OGH 5Ob301/76

OGH5Ob301/769.3.1976

SZ 49/36

Normen

KO §46 Abs1 Z3
KO §46 Abs1 Z3

 

Spruch:

Wurde ein Bestandverhältnis vom Masseverwalter fortgesetzt, ist eine offene Bestandzinsforderung bis zur Konkurseröffnung Konkursforderung, der Bestandzins für die Zeit danach Masseforderung. Auf die Fälligkeit der Schuld kommt es nicht an. Auch eine vor Konkurseröffnung fällige, tatsächlich aber nicht bezahlte Mietzinsschuld kann daher, soweit sie anteilsmäßig für die Zeit nach der Konkurseröffnung zu bezahlen war, ebenfalls als Masseforderung beansprucht werden

OGH 9. März 1976, 5 Ob 301/76 (KG Korneuburg 5 R 255/75; BG Retz C 34/75

Text

Die Eltern des Klägers verpachteten mit den Pachtverträgen vom 9. April 1961, 14. Juli 1966 und 30. August 1965 an die Firma M OHG die Grundstücke 493, 494, 366 und 356 der KG N. Die Pachtzinse waren jeweils bis zum 15. Jänner jährlich im vorhinein zu entrichten. Es wurde eine Wertsicherung sowie die Verzehnfachung bei tatsächlicher Inanspruchnahme (Ausbeutung) vereinbart. Auf das Grundstück356 wurde im Sommer 1973 großflächig Aushubmaterial aufgeschüttet. Der für das Jahr 1974 zu leistende Pachtzins für alle vier gepachteten Grundstücke betrug unter Berücksichtigung der Verzehnfachung Pachtzinses für das Grundstück 356 infolge nicht unerheblicher Inanspruchnahme und der Wertsicherung 7241.62 S, für 1975 7920.65 S. Tatsächlich bezahlt wurden für 1974 2410 S und für 1975 2649 S.

Über das Vermögen der Pächterin wurde zu 6 S 10/74 des Kreisgerichtes Korneuburg am 17. Juni 1974 der Konkurs eröffnet und Dr. Richard S zum Masseverwalter bestellt.

Der Kläger beanspruchte von den ihm von seinen Eltern abgetretene Pachtzinsen für die Jahre 1974 und 1975 die offene Differenz von 10 026 S samt Anhang als Masseforderung. Er machte damit die Pachtzinserhöhung wegen Inanspruchnahme des Grundstückes 356 durch Aufschüttungen geltend. Nach einer bereits geleisteten Akontozahlung von 1000 S habe der Masseverwalter der Zahlung von 1410 S den seiner Auffassung nach vollen wertgesicherten Pachtzins für das Jahr 1974 geleistet. Offengeblieben sei jedoch die Verzehnfachung des Pachtzinses für eines der Grundstücke wegen des strittigen Umstandes, ob eine wesentliche Inanspruchnahme vorliege. Der Kläger habe den Betrag von 1410 S für das Jahr 1974 angenommen und auf Auflösung des Pachtverhältnisses unter der Voraussetzung verzichtet, daß der volle Pachtzins bezahlt werde.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Gründe und der Höhe nach.

Das Erstgericht sprach dem Kläger den begehrten Betrag von 10 026 S samt Anhang zur Gänze zu. Abzüglich geleisteter Zahlungen von insgesamt 5059 S, (2410 S für 1974) sei bei einem tatsächlich aushaftenden Betrag von 10 103.27 S das Klagebegehren berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge. Soweit dem Kläger ein Betrag von 5186 S samt Anhang zuerkannt wurde, bestätigte es das erstgerichtliche Urteil, das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 4840 S wies es ab. Es billigte die rechtliche Beurteilung durch das Erstgericht, das auch die Pachtschillingrestforderung für das Jahr 1974 als Masseforderung im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 3 KO ansah, nicht. Der Pachtzins für das Jahr 1974 sei bereits am 15. Jänner 1974 fällig gewesen. Bei Eintritt des Masseverwalters in den Bestandvertrag seien aber nur die Bestandzinsforderungen für die Zeit nach der Konkurseröffnung Masseforderungen. Beim restlichen Pachtschilling für 1974 handle es sich daher um eine im Konkurs anzumeldende Konkursforderung. Dieser Teil des Klagebegehrens sei daher abzuweisen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es unter Einbeziehung seines unangefochten gebliebenen Teiles zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 7807 S samt 4% Zinsen ab 25. Feber 1975 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 2219 S samt Anhang wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist weiter schuldig, der klagenden Partei an Prozeßkosten erster und zweiter Instanz den Betrag von 4329.36 S (hievon 234.08 S Umsatzsteuer und 1168.16 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen."

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zunächst ist zur Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges Stellung zu nehmen. Bei der Entscheidung über diese Frage ist in erster Linie vom Wortlaut des Klagebegehrens und den Klagsbehauptungen auszugehen (SZ 46/82 u. v. a.; Fasching I, 63). Gemäß § 6 Abs. 1 KO können grundsätzlich Ansprüche auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen ohne Beobachtung des in der Konkursordnung vorgeschriebenen Anmeldungsverfahrens nicht mehr eingeklagt werden. Der Kläger macht jedoch ausdrücklich eine Masseforderung geltend. Masseforderungen im Sinne des § 46 KO sind von den Konkursforderungen rechtlich verschieden zu beurteilen und unterliegen keiner Anmeldungspflicht im Konkurse (SZ 36/63; SZ 44/165). Die Massegläubiger sind als Gläubiger besonderer Art ohne Rücksicht auf den Stand des Verfahrens zu befriedigen, sobald ihre Ansprüche feststehen und fällig sind (§ 124 Abs. 1 KO). Sie sind demnach auch in ihrem Klagsrechte durch das Konkursverfahren nicht eingeschränkt (EvBl. 1971/197; SZ 44/165 u. a.). Der Rechtsweg ist demnach zulässig.

