European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00112.75.0905.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstrichters wiederhergestellt wird.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 1.085,20 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 16,‑‑ und S 79,20 Umsatzsteuer) sowie die mit S 1.029,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 96,‑‑ Barauslagen und S 69,12 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Mit der Begründung, der Vater der Streitteile sei Testamentserbe nach T* gewesen, begehrte der Kläger zunächst vom Beklagten die Bezahlung eines Betrages von S 3.231,68. Er brachte hiezu vor, der Vater, L* sen., sei nach dem Erbanfall aber noch vor der Einantwortung des Nachlasses der T* an ihn gestorben und habe keine letztwillige Verfügung hinterlassen. Seine gesetzlichen Erben seien die Streitteile je zur Hälfte. Anläßlich der Abhandlung sei vereinbart worden, daß der Beklagte die Verlassenschaft nach T* übernehme und dem Kläger die Hälfte des Wertes auszahle. Der Klagsbetrag stelle die Hälfte des reinen Nachlasses dar. Zum reinen Nachlaß habe ein Sparguthaben von S 5.784,66 gehört. Im Zuge des Verfahrens schränkte der Kläger seine Forderung auf S 2.732,33 samt Anhang ein und bezeichnete diesen Betrag als die Hälfte des Sparguthabens.
Der Beklagte wendete ein, der Kläger habe im Rahmen einer Verlassenschaftstagsatzung nach T* auf seine Ansprüche aus dem Nachlaß, der ihm nach dem Vater der Streitteile zustünde, verzichtet, weil ihm bekannt gewesen sei, daß der Beklagte als Ersatzerbe für den Vater der Streitteile bestellt gewesen sei. Überdies falle in den Nachlaß nach L* sen. eine Forderung von rund S 80.000,‑‑, die aus einer Holzschlägerung des Vaters der Streitteile vor seinem Tode entstanden sei. Die Erlöse befänden sich zumindest zum Teil in Händen des Klägers.
Diesem Vorbringen entgegnete der Kläger, daß der Beklagte zur Geltendmachung von Gegenforderungen nicht legitimiert sei, weil ihm der Nachlaß nach L* sen. nicht eingeantwortet worden sei.
Der Erstrichter stellte fest, daß die Klagsforderung zu Recht, die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und verurteilte den Beklagten zur Zahlung des eingeschränkten Klagebegehrens. Er stellte im wesentlichen fest, daß die am 14. November 1973 verstorbene T* mit Testament vom 27. Mai 1970 ihren Bruder und Vater der Streitteile L* sen. zum Alleinerben eingesetzt habe. Für den Fall des Vorversterbens des Testamentserben habe sie den nunmehrigen Beklagten zum Ersatzerben bestellt. Ihr Nachlaß habe aus einem Sparguthaben im Betrage von S 5.784,66, einem Guthaben bei der Pensionsversicherungsanstalt der Bauern in der Höhe von S 398,70 und einem Bargeldbetrag von S 600,--bestanden. Bei der Tagsatzung vom 13. Mai 1974 im Abhandlungsverfahren nach T* seien wohl die Streitteile, nicht aber die weitere gesetzliche Erbin Th* erschienen. Bei dieser Tagsatzung habe der nunmehrige Beklagte erklärt, daß das Sparbuch der Erblasserin in seiner Verwahrung und eine Verfügung über dasselbe nicht erforderlich sei. Die nunmehrigen Streitteile haben erklärt, die Pensionsversicherungsanstalt der Bauern wolle ersucht werden, das oben erwähnte Guthaben an K* (den Beklagten) zu überweisen; die Sparkasse solle verständigt werden, daß K* abhandlungsbehördlich ermächtigt sei, über das Sparbuch frei zu verfügen. Mit Beschluß vom 16. Mai 1974 habe das Abhandlungsgericht verfügt, daß mangels eines S 15.000,‑‑ übersteigenden Nachlaßvermögens eine Abhandlung nicht durchgeführt werde. Die Pensionsversicherungsanstalt der Bauern sei angewiesen worden, das erblasserische Guthaben an K* zu überweisen und die Sparkasse sei verständigt worden, daß K* abhandlungsbehördlich ermächtigt werde, über das Sparbuch frei zu verfügen. Der Erstrichter stellte ferner fest, daß L* jun. (der Kläger ) bei der am 13. Mai 1974 stattgehabten Tagsatzung auf seine Ansprüche aus dem Nachlaß nach T* nicht verzichtet habe. Der im Testament der T* berufene L* sen. sei am 29. Jänner 1974 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorben. Auf Grund des Gesetzes seien zur Erbschaft die beiden Streitteile zu je drei Achtel und die erblasserische Witwe Th* zu einem Viertel berufen gewesen. Mit Beschluß vom 13. März 1974 habe das Abhandlungsgericht ausgesprochen, daß mangels eines S 15.000,‑‑ übersteigenden Nachlaßvermögens eine Abhandlung nicht stattfinde. Am 10. Jänner 1975 habe der Beklagte beim Abhandlungsgericht den Antrag auf