OGH 2Ob538/76

OGH2Ob538/769.9.1976

SZ 49/107

Normen

ABGB §94
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §7
ABGB §94
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §7

 

Spruch:

Für den Unterhaltsanspruch der nicht geschiedenen Ehefrau ist das letzte gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten anzuwenden, sofern sie dieses noch besitzt

OGH 9. September 1976, 2 Ob 538/76 (KG Wels R 312/76; BG Wels 2 C 319/76)

Text

Die klagende und gefährdete Partei (im folgenden Klägerin genannt) stellte in ihrer am 1. März 1976 eingebrachten Klage auf Leistung des gesetzlichen Unterhaltes den Antrag, den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (im folgenden als Beklagter bezeichnet) ab sofort zur Zahlung eines vorläufigen Unterhaltsbetrages von 1000 S monatlich bis zur rechtskräftigen Erledigung dieses Prozesses zu verhalten. Sie behauptet, völlig mittellos und erwerbsunfähig und auf die Unterhaltsleistung des Beklagten, ihres Ehemannes, angewiesen zu sein. Dieser habe bis Feber 1976 regelmäßig 1000 S monatlich bezahlt, weigere sich aber, weitere Unterhaltsleistungen zu erbringen. Der Beklagte sprach sich gegen diesen Antrag mit der Behauptung aus, daß er derzeit zur Zahlung eines Unterhaltsbetrages nicht mehr imstande sei. Das Erstgericht trug dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung auf, der Klägerin ab 1. März 1976 bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreites wegen Unterhaltsleistung einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 400 S zu leisten. Das Mehrbegehren von 600 S monatlich wies es ab. Es sah folgenden Sachverhalt als bescheinigt an: Die Streitteile schlossen am 22. Feber 1942 vor dem römisch-katholischen Pfarramt Bari (Italien) die Ehe, die dem Bande nach noch aufrecht ist. Die Streitteile waren zur Zeit der Eheschließung italienische Staatsbürger. Der Kläger erlangte im Jahr 1969 die österreichische Staatsbürgerschaft. Die Eheschließung erfolgte während eines Fronturlaubes des Klägers. Das Zusammenleben der Eheleute dauerte nur etwa 10 Tage, weil der Kläger dann zum Kriegseinsatz nach Griechenland beordert wurde, wo er im Jahr 1943 in deutsche Kriegsgefangenschaft geriet. In der Folge kam er nach Wels, wo er schließlich nach verschiedenen Arbeitseinsätzen im Mai 1945 anläßlich des Einmarsches der amerikanischen Armee aus dem Lager Pupping bei Eferding entlassen wurde. Im Juni 1945 kehrte er nach Bari zurück, wo er aber an der Klägerin kein Interesse mehr zeigte. Er ließ die Klägerin mit seinem damals drei Jahre alten Sohn Pasquale in Bari zurück und begab sich wieder nach Österreich, wo er zuerst in Lebensgemeinschaft mit Margarethe A lebte, aus der drei Kinder hervorgingen. Im Jahr 1961 lernte er seine nunmehrige Lebensgefährtin Ingeborg R kennen. Dieser Verbindung entsprangen zwei Kinder, von denen eines starb. Der Beklagte war bei der Firma I in Wels als Maschinenarbeiter beschäftigt. Im Jahr 1974 mußte er sich einer schweren Operation unterziehen. Nach einem Krankenstand in der Dauer von mehr als einem Jahr wurde ihm von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter eine Frühpension bewilligt. Er erhält seit Feber 1976 eine Pension von monatlich 3

860.10 S, und zwar einschließlich eines Kinderzuschusses für ein Kind. Dies ergibt unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen ein durchschnittliches Pensionseinkommen von rund 4600 S monatlich. Das Erstgericht ging davon aus, daß der Beklagte seiner Ehefrau gemäß § 94 ABGB Unterhalt zu leisten habe. Es hielt einen Betrag von 400 S monatlich seiner Leistungsfähigkeit angemessen.

Dieser Beschluß wurde von beiden Seiten angefochten. Der Rekurs der Klägerin blieb erfolglos. Dem Rekurs des Beklagten wurde Folge gegeben und es wurde der Beschluß des Erstgerichtes im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Antrages auf Bestimmung eines vorläufigen Unterhaltes abgeändert. Dabei ging das Rekursgericht von folgenden rechtlichen Erwägungen aus:

Aus § 94 ABGB in der hier anzuwendenden, seit 1. Jänner 1976 geltenden Fassung ergebe sich, daß die Ehefrau gegen den Ehemann grundsätzlich nur dann einen Unterhaltsanspruch habe, wenn sie den gemeinsamen Haushalt führe oder ihn vor seiner Aufhebung geführt habe. Die Klägerin habe aber gar nicht behauptet, für den Beklagten jemals einen gemeinsamen Haushalt geführt zu haben. Derartiges sei auch im Bescheinigungsverfahren nicht hervorgekommen.

