OGH 4Ob18/75

OGH4Ob18/7522.4.1975

SZ 48/48

Normen

ABGB §902
AngG §20
ABGB §902
AngG §20

 

Spruch:

Da die (Mindest-)Dauer der im § 20 AngG genannten Kündigungsfristen gem. § 20 Abs. 3 und § 40 AngG zugunsten des Angestellten zwingendes Recht ist, ist die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Kündigung für einen bestimmten Termin wirksam erklärt werden kann, so zu lösen, daß dem Angestellten die angeführten Mindestfristen auf jeden Fall und ungekürzt gewahrt bleiben

Für die Berechnung der in § 20 AngG der Dauer nach festgelegten Kündigungsfristen ist § 902 ABGB maßgeblich, wobei dessen Abs. 2 nur sinngemäß anzuwenden ist

OGH 22. April 1975, 4 Ob 18/75 (LG Innsbruck 2 Cg 44/74; ArbG Innsbruck Cr 208/74)

Text

Der Kläger trat am 2. Mai 1973 bei der beklagten Partei als Angestellter ein. Die beklagte Partei kundigte das Dienstverhältnis mit Schreiben vom 18. Feber 1974, einem Montag, das dem Kläger am gleichen Tage übergeben wurde, zum 31. März 1974, einem Sonntag auf.

Der Kläger begehrt 25.630.70 S als Entgelt für die Monate April bis Juni 1974 samt anteiligen Sonderzahlungen, weil die beklagte Partei die sechswöchige Kündigungsfrist nicht eingehalten habe und die Kündigung erst für den Termin 30. Juni 1974 wirksam gewesen sei.

Die beklagte Partei behauptet, daß die Kündigung rechtzeitig zum 31. März 1974 erklärt worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Grund des unbestrittenen Sachverhaltes ab. Es war der Ansicht, daß gemäß § 903 Satz 3 ABGB durch die Erklärung der Kündigung am Montag, dem 18. Feber 1974, die sechswöchige Kündigungsfrist zum 31. März 1974 gewahrt worden sei.

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht teilte die Auffassung, daß die Bestimmung des § 903 Satz 3 ABGB mit § 20 Abs. 2 AngG trotz § 40 AngG nicht in Widerspruch stehe und auch für die Kündigung des Dienstverhältnisses eines Angestellten anwendbar sei. Es sei somit zwar grundsätzlich für die Kündigung des Dienstverhältnisses zum 31. März bei einer sechswöchigen Kündigungsfrist in einem Normaljahr der 17. Feber der letzte Tag für die Erklärung der Kündigung. Wenn aber dieser Tag - wie im Jahr 1974 - auf einen Sonntag falle, sei die am folgenden Werktag abgegebene Kündigungserklärung noch rechtzeitig.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurück,

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Revision vertritt im wesentlichen die Auffassung, daß § 903 Satz 3 ABGB auf die im § 20 AngG festgelegten Kündigungsfristen nicht anwendbar sei, weil sonst diese Fristen, die gemäß § 40 AngG zwingendes Recht seien, verkürzt würden.

Diese Auffassung wurde bereits in der Entscheidung ArbSlg. 4259 vertreten; sie wird auch von Martinek - Schwarz (Angestelltengesetz, 303) im wesentlichen deswegen geteilt, weil § 20 AngG als zwingendes Recht gegenüber dem § 903 ABGB den Vorrang habe. Der OGH folgt dieser Ansicht, obgleich sie mehrfach im Schrifttum (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 349; Gschnitzer, öRdA 1954, Heft 10, 3; Ehrenzweig, System[2] I/1, § 124 vor Anm. 13; Stiasny, Anwaltszeitung, 1934,

