Normen
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §19 Abs2
StVO §13
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §19 Abs2
StVO §13
Spruch:
Betätigt sich jemand gegenüber einem Fahrzeuglenker als Einweiser, wirkt er unmittelbar auf den Verkehr ein, so daß ihn bei Verletzung der Vorschriften der StVO die Verantwortlichkeit trifft
Wer sich von einem unbekannten Passanten einweisen läßt, darf auf die Verkehrsrichtigkeit einer solchen Anweisung nicht vertrauen
Der Halter haftet für das Verschulden des Einweisers als Betriebsgehilfen nach § 19 Abs. 2 EKHG
OGH 22. September 1976, 8 Ob 84/76 (OLG Wien 10 R 23/76; KG Krems/Donau 2 Cg 89/75)
Text
Am 7. Juli 1973 kam es um etwa 21 Uhr auf der Bundesstraße 34 zwischen Fels am Wagram und Kollersdorf zu einem Zusammenstoß zwischen dem vom Kläger aus Richtung Wien in Richtung Langenlois gelenkten PKW und dem ihm entgegenkommenden, an einem stehenden Autobus vorbeifahrenden PKW, der von der Erstbeklagten gelenkt wurde und dessen Halter der Zweitbeklagte ist. Der Kläger wurde wegen dieses Unfalles rechtskräftig verurteilt, weil er eine für die Sichtverhältnisse bei Nacht überhöhte Geschwindigkeit eingehalten und diese trotz einer bedenklichen Verkehrssituation nicht unverzüglich herabgesetzt habe.
Der Kläger begehrt unter Einräumung eines Eigenverschuldens zu einem Viertel Ersatz seines Fahrzeugschadens von 21 000 S. Er behauptet, die Erstbeklagte sei ohne Beachtung des Gegenverkehrs an dem zur Gänze die rechte Fahrbahnhälfte versperrenden Autobus vorbeigefahren. Der Drittbeklagte habe die Erstbeklagte durch Handzeichen zur Vorbeifahrt aufgefordert, obwohl er habe wahrnehmen können, daß zu diesem Zeitpunkt der PKW des Klägers nur mehr 30 m entfernt gewesen sei. Der Viertbeklagte habe ohne Not den Autobus derart angehalten, daß er die rechte Fahrbahnhälfte völlig blockiert und dadurch eine ungünstige Verkehrssituation auf der frequentierten Bundesstraße geschaffen habe, obwohl genügend Platz gewesen wäre, den Autobus rechts der Fahrbahn abzustellen.
Die Beklagten machen Alleinverschulden des Klägers geltend. Dieser sei mit einer überhöhten Geschwindigkeit von 80-90 km/h und soweit links gefahren, daß er zur Fahrbahnmitte einen Abstand von 50 cm gehabt habe.
Das Erstgericht, das von einer gleichteiligen Schadensaufteilung ausging, verurteilte die Beklagten zur Zahlung von 14 000 S und wies das Mehrbegehren von 7000 S ab.
Das Urteil blieb im abweisenden Teil unangefochten. Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes im stattgebenden Teil im Sinne der Abweisung der Klage ab.
