OGH 7Ob676/76

OGH7Ob676/762.12.1976

SZ 49/150

Normen

Außerstreitgesetz §97
Wohnungseigentumsgesetz 1975 §10
Außerstreitgesetz §97
Wohnungseigentumsgesetz 1975 §10

 

Spruch:

Für die Feststellung des gemeinen Wertes einer Eigentumswohnung im Verlassenschaftsverfahren ist nebst der Ermittlung des Gebäude- und Grundwertes des Miteigentumsanteiles auch die Heranziehung ihres Ertragswertes erforderlich. Hiebei haben jedoch die hypothekarischen Belastungen des Wohnungseigentums, die bei den Nachlaßpassiven zu berücksichtigen sind, außer Betracht zu bleiben

OGH 2. Dezember 1976, 7 Ob 676/76 (LG f. ZRS Wien 43 R 1065/76; BG Hernals 1 A 256/75)

Text

Gesetzliche Erben des ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorbenen Josef Leopold B sind dessen Gattin Aloisia B, seine Mutter Karoline W und seine Schwester Johanna B. Der Erblasser war Eigentümer von 82/1553 Anteilen der Liegenschaft EZ 32 KG N, mit welchen das Wohnungseigentum an der im 3. Stock des Hauses in W gelegenen Wohnung Nr. 12 verbunden ist. Das Erstgericht legte der Abhandlung das berichtigte Hauptinventar mit einem Aktivstand von 480 910.68 S und einem Passivstand von 216 431.95 S, daher einen reinen Nachlaßwert von 264 478.73 S zugrunde (Punkt 1 des Beschlusses ON 81). Hiebei bewertete das Erstgericht die in den Nachlaß fallende Eigentumswohnung des Erblassers mit dem von den beiden Schätzleuten Dipl.-Ing. H J und L K ermittelten Verkehrswert von 255 000 S, zuzüglich des am Todestag noch mit 122 456.59 S aushaftenden Darlehens des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds (im folgenden WWF-Darlehen genannt), insgesamt daher mit 377 456.59 S.

Das Rekursgericht änderte Punkt 1 des erstgerichtlichen Beschlusses (ON 81) dahin ab, daß die Nachlaßaktiven 358 454.09 S betragen und sich daher bei gleichbleibenden Passiven ein reiner Nachlaß von nur 142 022.14 S ergibt. Es war der Ansicht, das Erstgericht habe das die vorgenannte Eigentumswohnung belastende, am Todestag mit noch 122 456.59 S aushaftende WWF-Darlehen zu Unrecht den Aktiven zugeschlagen, obwohl es sich hiebei eindeutig um eine Passivpost handle.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der erblasserischen Schwester Johanna B Folge, hob die Beschlüsse der Unterinstanzen im bekämpften Umfange auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zweck des vom Erstgericht errichteten Inventars ist die Anlage eines genauen und vollständigen Verzeichnisses des genannten beweglichen und unbeweglichen Vermögens des Erblassers im Zeitpunkte seines Todes und die Ermittlung des Wertes dieses Vermögens (§ 97 AußStrG). Hiebei sind auch die Verlassenschaftsschulden, soweit sie ohne weitläufige Verhandlungen und ohne großen Zeitverlust ins Klare gesetzt werden können, in das Inventar aufzunehmen (§ 105 AußStrG). Hinsichtlich der Nachlaßaktiven haben die vom Abhandlungsgericht beizuziehenden Schätzleute deren gemeinen Wert im Zeitpunkte des Todes des Erblassers anzugeben (§ 103 Abs. 3 AußStrG). Wie dieser gemeine Wert bei Liegenschaften zu ermitteln ist, kann dem Außerstreitgesetz nicht entnommen werden. Die Bestimmungen des § 272 AußStrG über die freiwillige Schätzung und Feilbietung, die hinsichtlich der Art ihrer Vornahme auf die Normen der Prozeßordnung und damit (hinsichtlich unbeweglicher Sachen) auf die Realschätzordnung (RSchO) verweisen, werden allerdings nach der herrschenden Judikatur auch auf Schätzungen im Verlassenschaftsverfahren angewendet. Trotzdem ist nach der ständigen Rechtsprechung des OGH die RSchO nicht in ihrer Gesamtheit, sondern nur insoweit anzuwenden, als nicht besondere Vorschriften des Außerstreitverfahrens ihrer Anwendung im Wege stehen oder ihre Bestimmungen nicht nach ihrem Inhalt und ihrem Zweck nur für das Vollstreckungsverfahren Bedeutung haben (SZ 11/171, 24/185; JBl. 1956/76, 1967/269). Es bestehen daher im vorliegenden Falle keine Bedenken gegen die Anwendung der nach den §§ 14 ff. RSchO bei der Liegenschaftsschätzung zu beachtenden Grundsätze. Da dem Wohnungseigentümer nebst seinem Miteigentum an einem Wohnhaus mit der dazugehörigen Grundfläche auch ein dingliches Nutzungsrecht einer bestimmten Wohnungseinheit zusteht, über das er durch Mietvertrag verfügen kann, ist bei der Feststellung des gemeinen Wertes einer Eigentumswohnung nebst der Ermittlung des Gebäude- und Grundwertes (§ 15 RSchO) des Miteigentumsanteiles auch die Heranziehung ihres Ertragswertes erforderlich. Die bloße Bewertung nach dem Gebäude- und Grundwert würde nämlich im Hinblick auf den geringeren Wert von Miteigentumsanteilen an Liegenschaften und dem erfahrungsgemäß darüber liegenden Wert des Wohnungseigentums ein unrichtiges Bild über dessen gemeinen Wert ergeben. Bei der Ermittlung des Ertragswertes haben allerdings die hypothekarischen Belastungen des Wohnungseigentums außer Betracht zu bleiben, die - so wie hier - bei den Nachlaßpassiven ihre Berücksichtigung zu finden haben (§ 105 AußStrG). Deren Veranschlagung auch bei Berechnung des Ertragswertes des Wohnungseigentums würde zu einer doppelten Berücksichtigung dieser Nachlaßpassiven und damit zu einem zu geringen Wert des reinen Nachlaßvermögens führen (JBl. 1967/269). Die Schätzung der Nachlaßaktiven hat daher grundsätzlich nach ihrem Wert in unbelastetem Zustand zu erfolgen. Die auf rein exekutionsrechtliche Ziele abgestellten Bestimmungen des § 16 Abs. 3 RSchO sind somit im Hinblick auf die ihnen entgegenstehende Norm des § 105 AußStrG über die Ermittlung des reinen Nachlaßvermögens auf Schätzungen einer Nachlaßliegenschaft nur mit der vorgenannten Einschränkung anwendbar (JBl. 1967/269).

Ob die beiden vorgenannten Schätzleute bei der Ermittlung des von ihnen mit 255 000 S veranschlagten Verkehrswertes der Eigentumswohnung im Sinne der obigen Ausführungen vorgegangen sind, kann dem von ihnen erstatteten Gutachten (ON 57) nicht entnommen werden. Der Wert der Nachlaßaktiven - und damit der eine Nachlaßwert - kann daher derzeit noch nicht abschließend ermittelt werden. Das Erstgericht wird daher eine Ergänzung des von ihm eingeholten Gutachtens ON 57 im Sinne der vorangehenden Darlegungen zu veranlassen und dann neuerlich zu entscheiden haben.

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