Im vorliegenden Fall sei ein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten nach der zitierten Gesetzesstelle aber auch deswegen nicht gegeben, weil die Parteien nur ganz kurze Zeit zusammen gelebt und praktisch nie einen gemeinsamen Haushalt geführt haben. Dazu komme noch, daß sie seit mehr als 30 Jahren getrennt leben. Unter diesen Umständen stelle die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruches durch die Klägerin einen Rechtsmißbrauch im Sinne des § 94 Abs. 2, letzter Satz, ABGB dar.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Klägerin Folge der angefochtene Beschluß wurde aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über die Rekurse beider Teile aufgetragen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs ist zulässig. Es steht ihm die Rechtsmittelbeschränkung des § 502 Abs. 2, 2. Fall, ZPO, die auch für einstweilige Verfügungen gilt, mit denen ein gesetzlicher Unterhalt vorläufig bemessen wird (SZ 23/101; EvBl. 1946/585 u. a.; Fasching IV, 275 Anm. 18 zu § 502 ZPO), nicht entgegen, weil die Anfechtung nicht die Höhe des der Klägerin zu leistenden vorläufigen Unterhaltes, sondern den Grund des Anspruches betrifft (Jud. 60 neu, Abschnitt I).

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Zunächst ist die Frage der Anwendung ausländischen Rechtes auf den von der Klägerin geltend gemachten Unterhaltsanspruch zu prüfen. Anlaß hiezu bieten die Umstände, daß die Streitteile italienische Staatsangehörige waren, als sie die Ehe schlossen, und daß die Klägerin die italienische Staatsangehörigkeit noch immer besitzt, der Beklagte jedoch inzwischen österreichischer Staatsbürger geworden ist. Der Ansicht der Vorinstanzen, daß auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin österreichisches Recht anzuwenden ist, kann nicht gefolgt werden. Nach § 7 Abs. 1 der 4. DVzEheG werden die persönlichen Rechtsbeziehungen österreichischer Ehegatten zueinander nach den österreichischen Gesetzen beurteilt, auch wenn die Ehegatten ihren Wohnsitz im Ausland haben. Es besteht Einigkeit darüber, daß diese einseitige Kollisionsnorm zu einer vollständigen zweiseitigen zu erweitern ist, daß sich also die persönlichen Beziehungen der Ehegatten, zu denen auch die Unterhaltspflicht zählt, nach den Gesetzen ihres Heimatstaates richten (SZ 27/217; ZVR 1960/227; EvBl. 1964/406; SZ 38/121). Abs. 2 dieser Gesetzesstelle bestimmt, daß die österreichischen Gesetze auch dann anzuwenden sind, wenn der Mann die österreichische Staatsangehörigkeit verloren, die Frau sie aber behalten hat. Nicht geregelt sind unter anderem die Fälle, daß die beiden Ehegatten niemals ein gemeinsames Heimatrecht hatten und daß der Mann die österreichische Staatsangehörigkeit erworben, die Frau die ursprünglich gemeinsame Staatsangehörigkeit aber behalten hat. Darüber, wie diese Fälle zu behandeln sind, bestehen in Lehre und Rechtsprechung verschiedene Auffassungen. Da § 7 der 4. DVzEheG dem Art. 14 EGzBGB entspricht, kann hier auch die deutsche Lehre und Rechtsprechung herangezogen werden.

