OGH 3Ob78/75

OGH3Ob78/7522.4.1975

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Winkelmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Kinzel, Dr. Reithofer, Dr. Stix und Dr. Schubert als Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Firma G*****gesellschaft m.b.H. *****, vertreten durch Dr. Walter Hofbauer und Dr. Helmut Rantner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) Dr. H***** J*****, 2.) Dr. W***** E*****, 3.) Dr. E***** E*****, 4.) A***** B*****, 5.) E***** B*****, alle vertreten durch Dr. Rainer Plankensteiner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen je 2.990,08 S sA, infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 6. Dezember 1974, GZ 2 R 743/74‑9, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 3. September 1974, GZ 5 C 996/74‑5, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte mit fünf gesondert eingebrachten Klagen die Verurteilung jeder beklagten Partei zur Zahlung eines Betrags von je 2.990,08 S sA mit der Begründung, die Beklagten seien zu je 128/4088 Anteilen Miteigentümer der „Wohnungseigentumsgemeinschaft“ B*****, die Klägerin habe für die Einräumung der Berechtigung einer von ihr beabsichtigten Kanalzuleitung der genannten Wohnungseigentumsgemeinschaft einen Betrag von 93.000 S bezahlt, in der Folge habe sich dieser Plan als undurchführbar erwiesen und sei daher die Geschäftsgrundlage der seinerzeitigen Vereinbarung weggefallen; die Beklagten seien daher zur Rückzahlung des auf sie entfallenden Anteils des seinerzeit bezahlten Betrags verpflichtet.

In der ersten Tagsatzung wurden die Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, die Beklagten meldeten die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Bezirksgerichts an. Sie erstatteten hiezu auch einen vorbereiteten Schriftsatz, in welchem sie vorbrachten, dass sämtliche Wohnungseigentümer einheitliche Streitgenossen im Sinn des § 14 ZPO seien und der Streitwert in Wahrheit 93.000 S betrage. Bei der zur Vornahme der mündlichen Streitverhandlung bestimmten Tagsatzung erschien für die beklagten Parteien niemand (ON 4); die Klägerin unterließ es jedoch, die Fällung eines Versäumungsurteils zu beantragen, sie ergänzte vielmehr (im Hinblick auf den vorbereiteten Schriftsatz der Beklagten, der verlesen wurde) ihr Sachvorbringen.

Das Erstgericht schloss ohne Beweisaufnahmen die Verhandlung und wies die verbundenen Klagebegehren mit der Begründung ab, die Beklagten seien mit den übrigen Wohnungseigentümern als einheitliche Streitpartei anzusehen, es fehle daher den einzelnen Beklagten die Passivlegitimation.

Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichts unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es vertrat nach Darstellung der zu § 14 ZPO von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze die Auffassung, dass hier keine einheitliche Streitpartei im Sinne dieser Gesetzesstelle vorliege, weil der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrags nicht notwendigerweise eine gemeinsame Verfügung aller Miteigentümer (Wohnungseigentümer) über die gemeinschaftliche Sache bedinge.

Der dagegen gerichtete, als Revisionsrekurs bezeichnete Rekurs (§ 519 ZPO) der Beklagten ist aus nachstehenden Gründen zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Falls im bezirksgerichtlichen Verfahren die beklagte Partei nach vorausgegangener erster Tagsatzung der ersten zur Vornahme der mündlichen Streitverhandlung bestimmten Tagsatzung fernbleibt, ist gegen sie auf Antrag der klagenden Partei gemäß § 396 ZPO ein Versäumungsurteil zu fällen (§ 442 Abs 1 ZPO). Unterlässt die klagende Partei diesen Antrag, so tritt Ruhen des Verfahrens ein (ebenso Fasching II, 694, III 160, 623 und 631; Petschek-Stagel, 344; SZ 27/253 ua), ausgenommen in jenen Fällen, in welchen ein derartiger Antrag zufolge § 402 ZPO zurückzuweisen wäre (die Unterlassung eines Antrags, der gemäß § 402 Abs 1 oder 2 ZPO zurückzuweisen wäre, bewirkt nicht das Ruhen, die Tagsatzung ist vielmehr in einem solchen Fall gemäß § 402 Abs 3 ZPO von Amts wegen zu erstrecken).

