Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Teilurteil und das Ersturteil werden, jedoch nur in Ansehung des Teilzuspruches von S 50.000 samt 4 % Zinsen seit 28. August 1973 aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Gericht erster Instanz zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisions- und des Berufungsverfahrens wird dem Endurteil vorbehalten.
Text
Begründung
Am 3. 5. 1973 um ca. 13 Uhr 30 verschuldete der Erstbeklagte ca. 7 km vor Nymwegen in Holland auf der Autobahn dadurch einen Unfall, dass er mit einem Autobus, dessen Eigentümer und Halter der Zweitbeklagte ist, auf einen vor ihm fahrenden Kühlwagen mit einer Geschwindigkeit von 90 km/h auffuhr. Das vom Erstbeklagten gelenkte Fahrzeug ist bei der Drittbeklagten haftpflichtversichert.
Die Klägerin als Fahrgast des Autobusses erlitt bei diesem Unfall schwere Verletzungen. Sie befand sich vom 3. - 2. 5. 1973 im Krankenhaus der katholischen Universität St. Radboud und wurde von dort in das Unfallkrankenhaus Kalwang transferiert, wo sie in der Zeit vom 22. 5. - 12. 7. 1973 in stationärer Behandlung war. Die Klägerin fordert von den Beklagten S 206.854 sA als Ersatz, worin u. a. ein Schmerzengeld von S 210.500, abzüglich bereits bezahlter S 20.000, somit S 190.500, enthalten ist. Weiters wird ein entsprechendes Feststellungsbegehren gestellt.
Die Beklagten bestritten die geltend gemachten Ansprüche, insbesondere das Schmerzengeld der Höhe nach und auch die Berechtigung des Feststellungsbegehrens.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von S 84.700 sA an die Klägerin und stellte fest, dass die Beklagten zur ungeteilten Hand, die Drittbeklagte allerdings nur im Rahmen ihres Versicherungsvertrages mit dem Zweitbeklagten, für jeden Schaden haften, der der Klägerin in Zukunft noch aus dem Unfall vom 3. 5. 1973 erwachsen sollte. Das Mehrbegehren in der Höhe von S
142.154 sA wurde abgewiesen.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Klägerin Folge, bestätigte das Urteil erster Instanz als Teilurteil (unter Einbeziehung des bereits rechtskräftig zugesprochenen Betrages von S
34.700 sA) bezüglich des Zuspruches von S 84.700 sA und hob es hinsichtlich der Abweisung eines Mehrbegehrens von S 80.250 sA ohne Rechtskraftvorbehalt auf.
Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund nach § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Teilbegehrens von S 50.000 abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Da das Berufungsgericht das Urteil der ersten Instanz zum Teil bestätigt und zum Teil aufgehoben hat, ist die Revision entgegen der Rechtsauffassung der Revisionsmitteilung zulässig (SZ 27/112, SZ 44/187 u.v.a.).
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung begründet. Im Revisionsverfahren ist nur die Bemessung des Schmerzengeldes strittig.