Die Untergerichte gingen von folgendem Sachverhalt aus:
Die Fahrbahn der Bundesstraße 34 ist im Bereich der Unfallstelle
8.30 m breit. Sie beschreibt in Richtung Wien eine langgezogene, auf mehrere hundert Meter übersichtliche Rechtskurve. An den beiden Seiten sind weiße Randlinien angebracht. Die Fahrbahnmitte ist durch eine gelbe Leitlinie markiert. Beide Markierungen waren in sehr gutem Zustand. Zur Unfallszeit herrschte Dunkelheit und die Fahrbahn war naß, weil es kurz vorher geregnet hatte. Am Beginn der obenbeschriebenen Kurve hatte Z S seinen PKW wegen eines Herzanfalles einer Mitfahrerin am rechten Fahrbahnrand in Richtung Wien so abgestellt, daß er nur mit einem Drittel seiner Breite in die Fahrbahn hineinragte. Als der Viertbeklagte mit seinem Autobus an diesem haltenden PKW vorbeifahren wollte, machte S - auf der Fahrbahn stehend - mit Winkzeichen auf sich aufmerksam. Der Viertbeklagte hielt daraufhin den mit 20 Personen besetzten, etwa
2.50 m breiten Autobus neben dem PKW des S so an, daß sich die Front des Autobusses etwa auf der Höhe des hinteren Drittels dieses PKWs befand, und der Abstand der linken Begrenzung des Autobusses zur Leitlinie in der Straßenmitte etwa 30 cm betrug. Zwischen der rechten Begrenzung des Autobusses und dem PKW war der Abstand so, daß der Viertbeklagte gerade noch die rechte vordere Autobustüre öffnen konnte. S ersuchte den Viertbeklagten um Hilfe für seine Mitfahrerin. Daraufhin schaltete der Viertbeklagte das unter den Scheinwerfern angebrachte Begrenzungslicht, das Abblendlicht, die Positionslampen oben, den linken Blinker und die Innenbeleuchtung des Autobusses ein. Die viereckigen Scheinwerfer befinden sich über den zwei viereckigen Begrenzungsleuchten, die zwei kleinen Positionslampen am Dach. In Höhe der Scheinwerfer sind an den vorderen Außenkanten die gelb-roten Blinker angebracht. An der Stirnwand des Autobusses waren somit 6 Lichter sichtbar, wobei das Abblendlicht am hellsten, das Begrenzungslicht deutlich und die Positionslampen schwach zu sehen waren. Weiters war noch der deutlich aufleuchtende linke Blinker zu sehen. Die aus 8 Leuchten in der Längsachse bestehende Innenbeleuchtung des Autobusses ist in der Mitte des "Himmels" angebracht. Am angehaltenen PKW des S war das Abblendlicht und die Warnblinkanlage eingeschaltet. Der Viertbeklagte stieg gemeinsam mit dem Drittbeklagten rechts vorne aus dem Autobus. Nachdem sie sich einen ersten Überblick über die Lage verschafft hatten, übergab der Viertbeklagte dem Drittbeklagten eine Taschenlampe und ersuchte ihn, den Verkehr zu regeln. Der Drittbeklagte, der Reiseleiter des Autobusses war, stellte sich mit der Taschenlampe hinter dem Heck des Autobusses auf dem Fahrbahnstreifen des Klägers auf, um die Fahrzeuge, die in Richtung Wien fuhren, zu warnen. Gleichzeitig beauftragte er den Fahrgast des Autobusses L K, die aus Richtung Wien kommenden Fahrzeuge zu warnen und fügte bei, er selbst werde den Verkehr in Richtung Wien hinter dem Autobus aufhalten. K stand für seine Warntätigkeit keine Taschenlampe zur Verfügung; davon hatte der Drittbeklagte Kenntnis. Der Drittbeklagte und K trafen keine Vereinbarung, miteinander in Kontakt zu bleiben. Während ihrer Warn- und Einweisertätigkeit handelten der Drittbeklagte und K völlig selbständig, ohne ihre Tätigkeit zu koordinieren. K stand 25-30 m vor dem Autobus am linken Fahrbahnrand in Richtung Wien. Er befand sich dabei weitestgehend im Dunkeln und seine Umrisse und Handbewegungen waren im Abblendlicht des Autobusses nur sehr undeutlich zu sehen. K warnte