Ein Teil der Lehre will im Falle einer Verschiedenheit der Personalstatute der Ehegatten das des Mannes als maßgebend ansehen. Raape, IPR[5], 323, lehrt, daß bei der Beurteilung der persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten zueinander das Heimatrecht des Mannes natürlicherweise den Vorrang hat. Ihm folgen Bolla, Grundriß des österr. IPR, 58, und Köhler, IPR[3], 74. Die Anknüpfung an das Personalstatut des Mannes mag natürlich erscheinen, solange die Frau mit der Eheschließung in der Regel die Staatsbürgerschaft des Mannes erworben hat und die Ansicht vorherrschte, daß dem Mann als dem Haupt der Familie in dieser Weise eine gewisse Vorzugsstellung einzuräumen sei (vgl. dazu Walker, IPR[5], 734 ff.). Es muß aber Bedenken erregen, wenn dieser Grundsatz dazu führt, daß die Rechtsstellung eines Ehegatten durch den einseitigen Erwerb einer anderen Staatsbürgerschaft durch den anderen Teil beeinträchtigt werden kann, ein Gesichtspunkt, auf den schon Walker, 737 hingewiesen hat und der zufolge der immer häufiger auftretenden Fälle einer Verschiedenheit der Staatsangehörigkeit der Ehegatten immer mehr in den Vordergrund tritt. Wolff, Das IPR Deutschlands[3], 197, bezeichnet die Meinung, daß stets die Staatsangehörigkeit des Mannes entscheiden soll, als angreifbar in dem Fall, in dem die Ehegatten einmal eine gemeinsame Staatsangehörigkeit gehabt haben. Er tritt dafür ein, daß diese dann solange maßgebend sein soll, wie einer der Ehegatten sie besitzt, wobei er darauf verweist, daß die der Frau daraus erwachsenden Rechte ohne ihr Zutun wohl nicht dadurch verloren gehen können, daß der Mann eine fremde Staatsangehörigkeit erlangt, während die Frau die ihre behält. Mänhardt, Das internationale Personen- und Familienrecht Österreichs, 36, weist darauf hin, daß die Anknüpfung an das Heimatrecht des Mannes - bei nicht damit übereinstimmender Staatsangehörigkeit der Frau - im Gesetz nicht vorgesehen ist. Schwind, Handbuch des österr. IPR, 1975, 159, wendet sich ebenfalls gegen die Ansicht, daß § 7 Abs. 2 der 4. DVzEheG eine nur zu Gunsten des inländischen Rechtes getroffene und erweiternde Auslegung nicht zugängliche Ausnahmebestimmung darstelle, und tritt dafür ein, diese Bestimmung doch dahin zu verallgemeinern, daß das ehemals gemeinsame Heimatstatut der Ehegatten die persönlichen Beziehungen der Ehegatten solange beherrschen soll, solange einer von ihnen es behält. Er verweist dabei auf Kegel, IPR[3] (1971), 313, der diese Meinung ebenfalls vertritt. Schließlich treten auch Soergel - Siebert - Kegel, Kommentar zum BGB[10], Anm. 4 und 5 zu Art. 14 EGzBGB, für diese Ansicht mit der überzeugenden Begründung ein, daß so verhindert werde, daß die Lage des beharrenden Ehegatten durch einseitigen Wechsel der Staatsangehörigkeit des anderen Teiles nach dem Grundsatz des schwächeren Rechtes absinkt, während auch die Besserstellung des Zurückbleibenden zufolge dieses Grundsatzes ebenfalls nicht eintreten kann. Auch Palandt, BGB[35], 1970, vertritt die Ansicht, daß der Grundsatz des schwächeren Rechtes zur Anwendung kommt, wenn die Ehegatten niemals ein gemeinsames Heimatrecht hatten, daß aber andernfalls dem letzten gemeinsamen Heimatrecht der Vorrang gegeben werden müsse.

Dem folgt Oberlandesgericht Kiel, HRR 31, 1320, während in einigen anderen Entscheidungen deutscher Oberlandesgerichte an der Vorzugstellung des Heimatrechtes des Mannes festgehalten wird.

In der österreichischen Rechtsprechung wurde der Satz, daß bei Verschiedenheit der Staatsbürgerschaft der Ehegatten die des Mannes maßgebend sein soll, mehrfach ausgesprochen, so etwa in SZ 45/116, wo aber letztlich auf das Recht des Domiziles des Mannes, eines britischen Staatsangehörigen, abgestellt wurde, das die Frau mit ihm teilt. In SZ 40/95 (kritisiert von Hoyer in JBl. 1969, 479), in dem der OGH bei verschiedener Staatsangehörigkeit der Ehegatten die Staatsangehörigkeit des Mannes zum Anknüpfungspunkt nahm, handelte es sich um den Unterhaltsanspruch geschiedener Eheleute, so daß auch dieser Fall dem vorliegenden nicht gleichgehalten werden kann. Einen gleichgelagerten Fall betraf allerdings die Entscheidung SZ 27/217, in dem die Ehegatten zunächst eine gemeinsame (deutsche) Staatsbürgerschaft besaßen, der Ehemann in der Folge österreichischer Staatsbürger wurde und für den Unterhaltsanspruch der - nicht geschiedenen - Ehefrau das Heimatrecht des Mannes als maßgebend angesehen wurde. Diese Ansicht kann aber nicht aufrecht erhalten werden und der OGH schließt sich aus den oben dargelegten Gründen der Ansicht an, daß für den Unterhaltsanspruch der nicht geschiedenen Ehefrau das letzte gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten anzuwenden ist, sofern sie dieses noch besitzt.

Das führt im vorliegenden Fall aber dazu, daß auf den geltend gemachten Unterhaltsanspruch der Klägerin nicht österreichisches, sondern italienisches Recht anzuwenden ist. Der Unterhaltsanspruch der Ehefrau (bei bestehender Ehe) wird im Art. 145 des italienischen Zivilgesetzbuches 1942 folgendermaßen geregelt:

"Der Mann hat die Pflicht, die Frau zu beschützen, sie bei sich aufzunehmen und ihr nach Maßgabe seiner Vermögensverhältnisse alles für ihre Lebensbedürfnisse Erforderliche zu gewähren. Die Frau muß zum Unterhalt des Mannes beitragen, wenn dieser nicht die hiezu ausreichenden Mittel besitzt".

Es ist daher von der grundsätzlichen Unterhaltspflicht des Mannes auszugehen. Der den Antrag der Klägerin abweisende Beschluß des Rekursgerichtes, der sich auf § 94 ABGB in der geltenden Fassung stützt, beruht somit auf unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen. Er war demzufolge aufzuheben und es war dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über die Rekurse beider Teile unter Zugrundelegung der oben dargelegten Erörterungen über das anzuwendende Recht aufzutragen.

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