Diesbezüglich hat das Erstgericht folgende Feststellungen getroffen:
Die Klägerin erlitt einen Verrenkungsbruch im Bereich des linken Hüftgelenkes mit Abspringung eines Knochenfragmentes aus dem Pfannenrand, eine Knochenabsprengung am linken Kniegelenk und eine ausgedehnte tiefe Fleischwunde am linken Unterschenkel. Sie war vom 3. 5. 1973 bis 12. 7. 1973, also 71 Tage, in stationärem Krankenhausaufenthalt. Auf Grund der chirurgisch zu beurteilenden Verletzungen hat die Klägerin 20 Tage starke, 45 Tage mittelstarke und 115 Tage leichte Schmerzen erlitten. Sie hat weiters im Zuge eines Schleudertraumas eine Gehirnerschütterung und eine leichte Gehirnkontusion insbesondere der linken Basis des Gehirns erlitten. Unter Bedachtnahme auf die psychischen Schmerzen der Klägerin, die sich aus den Depressionen im Zusammenhang mit der Befürchtung ergeben, infolge der chirurgisch zu beurteilenden Verletzungen zum Krüppel geworden zu sein, erachtete das Erstgericht ein Schmerzengeld im Globalbetrag von S 90.000 für angemessen.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes nur hinsichtlich der chirurgisch zu beurteilenden Verletzung, während es bezüglich der Gehirnerschütterung und der leichten Gehirnkontusion gegen die erstinstanzlichen Feststellungen Bedenken hegte und eine Verfahrensergänzung durch das Erstgericht für erforderlich hielt. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin vom chirurgischen Standpunkt aus gesehen schwerste Verletzungen erlitten habe und es sich bei den vom Sachverständigen für Chirurgie allein ermittelten Schmerzperioden um rein körperliche Schmerzen handle. Wenn die der im 66. Lebensjahr stehenden Klägerin zuzubilligenden psychischen Alterationen berücksichtigt werden, sei das vom Erstgericht ausgemessene Schmerzengeld von S 90.000 allein vorerst als Mindestbetrag gerechtfertigt. Es sei daher in diesem Umfang die angefochtene Entscheidung als Teilurteil zu bestätigen gewesen.
Die Beklagten bekämpfen in ihrer Revision zunächst die Auffassung des Berufungsgerichtes, allein schon auf Grund der chirurgisch zu beurteilenden Verletzungen der Klägerin sei ein Schmerzengeld von S 90.000 als Mindestbetrag gerechtfertigt. Das Schmerzengeld sei vielmehr mit einem Globalbetrag unter Berücksichtigung sämtlicher Verletzungen zu bemessen. Darüber hinaus sei der zugesprochene Betrag zu hoch.
Das Revisionsgericht hatte sich zunächst mit der im bisherigen Verfahren noch nicht erörterten und auch in den Rechtsmittelschriften nicht aufgeworfenen, hier aber von Amts wegen zu prüfenden Frage (vgl JBl 1974, 369 u.a.) des anzuwendenden Rechtes zu befassen. Der Unfall ereignete sich in Holland durch Auffahren eines einem in Österreich wohnhaften Autobusunternehmer als Halter gehörenden Autobusses auf einen Kühlwagen. Hiebei wurde die in Österreich wohnhafte Klägerin als Fahrgast dieses Autobusses verletzt. Die Vorinstanzen haben ohne jede Begründung offenbar österreichisches Recht angewendet. Hinsichtlich der Frage des anzuwendenden Rechtes wird zwischen der Haftung aus Delikt bzw. Quasidelikt einerseits und der Haftung aus Vertragsverletzung andererseits unterschieden. Im österreichischen Recht fehlt zwar eine Bestimmung darüber, nach welchem Recht Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung beurteilt werden sollen. In der österreichischen Rechtslehre wird aber angenommen, dass für solche Schuldverhältnisse das Recht des Ortes zu gelten hat, wo die deliktische Handlung begangen wurde. Für alle Verpflichtungen aus deliktsähnlichen Vorgängen sind die Gesetze des Ortes maßgebend, wo das schädigende Ereignis eingetreten ist. Hierher gehört vor allem die Haftung für die Betriebsgefahr, insbesondere auch des Halters eines Kraftfahrzeuges. Es kommt also auf den Ort des Unfalles an (vgl hiezu Klang I/12, 242, 243 und die dort zitierte Lehre). Dem folgt auch die Rechtsprechung (vgl etwa SZ 29/45, SZ 35/23, ZVR 1975/59 u. v.a.).
Hingegen ist nach § 36 ABGB auf im Inland geschlossenen Verträge grundsätzlich, und wenn sie von Inländern geschlossen werden, jedenfalls österreichisches Recht anzuwenden (vgl dazu Klang I/12, 237). Ersatzansprüche aus einem im Inland zwischen Österreichern geschlossenen Beförderungsvertrag sind daher nach österreichischem Recht zu beurteilen, mag sich auch der Schadensfall im Ausland ereignet haben (SZ 34/193, 2 Ob 240/74 u.a.).