aus Richtung Wien kommende Fahrzeuge so, daß er bei Annäherung eines Fahrzeuges zur Mitte des rechten Fahrstreifens aus Richtung Wien ging und mit der Hand winkte. Wenn man sich aus dieser Richtung näherte, waren die Lichter am angehaltenen PKW des S und die Lichter des angehaltenen Autobusses auf mehrere hundert Meter gut erkennbar. Etwa 100 m vor dem angehaltenen Fahrzeug war erkennbar, daß beim Autobus die Innenbeleuchtung eingeschaltet war. Ungefähr 70 m vor dem angehaltenen Fahrzeug war wahrnehmbar, daß ein PKW und daneben ein Autobus abgestellt waren. Diese Wahrnehmungen wurden durch die stark auffallende Randlinie am Fahrbahnrand und durch die deutlich erkennbare Leitlinie erleichtert. Nachdem der Drittbeklagte schon mehrere PKW-Kolonnen an dem Autobus vorbei in Richtung Wien durchgeschleust hatte, sammelte sich etwa 15 Minuten nach dem Anhalten des Autobusses eine neue Fahrzeugkolonne, hinter dem Autobus in Richtung Wien an; an deren Spitze befand sich der von der Erstbeklagten gelenkte PKW. Diese hielt den 1.77 m breiten PKW, in dem auch der Zweitbeklagte saß, etwa 10 m hinter dem Autobus in der Mitte ihres Fahrstreifens an, so daß sie zum rechten Fahrbahnrand und zu Leitlinie ungefähr den gleichen Abstand von etwa 1.20 m hatte. Aus dieser Position hatte die Erstbeklagte ungefähr 20 m Sicht auf die Gegenfahrbahn, also etwa bis zur Front des Autobusses. Sie verblieb in dieser Position etwa 5 Minuten, während welcher Zeit einige PKWs aus der Gegenrichtung langsam am Autobus vorbeifuhren. Die Erstbeklagte hatte mit dem damals 64jährigen Drittbeklagten nur visuellen, jedoch weder selbst, noch über den Zweitbeklagten mündlichen Kontakt.
Obwohl der Drittbeklagte den sich aus Richtung Wien nähernden PKW des Klägers sah, deutete er der Erstbeklagten durch Hand- und Lichtzeichen, daß sie am Autobus vorbeifahren könne. Zu diesem Zeitpunkt stand der Drittbeklagte etwa 2 m hinter der hinteren Fahrzeugbegrenzung des Autobusses ungefähr in der Mitte des Fahrstreifens des Klägers. Der Drittbeklagte hatte von dieser Position aus die Möglichkeit, aus Richtung Wien kommende, mit Abblendlicht fahrende Fahrzeuge auf eine Entfernung von etwa 500 m zu sehen. Die genaue Entfernung, auf welche der Drittbeklagte erstmals den PKW des Klägers wahrnahm, konnte nicht festgestellt werden. Der Drittbeklagte vermeinte, daß sich der PKW des Klägers, den er an seinem Abblendlicht wahrnahm, noch sehr weit befände, ohne daß er die Entfernung und die Geschwindigkeit hätte abschätzen können. Er verließ sich auch darauf, daß K, den er jedoch nicht beobachtete, den Kläger warnen und zum Langsamfahren bzw. Stehenbleiben veranlassen werde. Auf die Zeichen des Drittbeklagten hin schaltete die Erstbeklagte unverzüglich den linken Blinker ein, setzte ihr Fahrzeug langsam in Bewegung und lenkte es bei eingeschaltetem Abblendlicht schräg nach links über die Leitlinie auf die Gegenfahrbahn. Unmittelbar nach Beginn ihres Ausscherens bemerkte sie den Lichtschein des Abblendlichtes des Fahrzeuges des Klägers und begann bei einer Reaktionszeit von 0.7 Sekunden zu bremsen. Eine Rücklenkung nach rechts unternahm sie nicht. Zum Zeitpunkt der Kollision hatte die Erstbeklagte ihren PKW so zum Stillstand gebracht, daß er 50-90 cm über die Leitlinie in den Fahrstreifen des Klägers hineinragte. Zu jenem Zeitpunkt, als sie den Lichtschein vom PKW des Klägers erstmals sehen konnte und auch tatsächlich sah, war dieser mindestens 40 m von der späteren Kollisionsstelle entfernt und hielt eine Geschwindigkeit von etwa 70 km/h ein. Bei ihrem Ausscheren hatte die Erstbeklagte bis zum Kontakt eine Wegstrecke von etwa 4 m in ungefähr 3 Sekundenzurückgelegt und die Geschwindigkeit ihres PKWs betrug am Beginn der Abbremsung etwas mehr als 4 km/h. Durch scharfes Rechtslenken hätte die Erstbeklagte bei sofortiger Reaktion auf den sich nähernden Lichtschein ihren PKW innerhalb eines Zeitraumes von etwa 1 Sekunde wieder über die Leitlinie zurück auf ihren Fahrstreifen lenken und zugleich abbremsen können. Der reine Bremsweg betrug etwa 0.1 m. Der Sekundenweg beträgt bei 4 km/h 1.4
