OGH 5Ob37/74

OGH5Ob37/746.3.1974

SZ 47/26

Normen

ABGB §879
AnfO §1
KO §27
ABGB §879
AnfO §1
KO §27

 

Spruch:

Zulässigkeit einer Vereinbarung, nach der ein vom Verkäufer eingeräumter Wiederverkäuferrabatt bei Einleitung eines Konkurs- oder Ausgleichsverfahrens über das Vermögen des Käufers wegfallen soll

Außerhalb der Anfechtungstatbestände der Konkursordnung und der Anfechtungsordnung gibt es keinen allgemeinen Rechtssatz, der die Rechtsbeständigkeit von Vereinbarungen bedroht, die dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger zuwiderlaufen. Der Schuldner ist nach dem Gesetz nicht verpflichtet, auf eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger Bedacht zu nehmen; die bevorzugte Behandlung eines Gläubigers verstößt ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht gegen die guten Sitten

OGH 6 März 1974, 5 Ob 37/74 (OLG Wien 3 R 69/73, HG Wien 19 Cg 112/72)

Text

Die klagende Partei lieferte der Gemeinschuldnerin Firma Josef S und Sohn Waren zum Preise von 914.833.08 S. Die Rechnungsbeträge (Rechnungen aus der Zeit vom 27. Oktober 1970 bis 29. April 1971 wurden derart erstellt, daß die auf einer Preisliste der Klägerin aufscheinenden Preise um 30 Prozent, seit März 1971 um 38 Prozent vermindert wurden. Die Differenz zwischen den Rechnungsbeträgen und den in der Preisliste eingesetzten Werten beträgt 467.925.10 S. Den Preis- Zahlungs- und Liefervereinbarungen der Klägerin mit der Gemeinschuldnerin lagen "Verkaufs- und Lieferbedingungen" zugrunde, nach deren Punkt 9,etwa bewilligte Rabatte sowie Umsatz- und Frachtvergütungen bei gerichtlichen und außergerichtlichen Ausgleichsverfahren Konkurs, bei Zahlungsverzug über zwei Monate und bei gerichtlicher Eintreibung in Wegfall kommen sollen über das Vermögen der Firma Josef S und Sohn wurde am 11. Mai 1971 das Ausgleichs- und am11. November 1971 das Anschlußkonkursverfahren eröffnet. In diesem bestritt der Masseverwalter Dr. Herbert J bezüglich der von der klagenden Partei angemeldeten Kaufpreisrestforderung die Richtigkeit des Teilbetrages von

