Normen
ABGB §369
ABGB §531
ABGB §537
ABGB §572
ABGB §727
ABGB §809
ABGB §823
AußStrG §125
ABGB §369
ABGB §531
ABGB §537
ABGB §572
ABGB §727
ABGB §809
ABGB §823
AußStrG §125
Spruch:
Das Recht, ein Testament anzufechten, ist vererblich und geht auf den Transmissar des gesetzlichen Erben über.
Solange das Abhandlungsverfahren nicht beendet ist, kann die Erbschaftsklage nicht erhoben werden.
Entscheidung vom 14. Juli 1948, 1 Ob 217/48.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die erste Instanz hat der Klage der erbserklärten Erben des H. G. auf Ausfolgung des im Besitz der Beklagten, Testamentserben nach der E. G., befindlichen beweglichen und unbeweglichen Nachlasses der E. G. stattgegeben. Über das Eventualbegehren auf Ungültigerklärung der letztwilligen Anordnung der E. G. zugunsten der Beklagten hat das Erstgericht nicht erkannt. Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und wies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der Oberste Gerichtshof hat den Aufhebungsbeschluß aufgehoben und dem Berufungsgericht aufgetragen, neuerlich über die Berufung der klagenden Partei zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Begründung
1. Die am 11. Februar 1945 verstorbene E. G. hinterließ ein Testament vom 5. November 1944, in dem sie mit Übergehung ihres Gatten H. G. die M. L. B. und die A. R. zu Erben einsetzte. Zwei Monate nach dem Tode der E. G. wurde H. G. ermordet (14. April 1945). Er hat zu Lebzeiten keine gerichtlichen Schritte wegen Anfechtung des Testamentes seiner Gattin unternommen.
Die Testamentserben nach E. G. haben eine Erbserklärung abgegeben; eine Einantwortung ist aber nicht erfolgt, weil das Abhandlungsgericht infolge der von der Verlassenschaft H. G. eingebrachten Erbschaftsklage die Einantwortung bis zur Entscheidung dieses Rechtsstreites ausgesetzt hat.
Mit vorliegender Klage begehrt die Verlassenschaft nach H. G., vertreten durch die erbserklärten Erben nach H. G., die Beklagten zu ungeteilten Handen zu verurteilen, den gesamten in ihrem Besitz und ihrer Verwaltung zu befindlichen unbeweglichen und beweglichen Nachlaß der Verlassenschaft H. G. auszufolgen, in eventu die letztwillige Erklärung der E. G. für ungültig zu erklären und festzustellen, daß der klagenden Verlassenschaft das Erbrecht an der Hälfte des Nachlasses nach Frau E. G. zustehe.
Das Erstgericht hat das Hauptbegehren abgewiesen, weil das Recht ein Testament anzufechten, nur den gesetzlichen Erben persönlich, nicht aber seinen Erben zustehe. Über das Eventualbegehren wurde vom Erstgericht nicht anerkannt, wogegen sich die Berufung der durch Dr. R. vertretenen Miterben wendet.
Das Berufungsgericht hat der Berufung der klagenden Partei Folge gegeben und das angefochtene Urteil unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben, da das Berufungsgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, daß das Anfechtungsrecht nicht vererblich sei, nicht geteilt hat.
2. Der Oberste Gerichtshof schließt sich der Rechtsanschauung des Berufungsgerichtes in diesem Punkte an.
Nach § 727 ABGB. tritt die gesetzliche Erbfolge ein, wenn keine gültige Erklärung des letzten Willens hinterlassen wurde. Dieses Intestaterbrecht geht gemäß §§ 537, 809 ABGB. auf die Erben des gesetzlichen Erben über, und zwar auch dann, wenn ein Testamentserbe ein angeblich besseres Recht geltend macht. Bei widersprechenden Erbserklärungen hat demnach das Verlassenschaftsgericht zu entscheiden, ob dem Transmissar des gesetzlichen Erben oder den Testamentserben gemäß § 125 AußstrG. die Klägerrolle zuzuteilen ist. Wollte man den Transmissar der Intestaterben von der Beteiligung am Verlassenschaftsverfahren ausschließen, wenn der gesetzliche Erbe vor seinem Tod das Erbrecht der Testamentserben nicht bestritten hat, so käme man zu dem abwegigen Ergebnis, daß der Transmissar in allen Fällen von der Geltendmachung seiner Rechte ausgeschlossen ist, in denen ein Testament überhaupt erst im Zuge der Abhandlung nach dem Tode des Intestaterben zum Vorschein kommt. Der Transmissar des gesetzlichen Erben muß deshalb auch die Möglichkeit haben, die Erbrechtsklage zu erheben, auch wenn eine Anfechtung des Testamentes durch seinen Erblasser nicht erfolgt ist, insbesondere, wenn dieser das Testament gar nicht gekannt hat. Daraus folgt aber, daß das Anfechtungsrecht des Erben kein höchstpersönliches Recht sein kann, sondern gemäß §§ 537, 809 ABGB. auf seine Erben übergeht.