m. Ab Erkennen des Abblendlichtes am PKW des Klägers bis zur Kollision standen der Erstbeklagten ungefähr 2 Sekunden zur Verfügung. In ihrer Endstellung hatte die Erstbeklagte über rund 100 m Sicht auf die Gegenfahrbahn. Der Kläger näherte sich der Unfallstelle mit etwa 70 km/h und hatte das Abblendlicht eingeschaltet. Er fuhr mit seinem 1.57 m breiten PKW in einem Abstand von 10-40 cm von der Leitlinie. Mindestens 200 m vor der Unfallstelle konnte der Kläger die Umrisse des beleuchteten Autobusses und des danebenstehenden PKWs S wahrnehmen. Als der Kläger den auf der Gegenfahrbahn abgestellten Autobus zum ersten Mal sah, meinte er, daß sich dieser in Bewegung befinde. Er nahm in der Folge weder wahr, daß der Autobus stand, noch daß sich neben dem Autobus am linken Fahrbahnrand ein Personenkraftwagen befand. Er übersah auch den 25-30 m vor dem Autobus im Bereich seines Fahrstreifens stehenden K, der ihn vergeblich durch Winken mit den Armen zu einer Herabsetzung seiner Geschwindigkeit zu veranlassen versuchte. Als sich der Kläger dem Autobus auf etwa 20 m genähert hatte, bemerkte er erstmals den PKW der Erstbeklagten, die gerade im Begriffe war, die Leitlinie zu überfahren. Er bremste sofort, lenkte aber nicht nach rechts aus und verminderte seine Fahrgeschwindigkeit bis zur Kollision etwa 60 km/h. Sein PKW prallte mit der linken Frontseite bei einer Überdeckung von etwa 40 cm in einen Längsachsenwinkel von 10-15 Grad, gegen die Vorderseite des von der Erstbeklagten gelenkten PKWs. Am Fahrzeug des Klägers wurden die vordere Stoßstange links, die Kühlerverkleidung links, der linke vordere Kotflügel mit Scheinwerfer, die Motorhaube links und die Windschutzscheibe beschädigt. Bei einer Geschwindigkeit von 40 km/h hätte der Kläger noch vor dem von der Erstbeklagten gelenkten Fahrzeug anhalten können. Der Viertbeklagte hätte, als er sich dem PKW des S näherte, die Möglichkeit gehabt, entweder vor oder nach diesem PKW den Autobus am äußersten rechten Fahrbahnrand anzuhalten. Es wäre dann zwischen der linken Begrenzung des Autobusses und der Leitlinie ein Streifen von mindestens 1.6 m für den Nachfolgeverkehr freigeblieben. Auch nachdem er den Drittbeklagten aufgetragen hatte, den Verkehr zu regeln, dachte der Viertbeklagte nicht daran, die Position des Autobusses zu verändern. Er kümmerte sich bis zur Kollision und auch nach dieser vielmehr um die Mitfahrerin im PKW des S. Zwischen dem Anhalten des Autobusses und dem Unfall vergingen etwa 20 Minuten. Während dieser Zeit hatten mehrere Insassen den Autobus verlassen und standen an beiden Fahrbahnrändern im Bereich der Unfallstelle. Das Erstgericht lastete dem Kläger an, daß er mit einer für die gegebenen Sichtverhältnisse überhöhten Geschwindigkeit gefahren sei und diese trotz einer erkennbaren unklaren Verkehrssituation nicht herabgesetzt habe. Mit der Einhaltung eines Abstandes von 2.1 bis 2.5 m zum rechten Fahrbahnrand habe er auch gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen. Schließlich habe er es an der nötigen