OGH 6Ob685/76

OGH6Ob685/7614.10.1976

SZ 49/119

Normen

ABGB §1480
ABGB §1480

 

Spruch:

Abgrenzung von "Annuitäten" und "gemeinen Raten"; nur erstere unterliegen der kurzen Verjährung nach § 1480 ABGB

OGH 14. Oktober 1976, 6 Ob 685/76 (OLG Innsbruck 2 R 163/76; LG Innsbruck 23 Cg 227/75)

Text

Der Kläger begehrte vom Beklagten den Betrag von 23 000 S samt 12% Zinsen seit 30. November 1972 mit der Begründung, er habe ihm Darlehen von insgesamt 23 000 S gewährt, welche längstens am 30. November 1972 zur Rückzahlung fällig gewesen seien. Der Kläger arbeite mit Bankkredit, den er mit 12% verzinsen müsse, weshalb er diesen Zinsfuß ab 30. November 1972 aus dem Titel des Schadenersatzes verlange. Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, und wendete zuletzt noch ein, daß der Kläger ihm (als seinem seinerzeitigen Schwiegersohn) die Darlehensschuld im Sommer 1972 erlassen habe. Überdies sei die Schuld verjährt, da die erste Darlehensrate im Jänner 1971 zurückzuzahlen gewesen sei.

Das Erstgericht sprach dem Kläger den Betrag von 8333.38 S samt 12% Zinsen seit 1. Jänner 1973 zu und wies das weitere Klagebegehren ab.

Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Ende 1970 trat der Beklagte an den Kläger (seinen damaligen Schwiegervater) heran und bat ihn, für ihn Bürgschaft zu leisten, da er Schulden aus der ersten Ehe zu bezahlen habe. Der Kläger lehnte dies zwar ab, erklärte sich jedoch bereit, dem Beklagten ein Darlehen in der Höhe von 20 000 S zu gewähren, welches er ihm auch am 1. Dezember 1970 bar zuzählte. Der Beklagte verpflichtete sich, den Darlehensbetrag innerhalb von zwei Jahren in gleichbleibenden Monatsraten ab 1. Jänner 1971 zurückzuzahlen. Am 3. März 1971 zählte der Kläger dem Beklagten auf dessen Ersuchen ein weiteres Darlehen in der Höhe von 3000 S zu. Dieses Darlehen verpflichtete sich der Beklagte innerhalb von sechs Monaten ab Gewährung in gleichbleibenden Monatsraten zurückzuzahlen. Der Beklagte leistete auf die Darlehen überhaupt keine Rückzahlungen. Der Kläger arbeitet mit Bankkredit, der den Klagsbetrag übersteigt und für den er samt Kreditprovision und Bearbeitungsgebühr jährlich 12% Zinsen entrichten muß. Der Kläger hat dem Beklagten die Darlehensschuld nicht erlassen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß das am 3. März 1971 gewährte Darlehen am 3. September 1971 zur Rückzahlung fällig gewesen wäre. Die Verjährungsfrist hinsichtlich dieses Darlehens sei daher gemäß § 1480 ABGB am 3. September 1974 abgelaufen. Im Zeitpunkt des Einlangens der Klage (6. März 1975) sei das Darlehen daher bereits verjährt gewesen. Hinsichtlich des Darlehens vom 1. Dezember 1970 seien gemäß § 1480 ABGB die Rückzahlungsraten bis einschließlich Feber 1972, also 14 Raten von je 833.33 S, verjährt.

Nicht verjährt seien die noch ausstehenden zehn Darlehensraten ab März 1972 im Betrag von insgesamt 8333.38 S. Nur in diesem Umfang und im Zinsenpunkt sei daher das Klagebegehren gerechtfertigt.

Während das Berufungsgericht der Berufung des Beklagten nicht Folge gab, gab es der Berufung des Klägers Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß dem Klagebegehren (bis auf eine geringfügige Zinsendifferenz, die im Revisionsverfahren nicht mehr strittig ist) zur Gänze stattgegeben wurde. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, welche seiner Ansicht nach auf Grund eines mangelfreien Verfahrens getroffen worden seien. Rechtlich führte es aus, daß unter Annuitäten im Sinn des § 1480 ABGB nur gleichbleibende jährliche Leistungen zur Verzinsung und Tilgung eines Kapitals zu verstehen seien, bei denen sich Zinsenbetrag und Kapitalsabstattung immer auf denselben Betrag ergänzen, so daß bei fortschreitender Tilgung der in den einzelnen Annuitäten enthaltene Zinsenbetrag ständig fällt, während die in der Annuität enthaltene Tilgungsrate wächst. Hingegen unterlägen die gemeinen Raten, also die gleichbleibenden Kapitalsteilbeträge, die in aufeinanderfolgenden Zeitabschnitten zur Tilgung der Schuld bis zu ihrer gänzlichen Berichtigung zu zahlen sind, der ordentlichen Verjährung. Die ordentliche Verjährungszeit sei jedoch nicht abgelaufen, weshalb das Klagebegehren bis auf eine geringfügige Zinsendifferenz gerechtfertigt sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In der Rechtsrüge vertritt der Beklagte die Ansicht, die Darlehensforderung sei verjährt. Dem kann jedoch nicht beigepflichtet werden.

Gemäß § 1480 ABGB erlöschen Forderungen von rückständigen jährlichen Leistungen, insbesondere Zinsen, Renten, Unterhaltsbeiträge, Ausgedingsleistungen sowie zur Kapitalstilgung vereinbarten Annuitäten in drei Jahren. Annuitäten sind gleichbleibende jährliche Leistungen zur Verzinsung und Tilgung eines Kapitals, bei denen sich Zinsenbezug und Kapitalsabstattung immer auf den gleichen Betrag ergänzen, so daß bei fortschreitender Tilgung der in den einzelnen Annuitäten enthaltene Zinsenbetrag ständig fällt, während die in der Annuität enthaltene Tilgungsrate wächst (Klang in Klang[2] VI, 613; Ehrenzweig[2]I/1, 311 und II/1, 400; Gschnitzer, Schuldrecht, Allg. Teil, 41). Daß der Begriff der Annuitäten im Sinn des § 1480 ABGB nur so ausgelegt werden kann, ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte des § 192 der III. TN zum ABGB, durch welche § 1480 ABGB abgeändert wurde (JME 17. März 1917, 6726; JVBl. 1917, 91 f.). Daher fallen sogenannte gemeine Raten, d. h. gleichmäßige Kapitalsbeträge, die in aufeinanderfolgenden Zeitabschnitten zur Tilgung der Schuld bis zu ihrer gänzlichen Berichtigung zu zahlen sind, nicht unter die kurze Verjährungsfrist des § 1480 ABGB

(Klang, 613; RG 16. Dezember 1942, DREvBl. 1943/67; SZ 34/106; anderer Ansicht Reichl, Einige Kapitel der dritten Teilnovelle, NZ 1917, 95). Im vorliegenden Fall liegen jedoch zwei unverzinsliche Darlehen vor, bei denen die Rückzahlungsraten nur den Kapitalsbetrag betreffen und die daher keine Annuitäten im Sinn des § 1480 ABGB darstellen. Eine Verjährung der Darlehensforderung ist somit nicht eingetreten.

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