312) und Rechtsprechung (SZ 15/169 = ArbSlg, 4329, ArbSlg. 4000) abgelehnt wurde. Diese Ablehnung wurde zunächst damit begrundet, daß § 20 AngG nur die Dauer der Kündigungsfrist, nicht aber die Frage regle, wie sie zu berechnen sei. Das ist an sich richtig. Für die Berechnung der Frist ist daher § 902 ABGB maßgeblich, wobei Abs. 2, der die Bestimmung des Endes einer nach Wochen, Monaten oder Jahren festgelegten Frist behandelt, allerdings nur sinngemäß angewendet werden kann, weil die Kündigungserklärung nicht innerhalb einer von einem Anfangszeitpunkt an laufenden Frist abzugeben ist, sondern sie selbst der Anfangszeitpunkt der Frist ist. Der Tag der Kündigungserklärung ist somit nicht der letzte Tag der Frist, sondern jener, der den Lauf der Frist auslöst. Da das Ende einer nach Wochen bestimmten Frist gemäß § 902 ABGB auf den Tag der letzten Woche fällt, der seiner Benennung nach dem Tag des Ereignisses entspricht, mit dem der Lauf der Frist beginnt, ist der letzte Tag für die Erklärung der Kündigung bei einer Kündigungsfrist von 6 Wochen - wie im vorliegenden Fall - jener Wochentag, der seiner Benennung dem Wochentag entspricht, auf den der Kündigungstermin fällt. Das war für eine Kündigung zum 31. März 1974, der auf einen Sonntag fiel, Sonntag der 17. Feber 1974.