Durchführung eines Verlassenschaftsverfahrens mit der Begründung gestellt, es sei dem Erblasser ein Holzabstockungsrecht zugestanden, welches er vor seinem Tode noch ausgeübt habe. Von einer Firma A* sei eine a-conto-Zahlung von S 8.000,‑‑ geleistet worden, das geschlägerte Holz stelle ein Verlassenschaftsvermögen dar, welches mindestens einen Wert von S 40.000,‑‑ darstelle. Mit dem noch nicht rechtskräftigen Beschluß vom 13. Jänner 1975 sei gemäß § 179 Abs. 2 AußStrG. die Verlassenschaftsabhandlung nach L* sen. eingeleitet worden. Schließlich stellte der Erstrichter fest, daß das Sparbuch der T* nach ihrem Tode dem L* sen. zugekommen sei. Nach dem Tode desselben und während der Kläger die Mutter der Streitteile im Spital besuchte, habe der Beklagte das Sparbuch aus der Wohnung des L* sen. geholt und an sich genommen. Die Mutter der Streitteile habe auf ihre Ansprüche als Erbin nach L* sen. verzichtet. Der Kläger sei bei der Tagsatzung vom 13. Mai 1974 damit einverstanden gewesen, daß die Sparkasse verständigt werde, daß der Beklagte ermächtigt werde über das Sparbuch frei zu verfügen, weil seiner Auffassung nach das Geld nur an einen der beiden Erben überwiesen hätte werden können. Nach der Tagsatzung vom 13. Mai 1974 habe der Kläger Ansprüche gegen den Beklagten auf Teilung des Sparguthabens geltend gemacht, doch, habe sich der Beklagte hiezu nicht einverstanden erklärt.
Diesen Sachverhalt beurteilte der Erstrichter rechtlich dahin, daß der Kläger auf Grund seines gesetzlichen Erbrechtes nach L* sen. Anspruch auf den halben Nachlaß nach T* habe. Er habe auf seinen Anspruch nicht verzichtet. Die vom Beklagten behauptete Gegenforderung bestehe nicht zu Recht, weil er mangels Annahme der Erbschaft nach L* sen. nicht Ansprüche aus dessen Nachlaß geltend machen könne.
Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstrichters im Sinne einer Klagsabweisung ab. Es verneinte zwar das Vorliegen der geltendgemachten unrichtigen Beweiswürdigung, sowie der unrichtigen bzw. mangelhaften Tatsachenfeststellungen und übernahm die tatsächlichen Feststellungen des Erstrichters als unbedenklich, gelangte aber aus rechtlichen Erwägungen zur Abweisung des Klagebegehrens. Es führte hiezu aus, der Kläger habe die Klage auf die Vereinbarung gestützt, daß der Beklagte die Verlassenschaft nach T* übernehme und dem Kläger die Hälfte des Nachlasses auszahlen werde. Der Erstrichter habe festgestellt, daß die behauptete Vereinbarung nicht zustandegekommen, der in der Klage angeführte Rechtsgrund für den Klagsanspruch also nicht gegeben sei. Der Erstrichter habe den Klagsanspruch auf Grund des gesetzlichen Erbrechtes des Klägers nach dem Vater der Streitteile und eines Erbverzichtes der Mutter der Streitteile für gegeben erachtet. Diese Rechtsansicht sei nicht zutreffend. Wenn es wegen Geringfügigkeit des Nachlasses zu keiner Verlassenschaftsabhandlung komme, so trete ein erbrechtlicher Erwerb auf Seiten der zur Erbschaft Berufenen nicht ein. In einem solchen Falle könnten die Erbanwärter Rechte am Nachlaß nur dann geltend machen, wenn sie wenigstens den Besitz daran erlangt haben; in diesem Falle stünde ihnen die Klage nach § 372 ABGB zu. Handle es sich, um Nachlaßgegenstände, die nicht Gegenstand des Besitzes bildeten, wie z.B. Forderungen aus Einlagebüchern, dann erlange der Erbanwärter einen Anspruch auf diese erst mit der gemäß § 72 Abs. 2 AußStrG erteilten gerichtlichen Ermächtigung, über die Forderungen verfügen zu können. Im vorliegenden Falle habe der Kläger eine solche Ermächtigung nicht erhalten, er sei daher nicht berechtigt, Ansprüche hinsichtlich der Spareinlage geltend zu machen. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß nunmehr nach dem Vater der Streitteile die Verlassenschaftsabhandlung eingeleitet worden sei. Der Kläger, der diesen Beschluß mit Rekurs bekämpft habe, habe dadurch im vorliegenden Rechtsstreit keine andere rechtliche Stellung erhalten. Daraus ergebe sich, daß der Kläger keinen Titel für die Klagsforderung besitze.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers, aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (§ 503 Z. 4 ZPO) mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung der erstrichterlichen Entscheidung abzuändern, oder es aufzuheben und die Rechtssache an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen, oder aber die Klage unter gegenseitiger Kostenaufhebung zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision kommt Berechtigung zu.
