OGH 2Ob213/76

OGH2Ob213/7611.11.1976

SZ 49/135

Normen

ZPO §164
ZPO §164

 

Spruch:

Wurde der (wenn auch unrichtigerweise beim Erstgericht gestellte) Antrag auf Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens aufrecht erledigt und erwuchs dieser Beschluß unangefochten in Rechtskraft, dann erweisen sich die im Revisionsverfahren erstatteten Rechtsmittelschriften aus der Sicht des aufgenommenen Verfahrens nicht als unwirksam, sondern nur als verfrüht, so daß kein Anlaß besteht, sie zurückzuweisen

OGH 11. November 1976, 2 Ob 213/76 (LGZ Wien 42 R 455/75; BG Großenzersdorf C 21/74 )

Text

Am 23. Oktober 1973 ereignete sich in Groß-Enzersdorf ein Verkehrsunfall, an dem Gertraud U mit einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW Peugeot 504 und Edeltraud K mit ihrem Volkswagen Variant beteiligt waren. Hiebei erlitt Edeltraud K einen Schaden von 13 164.67 S. Ihre Schadenersatzansprüche aus diesem Verkehrsunfall trat sie dem Kläger ab, der nun von der Beklagen Zahlung von 13 164.67 S samt 9.5% Zinsen ab 6. November 1973 verlangt. Sein Anspruch wurde der Höhe nach außer Streit gestellt. Der Kläger behauptet, Gertraud U habe den Unfall verschuldet.

Die Beklagte beantragt Abweisung des Klagebegehrens und wendet ein, das Verschulden treffe Edeltraud K.

Das Erstgericht erkannte im zweiten Rechtsgang im Sinne des Klagebegehrens. Die Berufung der Beklagten, mit der Abänderung im Sinne der Klagsabweisung angestrebt wurde, hatte teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil auf der Grundlage einer Verschuldensteilung im Verhältnis 2: 1 zu Lasten der Edeltraud K (bzw. des Klägers) dahin ab, daß es dem Kläger nur 4388.22 S samt 9.5% Zinsen seit 6. November 1973 zuerkannte und das Mehrbegehren von 8 776.45 S samt 9.5% Zinsen ab 6. November 1973 abwies.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Revisionsgericht hatte sich zunächst damit zu befassen, ob ihm nicht etwa eine meritorische Erledigung der Revision verwehrt ist. Nach Inhalt des Aktes wurde über das Vermögen des Klägers am 1. Juli 1975 der Konkurs eröffnet. Das Konkursedikt wurde am selben Tag an der Gerichtstafel des Konkursgerichtes angeschlagen. Dieser Konkurs wurde nach Abschluß eines Zwangsausgleiches mit Beschluß vom 22. Juni 1976 nach § 157 KO aufgehoben. Die Bekanntmachung der Aufhebung des Konkurses durch Anschlag an der Gerichtstafel des Konkursgerichtes erfolgte am 25. Juni 1976.

Der vorliegende Rechtsstreit, der offenkundig die Geltendmachung eines zur Konkursmasse gehörenden Anspruches betrifft, befand sich zur Zeit der Konkurseröffnung im Berufungsstadium. Die Rechtsmittelschriften, in denen die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung nicht beantragt worden war, langten bei Gericht noch vor der Konkurseröffnung ein. Auch die Vorlage des Aktes an das Berufungsgericht erfolgte noch vor dem 1. Juli 1975. Die in nicht öffentlicher Sitzung am 21. Juli 1975 gefällte Berufungsentscheidung wurde den Parteienvertretern am 1. Oktober 1975 zugestellt. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 2. Oktober 1975 wurden die Parteienvertreter und der für den Kläger bestellte Masseverwalter verständigt, daß das Verfahren nach § 7 KO unterbrochen ist.

