Spruch:
Auch eine bloße Beteiligung an den Beförderungskosten ist als Entgelt im Sinne des Warschauer Abkommens anzusehen
OGH 13. Jänner 1977, 2 Ob 205 - 208/76 (OLG Linz 1 R 30-33/76; KG Ried im Innkreis 1 a Cg 119/75)
Text
Die Kläger erhoben Ansprüche auf Zahlung von Schadenersatz bzw. auf Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten nach einem Flugzeugabsturz am 27. Juni 1972 in Italien. Die Klagen wurden am 16. Juni 1975, jene der Viertklägerin am 20. Juni 1975 bei Gericht eingebracht. Die Kläger behaupteten, der Beklagte habe den Absturz seines von ihm gesteuerten Flugzeuges grob fahrlässig herbeigeführt, wobei Hermann H getötet und Theresia F verletzt worden seien. Die Ansprüche der Kläger ergäben sich aber auch aus den abgeschlossenen Beförderungsverträgen. Alle Fluggäste hätten sich nämlich an der Bezahlung der Kosten für den Flug beteiligt. Dennoch habe der Beklagte keine Flugscheine ausgestellt, so daß er sich nach dem Warschauer Abkommen nicht auf einen Ausschluß oder eine Beschränkung seiner Haftung berufen könne. Wegen des Unfallsortes sei italienisches Recht anzuwenden, das eine Verjährungszeit von fünf Jahren vorsehe.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Er behauptete insbesondere, er habe den Unfall nicht verschuldet; dieser habe sich infolge eines plötzlichen heftigen Fallwindes ereignet. Die Klage sei wegen Fristablaufes ausgeschlossen. Der Beklagte stellte außer Streit, daß er Hermann H und Theresia F gegen Entgelt befördert habe.
Das Verfahren vor dem Erstgericht wurde auf den Grund der Ansprüche beschränkt; der Beklagte erklärte, der Höhe nach einen Schadensbetrag von 100 DM anzuerkennen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Kläger hinsichtlich Nichtigkeit und gab ihr im übrigen nicht Folge.
Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionen, die nur von der Dritt- und der Viertklägerin erhoben wurden, nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Untergerichte sind von folgenden Feststellungen ausgegangen: Im Juni 1972 vereinbarten der Beklagte und sein Freund Anton H sowie der ebenfalls mit ihm befreundete Hermann H eine Flugreise nach Cagliari auf Sardinien. Hermann H lud seinerseits die Klägerin Theresia F ein, an dieser Reise teilzunehmen. Während der Beklagte August H in seinem Flugzeug unentgeltlich mitnehmen wollte, sollten Hermann H und Theresia F für den Flug bezahlen, wobei allerdings von vornherein kein bestimmtes Entgelt vereinbart war, sondern nach der Reise abgerechnet werden sollte. Ohne daß vom Beklagten für seine Passagiere ein Flugschein ausgestellt worden wäre, wurde die geplante Reise zweimal begonnen, weil sich beim ersten Abflug das Wetter verschlechterte und der Beklagte mit dem Flugzeug von Innsbruck zum Ausgangspunkt Hörsching zurückkehren mußte. Nach der Rückkehr wurde dieser Flug abgerechnet und von Hermann H sowie Theresia F der vom Beklagten geforderte Betrag bezahlt. Einige Tage später, nachdem sich das Wetter gebessert hatte, gelang der direkte Flug nach Cagliari. Die Rückreise wurde am 27. Juni 1972 angetreten und sollte auch an diesem Tage enden, doch flog der Beklagte zuerst nach Treviso, weil er dort mit einem Geschäftsfreund zusammentreffen wollte. Nach einem Aufenthalt von etwa 2.5 Stunden wurde die Reise fortgesetzt. Dabei geriet der Beklagte mit seinem Flugzeug in den Alpen nach einem etwa 15 Minuten dauernden Flug plötzlich in einen starken Fallwind. Das Flugzeug wurde dadurch in ein enges Tal gedrängt. Als der Beklagte erkannte, daß ein Weiterflug in diesem Tal nicht möglich sei, versuchte er, in steiler Kurve umzudrehen. Das Flugzeug streifte dabei jedoch einen Baum, worauf es abstürzte. Dabei wurden Hermann H getötet und Theresia F schwer verletzt.