467.925.10 S, der dem eingeräumten Rabatt entspricht.

Mit der am 17. Juli 1972 eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei nun die Feststellung des Zurechtbestehens dieser bestrittenen Forderung im Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte auf der Grundlage des eingangs dargelegten Sachverhaltes die allein strittigen Auswirkungen des Punktes 9 der Verkaufs- und Lieferbedingungen der klagenden Partei dahingehend, daß eine Vereinbarung, wonach im Falle der Eröffnung eines Ausgleichs- oder Konkursverfahrens nicht die vereinbarten Preise (Listenpreis weniger 38 Prozent sondern ein höherer Preis zu gelten haben, nichtig sei, da sie gegen jene Bestimmungen der Konkursordnung verstießen, die die gleichmäßige Befriedigung aller vorhandenen Gläubiger einer Klasse sicherstellen sollen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahingehend ab, daß der klagenden Partei im Konkurs über das Vermögen der Firma Josef S und Sohn eine Konkursforderung der dritten Klasse in der über die bereits festgestellte Forderung hinausgehenden Höhe von weiteren 467.925.10 S zustehe. Das Berufungsgericht erachtete bei der Beurteilung des unbestrittenen Sachverhaltes, daß zwar mit der Konkurs- oder Ausgleichseröffnung der Grundsatz der Gleichbehandlung der Glaubiger wirksam werde, daß aber die Gesamtheit der Gläubiger im Konkurs schädigende und das Vermögen des Gemeinschuldners betreffende Rechtshandlungen nur unter den allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anfechtungsrechtes der Konkursordnung (§§ 27 f. KO) bzw. ein einzelner Gläubiger ihm nachteilige, das Vermögen seines Schuldners betreffende Rechtshandlungen unter den in der Anfechtungsordnung normierten allgemeinen und besonderen Voraussetzungen (§§ 1 f. AnfO) anfechten könne. Außerhalb dieser Tatbestände gebe es keine rechtliche Pflicht, auf eine gleichmäßige Befriedigung aller anderen Mitgläubiger Bedacht zu nehmen ohne den Hinzutritt dieser durch das Anfechtungsrecht normierten Tatbestandsmerkmale seien daher Vereinbarungen, die auf eine bevorzugte Behandlung eines Gläubigers oder einzelner Gläubiger hinzielten, keineswegs gesetz- oder sittenwidrig. Der beklagte Masseverwalter habe aber zur Begründung seines Einwandes der Nichtigkeit des Punktes 9 der Verkaufs- und Lieferbedingungen der klagenden Partei jedwede Tatsachenbehauptung unterlassen, die einen Hinweis auf das Vorliegen eines Anfechtungstatbestandes gäbe. Mit seinem Vorbringen, die Gemeinschuldnerin sei schon im Oktober 1970 zahlungsunfähig gewesen, habe er nur behauptet, daß in diesem Zeitpunkt bereits (objektiv) diese Voraussetzung für die Einleitung eines Insolvenzverfahrens gegeben gewesen sei, als Behauptung auch nur eines Tatbestandsmerkmales eines Anfechtungsanspruches könne dieses Vorbringen nicht angesehen werden. In der Bestreitung des Klagebegehrens "der Sache nach" sei noch nicht die einredeweise Geltendmachung eines Anfechtungsanspruches gelegen. Dem Erstgericht sei daher zufolge der Unterlassung einer weiteren Erörterung der Sache und der Anregung zur Behauptung anspruchserzeugender Tatsachen in diesem Zusammenhang kein Verstoß gegen die materielle Prozeßleitungspflicht anzulasten, zumal es nicht Aufgabe des Prozeßgerichtes sei, auf Grund der Bestreitung des Klagsanspruches von sich aus alle rechtsmöglichen Abwehransprüche abstrakter Natur zum Gegenstand verfahrensrechtlicher Erörterungen zu machen. Es sei daher von der Gültigkeit der festgestellten Vereinbarung laut Punkt 9 der Verkaufs- und Lieferbedingungen der klagenden Partei auszugehen. Darnach seien zumindest zwei der darin vorgesehenen Bedingungen für den Wegfall der der Gemeinschuldnerin eingeräumten Rabatte durch die Eröffnung des gerichtlichen Ausgleichsverfahrens und des anschließenden Konkursverfahrens eingetreten, so daß die Klägerin mit Recht die Feststellung der der Höhe nach unbekämpft gebliebenen Konkursforderung begehre, die sich aus dem Wegfall der Rabatte ergebe, die der Gemeinschuldnerin nur auflösend bedingt gewährt worden seien. Diese Rabatte hätten sich auf Grund der für ihren nachträglichen Wegfall vereinbarten Bedingungen als Belohnungen für pünktliche Zahlungen dargestellt. Da eine derartige Honorierung und ihr Wegfall bei nicht pünktlicher Zahlung dem Risiko des vorausleistungspflichtigen Verkäufers entspreche, verstoße eine solche Vereinbarung auch nicht gegen die guten Sitten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die