OGH 3Ob35/74

OGH3Ob35/745.3.1974

SZ 47/22

Normen

EO §7 Abs2
EO §10
EO §7 Abs2
EO §10

 

Spruch:

Der im § 7 Abs. 2 EO geforderte urkundliche Nachweis eines tatsächlichen Umstandes durch eine gerichtliche Entscheidung ist erst bei Vorlage einer rechtskräftigen Entscheidung erbracht

Die Tatsache der "Einleitung einer Zwangsversteigerung" ist in aller Regel entweder durch eine öffentliche Urkunde oder überhaupt nicht zu beweisen; sie stellt daher normalerweise kein taugliches Substrat für eine Klage gemäß § 10 EO dar wird die Fälligkeit der Gesamtforderung aus der Nichterfüllung einer nicht sofort exequierbaren Verpflichtung des Schuldners abgeleitet, muß die Nichterfüllung einer derartigen Verpflichtung bei Exekution auf die gesamte Forderung urkundlich nachgewiesen werden; bei Unmöglichkeit dieses Nachweises ist die Klage gemäß § 10 EO einzubringen

OGH 5. März 1974, 3 Ob 35/74 (OLG Wien 5 R 198/73, LGZ Wien 39 d Cg 127/73)

Text

Mit einer am 20. April 1973 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 200000 S samt Anhang nach dem tatsächlichen Klagsinhalt handelt es sich allerdings um ein Begehren gemäß § 10 EO auf Vollstreckbarerklärung eines gemäß § 3 NO, vollstreckbaren Notariatsaktes. Es wurde nämlich vorgebracht, der Kläger sei gemäß Punkt 7. des Notariatsaktes berechtigt, das gesamte Darlehenskapital sofort fällig zu stellen, falls von dritter Seite die Zwangsversteigerung der für das Darlehen verpfändeten Liegenschaft eingeleitet wird sowie, falls der Beklagte mit der Erfüllung irgendeiner im Notariatsakt übernommenen Verpflichtung nach rekommandierter Aufforderung langer als vier Wochen in Verzug bleiben sollte. Da einerseits mit Beschluß des Bezirksgerichtes O vom 8. Feber 1973 Dr. S die Zwangsversteigerung der Pfandliegenschaft bewilligt, andererseits der Beklagte mit Verzinsungs- und Wertsicherungsbeträgen trotz rekommandierter Mahnung ab Juli 1972 in Verzug sei, habe der Kläger das gesamte Darlehenskapital berechtigterweise sofort fällig gestellt.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung mit der Behauptung, daß er nicht in Verzug sei und die Pfandliegenschaft nicht in Zwangsversteigerung gezogen worden sei; ferner fehle dem Kläger infolge Vollstreckbarkeit des Notariatsaktes das Rechtsschutzinteresse für die gegenständliche Klage. Das Erstgericht wies nach Schluß der mündlichen Streitverhandlung am 5. Juli 1973 das Klagebegehren ab.

Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes erhielt der Kläger am 28. Oktober 1971 vom Beklagten ein Darlehen von 200.000 S bar zugezählt. In dem hierüber vor dem öffentlichen Notar Dr. G in Form eines Notariatsaktes am genannten Tag errichteten Schuldschein verpflichtete sich der Beklagte ab 1. November 1971 zu einer Darlehensverzinsung von 12%, im Verzugsfall 14% und zur halbjährigen Entrichtung dieser Zinsen bis zur Darlehensrückzahlung ab 1. Juni 1972. Ferner vereinbarten die Parteien die Wertsicherung der Darlehensforderung nach dem Verbraucherpreisindex 1966 und die Berechtigung des Klägers seine Ansprüche aus der Wertsicherungsvereinbarung jederzeit geltend zu machen, außerdem das Darlehenskapital samt Anhang zur Gänze (oder teilweise) sofort fällig zu stellen, falls - unter anderem - von dritter Seite die Zwangsversteigerung der zur Darlehenssicherung verpfändeten Liegenschaft EZ 4 der KG E eingeleitet wird oder der Beklagte mit der Zahlung einer Zinsrate oder überhaupt mit der Erfüllung irgendeiner von ihm in diesem Schuldschein übernommenen Verpflichtung nach erfolgter rekommandierter Aufforderung seitens des Klägers länger als vier Wochen im Verzug sein sollte.