Das Erstgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, da außer Streit stehe, daß Hermann H und Theresia F gegen Entgelt befördert worden seien und da eine sogenannte internationale Beförderung vorliege, sei das Warschauer Abkommen anzuwenden. Nach Art. 29 desselben könnten Klagen auf Schadenersatz nur binnen einer Ausschlußfrist von zwei Jahren erhoben werden. Die Frist beginne an jenem Tag zu laufen, an dem das Flugzeug am Bestimmungsort hätte ankommen sollen, also am 27. Juni 1972. Da die Klagen erst im Juni 1975 eingebracht worden seien, sei die Ausschlußfrist von zwei Jahren bereits abgelaufen gewesen. Die Klagen der Sozialversicherungsträger seien auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil keine Legalzession erfolgt sei. Das Verschulden des Beklagten brauche daher nicht näher überprüft zu werden.
Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Klagen verspätet erhoben worden seien.
Die Drittklägerin macht in ihrer Revision geltend, die Frage, ob eine Beförderung gegen Entgelt vorgenommen worden sei und ob überhaupt ein Beförderungsvertrag vorliege, sei einer Außerstreitstellung nicht zugänglich, weil nur Tatsachen zugestanden werden könnten.
Nun haben die Kläger behauptet, daß ihre Beteiligung an den Flugkosten vereinbart war und der Beklagte hat dies als richtig zugestanden. Diese Außerstreitstellung einer Tatsache führt denknotwendig zu der Schlußfolgerung, daß es sich um eine entgeltliche Beförderung gehandelt hat. Der Richter kann zwar im Falle offenkundiger Unrichtigkeit auch von zugestandenen Tatsachen abweichen (2 Ob 29/71; 1 Ob 203/75; 4 Ob 72/67 = ZfRV 1969, 140; 7 Ob 299/62), doch hat hier die Viertklägerin selbst in ihrer Aussage als Partei die näheren Umstände der Beteiligung an den Flugkosten dargelegt. Die Ausführungen der Revision, daß es sich dennoch um eine unentgeltliche Gefälligkeitsbeförderung gehandelt habe, weil eine Kostenbeteiligung kein Entgelt sei, unterlegen dem Art. 1 Abs. 1 Warschauer Abkommen einen unrichtigen Sinn (Koziol, Haftpflichtrecht II, 410; Wussow, Haftpflichtrecht, Randzahl 808; Geigel, Haftpflichtprozeß[16], 29, 28; BGH VersR 1968, 94).
Die Revision der Viertklägerin wendet sich ferner dagegen, daß das Berufungsgericht ein Beweisverfahren über die Frage der Entgeltlichkeit des Fluges für überflüssig hielt.
Daß dieser Umstand außer Streit gestellt wurde, kann die Revisionswerberin jetzt nicht damit abtun, es habe sich um eine irrtümliche Behauptung gehandelt. Das Berufungsgericht hat vielmehr zutreffend angenommen, daß die Entgeltlichkeit der Beförderung nicht mehr beweisbedürftig war. Soweit daher in der Revision ausgeführt wird, es sei kein Beförderungsvertrag geschlossen worden und es komme daher das allgemeine Schadenersatzrecht zur Anwendung, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und ist deshalb unbeachtlich.
Unrichtig ist die Behauptung der Revision, das Anerkenntnis des Beklagten stelle eine unbedingt und unbefristet abgegebene Erklärung des Beklagten dar, für die eingetretenen Schäden Ersatz zu leisten. Der Beklagte hat nämlich - offensichtlich, um eine Entscheidung über den Grund der Ansprüche zu ermöglichen - lediglich der Höhe nach einen Schadensbetrag von 100 DM anerkannt.
Im übrigen hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, daß bezüglich eines angeblichen Anerkenntnisses des Beklagten der Viertklägerin gegenüber kein Vorbringen der klagenden Parteien vorlag.
Die Untergerichte haben daher, da es sich um eine entgeltliche Beförderung handelte, die Klagen mit Recht wegen Verspätung abgewiesen.
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