OGH 1Ob639/76

OGH1Ob639/7621.9.1976

SZ 49/111

 

 

Spruch:

Ein Schadenersatzanspruch des Kommanditisten gegen den geschäftsführenden Komplementär auf Leistung an sich selbst "und nicht an die Gesellschaft besteht nur, wenn er ihn aus einem n Verpflichtungsgrund ihm gegenüber - aus einer Vereinbarung oder einer unerlaubten Handlung - ableiten kann. Das Ausscheiden des Kommanditisten aus der Gesellschaft hat keine Auswirkung auf die Fälligkeit einer zuvor existent gewordenen Schadenersatzforderung

 

OGH 21. September 1976, 1 Ob 639, 640/76 (OLG Innsbruck 5 R 100/76; LG Innsbruck 9 Cg 34/74)

 

Begründung:

Die Firma Josef H & Söhne bestand aus zwei Gesellschaftern, dem Beklagten als Komplementär, der am Gewinn und Verlust mit 55 % beteiligt war, und dem Kläger als Kommanditisten, dessen Anteil 45 % betrug. Der Beklagte hat als einziger geschäftsführender Gesellschafter Mietverträge zwischen sich und der von ihm vertretenen Kommanditgesellschaft über Brennereiräume und 20 Lagertanks in seinem Hause in B Nr. 16 und über Lagerräume in dem von ihm errichteten zweistöckigen Aufbau der Betriebshallen I und II abgeschlossen.

In der am 3. Jänner 1974 eingebrachten Klage begehrte der Kläger vom Beklagten einen Betrag von 300.000 S samt Anhang. Der Abschluß der Mietverträge falle nicht mehr unter den Begriff des Handelns im Rahmen des gewöhnlichen Betriebes eines Handelsgewerbes. Die Mietverträge seien für die Gesellschaft wirtschaftlich geradezu unsinnig und selbstmörderisch. Der Beklagte hätte den Kläger absichtlich geschädigt und ihm daher Schadenersatz im Umfange voller Schadloshaltung zu leisten. Durch diese Mietverträge sei der Beklagte enorm bereichert worden, während die Gewinnquote des Klägers um mindestens 300 000 S gekürzt worden sei, die der Beklagte ihm daher zu ersetzen hätte.

Der Beklagte wendete ein, daß die Mietverträge für die Gesellschaft notwendig und zweckmäßig gewesen seien und der Beklagte zu deren Abschluß berechtigt gewesen sei; der Kläger habe den Verträgen auch zugestimmt. Am 22. Juli 1975 brachte der Beklagte ergänzend vor, daß der Kläger am 31. Dezember 1974 aus der Gesellschaft ausgeschieden sei. Soweit der Kläger Zahlungen verlange, bildeten diese einen Teil des Auseinandersetzungsguthabens des Klägers. Dieses sei aber nach Punkt XI des Gesellschaftsvertrages frühestens erst nach Ablauf eines Jahres nach dem Ausscheiden fällig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es von folgenden Feststellungen ausging: Der Kläger ist am 31. Dezember 1974 aus der Gesellschaft ausgeschieden. Punkt XI des Gesellschaftsvertrages vom 9. Mai 1944 bestimmt, daß das Auseinandersetzungsguthaben eines ausscheidenden Kommanditisten auf Grund einer nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches zu erstellenden Bilanz zu ermitteln und nach Ablauf eines Jahres nach dem Ausscheiden des Kommanditisten wegen Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Zeitablauf oder durch Kündigung seitens eines Komplementärs bzw. innerhalb von drei Jahren bei Austritt des Kommanditisten auszuzahlen ist. Im letztgenannten Fall, also bei Austritt des Kommanditisten, sollten diesem nur 75 % des nach den Bestimmungen des Handelsgesetzbuches zu ermittelnden Guthabens zustehen. Nur in bestimmten Austrittsfällen sollte es bei der einjährigen Zahlungsfrist anstatt der dreijährigen Zahlungsfrist bleiben. Den Beweisergebnissen sei zwar nicht zu entnehmen, ob und aus welchen Gründen der Kläger selbst aus der Gesellschaft ausgetreten oder ob das Vertragsverhältnis durch Kündigung seitens des Beklagten beendet worden sei. Feststellungen darüber seien aber entbehrlich, weil bei Schluß der Verhandlung am 22. Juli 1975 das Auseinandersetzungsguthaben des Klägers, ohne Rücksicht darauf, ob eine dreijährige oder eine einjährige Fälligkeitsfrist bestehe, noch keinesfalls fällig gewesen sei.