Aufmerksamkeit fehlen lassen, da er weder die Handzeichen des K, noch wahrgenommen habe, daß der Autobus stehe. Das Verschulden der Erstbeklagten sei darin zu erblicken, daß sie sich während des Anhaltens hinter dem Autobus nicht durch Kontaktaufnahme mit dem Drittbeklagten davon überzeugt habe, ob er von seinem Standort aus die Funktion eines Einweisers erfüllen könne. Sie hätte sich auch mit einer geringeren Geschwindigkeit als 4 km/h zur Leitlinie vortasten müssen, um größere Sicht auf die Gegenfahrbahn zu gewinnen und hätte die Fahrbahnmitte nicht überfahren dürfen. Bei Erkennung des Lichtes des entgegenkommenden PKWs des Klägers hätte sie auch nach rechts lenken müssen, wofür ihr rund 2 Sekunden zur Verfügung gestanden seien. Dem Drittbeklagten sei anzulasten, seine Warntätigkeit nicht mit K koordiniert zu haben. Die Entfernung der Standorte der beiden Einweiser habe etwa 30 m betragen, so daß die Möglichkeit bestanden hätte, sich durch Rufen zu verständigen. Ferner sei dem Drittbeklagten bekannt gewesen, daß K für seine Warntätigkeit keine Taschenlampe zur Verfügung gehabt habe und weitestgehend im Dunkeln gestanden sei. Er wäre daher zu besonderer Aufmerksamkeit verpflichtet gewesen und hätte nicht damit rechnen dürfen, daß jeder aus Wien kommende Fahrzeuglenker die Handzeichen des K wahrnehmen und darauf sofort bremsen werde. Der Drittbeklagte hätte also bei Annäherung eines Fahrzeuges aus Richtung Wien Fahrzeuge in Richtung Wien erst links auf der Gegenfahrbahn am Autobus vorbeischleusen dürfen, wenn die Fahrzeuge aus Richtung Wien vor dem Autobus angehalten hätten. Demzufolge habe er fahrlässig gehandelt, als er der Erstbeklagten Zeichen gegeben habe, sie möge auf ihrer Gegenfahrbahn links am Autobus vorbeifahren, obwohl er schon die Lichter des Personenkraftwagens des Klägers wahrgenommen habe. Erfahrungsgemäß könnten nämlich bei Dunkelheit weder Entfernungen noch Geschwindigkeiten beleuchteter Fahrzeuge auch nur annähernd geschätzt werden. Den Viertbeklagten treffe ein Verschulden, weil er rund 20 Minuten bis zum Unfall fast seinen gesamten Fahrstreifen versperrt habe, den von ihm gelenkten Autobus also im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 28 StVO geparkt und damit gegen das Gebot des § 23 Abs. 2 StVO und das Verbot des § 24 Abs. 3 lit. c StVO verstoßen habe. Hätte er den Autobus am äußersten rechten Fahrbahnrand abgestellt, hätte zur Leitlinie nicht ein Abstand von nur 30 cm, sondern von mindestens 1.6 m bestanden. Dadurch wären zwei Fahrstreifen frei geblieben und die Erstbeklagte hätte ausreichend Sicht auf die Gegenfahrbahn für ein Vorbeifahren gehabt. Daher sei auch das Verhalten des Viertbeklagten nicht nur schuldhaft und rechtswidrig, sondern für den Unfall kausal. Der Viertbeklagte werde auch nicht dadurch entschuldigt, daß er einer kranken Frau geholfen habe. Zur Hilfeleistung seien nämlich mehrere Personen zur Verfügung gestanden, so die übrigen Insassen des Autobusses und S selbst. Der Viertbeklagte hätte jedenfalls ohne Gefährdung der kranken Frau den Autobus vor dem PKW des S am rechten Fahrbahnrand abstellen können; dazu hätte er kaum mehr als 30 Sekunden benötigt. Die Anteile der einzelnen Schadenshandlungen der Erstbeklagten sowie des Dritt- und Viertbeklagten an der Beschädigung des PKWs des Klägers seien unbestimmbar. Daher hafteten die Beklagten solidarisch. Allfällige Regressansprüche untereinander seien hier unerheblich. Die Abwägung der verschiedenen Verschuldenskomponenten lasse eine gleichteilige Verschuldensaufteilung angemessen erscheinen.