Der Oberste Gerichtshof vermag der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht zu folgen, daß der Kläger seinen Anspruch allein auf eine mit dem Beklagten getroffene Vereinbarung gestützt habe, wonach dieser als gesetzlicher Erbe nach seinem Vater die Verlassenschaft nach T* übernehme und dem Kläger die Hälfte des Nachlasses auszahlen werde. Der Kläger hat vielmehr seinen Anspruch auch als gesetzlicher Erbe (nach seinem Vater) geltendgemacht. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem Vorbringen, sein Vater habe keine letztwillige Verfügung hinterlassen, es kämen der Beklagte und der Kläger je zur Hälfte als gesetzliche Erben in Betracht, der Beklagte habe ihm daher die Hälfte des Nachlasses nach T* herauszugeben. Es stellt sich somit die vorliegende Klage als eine Erbschaftsklage im Sinne des § 823 ABGB dar, die auch keine Erbserklärung erfordert (siehe hiezu die Entscheidungen in Nr. 7 zu § 823 ABGB in MGA). Sie erfordert aber auch keine Ermächtigung im Sinne des § 72 Abs. 2 AußStrG. Eine solche wäre nur dann notwendig, wenn ein zur Erbschaft Berufener Dritten gegenüber in die Verlassenschaft gehörige Rechte geltend machen wollte, nicht aber dann, wenn ein Erbprätendent gegenüber einem anderen besitzenden Erbprätendenten eine Universalklage einzubringen beabsichtigt (JB1 1959, 635 = RZ 1959, 179). Die Klage ist daher an und für sich zulässig, sie ist aber auch gerechtfertigt. Geht man nämlich davon aus, daß der Kläger nach den Feststellungen der Vorinstanzen auf seinen Erbanspruch nach seinem Vater nicht verzichtet hat, dann steht ihm auch die Hälfte des dem Vater angefallenen Nachlasses der T* als gesetzlichen Erben nach L* sen. zu, wobei es dahingestellt bleiben kann, aus welchen Gründen der Kläger damit einverstanden war, daß der Beklagte abhandlungsbehördlich ermächtigt werde, über die Sparbuchforderung der T* frei zu verfügen. Dem Klagsanspruch steht aber auch der Umstand nicht entgegen, daß der Beklagte im Zuge des vorliegenden Verfahrens beim Außerstreitrichter einen Antrag auf Durchführung des Nachlaßverfahrens nach seinem Vater gestellt hat, dem in erster Instanz stattgegeben wurde. Es ist zwar richtig, daß die Erbschaftsklage vor Beendigung des Abhandlungsverfahrens nicht zulässig ist (SZ 21/115), doch war einerseits im Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Klage der beschriebene Antrag noch nicht gestellt gewesen, andererseits ist der Beschluß, mit dem der Außerstreitrichter nunmehr das Verlassenschaftsverfahren nach L* sen. eingeleitet hat, nicht sogleich in Vollzug gesetzt worden. Der bezügliche Beschluß war zufolge Rekurses des L* jun. (des Klägers) im Zeitpunkt des Schlusses des Verfahrens erster Instanz nicht rechtskräftig, daher nicht rechtswirksam.
Es war daher der Revision im Sinne einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstrichters stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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