beklagte Partei stützt ihre Einwendung der Nichtigkeit der Vereinbarung nach Punkt 9 der Verkaufs- und Lieferbedingungen der klagenden Partei für den Fall eines Insolvenzverfahrens darauf, daß sie zwingenden Bestimmungen des Insolvenzrechtes über die Gläubigergleichbehandlung widerspreche und lediglich der Umgehung dieser zwingenden Bestimmungen dienen würde. In die gleiche Richtung geht auch die Rechtsrüge der Revision. Es ist jedoch dem Berufungsgericht zunächst schon darin zuzustimmen, daß es außerhalb des Anfechtungsrechtes der Konkursordnung bzw. der Anfechtungsordnung keinen allgemeinen Rechtssatz gibt, der die Rechtsbeständigkeit von Vereinbarungen trifft, die der Gleichbehandlung der Gläubiger zuwiderlaufen. Es besteht keine gesetzliche Pflicht, auf eine gleichmäßige Befriedigung aller Mitgläubiger Bedacht zu nehmen. Die bevorzugte Behandlung eines Gläubigers stellt ohne den Hinzutritt weiterer Umstände auch keinen Verstoß gegen die guten Sitten dar (vgl. Frotz, Aktuelle Probleme des Kreditsicherungsrechtes, Gutachten zu den Verhandlungen des IV. Österreichischen Juristentages, Wien 1970, 300). Dementsprechend bieten nur die entsprechenden Bestimmungen der Konkursordnung bzw. Anfechtungsordnung den umfassenden Schutz vor Verkürzungen der Gesamtgläubiger durch Rechtshandlungen, die das Vermögen eines zahlungsunfähigen Schuldners betreffen (vgl. Ehrenzweig 2 II/1, 705 f.). Soweit nicht im Sinne des § 12 KO von vornherein unwirksame Rechtshandlungen vorliegen, ist daher die Anfechtung nach Maßgabe der obgenannten gesetzlichen Bestimmungen dort notwendig, wo Rechtshandlungen des Gemeinschuldners die anderen Gläubiger benachteiligen (vgl. Wegan, Österr. Insolvenzrecht, 58). Für eine neben den Bestimmungen der Konkursordnung bzw. Anfechtungsordnung wahrzunehmende Nichtigkeit der strittigen Vereinbarung etwa im Sinne des § 879 ABGB fehlt es mangels einer gesetzlichen Pflicht des einzelnen Gläubigers, auf eine gleichmäßige Befriedigung aller Mitgläubiger Bedacht zu nehmen, an einem diesbezüglichen gesetzlichen Verbot der Zuwiderhandlung, aber auch an einer anlastbaren Sittenwidrigkeit zufolge beabsichtigter Umgehung des Gesetzes. Mit dem Hinweis auf Gschnitzer in Klang[2] IV, 185, insbesondere S. 200, ist für den Standpunkt des Revisionswerbers nichts zu gewinnen, zumal hier nur auf die ausdrücklich verbotene und nichtige Einräumung von Sondervorteilen im Ausgleich nach § 47 AO verwiesen wird. Wenn der Revisionswerber nun meint, eine derartige Bestimmung müsse umso mehr für die viel schwerwiegendere Umgehungswirkung im Konkursverfahren gelten, so ist dem entgegenzuhalten, daß hier die besonderen Bestimmungen der §§ 27 f. KO und die durch die Anfechtung der zugrunde liegenden Rechtshandlungen des Schuldners zu bewirkende relative Unwirksamkeit gegenüber den Gläubigern zum Schutze gegen eine ungleiche Behandlung und die Einräumung von Sondervorteilen gegenüber einzelnen Gläubigern vorgesehen ist. Gerade weil im Sinne der Ausführungen der Revision davon ausgegangen werden kann, daß es sich bei einem Rabatt wie dem streitgegenständlichen nicht um irgendeine Belohnung handelt, die vielleicht entgegen den Vorschriften des Preisrechtes irgendwelchen Personen gewährt wird, sondern um einen Rabatt, ohne den der Kaufmann, der Materialien bezieht, nicht existieren kann und konkurrenzunfähig ist, muß es dem Verkäufer im Hinblick auf seine Vorleistungspflicht und die Massenerscheinung solcher Großverbraucherrabatte unbenommen bleiben, für den Fall vereinbarungswidrig verzögerter Zahlung oder der Gefahr einer gänzlichen oder teilweisen Nichtbefriedigung im Zuge eines Insolvenz- oder Exekutionsverfahrens einen solchen Rabatt nur bedingt einzuräumen, so daß auch in diesem Zusammenhang nicht von einer Sittenwidrigkeit der Vereinbarung gesprochen werden kann. Soweit der Revisionswerber einen Feststellungsmangel in der Richtung rügt, daß das Berufungsgericht ohne diesbezügliche Feststellungsgrundlage einen solchen Rabatt als Belohnung für pünktliche Zahlungen beurteilt habe, kommt dem keine Berechtigung zu; das Berufungsgericht gelangte zu dieser Auffassung durchaus schlüssig auf Grund der für den nachträglichen Wegfall des Rabattes vereinbarten Bedingungen. Da im übrigen eine Unangemessenheit der der Preiserstellung zugrunde gelegten Listenpreise der klagenden Partei nicht einmal behauptet wurde, kann der Rechtsrüge der Revision kein Erfolg zukommen.