Das Erstgericht vertrat den Rechtsstandpunkt, daß dem ausscheidenden Gesellschafter an Geld auszuzahlen sei, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, falls die Gesellschaft zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Dieses Guthaben bestehe zwar nicht nur gegenüber der Gesellschaft, sondern auch gegenüber den Mitgesellschaftern, es habe aber alle Ansprüche aus einer Gesellschaftertätigkeit und insbesondere daher auch allfällige Schadenersatzansprüche und Ansprüche auf Ausschüttung weiteren Gewinnes zu enthalten. Es handle sich um einen globalen Anspruch. Die Feststellungen des Guthabens habe gemeinsam mit den übrigen Gesellschaftern zu erfolgen und erst wenn keine Einigung zustande komme, sei im streitigen Verfahren zu entscheiden. Der Kläger habe nicht einmal behauptet, daß die Parteien eine Einigung zur Festsetzung des Auseinandersetzungsguthabens versucht hätten. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch den Prozeßrichter seien daher noch nicht gegeben. Abgesehen davon könne aber das Auseinandersetzungsguthaben, dessen Teil der gegenständliche Leistungsanspruch bilde, erst nach Ablauf eines Jahres nach dem Ausscheiden des berechtigten Gesellschafters (Klägers) gefordert werden. Die Fälligkeit dieses Anspruches sei daher noch nicht eingetreten. Schließlich folgere aber auch aus der Natur des Auseinandersetzungsanspruches als Globalforderung, daß es dem Ausscheidenden verwehrt sei, einzelne Aktivposten gesondert geltend zu machen, solange nicht klargestellt sei, daß der gesondert geltend gemachte Betrag auf jeden Fall und unabhängig vom Ergebnis der Abschichtungsbilanz auszuzahlen sei. Dies könne aber im vorliegenden Fall nicht gesagt werden, weil der Kläger auch am Verlust der Gesellschaft beteiligt sei und das Auseinandersetzungsergebnis daher auch in einem Verlust bestehen könne, so daß dem Kläger allenfalls nichts oder doch weniger von einem berechtigten Klagsbetrag gebühre.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Über Revision des Klägers hob der Oberste Gerichtshof die untergerichtlichen Urteile auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Auszugehen ist davon, daß der Kläger nicht einen Auseinandersetzungsanspruch, sondern einen Schadenersatzanspruch gegenüber dem Beklagten als Geschäftsführer der seinerzeitigen Kommanditgesellschaft geltend macht. Wenn es auch zutrifft, daß der Kläger durch sein Ausscheiden aus der Gesellschaft einen allfälligen Anspruch auf Abfindung hat, dessen Höhe im Wege der Erstellung einer Abschichtungsbilanz festzulegen ist, und der Anspruch, wenn sich die Gesellschafter über die Höhe desselben nicht einigen können, im ordentlichen Prozeß zu verfolgen ist, und den Vorinstanzen auch darin beizupflichten ist, daß es sich bei dem Abfindungsguthaben um eine Globalforderung handelt, so ist der Revision doch darin zu folgen, daß der einem ausgeschiedenen Gesellschafter zukommende Schadenersatzanspruch unabhängig von dem allfälligen Anspruch auf Abfindung erhoben werden kann. Der Kläger behauptet, daß er durch den Abschluß der eingangs erwähnten Mietverträge insofern geschädigt worden sei, als der Beklagte unverhältnismäßig bereichert, die Gewinnquote des Klägers aber um mindestens 300.000 S gemindert worden sei. Ein allfälliger Schadenersatzanspruch des Klägers gegenüber dem geschäftsführenden Komplementär wäre jedenfalls bereits fällig geworden. Gewiß war ein dem Kläger allenfalls zustehendes Abfindungsguthaben nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz noch nicht fällig. Es ist aber nicht einzusehen, warum das Ausscheiden des Klägers (Kommanditisten) aus der Gesellschaft irgendeine Auswirkung auf die Fälligkeit einer existent gewordenen Schadenersatzforderung des Klägers gegen den Geschäftsführer der seinerzeitigen Gesellschaft haben sollte. Mit dem Ausscheiden des Klägers aus der Kommanditgesellschaft ist der Beklagte Vermieter und Mieter in einer Person geworden. Die Mietverträge sind damit aber erloschen (§ 1445 ABGB), so daß dem Kläger aus ihnen weitere Schäden nicht mehr erwachsen können.

Es drängt sich allerdings die Frage auf, ob der Kläger als Kommanditist einen Schadenersatzanspruch auf Leistung an sich selbst geltend machen kann. Ein Schadenersatzanspruch des einzelnen Gesellschafters gegenüber dem pflichtwidrig handelnden geschäftsführenden Gesellschafter auf Leistung an sich selbst und nicht an die Gesellschaft ist nämlich nur dann möglich, wenn ihm gegenüber ein besonderer Verpflichtungsgrund gegeben ist, was bei besonderen Vereinbarungen unter den Beteiligten oder beim Vorliegen des Tatbestandes einer unerlaubten Handlung der Fall sein kann (vgl. Würdinger, Recht der Personalgesellschaften, 50; Wieland, Handelsrecht, 563 FN 10; Schlegelberger-Gessler, HGB4, 1058 Anm. 21). Da es sich im konkreten Fall nur um eine zweigliedrige Gesellschaft handelte, der einzige Gesellschafter neben dem in Anspruch genommenen geschäftsführenden Gesellschafter nur der Kläger war und die Gesellschaft durch Vereinigung in die Hand des Beklagten übergegangen ist, bestehen keine Bedenken, wenn der Kläger den Anspruch für seine Person erhebt.

Als Vorfrage zu dem geltend gemachten Leistungsanspruch wird zu untersuchen sein, ob der Beklagte zum Abschluß der streitverfangenen Mietverträge als geschäftsführender Komplementär ohne Zustimmung des Klägers berechtigt war. Der Geschäftsführer darf nämlich nur solche Handlungen vornehmen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt. Eine Handlung des gewöhnlichen Betriebes ist eine solche, wie sie in dem einzelnen Betrieb, wenn auch nicht alltäglich, so doch von Zeit zu Zeit zu erwarten ist. Außergewöhnliche Handlungen sind immer solche, welche dem Zweck der Gesellschaft fremd sind oder die die Grundlage der Gesellschaft verändern (Weipert in RGRKomm. HGBII, 123 Anm. 2). Zusammenfassend ist zu sagen, daß der Kläger den Leistungsanspruch unabhängig von seinem Anspruch auf Abfindung im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft geltend machen kann, wobei zu prüfen sein wird, ob der Beklagte zu den in sich abgeschlossenen Mietverträgen ohne Zustimmung des Klägers (eine solche wird vom Beklagten behauptet) berechtigt war bzw. ob und inwieweit er durch den Abschluß dieser Verträge dem Kläger einen Schaden zugefügt hat.

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