Das Berufungsgericht verneinte ein Verschulden der Erstbeklagten und des Viertbeklagten. Letzterer habe den Omnibus weder zum Halten noch zum Parken aufgestellt und daher weder gegen die Bestimmungen des § 23 Abs. 2 noch gegen die des § 24 Abs. 3 lit. c StVO verstoßen. Es habe sich vielmehr um ein Anhalten im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 26 StVO gehandelt, weil das Zum-Stillstand-Bringen des Fahrzeuges durch wichtige Umstände, nämlich durch die plötzliche Herzattacke eines Fahrgastes erzwungen worden sei, der sich in einem am Fahrbahnrand haltenden PKW befunden habe. Die Erstbeklagte habe sich langsam vorgetastet, bis sie Sicht auf die Gegenfahrbahn gehabt habe, und habe dann sofort angehalten, als sie den Lichtschein des PKWs des Klägers wahrgenommen habe. Dies sei fahrtechnisch richtig gewesen. Daß sie den PKW nicht sofort nach rechts zurückgelenkt habe, könne ihr nicht als Verschulden angerechnet werden. Bei der vom Kläger plötzlich herbeigeführten Gefahr sei sie nicht verpflichtet gewesen, zwei Rettungshandlungen gleichzeitig vorzunehmen. Der Drittbeklagte habe möglicherweise die Erstbeklagte nicht richtig eingewiesen. Sein Verhalten sei aber nicht Unfallskausal gewesen, weil die Erstbeklagte auch ohne die Tätigkeit des Drittbeklagten als Einweiser hätte weiterfahren dürfen, ohne daß ihr deshalb ein Verschulden hätte vorgeworfen werden können. Jedenfalls sei ein allenfalls nicht allen Gegebenheiten voll Rechnung tragendes Verhalten der Erst-, Dritt- und Viertbeklagten gegenüber dem groben Fehlverhalten des Klägers in Anbetracht der Umstände, durch die es heraufbeschworen worden sei (Hilfeleistung bei akuter Erkrankung) von so geringem Gewicht, daß weder diese drei Beklagten zur Verschuldenshaftung noch der Zweitbeklagte als Halter zum Schadensausgleich heranzuziehen seien.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Mit Recht wendet sich der Kläger gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß das Zum-Stillstand-Bringen des Omnibusses durch den Viertbeklagten als Anhalten und nicht als Halten oder Parken anzusehen sei. Nach § 2 Abs. 1 Z. 26 StVO gilt als Anhalten das durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Zum-Stillstand-Bringen eines Fahrzeuges. Anhalten ist ein ungewolltes, erzwungenes Zum-Stillstand-Bringen eines Fahrzeuges, während unter Halten eine gewollte Fahrtunterbrechung zu verstehen ist (vgl. ZVR 1973/1 und ZVR 1974/81). Nach den Feststellungen brachte der Viertbeklagte den Omnibus zum Stillstand, weil er um Hilfeleistung für einen von einer Herzattacke befallenen Fahrgast ersucht wurde, der sich in einem am Fahrbahnrand abgestellten PKW befand. Das Zum-Stillstand-Bringen war daher weder durch die Verkehrslage, noch durch "sonstige wichtige Umstände" erzwungen. Als solche gelten nur Umstände, die das betreffende Fahrzeug oder dessen Lenker im Verkehr unmittelbar betreffen, z. B. plötzlich auftretende Schmerzen, drohende Ohnmacht, plötzlich aufgetretener oder unmittelbar drohender Fahrzeugdefekt (vgl. ZVR 1973/77). Obwohl es dem Viertbeklagten leicht möglich gewesen wäre, zum Zwecke der erbetenen Hilfeleistung den Omnibus an dem am Fahrbahnrand haltenden Personenkraftwagen vorbeizulenken und unmittelbar