Dem Berufungsgericht ist auch dort zu folgen, wo es die gehörige Geltendmachung eines Anfechtungstatbestandes im Zusammenhang mit der behaupteten Ungleichbehandlung der Konkursgläubiger im Wege der Einrede nach § 43 Abs. 1 KO vermißt und dabei einen Verstoß des Erstgerichtes gegen die materielle Prozeßleitungspflicht im Sinne der §§ 180 Abs. 3 und 182 Abs. 1 ZPO verneint. Wenn der Revisionswerber darauf hinweist, im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens behauptet zu haben, daß die Gemeinschuldnerin schon im Oktober 1970 zahlungsunfähig gewesen, zumindest aber die Zahlungsunfähigkeit nicht erst in den letzten Apriltagen (1971) eingetreten sei, so kann dem nur entnommen werden, daß in diesem Zeitpunkt bereits objektiv die Voraussetzung für die Einleitung eines Insolvenzverfahrens gegeben gewesen sein soll. Zur subjektiven Seite eines Anfechtungstatbestandes im Sinne der §§ 27 f. KO ist weder hier noch im Rahmen anderer Prozeßbehauptungen noch auch im Zuge der Beweisaufnahme etwas vorgebracht oder auch nur angedeutet worden. Wenn der Revisionswerber im Rahmen seiner Ausführungen zur behaupteten Aktenwidrigkeit meint, aus dem gesamten Zusammenhang und aus dem schriftlichen und mündlichen Vorbringen und den Außerstreitstellungen hätte sich ergeben, daß sehr wohl ein Anfechtungstatbestand geltend gemacht wurde, so kann hiefür keine Grundlage gefunden werden. Es gehen aber auch die Revisionsausführungen hinsichtlich einer Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens in bezug auf die unterbliebene Wahrnehmung des Verstoßes des Erstgerichtes gegen seine Anleitungspflicht zur Geltendmachung eines Anfechtungsrechtes fehl. Der Richter muß darauf hinwirken, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht und alle nötigen Aufschlüsse gegeben werden, doch geht diese Pflicht nicht so weit, daß das Gericht den rechtsfreundlich vertretenen Parteien an die Hand geben müßte, welches Vorbringen zur Stützung ihrer Einwendungen ausreicht (vgl. Fasching II, 871). Das Gericht ist nicht dazu berufen, die Parteien zur Stellung von Anträgen oder zur Erhebung von Einwendungen zu veranlassen, für die das von den Parteien erstattete Vorbringen keinen Anlaß gibt (vgl. 4 Ob 40/73; 8 Ob 106/73). Da das Gericht der anwaltlich vertretenen Partei die Sorge um ein ausreichendes Vorbringen überlassen kann (vgl. JBl. 1957, 647; 1 Ob 9/73), ist der Beklagte sohin nicht im Rechte, wenn er meint, das Erstgericht hätte ihn anleiten müssen, weitere und ausreichende Behauptungen für ein nicht einmal angedeutetes Anfechtungsrecht geltend zu machen.

Im Hinblick auf dieses Ergebnis der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung kann die Bestimmung des Punktes 9 der klägerischen Zahlungs- und Lieferbedingungen, soweit sie sich auf die Folgen eines Zahlungsverzuges von mehr als zwei Monaten bezieht, außer Betracht bleiben.

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