Eine weitere Folge dieser Rechtsauffassung aber ist es, daß dem Transmissar auch das Recht zustehen muß, die Erbschaftsklage zu erheben, wenn die Verlassenschaft den Testamentserben eingeanwortet ist.
Das Recht, ein Testament anzufechten, das heißt, die Ungültigkeit eines Testamentes geltend zu machen, ist demnach als vererblich anzusehen. Eine entgegengesetzte Bestimmung ist auch im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch nicht enthalten. Sie kann weder auch § 572 ABGB. noch aus § 531 ABGB. abgeleitet werden.
Die Bejahung der Aktivlegitimation der klägerischen Verlassenschaft im angefochtenen Beschluß entspricht infolgedessen dem Gesetze.
Soweit die Rekurswerber den angefochtenen Beschluß mit dem Hinweis bekämpfen, H. G. habe zu seien Lebzeiten auf das Anfechtungsrecht durch konkludente Handlungen verzichtet, erübrigt es sich, derzeit zu dieser Frage Stellung zu nehmen, weil sie das Erstgericht bei Abweisung der Klage nur auf die Entscheidung der Rechtfrage der Übertragbarkeit des Anfechtungsrechtes beschränkt hat, daher jede Feststellung hinsichtlich des angeführten Anfechtungsverzichtes fehlt. Das Berufungsgericht hat sich deshalb mit dieser Frage mit Recht nicht befaßt.
3. Dagegen kann der Oberste Gerichtshof sich der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes nicht anschließen, daß die Sache derzeit noch nicht spruchreif sei und daß zur Entscheidung über das Hauptbegehren die Durchführung weiter Beweise erforderlich ist.
Die Klage begehrt nicht die Herausgabe einzelner bestimmter Bezeichneter Nachlaßgegenstände (§§ 369 ff. ABGB.), sondern die Ausfolgung des in Händen der Beklagten befindlichen Nachlasses der E. G., sie macht also die Erbschaftsklage nach § 823 ABGB. geltend. Diese kann aber nicht erhoben werden, solange das Abhandlungsverfahren nicht beendet ist. Das folgt aus der Erwägung, daß es nicht als angängig angesehen werden kann, daß ein Erbschaftsprätendent sich im Prozeßwege in den Besitz der Erbschaft zu setzen versucht, während das amtswegige Verfahren mit dem Zweck der Nachlaßregulierung noch im Gang ist, und so die Durchführung des Abhandlungsverfahrens durchkreuzt. Das wäre mit der ratio des Abhandlungsverfahrens nicht im Einklang, das dazu bestimmt ist, die Zuteilung des Nachlasses unter die Erbsinteressenten durchzuführen, freilich nur vorbehaltlich der nachträglichen Geltendmachung eines besseren Rechts im Prozeßwege. Dieser Zweck des Abhandlungsverfahrens würde aber unmöglich gemacht werden, wenn man jedem Erbsinteressenten das Recht zuerkennen wollte, sich am Verlassenschaftsverfahren nicht zu beteiligen und seine Ansprüche, solange dasselbe noch nicht zu Ende geführt worden ist, im Rechtswege geltend zu machen.
Dieser Auslegung kann auch nicht unter Hinweis auf das Wörtchen "auch" im § 823 ABGB. ("Auch nach erhaltener Einantwortung ...") entgegengetreten werden; damit wird nur die Zulässigkeit der Erschaftsklage auch in solchen Fällen bejaht, in denen eine Abhandlung gar nicht stattgefunden hat, weil z. B. die Nachlaßregulierung im Ausland nicht einem Rechte erfolgt ist, das eine Nachlaßabhandlung im Sinne des österreichischen Rechtes nicht kennt. Keineswegs kann aber daraus gefolgert werden, daß der angebliche Erbberechtigte befugt ist, sein Erbrecht nach seiner Wahl im Abhandlungsverfahren geltend zu machen oder aber, ohne sich um dieses zu kümmern, die Erschaftsklage einzubringen.
Aus diesen Erwägungen kann die klagende Verlassenschaft derzeit nicht als berechtigt angesehen werden, die Erbschaftsklage zu erheben, weil das Verlassenschaftsverfahren noch anhängig ist.
Nach der Auffassung des Obersten Gerichtshofes hätte daher das Berufungsgericht die Abweisung des Hauptbegehrens, wenn auch das anderen Gründen, bestätigen und über die Berufung wegen Unterlassung der Entscheidung über das Eventualbegehren entscheiden sollen.
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