Normen
Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung Art6 Abs3
StGB §88 Abs4
ZPO §268
Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung Art6 Abs3
StGB §88 Abs4
ZPO §268
Spruch:
Ein durch Alkohol beeinträchtigter Zustand eines Kraftfahrers ist ohne Rücksicht auf die Höhe seines Blutalkoholspiegels immer dann anzunehmen, wenn er sich infolge seines Alkoholgenusses nicht mehr in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug beherrschen und bei dessen Lenkung von ihm zu beachtende Vorschriften befolgen kann. Wird ein Kraftfahrer des Vergehens nach § 88 Abs. 4 2. Fall StGB verurteilt, so ist dadurch im Hinblick auf § 268 ZPO sein durch Alkohol beeinträchtigter Zustand im Sinne des Art. 6 Abs. 3 AKHB festgestellt
OGH 18. November 1976, 7 Ob 57/76 (OLG Graz 3 R 95/76; LGZ Graz 15 Cg 125/75)
Text
Der Kläger verschuldete am 5. März 1974 mit seinem bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW Opel Rekord in der E-Straße in Graz dadurch einen Verkehrsunfall, daß er gegen den auf seiner rechten Fahrbahnseite parkenden PKW des Klaus S stieß. Hiedurch kam er mit seinem Fahrzeug auf die linke Fahrbahnseite und prallte dort gegen den ihm entgegenkommenden PKW des Albin D, auf welchen schließlich Dr. Gerhard R mit seinem Wagen auffuhr. Bei dem Unfall entstand erheblicher Sachschaden. Außerdem wurde Albin D schwer verletzt. Der von den erhebenden Polizeibeamten durchgeführte Alkotest des Klägers verlief positiv. Die Blutabnahme wurde vom Kläger verweigert. Wegen dieses Unfalls wurde der Kläger mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 30. September 1974, des Vergehens nach §§ 335, 337 lit. b StG verurteilt, weil er sich durch den Genuß berauschender Mittel (mehr als zwei achtel Liter Wein und vier Tabletten Saridon oder auch anderer Tabletten gleicher Wirkung) in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte, obgleich er vorhersehen konnte, daß ihm eine Tätigkeit bevorstand, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit von Menschen herbeizuführen geeignet ist. Das Strafgericht nahm nicht als erwiesen an, daß der Blutalkoholspiegel des Klägers im Unfallszeitpunkt 0.8 Promille, betragen (oder überschritten) habe, jedoch wurde durch die vom Kläger eingenommenen Tabletten die Wirksamkeit des von ihm genossenen Alkohols so verstärkt, daß sie einem Blutalkoholwert von mehr als 8 Promille, (richtig wohl 0.8 Promille,) entsprach und zu seiner Fahruntüchtigkeit führte. Das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht sprach hingegen den Kläger auf Grund des vom Landesgericht für Strafsachen Graz festgestellten Sachverhaltes - der nunmehrigen Rechtslage entsprechend - des Vergehens nach § 88 Abs. 4 zweiter Fall StGB schuldig. Dem Strafverfahren schlossen sich am 12. April 1974 Klaus S und am 22. April 1974 Dr. Gerhard R und Albin D als Privatbeteiligte an. In der Hauptverhandlung am 8. Juli 1974 erschien nur der Privatbeteiligte Albin D und erklärte im Zuge seiner Einvernahme, sich seine Schadenersatzansprüche vorzubehalten. Die Privatbeteiligten Klaus S und Dr. Gerhard R wurden mit ihren zivilrechtlichen Ansprüchen nach § 366 Abs. 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Im Strafverfahren wurde der Kläger durch den nunmehrigen Klagevertreter seit 11. April 1974 verteidigt, der auch gegen das Strafurteil der ersten Instanz erfolglos Berufung erhob. Mit Schreiben vom 30. April 1974 lehnte die Beklagte die Übernahme der Verteidigungskosten des Klägers ab.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten den Ersatz seiner Verteidigungskosten in der Höhe von 24 293 S samt Anhang. Die Beklagte habe ihm keine Mitteilung darüber zukommen lassen, daß sie die Ansprüche der Privatbeteiligten dem Grund nach anerkannt habe und sei daher zum Ersatz seiner Verteidigungskosten verpflichtet. Eine Obliegenheitsverletzung habe der Kläger nicht begangen, weil er die Blutabnahme nur unter Schockeinwirkung verweigert habe. Die Beklagte bestreitet das Klagevorbringen und beantragt Klagsabweisung. Sie habe die Ansprüche der geschädigten Dritten bereits am 30. April und 14. Mai 1974 dem Grund nach anerkannt und dem Klagevertreter mit Schreiben vom 30. April 1974 mitgeteilt, daß sie die Verteidigungskosten nicht übernehme. Außerdem habe der Kläger, dessen Blutalkoholspiegel zum Unfallszeitpunkt mindestens 1 Promille, betragen habe, die Blutabnahme verweigert und in seiner Schadensmeldung seine Alkoholisierung verschwiegen. Er habe daher die Obliegenheitsverletzung nach Art. 6 Abs. 2 lit. c und Art. 8 Abs. 2 Z. 2 AKHB begangen. Die Beklagte sei daher leistungsfrei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte noch fest, daß die Kosten der Privatbeteiligung (richtig Verteidigungskosten) des Klägers einschließlich Umsatzsteuer und Barauslagen 24 293 S betragen haben. Nach Ansicht des Erstgerichtes sei bereits in der Erklärung der Beklagten, die Übernahme der Verteidigungskosten des Klägers wegen dessen Alleinverschulden am Unfall abzulehnen, eine Regelung der Ansprüche der Geschädigten zu erblicken. Das Klagebegehren erweise sich daher schon aus diesem Gründe als nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück. Es erachtete die Rechtssache für nicht spruchreif, weil nicht geklärt worden sei, zu welchem Zeitpunkt die Beklagte die privatrechtlichen Ansprüche der geschädigten Dritten einer endgültigen Regelung zugeführt, sowie ob und wann sie allenfalls den Kläger davon verständigt habe. Erst eine solche Verständigung hätte nämlich im Hinblick auf den Privatbeteiligtenanschluß der Geschädigten im Strafverfahren gegen den Kläger die Entstehung einer Ersatzpflicht der Beklagten für dessen Verteidigungskosten verhindert. Ob der Kläger die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung nach Art. 6 Abs. 2 lit. c AKHB begangen habe, könne ebenfalls noch nicht abschließend beurteilt werden. Im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers wegen des vorgenannten Unfalles hätte nämlich das Erstgericht prüfen müssen, ob er sich im Unfallszeitpunkt in einem alkoholisierten Zustand im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO befunden habe. Hingegen habe der Kläger durch seine Weigerung, sich Blut abnehmen zu lassen, den objektiven Tatbestand der Obliegenheitsverletzung nach Art. 8 Abs. 2 Z. 2 AKHB verwirklicht. Da jedoch das Erstgericht die Einwendung des Klägers, er sei unter Schockeinwirkung gestanden, nicht untersucht habe, sei die Frage offen, ob der Kläger durch ein vorsätzliches Verhalten die Aufklärung des Sachverhaltes durch Feststellung seines Blutalkoholgehaltes verhindert habe. Eine auf einer Schockwirkung beruhende Bewußtseinsstörung des Klägers würde nämlich ein vorsätzliches Handeln ausschließen. Hingegen komme der von der Beklagten ins Treffen geführten Obliegenheitsverletzung des Klägers (nach Art. 8 Abs. 2 Z. 1 AKHB) durch Erstattung einer verspäteten und unrichtigen Schadensmeldung deshalb keine Bedeutung zu, weil die Beklagte rechtzeitig Kenntnis vom wahren Sachverhalt erlangt habe. Das Erstgericht werde daher sein Verfahren zu ergänzen und dann neuerlich zu entscheiden haben.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge; der angefochtene Beschluß wurde aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Mit Recht hebt die Rekurswerberin hervor, daß die Rechtssache bereits im Sinne einer Bestätigung des Ersturteiles spruchreif sei. Die mit 30 000 S begrenzte Leistungsfreiheit des Versicherers nach Art. 6 Abs. 2 lit. c und Abs. 3 AKHB hat zur Voraussetzung, daß der versicherte Lenker im Unfallszeitpunkt ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat, im Zusammenhang mit dem Schadenseintritt durch rechtskräftiges Urteil des Strafgerichtes oder rechtskräftigen Bescheid der Verwaltungsbehörde schuldig erkannt wurde und aus dem Spruch oder aus der Begründung des strafgerichtlichen Erkenntnisses das Zutreffen des angeführten Umstandes (Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO) hervorgeht. Ein durch Alkohol beeinträchtigter Zustand eines Kraftfahrers ist aber nach der nunmehrigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ohne Rücksicht auf die Höhe seines Blutalkoholspiegels immer dann anzunehmen, wenn sich der Kraftfahrzeuglenker infolge seines Alkoholgenusses nicht mehr in einer solchen körperliche und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug beherrschen und bei dessen Lenkung von ihm zu beachtende Vorschriften zu befolgen vermag (VwSlgNF Nr. 8477/A; ZVR 1974/45, 1975/25, zuletzt VwGH 29. März 1974, Zl. 1505/74). Auch der OGH vertritt in seiner nunmehr ständigen Rechtsprechung diese Rechtsansicht (ZVR 1973/208; 1974/175; 1975/122). Die seinerzeit vertretene Auffassung, daß ein durch Alkohol beeinträchtigter Zustand im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO nur dann vorliege, wenn der Blutalkoholgehalt des Kraftfahrzeuglenkers 0.8 Promille, oder mehr betrage (ZVR 1971/105 u. a.) wurde daher nicht mehr aufrechterhalten. Wird daher ein Kraftfahrer des Vergehens nach §§ 335, 337 lit. b StG (nunmehr § 88 Abs. 4 zweiter Fall StGB) rechtskräftig verurteilt, so ist dadurch im Hinblick auf die Bindung des Zivilrichters an das strafgerichtliche Erkenntnis nach § 268 ZPO dessen durch Alkohol beeinträchtigter Zustand (§ 5 Abs. 1 StVO) im Sinne des Art. 6 Abs. 3 AKHB festgestellt (vgl. VersR 1965/604). Denn damit steht auch fest, daß die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit vom Kraftfahrer verschuldet wurde. Da hier eine derartige Verurteilung des Klägers erfolgte, ist die von der Rekurswerberin in Anspruch genommene, mit 30 000 S begrenzte Leistungsfreiheit nach Art. 6 Abs. 2 lit. c und 3 AKHB gegeben. Daß die Rekurswerberin hinsichtlich der von ihr an die geschädigten Dritten erbrachten Leistungen bereits im Sinne des Art. 6 Abs. 3 AKHB Rückgriff genommen hätte, wurde vom Kläger nicht behauptet. Damit erweist sich aber das 30 000 S nicht übersteigende Klagebegehren schon im Hinblick auf die vorgenannte Leistungsfreiheit der Klägerin als nicht berechtigt. Die vom Berufungsgericht angeordnete Verfahrensergänzung ist daher entbehrlich und die Rechtssache bereits im Sinne einer Bestätigung des Ersturteiles spruchreif.
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