Am 6. Juli 1976 erhob der Kläger unter Hinweis auf die inzwischen erfolgte Aufhebung des Konkurses die vorliegende Revision. Er brachte darin vor, mit der Aufhebung des Konkurses sei der Unterbrechungsgrund weggefallen. Ein Antrag auf Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens stellte er erst am 12. August 1976, und zwar entgegen der Vorschrift des § 165 Abs. 1 ZPO beim Erstgericht. Inzwischen hatte dieses die Zustellung der Revisionsschrift an den Beklagtenvertreter verfügt, und es war eine Revisionsbeantwortung erstattet worden. Mit Beschluß vom 13. August 1976 verfügte das Erstgericht die Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens und legte den Akt zur Entscheidung über die Revision vor.

Nach § 163 Abs. 2 ZPO sind die während der Unterbrechung von einer Partei in Ansehung der anhängigen Streitsache vorgenommenen Prozeßhandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung. Dies bedeutet, daß das Gericht diese Prozeßhandlungen nur insoweit zum Gegenstand seiner Verfügung zu machen hat, als es sie zurückweisen oder als der Partei gegenüber unwirksam erklären muß (Fasching II, 755, 793/794; Neumann I, 749 Anm.7; Bartsch - Pollak I, S. 78; SZ 41/93; SZ 43/158; SZ 44/63; SZ 45/19 u. a.). Die Unterbrechung des Verfahrens dauert aber nicht bloß bis zum Wegfall des Unterbrechungsgrundes, hier also bis zur Aufhebung des Konkurses bzw. bis zu deren Bekanntmachung, wie die Parteien anscheinend angenommen haben, sondern gemäß § 164 ZPO bis zur Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens, die aber nach § 165 ZPO einen entsprechenden Antrag voraussetzt, der bei dem Gericht zu stellen ist, bei dem die Rechtssache zur Zeit des Eintrittes des Unterbrechungsgrundes anhängig ist. Das wäre im vorliegenden Fall das Berufungsgericht gewesen. Wie der OGH wiederholt ausgesprochen hat (so in SZ 41/93; SZ 43/158; SZ 44/63; SZ 45/19) kann der im § 165 ZPO geforderte Antrag in der Einbringung von Rechtsmittelschriften nicht erblickt werden.

Im vorliegenden Fall ist aber von Bedeutung, daß der, wenn auch unrichtigerweise beim Erstgericht gestellte Antrag auf Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens, aufrecht erledigt wurde und der diesbezügliche Beschluß des Erstgerichtes unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist. Liegt aber ein rechtskräftiger Beschluß auf Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens vor, dann erweisen sich die im Revisionsverfahren erstatteten Rechtsmittelschriften aus der Sicht des aufgenommenen Verfahrens nicht mehr als unwirksam, sondern nur mehr als verfrüht, so daß kein Anlaß besteht, sie zurückzuweisen.

Die Revision ist jedoch nicht gerechtfertigt.

Im Hinblick darauf, daß die Entscheidung des Berufungsgerichtes zu einem Zeitpunkt erging, in dem das Verfahren unterbrochen war, mußte sich der OGH auch mit der Frage beschäftigen, ob dies Nichtigkeit des Berufungsurteiles bewirkt. Diese Frage ist indes zu verneinen. Grundsätzlich sind Gerichtshandlungen nach Eintritt der Unterbrechung unzulässig, weil sie das rechtliche Gehör der Parteien verletzen können.

Das ist aber dann nicht mehr der Fall, wenn die Unterbrechung nach Einbringung von Berufung und Berufungsmitteilung eintritt und auf die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung verzichtet wurde. Hier muß - entsprechend dem Grundgedanken des § 163 Abs. 3 ZPO, eine Gerichtstätigkeit dort nicht zu binden, wo den Parteien das rechtliche Gehör im gesetzlichen Ausmaß gewährt wurde - die Entscheidung über die Berufung in nicht öffentlicher Sitzung als zulässig angesehen werden (Fasching II, 795; vgl. auch SZ 9/315).

Der Entscheidung des Berufungsgerichtes liegt folgender Sachverhalt zugrunde: ........

Damit erweist sich, daß das Berufungsgericht mit Recht davon ausgegangen ist, daß Edeltraud K den der Gertraud U zugekommenen Rechtsvorrang verletzt hat. Gegen die Ausmessung der Verschuldensanteile der Beteiligten bestehen keine Bedenken.

Demzufolge mußte der Revision der Erfolg versagt bleiben.

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