OGH 5Ob628/76

OGH5Ob628/7613.7.1976

SZ 49/98

Normen

KO §14
KO §21
KO §14
KO §21

 

Spruch:

Das Rücktrittsrecht des Masseverwalters bei zweiseitig verbindlichen Verträgen ist bei vollständiger Erfüllung durch den anderen Teil, die auch bei Nichterfüllung einer unbedeutenden Nebenverpflichtung anzunehmen ist, ausgeschlossen

Auch ein Abbauvertrag verwandelt sich mit der Konkurseröffnung in eine vom Konkurs betroffene Geldforderung in der Höhe des Schätzwertes; einem Begehren auf Unterlassung der weiteren Ausbeutung des Gegenstandes des Abbauvertrages ist daher stattzugeben

OGH 13. Juli 1976, 5 Ob 628/76 (OLG Wien 2 R 53/76; KG Korneuburg 4 Cg 349/74)

Text

Der Konkurssenat des Erstgerichtes hat über das Vermögen des Alois H am, 5. Juli 1974 Konkurs eröffnet. Der Gemeinschuldner ist Eigentümer eines - im Spruch beschriebenen - Werksgeländes in A, auf dem sich eine Schottergrube befindet. Er hatte am 24. Oktober 1970 mit Wilhelm V, dem Rechtsvorgänger im Eigentum des nun von der beklagten GmbH betriebenen Asphaltierungsunternehmens, vereinbart, daß dieser zur Abgeltung einer Schuld des Gemeinschuldners für geleistete Arbeiten im Betrag von 460 000 S diese Schottergrube in der Zeit von Oktober 1970 bis Oktober 1980 ausbeuten darf und danach die Grube wieder zuschütten muß. Die Schottergrube ist noch nicht zur Gänze ausgebeutet und auch noch nicht zugeschüttet. Am 1. Feber 1972 wurde die nun beklagte GmbH gegrundet; der Gemeinschuldner hat am 8. April 1972 mit seiner Unterschrift "zur Kenntnis genommen", daß die Rechte aus dem Vertrag des Wilhelm V mit ihm vom 24. Oktober 1970 auf die beklagte Gesellschaft übergegangen sind. Noch vor Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen vereinbarte der Gemeinschuldner mit der beklagten Gesellschaft, daß diese gegen Entgelt Erdreich von dem Werksgelände entnehmen darf. Die beklagte Gesellschaft hat auf Grund dieser Vereinbarung auch Erdreich entnommen und dafür an den Gemeinschuldner Beträge bezahlt. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Gemeinschuldners Alois H die Unterlassung der weiteren Ausbeutung der genannten Schottergrube und der Entfernung des dort befindlichen Aushubmaterials durch die beklagte Gesellschaft, und zwar mit der im Revisionsverfahren allein noch beachtlichen Begründung, es handle sich um einen von beiden Vertragsteilen noch nicht erfüllten Vertrag, in den er, der Konkursmasseverwalter, nicht eingetreten sei (§ 21 KO). Die beklagte Gesellschaft sei daher nicht berechtigt, die Grube weiterhin auszubeuten, sie halte sich jedoch nicht an das ihr gegenüber ausgesprochene Verbot und schmälere so ständig die Konkursmasse. Die beklagte Gesellschaft hat die Abweisung des Klagebegehrens beantragt und im wesentlichen eingewendet, daß ihr das uneingeschränkte Recht zum Abbau der Schottergrube auf Grund der getroffenen Vereinbarung zustehe, die auch der Masseverwalter gegen sich gelten lassen müsse.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen, der Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht nicht Folge.

Die Unterinstanzen waren übereinstimmend der Auffassung, daß kein von beiden Seiten noch unerfüllter Vertrag im Sinne des § 21 KO vorliege, weil das Recht zur Ausbeutung der Grube das vereinbarte Entgelt für das vom Rechtsvorgänger der beklagten Gesellschaft erbrachte Werk darstelle und dieser seine Verbindlichkeit schon voll erfüllt habe. Das Rücktrittsrecht des Masseverwalters nach der angeführten Gesetzesstelle sei schon ausgeschlossen, wenn der Vertrag bereits von einer der beiden Parteien voll erfüllt wurde. Die Verpflichtung der beklagten Gesellschaft zur Zurückstellung der Schottergrube nach "Humisierung" begrunde keine zweiseitige Verbindlichkeit im Sinne des § 21 KO.

Über Revision des Masseverwalters änderte der Oberste Gerichtshof die Urteile der Untergerichte dahin ab, daß er dem Klagebegehren stattgab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Unterinstanzen haben rechtlich zutreffend den vorliegenden Abbauvertrag als von dem Rechtsvorgänger der beklagten Gesellschaft in Ansehung der Hauptpflicht, nämlich der Leistung des Entgeltes für das Abbaurecht, als erfüllt angesehen und der Nebenverpflichtung der Beklagten zum Zuschütten der Grube ("Humisierung") nach Beendigung des Abbaues der Grube keine entscheidende Bedeutung beigelegt. Sie sind im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (5 Ob 454/59; 5 Ob 246/73; 5 Ob 302/74) in Übereinstimmung mit der Lehre (Bartsch - Pollak[3] I 121; II, 225) auch von der richtigen Ansicht ausgegangen, daß das Rücktrittsrecht des Masseverwalters bei zweiseitig verbindlichen Verträgen schon durch vollständige Erfüllung des anderen Teiles ausgeschlossen wird. Die Hinweise des Revisionswerbers auf § 21 KO, insbesondere auf dessen Abs. 4, der den Teilrücktritt bei teilbaren Leistungen ermöglichen soll, stehen daher mit der herrschenden Ansicht in Widerspruch, ohne neue Gesichtspunkte zu bringen, zu denen Stellung zu nehmen wäre.

Es kann indessen nicht übersehen werden, daß sich der Anspruch der beklagten Gesellschaft auf den weiteren Abbau von Sand, Kies und Schotter aus der Schottergrube des Gemeinschuldners gemäß § 14 KO mit dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung in eine vom Konkurs betroffene Geldforderung in der Höhe des Schätzwertes verwandelt hat. Die Verwandlung aller nicht auf die Leistung von Geld gerichteten Forderungen gegen den Gemeinschuldner in Geldforderungen ist die notwendige Voraussetzung für die gleichmäßige Befriedigung der Konkursgläubiger aus seinem nicht ausreichendem Vermögen (vgl. Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[3] 1, 185 und Bartsch, Grundriß des Ausgleichs- und Konkursrechtes[2], 91). Um durch den weiteren Abbau der Schottergrube durch die beklagte Gesellschaft eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Konkursgläubiger widerstreitende Vollbefriedigung der beklagten Gesellschaft zu verhindern, ist es notwendig, dem Unterlassungsbegehren des Klägers stattzugeben. Die dazu erforderliche Wiederholungsgefahr, also der Gefahr eines künftigen weiteren unberechtigten Abbaues von Sand, Schotter und Kies in der Grube des Gemeinschuldners, ergibt sich bereits aus der von der beklagten Gesellschaft in diesem Rechtsstreit verfochtenen Ansicht, sie sei zum weiteren Abbau berechtigt.

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