Es kann aber nicht übersehen werden, daß die (Mindest-)Dauer der im § 20 AngG genannten Kündigungsfristen gemäß § 20 Abs. 3 und § 40 AngG zugunsten des Angestellten zwingendes Recht ist. Daraus ist die klare Absicht des Gesetzgebers erkennbar, die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Kündigung für einen bestimmten Termin wirksam erklärt werden kann, so zu regeln, daß dem Angestellten die angeführten Mindestfristen auf jeden Fall und ungekürzt gewahrt bleiben sollen. Demgegenüber ist die Bestimmung des § 903 Satz 3 ABGB, wonach dann, wenn der für die Abgabe einer Erklärung bestimmte letzte Tag auf einen Sonntag oder anerkannten Feiertag fällt, an dessen Stelle der nächstfolgende Werktag tritt, eine Bestimmung, die nur "vorbehaltlich gegenteiliger Vereinbarung", also nur dann gilt, wenn nicht im Einzelfall etwas anderes gewollt ist. Daß eine solche Vereinbarung "leicht möglich" sei, wird auch von Gschnitzer (Klang[2] IV/1, 349) hervorgehoben, der weiters betont, daß auch das Gesetz etwas von der Bestimmung des § 903 Satz 3 ABGB Abweichendes bestimmen kann. Eine solche abweichende Regelung kann sich aber nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus dem Sinn eines Gesetzes - der "klaren Absicht des Gesetzgebers" (§ 6 ABGB) - ergeben. Das muß für den vorliegenden Fall bejaht werden, weil die Festsetzung einer Mindestfrist als zwingendes Recht keine Verkürzung, aus welchem Gründe immer, verträgt. Der Hinweis darauf, daß auch die einzelnen Monate nicht immer dieselbe Anzahl von Tagen haben und eine nach Monaten bestimmte Kündigungsfrist daher verschieden lang sein kann, ist demgegenüber deswegen nicht stichhältig, weil er für die - kürzere nach Wochen zu berechnende Frist versagt und durch die Beachtung der gegebenen Anzahl von Tagen eines Monates eine Verkürzung der festgelegten Frist nicht eintritt. Wohl würde aber eine solche Verkürzung der Frist eintreten, wenn der Ausspruch der Kündigung wegen eines Sonntages oder Feiertages noch nach dem Zeitpunkt, der sich aus den Bestimmungen des Angestelltengesetzes über die Kündigungsfrist ergibt, erfolgen könnte. Dem Hinweis, daß § 903 Satz 3 ABGB nur eine geringfügige Veränderung der Frist bringen könnte, welche die Interessen des Angestellten nicht ernsthaft beeinträchtigen könne, muß entgegengehalten werden, daß die zwingende Vorschrift des Angestelltengesetzes für solche Erwägungen keinen Raum läßt. Überdies ist die Sachlage durch das Bundesgesetz vom 1. Feber 1961, BGBl. 37, wonach dann, wenn auf Grund bundesgesetzlicher Vorschriften der Ablauf der Frist durch einen Sonntag oder gesetzlichen Feiertag gehemmt ist, diese Hemmung auch dann eintritt, wenn das Ende der Frist auf einen Samstag oder den Karfreitag fällt, nicht unwesentlich verändert. Wenn etwa der letzte Tag für die Erklärung der Kündigung auf den Karfreitag fiele - was denkbar ist, da gemäß § 20 Satz 3 AngG wirksam vereinbart werden kann, daß die Kündigungsfrist am 15. oder letzten eines Kalendermonates (und nicht bloß zum Kalendervierteljahr) ende - würde die Kündigungsfrist durch die Anwendung der Bestimmung des § 903 Satz 3 ABGB immerhin um 4 Tage, also um einen Zeitraum verkürzt, der bei einer Kündigungsfrist z. B. von 6 Wochen nicht mehr als unerheblich bezeichnet werden kann. Ob aus der Ablehnung der Anwendung der Bestimmung des § 903 Satz 3 ABGB für die Kündigung eines dem Angestelltengesetz unterliegenden Dienstverhältnisses gefolgert werden muß, daß die Kündigung bereits am letzten dem Sonntag oder gesetzlichen Feiertag vorangehenden Werktag erfolgen muß (so Martinek - Schwarz, 303), ist für den vorliegenden Fall nicht wesentlich, weil die Kündigungserklärung nicht am Sonntag, sondern erst am folgenden Werktag erfolgte. Zu verweisen ist allerdings darauf, daß Gschnitzer (Klang[2] IV/1, 350) auch bei Anwendung der Bestimmung des § 903 Satz 3 ABGB keineswegs ausschließt, daß die Kündigung am Sonntag oder Feiertag wirksam erklärt werden kann; er vertritt vielmehr die Auffassung, daß die Erklärung am Sonntag oder Feiertag nicht erfolgen müsse, aber im Einzelfall, insbesondere regelmäßig bei einer Kündigung, auch am Sonntag oder Feiertag abgegeben und nicht zurückgewiesen werden dürfe. Mit dieser Auffassung wird aber dem Argument, daß die Anwendung der Bestimmung des § 903 Satz 3 ABGB auf den Fall der Kündigung eines dem Angestelltengesetz unterliegenden Dienstverhältnisses auch im Interesse des Angestellten geboten sei, um ihn in den vollen Genuß der Sonntags- und Feiertagsruhe kommen zu lassen und ihn an Sonntagen und Feiertagen vor jeder geschäftlichen Störung zu schützen (so insbesondere Gschnitzer, 350 und SZ 15/169), die Eignung genommen, die Anwendung der Bestimmung des § 903 Satz 3 ABGB auch für den Fall einer Kündigung eines dem Angestelltengesetz unterliegenden Dienstverhältnisses zu begrunden; nach der angeführten Auffassung wäre nämlich der Angestellte auch in diesem Falle vor einer Störung der Sonn- und Feiertagsruhe nicht geschützt. Es hätte vielmehr der Dienstgeber, der die Kündigung erklären will, die Wahl, ob er sie am Sonntag oder Feiertag ausspricht oder mit der Erklärung auf den folgenden Werktag wartet. Es sprechen somit keine überzeugenden Gründe dafür, die Bestimmung des § 903 Satz 3 ABGB für die Erklärung der Kündigung eines solchen Dienstverhältnisses anzuwenden und dadurch die dem Angestellten vom Gesetz zwingend eingeräumte Mindestdauer der Kündigungsfrist nicht voll zu wahren. Daraus folgt, daß im vorliegenden Fall die Kündigungserklärung verspätet erfolgte und der Kläger daher Anspruch auf das Entgelt bis zu dem Zeitpunkt hat, zu dem eine ordnungsgemäße Kündigung möglich gewesen wäre, also mangels anderer Vereinbarung bis zum 30. Juni 1974. Der Klagsanspruch besteht daher dem Gründe nach zu Recht.

Da aber die erforderlichen Feststellungen über die Höhe des dem Kläger zustehenden Anspruches noch fehlen und die Höhe dieses Anspruches auch nicht außer Streit steht, war das angefochtene Urteil in Stattgebung der Revision aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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