Gegenstand eines Personenbeförderungsvertrages ist die entgeltliche Beförderung einer Person von einem Ort zum anderen. Eine wichtige Nebenverpflichtung aus diesem Vertrag besteht aber darin, dass die zu befördernde Person unversehrt an ihren Bestimmungsort gebracht wird (SZ 28/87, SZ 34/50 u.a.). Die Unterlassung einer Körperverletzung der beförderten Person ist also Vertragsinhalt (Wussow, Unfallhaftpflichtrecht11, 440). Erfüllt die im Zuge der Beförderung vorgekommene Körperverletzung gleichzeitig den Tatbestand einer Vertragsverletzung und einer unerlaubten Handlung, dann ist sowohl Vertrags- als auch Deliktshaftung gegeben (Geigel, Haftpflichtprozess15, 921 und 977), wobei es im Falle der Vertragshaftung Sache des Unternehmers wäre, den Beweis zu führen, dass sich der Unfall ohne ein von ihm zu vertretendes Verschulden ereignet hat (§ 1298 ABGB; vgl dazu auch Wussow aaO). Für ein Verschulden des Autobuslenkers hätte der Unternehmer im Falle der Vertragshaftung nach § 1313a ABGB wie für sein eigenes zu haften (2 Ob 240/74).
Bezüglich der Frage des anzuwendenden Rechtes fehlt es aber an Feststellungen insbesondere darüber, ob und wo zwischen der Klägerin und dem Zweitbeklagten ein Vertrag abgeschlossen wurde und ob die Vertragschließenden Österreicher waren. Schon aus diesen Erwägungen war mit einer Aufhebung des angefochtenen Teilurteiles in Ansehung des Teilzuspruches von S 50.000 vorzugehen.
Darüberhinaus bekämpfen die Revisionswerber - unter der Voraussetzung, dass österr. Schadenersatzrecht anzuwenden sein wird - mit Recht die Schmerzengeldbemessung durch das Berufungsgericht mit einem Mindestbetrag nur unter Zugrundelegung der chirurgisch zu beurteilenden Verletzung. Das Berufungsgericht hat in seinem Urteil selbst darauf hingewiesen, dass das Schmerzengeld global festzusetzen ist. Das Schmerzengeld soll grundsätzlich eine einmalige Abfindung für alles Ungemach sein, das der Verletzte voraussichtlich zu erdulden hat. Es soll den gesamten Komplex der Schmerzempfindungen, auch soweit er für die Zukunft beurteilt werden kann, umfassen. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass das Schmerzengeld vorerst nur für einen bestimmten Zeitraum zuerkannt wird. Dies ist für den Fall zulässig, dass die Auswirkungen der Verletzungen hinsichtlich der Schmerzen für die Zukunft nicht oder nicht im vollen Umfang abgeschätzt werden können. Unter den gleichen Voraussetzungen hat die Rechtsprechung auch die Ausklammerung bestimmter Unfallsfolgen aus der Schmerzengeldbemessung dann bejaht, wenn deren Auswirkungen auch nicht annähernd überblickt und bewertet werden können (ZVR 1974/116). Diese Voraussetzungen liegen aber hier nicht vor, da das Berufungsgericht bloß gegen die Feststellung des Erstgerichtes, die Klägerin habe bei dem Unfall eine Gehirnerschütterung und eine leichte Gehirnkontusion erlitten, lediglich auf Grund der Angaben der Klägerin gegenüber dem Gerichtssachverständigen ohne weitere Beweisaufnahme, Bedenken hegte, ohne dass etwa die Auswirkungen dieser Verletzungen auch nicht annähernd hätten überblickt und bewertet werden können. Die Vorinstanzen werden erst nach Feststellung aller Unfallsverletzungen und deren überschaubarer Folgen mit einer Globalbemessung des Schmerzengeldes unter Bedachtnahme auf die seelischen Schmerzen vorzugehen haben, zumal künftig eintretende Unfallsfolgen ohnehin von dem rechtskräftigen im stattgebenden Sinn erledigten Feststellungsbegehren umfasst sind. Der Revision war daher im Sinne einer Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen im Umfang des Teilzuspruches von S 50.000 sA Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisions- und Berufungsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
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