Die klagende Partei machte auch die allein noch strittige Pachtzinsforderung für das Jahr 1974 für das ganze Jahr als Masseforderung geltend und vertritt diese Auffassung weiterhin als ihr Hauptanliegen in der Revision. Um die Auflösung des Pachtvertrages zu verhindern, habe der Masseverwalter den nach seiner Berechnung geschuldeten Pachtzins für das Jahr 1974 im Betrage von 1410 S bezahlt und erklärt, das Pachtverhältnis aufrecht zu erhalten. Dies stelle eine Rechtshandlung im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 2 KO dar, die die sofortige Auflösung des Pachtverhältnisses verhindert, aber auch den Anspruch für 1974 zur Masseforderung gemacht habe. Der Masseverwalter habe auch im ganzen erstinstanzlichen Verfahren niemals eingewendet, daß es sich bei der von ihm bezahlten Pachtzinsforderung für das Jahr 1974 nicht um eine Masseforderung, sondern um eine Konkursforderung gehandelt habe.

Dieser Auffassung kann nur zum Teil beigepflichtet werden Bestandrechte fallen in die Konkursmasse. Die im § 23 Abs. 1 KO eingeräumte Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung des Bestandverhältnisses wurde von beiden Seiten nicht in Anspruch genommen. Der Masseverwalter trat damit in den Bestandvertrag ein, so daß Bestandzinsforderungen für die Zeit nach der Konkurseröffnung Masseforderungen nach § 46 Abs. 1 Z. 3 KO waren (JBl. 1936, 458; SZ 7/198). Der Auffassung des Berufungsgerichtes über die Bedeutung der Fälligkeit der Bestandzinsforderung für ihre Beurteilung als Masse- oder Konkursforderung kann jedoch nicht beigepflichtet werden. In den Fällen des Eintrittes des Masseverwalters in den Bestandvertrag des Gemeinschuldners ist die Bestandzinsforderung vielmehr ab dem Tag der Konkurseröffnung Masseforderung und nur bis dahin Konkursforderung. Auf die Fälligkeit der Schuld kommt es, wie Bartsch - Pollak KO[3] 1, 281 Anm. 32 darlegen, nicht an. Diese Auffassung, die die Entscheidung JBl. 1936, 458 teilt, ist schon deshalb gerechtfertigt, weil das Gesetz dem Bestandgeber, der von der ihm eingeräumten vorzeitigen Kündigungsmöglichkeit nicht Gebrauch macht, gewiß nicht zumutet, auch noch für den nach der Konkurseröffnung liegenden Teil der Zinsperiode, für die der Zins im vorhinein zu bezahlen war, tatsächlich aber nicht bezahlt wurde, keine volle Zinszahlung zu erhalten; dies würde insbesondere bei einer vereinbarten, vor der Konkurseröffnung fälligen, tatsächlich aber nicht geleisteten Zinsvorauszahlung für eine längere Periode deutlich. Demgegenüber kann entgegen der Auffassung der Revision der Zinsanspruch für die Zeit vor der Konkurseröffnung durch die spätere Fortsetzung des Bestandverhältnisses nicht rückwirkend zu einer Masseforderung werden, insbesondere nicht für Beträge, die nicht einmal anerkannt wurden. Die Anerkennung einer Konkursforderung durch den Masseverwalter allein macht diese im übrigen auch noch nicht zur Masseforderung (Bartsch - Pollak, 280 Anm. 23).

Dies hat im vorliegenden Fall zu einer unterschiedlichen Beurteilung der Pachtzinsforderung für das Jahr 1974 bis zum 16. Juni und ab dem Tage der Konkurseröffnung zu führen. Dem Kläger steht für den in den Konkurs fallenden Zeitraum der aliquote Teil der mit 7241.62 S (abzüglich geleisteter Zahlung von 2410 S) nunmehr der Höhe nach unbestrittenen Pachtzinsforderung unverkürzt als Masseforderung zu. Das sind für 198 Tage 2621 S. Die bezahlten 2410 S sind nicht zur Gänze als auf die Masseforderung erfolgt zu berücksichtigen, weil damit der Zins für das gesamte Jahr in der ursprünglich anerkannten Höhe berichtigt werden sollte. Wurde damit eine Forderung, die zum Teil Konkursforderung ist, als Masseforderung behandelt und demgemäß befriedigt, so ist allenfalls der Gläubiger um den Betrag, der die ihm gebührende Konkursdividende übersteigt, bereichert (vgl. Petschek - Reimer - Schiemer, Das Österreichische Insolvenzrecht, 540). Dies ist jedoch im jetzigen Rechtsstreit nicht zu berücksichtigen. Zuzüglich der bereits rechtskräftig zuerkannten Bestandzinsrestforderung für das Jahr 1975 von 5186 S ist das Klagebegehren demnach mit dem Betrage von 7807 S samt Anhang berechtigt. Die unsubstantiierte Einwendung der Unzulänglichkeit der Konkursmasse für alle Masseforderungen hat in den Entscheidungen der Untergerichte keine Berücksichtigung gefunden. Da dies ungerügt geblieben ist, ist hierauf schon aus diesem Gründe nicht einzugehen.

Die Revision erweist sich sohin im dargelegten Umfange als teilweise berechtigt.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten in allen Instanzen beruht auf den §§ 43 Abs. 1, bzw. 43 Abs. 1, 50 ZPO. Bedacht genommen wurde auf den Prozeßerfolg des Klägers (in erster und zweiter Instanz zu etwa 78%, in dritter etwa zur Hälfte).

Stichworte