vor diesem am Fahrbahnrand zu halten, brachte er den Omnibus derart neben dem PKW zum Stillstand, daß nur noch 4.45 m der Fahrbahn, somit weniger als zwei Fahrstreifen, frei blieben, und ließ den Omnibus dort mehr als 10 Minuten stehen. Er hat damit gegen die Vorschrift des § 23 Abs. 2 StVO, wonach Fahrzeuge außerhalb von Parkplätzen zum Halten und Parken am Rand der Fahrbahn aufzustellen sind, sowie gegen die des § 24 Abs. 3 lit. c StVO verstoßen, wonach das Parken auf Fahrbahnen mit Gegenverkehr verboten ist, wenn nicht mindestens zwei Fahrstreifen frei bleiben. Durch sein Verhalten hat er eine Verkehrssituation geschaffen, deren Gefährlichkeit leicht einzusehen war, und damit eine wesentliche Voraussetzung für das Zustandekommen des gegenständlichen Unfalles gesetzt.
Die Erstbeklagte und der Drittbeklagte haben durch ihr Verhalten diese Gefahrenlage noch beträchtlich verschärft. Nach § 17 Abs.1 StVO ist das Vorbeifahren eines Fahrzeuges an einem auf der Fahrbahn anhaltenden, haltenden oder parkenden Fahrzeug nur gestattet, wenn dadurch andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, weder gefährdet noch behindert werden. Ist das Vorbeifahren nur unter Überschreiten der Fahrbahnmitte möglich, dann darf es nur erfolgen, wenn der Lenker mit Sicherheit damit rechnen kann, hiedurch den Gegenverkehr nicht zu gefährden oder zu behindern (vgl. ZVR 1973/102). Betätigt sich jemand gegenüber einem Fahrzeuglenker als Einweiser, wirkt er damit unmittelbar auf den Verkehr ein und wird zum Verkehrsteilnehmer, so daß ihn bei Verletzung der jeweils in Betracht kommenden Vorschriften der Straßenverkehrsordnung die Verantwortlichkeit trifft. Nach den Feststellungen fuhr die Erstbeklagte unverzüglich nach der Aufforderung des Drittbeklagten los und legte bis zum Zusammenstoß rund 3 Sekunden zurück. Im Zeitpunkt der Aufforderung des Drittbeklagten zum Vorbeifahren war daher der PKW des Klägers bei einer Geschwindigkeit von rund 70 km/h (19.44 m/sec) nur noch rund 60-80 m von der Unfallstelle entfernt. Berücksichtigt man die Zeit, die, die Erstbeklagte zum Vorbeifahren an dem mehrere Meter langen Autobus benötigt hätte, ergibt sich daraus die Gefährlichkeit der Verhaltensweise des Drittbeklagten, der auf diese Entfernung des PKWs des Klägers der Zweitbeklagten noch das Zeichen zum Vorbeifahren gegeben hat. Ganz abgesehen davon, daß er selbst zum herannahenden Kläger keinen Kontakt etwa durch Warnzeichen mit der Taschenlampe aufgenommen und auch mit dem in der Anfahrtsrichtung des PKWs des Klägers im Dunkeln stehenden Warnposten K nicht in Verbindung gestanden hat, durfte er nicht etwa darauf vertrauen, daß der Kläger auf Warnzeichen dieses Postens anhalten werde; denn ein Einweiser hat keine straßenpolizeilichen Vollmachten in dem Sinne, daß er anderen Personen bindende Anweisungen geben könnte. Er darf daher nicht annehmen, daß andere Straßenbenützer sich nach ihm zu richten hätten (vgl. Kammerhofer, StVO[5], Anm. 7 zu § 13; Dittrich - Schuchlenz, StVO, An. 23 a zu § 13; ZVR 1975/88). Der Drittbeklagte hätte bei dieser Situation der Erstbeklagten das Zeichen zum Vorbeifahren nur geben dürfen, nachdem er Gewißheit darüber gehabt hätte, daß der Kläger seinen PKW angehalten hat.