Der vorerwähnte Ausnahmefall liegt hier nicht vor, weil selbst bei Richtigkeit der Auffassung des Erstgerichts ein Antrag der Klägerin auf Fällung eines Versäumungsurteils nicht etwa zurückzuweisen, sondern ein Versäumungsurteil, allerdings im Sinne einer Klagsabweisung, zu erlassen gewesen wäre (vgl SZ 34/186, JBl 1965, 89 ua). Tatsächlich wäre jedoch auf Antrag der Klägerin hier ‑ unter gleichzeitiger Zurückweisung der wegen verzichtbarer Unzuständigkeit angemeldeten Prozesseinrede (Fasching III 857) ‑ ein den verbundenen Klagebegehren stattgebendes Versäumungsurteil zu fällen gewesen, da nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts hier keine einheitliche Streitgenossenschaft im Sinn des § 14 ZPO vorliegt (die von den Beklagten hervorgehobene Gemeinsamkeit des Sachverhalts verhindert keineswegs die Disposition der einzelnen Beklagten über den auf Rückzahlung eines Geldbetrags gerichteten Streitgegenstand, vgl Fasching II, 196, EvBl 1961/222, 1973/234; JBl 1960, 78 ua).

Infolge Unterlassung des Antrags auf Fällung eines Versäumungsurteils seitens der erschienenen Klägerin trat daher hier ex lege Ruhen des Verfahrens mit den durch die §§ 163, 168 ZPO umschriebenen Wirkungen ein. Da dieses Ruhen nicht erst nach Schluss der Verhandlung eingetreten ist (vgl § 163 Abs 3 ZPO), hätte das Erstgericht kein Urteil fällen dürfen. Dieses Urteil hätte während der Fortdauer des Ruhens wirksam nur durch eine Berufung bekämpft werden können, in welcher dieser Fehler ‑ man mag darin eine Nichtigkeit oder nur einen Verfahrensverstoß erblicken, vgl hiezu Fasching II, 795 und 807, Neumann, 749 und 754, Petschek, Streitfragen, 91 f ua einerseits bzw Fasching II, 623, Sperl I, 288 ua andererseits ‑ als Beschwerdegrund geltend gemacht worden wäre. Dies entspricht im Falle der Unterbrechung der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (ebenso SZ 43/158, 45/19 ua) und muss nach Auffassung des erkennenden Senats auch für den Fall des Prozessstillstandes durch Ruhen gelten, für welchen § 168 ZPO nur insoweit eine Abweichung normiert, als die im Zeitpunkt des Ruhens bereits begonnenen Notfristen weiterlaufen (ebenso Neumann, 754; Sperl I, 287, insbesondere Mat I, 257, worin als Motiv für diese Abweichung angeführt ist, man wolle verhindern, dass die Parteien durch eine Ruhensvereinbarung bereits im Lauf befindliche Notfristen faktisch verlängern könnten). Soweit Fasching (III 807) und Pollak (445) aus § 163 Abs 3 ZPO ‑ der auch für den Unterbrechungsfall gilt ‑ ableiten, dass Rechtsmittelfristen auch während des Ruhens beginnen können, so trifft dies nur auf „solche Entscheidungen“ (so wörtlich Fasching aaO), also auf gemäß § 163 Abs 3 ZPO zulässige Entscheidungen bzw jene Entscheidungen zu, die im Zusammenhang mit dem Ruhen und seinen Wirkungen ergehen (vgl Fasching aaO). Die Formulierung der Entscheidung SZ 39/49, dass während des Ruhens des Verfahrens Rechtsmittelfristen schlechthin beginnen und ablaufen, ist daher zu allgemein und weitgehend.

Die hier von der Klägerin erhobene Berufung, in welcher der aufgezeigte Fehler der erstgerichtlichen Entscheidung nicht geltend gemacht wurde, wäre daher als eine infolge der Ruhenswirkung unwirksame Prozesshandlung zurückzuweisen gewesen (ebenso im gleichgelagerten Unterbrechungsfall SZ 41/93, 43/158, 44/63, 45/19 ua). Dasselbe gilt auch für den von den Beklagten erhobenen Rekurs, der ebenfalls keinen die Ruhenswirkungen betreffenden Hinweis enthält und in dem auch kein Antrag auf Aufnahme des Verfahrens im Sinn des § 169 ZPO erblickt werden kann (ebenso für den Fall einer Revision SZ 41/93, 43/158 und 45/19). Der Rekurs der Beklagten war daher im Sinne der zum gleichgelagerten Unterbrechungsfall entwickelten, vorstehend zitierten Rechtsprechung zurückzuweisen.

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