European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0030OB00220.75.0923.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerinnen sind schuldig, den Beklagten die mit S 2.050,84 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 134,14 Umsatzsteuer und S 240,‑‑ Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Unbekämpft festgestellt wurde folgender, für die Entscheidung wesentlicher Sachverhalt:
Das Haus *, steht zu 10/16tel im Eigentum der Erstklägerin und zu je 3/l6tel im Eigentum ihres Sohnes K* und der Zweitklägerin (ihrer Tochter). Die Beklagten haben mit Mietvertrag vom 15. März 1966 in diesem Haus Geschäftsräume gemietet und den hiefür mit monatlich S 1.500,‑‑ vereinbarten Hauptmietzins für zwei Jahre im voraus bezahlt. Die Vorauszahlung von S 36.000,‑‑ wurde – offenbar mit Einverständnis der Klägerinnen – dem Sohn der Erstklägerin überlassen. Laut Punkt VI dieses Mietvertrages wurde die Wertsicherung des Hauptmietzinses nach dem Verbraucherpreisindex II vereinbart. Bis Ende 1973 wurde jedoch stets nur dessen Nominalhöhe von monatlich S 1.500,‑‑ bezahlt und entgegengenommen, und zwar nach dem 15. März 1968 zunächst vom Sohn der Erstklägerin und ab 1970 von der Zweitklägerin, welche seit 1965 die Verwaltung des Hauses besorgt und den Beklagten auch ständig die von ihnen zu bezahlenden Betriebskosten und Abgaben vorschrieb. Bis zur Einführung der Mehrwertsteuer wurde der Hauptmietzins von den Hauseigentümern nicht ausdrücklich vorgeschrieben, sondern von den Beklagten jeweils (unter Verwendung der ihnen zunächst vom Sohn der Erstklägerin und ab 1970 von der Zweitklägerin übermittelten Erlagscheine) unaufgefordert bezahlt. Ab Frühjahr 1973 schrieb die Zweitklägerin – offenbar in ihrer Eigenschaft als Hausverwalterin – den Beklagten neben Betriebskosten und Abgaben auch den Hauptmietzins ausdrücklich mit S 1.500,‑‑, also ohne Valorisierung, zuzüglich S 120,‑‑ Mehrwertsteuer zur Zahlung vor. Der sich aus der Wertsicherungsvereinbarung ergebende Erhöhungsbetrag wurde bis Ende 1973 niemals begehrt, aber auch nicht ausdrücklich darauf verzichtet, diese Frage wurde bis zum angeführten Zeitpunkt zwischen den Parteien nie erörtert.
Als die Zweitklägerin im Jahr 1973 auf der ihr von der Erstklägerin ausgehändigten Mietvertragsausfertigung die Wertsicherungsvereinbarung entdeckte, erkundigte sie sich wegen der Geltendmachung dieser Vereinbarung und verlangte anschließend Ende 1973 erstmalig die Nachzahlung des sich für das Jahr 1973 ergebenden Aufwertungsbetrages. Der seit 1. Jänner 1974 unter Berücksichtigung der Aufwertung vorgeschriebene Hauptmietzins wird von den Beklagten bezahlt, hingegen lehnten die Beklagten eine Nachzahlung der Aufwertungsbeträge für die Vergangenheit ab.
Dem auf diesen Sachverhalt gestützten Klagebegehren auf Bezahlung der der Höhe nach unbestrittenen Aufwertungsbeträge für die Jahre 1971, 1972 und 1973 gab das Erstgericht mit der Begründung statt, daß aus dem Verhalten der Klägerinnen (bzw. des weiteren Miteigentümers K*) ein konkludenter Verzicht auf die Klagsforderung nicht abgeleitet werden könne.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Berufungsgericht (dessen zunächst gleichlautenden Entscheidung gemäß § 477 Abs. 1 Z. 2 ZPO aufgehoben worden war) das Klagebegehren ab. Es führte im wesentlichen aus, die vom Erstgericht zitierte Rechtsprechung betreffe andere Bereiche eines stillschweigenden Verzichtes, die im vorliegenden Rechtsstreit zu beurteilende Frage, ob das langjährige Unterbleiben der Geltendmachung einer Wertsicherungsklausel in Mietverträgen als schlüssiger Verzicht auf die Aufwertungsbeträge für die Vergangenheit zu werten sei, habe die Rechtsprechung regelmäßig im Sinne des Standpunktes der Beklagten gelöst, das Berufungsgericht schließe sich dieser Judikatur an.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerinnen aus dem Revisionsgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern, allenfalls es aufzuheben und die Rechtssache an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Die in der Revision zitierten Entscheidungen MietSlg 24.075 und 25.104 betreffen die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein stillschweigender Verzicht auf das Bestandrecht bzw. Kündigungsrecht anzunehmen ist. Sowohl der konkludente Verzicht auf Bestandrechte als auch auf die Ausübung des Kündigungsrechtes ist jedoch ebenso wie die Frage, ob auf die Zahlung von Aufwertungsbeträgen für alle Zukunft verzichtet wurde, anders zu beurteilen als die hier zu entscheidende Frage, ob die jahrelange Unterlassung der Geltendmachung einer Wertsicherungsvereinbarung, zuletzt – ab Frühjahr 1973 – verbunden mit der ausdrücklichen Vorschreibung des nicht valorisierten Hauptmietzinses, als stillschweigender Verzicht auf die Aufwertungsbeträge für die Vergangenheit gewertet werden kann.
Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend hervorhob, kommt es bei Beurteilung eines Verhaltens gemäß § 863 ABGB grundsätzlich nicht darauf an, was der sich in einer bestimmten Weise Verhaltende allenfalls wollte, sondern vielmehr darauf an, welche Schlüsse der Partner daraus nach Treu und Glauben abzuleiten berechtigt war (vergleiche hiezu JB1 1965, 378, ArbSlg. 8.167, MietSlg. 23.062, 24.080 u.a.; auf dieser Linie liegen auch die Ausführungen der von der Revision zitierten landesgerichtlichen Entscheidung MietSlg. 24.076).
Ausgehend von diesem Grundsatz kann im hier festgestellten Verhalten der Vermieter zwar kein Verzicht auf die Geltendmachung der Aufwertungsvereinbarung für die Zukunft (vergleiche hiezu MietSlg. 18.156, 19.098 u.a.), wohl aber ein stillschweigender Verzicht auf die Nachforderung des sich aus der Wertsicherungsvereinbarung ergebenden Differenzbetrages für die Vergangenheit erblickt werden, weil ein Vermieter, welcher durch Jahre ständig den unvalorisierten Mietzins entgegennimmt und bei seinen periodischen Vorschreibungen – auch wenn sie hier zunächst nur Betriebskosten und öffentliche Abgaben betrafen – niemals auf das Bestehen eines Rückstandes hinweist, sich hinsichtlich der Vergangenheit schlüssig als in seinen Ansprüchen befriedigt erklärt (ebenso MietSlg. 6.280, 18.157, 18.158, 19.099, 26.121 u.a.).
Demzufolge ist die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht einwandfrei, der allein geltend gemachte Revisionsgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung liegt somit nicht vor.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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