European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0030OB00034.75.0225.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs des Beklagten wird Folge gegeben. Der Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und es wird die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung des Klägers zurückverwiesen.
Die Rekurskosten des Beklagten sind als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.
Begründung:
Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage vom Beklagten die Bezahlung von S 4.506,84 samt Zinsen aus dem Titel des Schadenersatzes. Er brachte hiezu im Wesentlichen vor, es sei am 27. 6. 1970 zwischen den Streitteilen im Gasthaus „*“ in * zu einer Auseinandersetzung gekommen. Nach gegenseitigen Beleidigungen habe der Beklagte dem Kläger einen derartigen Schlag versetzt, dass der Kläger gestürzt und sich mehrere Verletzungen zugezogen habe. Der Beklagte, der diese Verletzungen verschuldet habe, sei deshalb vom Bezirksgericht Ried in Tirol zu U 174/70 rechtskräftig verurteilt worden. Den Kläger treffe allerdings am Zustandekommen seiner Verletzung ein Mitverschulden, das er mit einem Drittel anerkenne. Der gesamte Schaden, den der Kläger vom Beklagten zu zwei Dritteln ersetzt verlange, setze sich aus folgenden Teilbeträgen zusammen: a) Schmerzengeld S 5.000,--, b) Beschädigung eines Hemdes S 100,--, c) Verdienstentgang während des Krankenstandes S 680,25, d) Kosten für den Ersatz dreier Zähne S 2.500,--, e) Kosten für die Beschäftigung einer Arbeitskraft für die Heuernte während des Krankenstandes S 320,--, f) Kosten von zwei Fahrten zum Arzt (wegen der Verletzung habe der Kläger ein Taxi in Anspruch nehmen müssen) S 160,--. Zum Beweis seiner Prozessbehauptungen beantragte der Kläger unter anderem die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und wendete die Teilzahlung von S 1.100,-- und hilfsweise eine Gegenforderung von S 2.244,-- ein.
In der Tagsatzung vom 22. 12. 1970 wurde ein Beweisbeschluss gefasst, wonach Beweis zugelassen wurde: „1.) darüber, wo und wie es zwischen den Streitteilen zu der tätlichen Auseinandersetzung gekommen war, durch Einsichtnahme in zwei Akten und Vernehmung von drei Zeugen; 2.) darüber, welche Verletzung der Kläger beim Raufhandel erlitt, wie lange er arbeitsunfähig war, welche Schmerzen er zu ertragen hatte und wie lange, welcher Schaden an der Kleidung des Klägers entstand, welchen Verdienstentgang er hatte und weiters über die Kosten der Zahnbehandlung sowie über die Höhe und die Ursachen weiterer Auslagen, insbesondere durch die Beschäftigung fremder Personen zur Zeit der Heuernte sowie durch die Behandlung beim Arzt entstandenen Fahrtauslagen, durch Vernehmung von Zeugen, durch Einsichtnahme in Urkunden, sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens; 3.) darüber, ob der Beklagte am 22. 12. 1970 S 1.000,-- an den Klagsvertreter bezahlte, durch Einsichtnahme in den Zahlungsbeleg; 4.) darüber, ob eine Gegenforderung des Beklagten in der Höhe von S 2.240,-- gegen den Kläger bestehe durch Akteneinsichtnahme.“ Sodann wurde einverständlich zum Sachverständigen der Amtsarzt in Imst bestellt. Dem Kläger wurde aufgetragen, binnen drei Wochen einen Vorschuss für die Kosten des Sachverständigen in der Höhe von S 1.000,-- unter „Androhung der Folgen nach § 279 ZPO beim Rechnungsführer des Erstgerichtes zu erlegen". Den Parteienvertretern wurde aufgetragen, bei der nächsten Streitverhandlung die angebotenen und zugelassenen Urkunden in Urschrift vorzulegen. Sohin erstreckte der Richter die Tagsatzung zur Aufnahme der zugelassenen Beweise und zur Fortsetzung der Streitverhandlung auf zunächst unbestimmte Zeit. Der Akt wurde sodann auf drei Wochen kalendiert. Am 2. 2. 1971 wurde der Kalender auf 31. 12. 1971 verlängert. Am 26. 2. 1971 langte beim Erstgericht ein Schriftsatz des Klägers mit einem Beweisantrag (auf Vernehmung weiterer Zeugen) und mit dem Ersuchen ein, den Kläger erst gegen Ende April zur etwaigen Parteienvernehmung zu laden, weil er sich derzeit beruflich in Deutschland aufhalte. Der Richter nahm diesen Antrag bloß zur Kenntnis und ordnete die weitere Kalendierung des Aktes mit der Begründung an, es liege kein Fortsetzungsantrag vor. Am 31. 12. 1971 wurde der Akt gemäß § 391 Abs 1 Z 7 der Geo abgelegt. Am 27. 2. 1974 beantragte der Beklagte die Fortsetzung des Verfahrens. Gleichzeitig wendete er Verjährung der Klagsforderung ein.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Die Verjährung sei wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens eingetreten.
Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers Folge, es hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt an das Erstgericht zur Fortsetzung der Verhandlung zurück. Das Berufungsgericht vertrat im Wesentlichen die Ansicht, die Verjährung des Klagsanspruches sei im Sinne des § 1497 ABGB nicht eingetreten. Nach der Prozesslage sei der Kläger in seiner Betreibungspflicht nach dieser Bestimmung nicht säumig geworden, weil das Erstgericht ungeachtet des nach §§ 365, 332, 279 ZPO ergangenen Auftrages zum Erlag des Sachverständigenkostenvorschusses das Verfahren durch Aufnahme der übrigen Beweise hätte fortsetzen müssen. Der Kläger hätte damit rechnen können, dass das Gericht von sich aus eine Tagsatzung zur mündlichen Beweisaufnahme und Fortsetzung der Streitverhandlung bestimmen werde. In dieser Tagsatzung hätte der Kläger dann aber auch die Möglichkeit gehabt, auf den Fortgang des Prozesses insoferne Einfluss zu nehmen, als es ihm unter den Voraussetzungen des § 363 ZPO offengestanden wäre, auf den Beweis durch Sachverständigen zu verzichten. Dadurch wäre die Verpflichtung zum Kostenersatz entfallen und der weiteren Fortsetzung des Prozesses kein Hindernis im Wege gestanden.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss erhobene Rekurs des Beklagten ist gerechtfertigt.
Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Berechtigte seinen Gegner belangt und die Klage gehörig fortsetzt. Fehlt es an der gehörigen Fortsetzung, dann nützt das Belangen während der Verjährungszeit nichts. Bei Beurteilung der Frage der gehörigen Verfahrensfortsetzung muss auf die konkreten Umstände des Einzelfalles Bedacht genommen werden. Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen, dass eine gehörige Fortsetzung des Verfahrens dann nicht vorliegt, wenn die klagende Partei eine ungewöhnliche Untätigkeit an den Tag legt, die objektiv den Schluss auf ein mangelndes Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens und der Erreichung des Prozesszieles zulässt (SZ 41/85, SZ 43/176, EvBl 1973/17, EvBl 1973/248 u.a.). Die Verpflichtung des Klägers, das Verfahren fortzusetzen, um im Sinne des § 1497 ABGB die durch die Einbringung der Klage bewirkte Unterbrechung der Verjährung aufrecht zu erhalten, kommt freilich nur dann zum Tragen, wenn durch Prozesshandlungen der Parteien oder des Richters ein dem Ruhen des Verfahrens ähnlicher Stillstand des Verfahrens eingetreten ist. Ein solcher Stillstand des Verfahrens tritt z.B. ein, wenn bei nicht rechtzeitigem Erlag eines Kostenvorschusses nach §§ 365, 332 Abs 2 ZPO kein Antrag gestellt wird, die Verhandlung fortzusetzen (7 Ob 130/70, 2 Ob 101/71, 2 Ob 190, 191/73, zuletzt 6 Ob 139/74). Die Rechtsfolgen des § 332 Abs 2 ZPO betreffen an sich nur das jeweilige Beweismittel, zu dessen Aufnahme der Vorschuss erforderlich ist. In jenen Fällen, in denen ein solches Beweismittel nach den vorliegenden Prozessbehauptungen als wesentlich für die Entscheidung anzusehen ist, muss es aber dem Richter überlassen bleiben, die Verhandlungstagsatzung so anzuberaumen, dass sich entsprechend dem Grundsatz der Verfahrenskonzentration eine Erstreckung gemäß § 134 ZPO. möglichst erübrigt. Es war deshalb im vorliegenden Fall gerechtfertigt, mit der Anberaumung der Tagsatzung zur fortgesetzten Streitverhandlung bis zum Erlag des Kostenvorschusses zuzuwarten, weil das nach dem Antrag des Klägers einzuholende Gutachten des ärztlichen Sachverständigen - abgesehen von der Teilforderung von S 100 für das angeblich beschädigte Hemd - als wesentliches Beweismittel für die Entscheidung angesehen werden konnte. Da der Kläger den ihm aufgetragenen Kostenvorschuss weder fristgerecht noch später erlegte, sondern sich mehr als 3 Jahre völlig untätig in Bezug auf seine Klage verhielt, kann keine Rede davon sein, dass der Kläger die Klage im Sinne des § 1497 ABGB gehörig fortsetzte. Es wäre Sache des Klägers gewesen, seine Untätigkeit zu rechtfertigen, denn ihn trifft die Behauptungs- und Beweispflicht, dass ihm bis dahin die Fortsetzung des Verfahrens nicht möglich gewesen wäre (vgl SZ 41/82, EvBl 1973/17 uva). Den Versuch einer solchen Rechtfertigung der langen Untätigkeit hat der Kläger aber gar nicht unternommen. Die nicht gehörig fortgesetzte Klage unterbrach daher die Verjährung seines Schadenersatzanspruchs nicht. Die Rechtssache ist somit im Sinne des Urteils der ersten Instanz spruchreif.
Demzufolge war dem Rekurs des Beklagten Folge zu geben und wie im Spruch zu erkennen.
Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf § 52 ZPO.
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