vormundes zu verantworten. Die Kindesmutter sei aber erst mit Beschluß vorn 17. August 1976 zum Vormund für das beklagte Kind bestellt worden.

In der Revisionsbeantwortung wird zunächst die Ansicht vertreten, daß die Revisibilität hinsichtlich der Anfechtung des Unterhaltsvergleiches getrennt vom Vaterschaftsanerkenntnis zu behandeln sei. Da der Streitwert der Anfechtung des Unterhaltsvergleiches nur 43 200 S betrage, sei insoweit die Revision gegen das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes unzulässig.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Die Aufhebung des Unterhaltsvergleiches ist die notwendige Folge der Rechtsunwirksamkeitserklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses.

Beide Punkte des Klagebegehrens stehen daher in einem rechtlichen Zusammenhang und sind deshalb für die Revisibilität zusammenzurechnen (§ 55 JN). Da aber die Revisibilität des Begehrens auf Unwirksamkeitserklärung des Anerkenntnisses als einer Statussache auf jeden Fall gegeben ist, muß Gleiches für das damit verbundene Begehren auf Aufhebung des Unterhaltsvergleiches gelten.

Die Revision ist daher in vollem Umfang zulässig.

Das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, daß die von der Mutter der Beklagten ausgegangene Drohung, der Gattin des Klägers den Sachverhalt zu erklären, falls er die Vaterschaft nicht anerkenne, in ihm die ungerechte und gegrundete Furcht hervorrufen mußte, daß es dadurch zu einem schweren Zerwürfnis zwischen ihm und seiner Frau kommen werde, so daß er zur Abgabe des Anerkenntnisses und zur Übernahme der Unterhaltsverpflichtung genötigt wurde. Daß die Drohung nicht von der Beklagten, sondern von ihrer Mutter ausging, ist nach der Formulierung des Gesetzes nicht maßgebend. Gegen die Rechtzeitigkeit der Klage wurde in der Revision nichts mehr vorgebracht.

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