Da das Vorbeifahren an dem Omnibus für die Erstbeklagte nur unter Überschreitung der Fahrbahnmitte möglich war, durfte sie es nur vornehmen, nachdem sie sich die Gewißheit verschafft hatte, hiedurch den Gegenverkehr nicht zu gefährden oder zu behindern. Wer sich von einem unbekannten Passanten einweisen läßt, darf auf die Verkehrsrichtigkeit einer solchen Anweisung nicht vertrauen (vgl. Müller, Straßenverkehrsrecht[22], III, 428 Anm. 8). Dies war hier der Fall. Die Erstbeklagte durfte sich daher nicht völlig auf den Drittbeklagten als Einweiser verlassen. Da sie aus ihrer Anhalteposition nur etwa 20 m der Gegenfahrbahn bis zur Front des Autobusses übersehen konnte, mußte sie sich mit ihrem PKW so vorsichtig nach links zur Erlangung entsprechender Sicht auf die Gegenfahrbahn versetzen, daß sie in der Lage war, bei Wahrnehmung eines der beabsichtigten Vorbeifahrstrecke sich nähernden Hindernisses das Vorbeifahren sofort abzubrechen und sich wieder hinter dem Omnibus einzureihen (vgl. ähnlich für das Überholen ZVR 1964/93). Sie mußte mit dem plötzlichen Auftauchen eines ihr auf der Gegenfahrbahn entgegenkommenden Fahrzeuges bei Erlangung entsprechender Sicht rechnen und eine Gefährdung oder Behinderung eines solchen Gegenverkehrs durch Fortsetzen des Einfahrens in die Gegenfahrbahn jedenfalls vermeiden. Ihre Reaktionsbereitschaft erforderte daher in einem solchen Falle ein sofortiges Abbrechen des Vorbeifahrmanövers und Zurücklenken hinter den vor ihr stehenden Omnibus. Es genügte daher unter den gegebenen Verhältnissen nicht, daß sie bei Erlangung der Sicht auf den entgegenkommenden PKW des Klägers sofort gebremst hat.
Der Zweitbeklagte haftet als Halter des von der Erstbeklagten gelenkten PKWs gemäß § 19 Abs. 2 EKHG für das Verschulden der Personen, die mit seinem Willen beim Betrieb des Kraftfahrzeuges tätig waren, soweit diese Tätigkeit für den Unfall ursächlich war. Diese Haftung des Halters gilt nicht nur für das Verschulden des Lenkers, sondern auch für das Verschulden des Einweisers. Beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges ist nämlich tätig, wer eine mit dem Betriebe zusammenhängende Aufgabe im Auftrage des Halters oder doch mit dessen Einwilligung vornimmt. Dies gilt auch für den Einweiser (vgl. Müller I, 244 Anm. 255; ZVR 1968/132).
Wird bei der Verschuldensabwägung berücksichtigt, daß die Erst-Dritt- und Viertbeklagte durch ihr Verhalten eine wesentliche Voraussetzung für das Zustandekommen des Unfalles gesetzt haben, und dem gegenübergestellt, daß der Kläger die nach den Umständen zulässige Geschwindigkeit überschritten und auch gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen hat, erscheint die vom Erstgericht vorgenommene gleichteilige Schadensaufteilung gerechtfertigt (2 Ob 32/69). Gemäß § 8 Abs. 2 EKHG haften die Beklagten als mehrere am Unfall Beteiligte verschiedener Kraftfahrzeuge für den Schaden des Klägers zur ungeteilten Hand.
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