Auf Grund dieses (laut Punkt 9 gemäß § 3 NO vollstreckbaren) Notariatsaktes wurde ob der erwähnten Liegenschaft unter COZ 142 das Pfandrecht für die gegenständliche Darlehensforderung samt Anhang (ohne Wertsicherungsansprüche) einverleibt und die Vollstreckbarkeit des Notariatsaktes angemerkt. Die in der rekommandierten Mahnung Beilage./D (vom 20. September 1972) geforderten Beträge aus der Wertsicherungsvereinbarung - hinsichtlich der Zinsenraten erfolgte weder in diesem Schreiben noch später eine rekommandierte Aufforderung - sind (mit weiteren Forderungen aus der Wertsicherungsvereinbarung) Gegenstand eines beim Bezirksgericht O zu C 44/72 anhängigen Rechtsstreites; das dem Klagebegehren im wesentlichen stattgebende Urteil vom 6. Juni 1973 war am 5. Juli 1973 noch nicht rechtskräftig.

Bei diesem Sachverhalt vertrat das Erstgericht die Auffassung, in Ansehung der Ansprüche aus der Wertsicherungsvereinbarung liege "Streitanhängigkeit", für den "Anspruch auf Zahlung von 200.000 S samt Anhang mit dem vollstreckbaren Notariatsakt ohnedies ein Exekutionstitel vor.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß das Klagebegehren des Inhaltes, "der Anspruch aus dem ... Notariatsakt ... sei vollstreckbar", abgewiesen wurde.

Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus, die gegenständliche, allerdings unrichtig in der Form eines Leistungsbegehrens gekleidete Klage sei inhaltlich eindeutig als Rechtsgestaltungsbegehren im Sinn des § 10 EO anzusehen und ihre Berechtigung daher nach dieser Gesetzesstelle zu beurteilen. Voraussetzung hiefür sei, daß der Kläger die für die Fälligkeit des gesamten Kapitals zufolge § 7 Abs. 2 EO notwendigen urkundlichen Beweise nicht erbringen könne, im gegenteiligen Fall fehle ihm das Rechtsschutzinteresse. Es sei daher in erster Linie zu prüfen, ob die vom Kläger für die Berechtigung der Fälligstellung behaupteten Tatsachen durch öffentliche oder durch beglaubigte Urkunden belegt seien; hiefür komme eine nicht rechtskräftige gerichtliche Entscheidung nicht als urkundlicher Nachweis in Betracht, das zu C 44/72 des Bezirksgerichtes O ergangene Urteil stelle somit keinen derartigen Nachweis dar. Hingegen sei der Beschluß des Bezirksgerichtes O vom 8. Feber 1973 über die Bewilligung der Zwangsversteigerung der Pfandliegenschaft zur Hereinbringung einer Forderung des Dr. S im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz bereits rechtskräftig gewesen, wie aus dem Akt E 1503/72 des Bezirksgerichtes O und der vom Berufungsgericht eingeholten Mitteilung dieses Bezirksgerichtes vom 19. November 1973 hervorgehe.

Dieser rechtskräftige Zwangsversteigerungsbewilligungsbeschluß stelle eine öffentliche Urkunde zum Nachweis der laut Notariatsakt für die Fälligstellung des gesamten Darlehens angeführte tatsächliche Voraussetzung dar, in dem gemäß § 406 ZPO für die Beurteilung der gegenständlichen Rechtssache maßgeblichen Zeitpunkt wäre der Kläger daher in der Lage gewesen, unter Vorlage des vollstreckbaren Notariatsaktes und der erwähnten rechtskräftigen Exekutionsbewilligung vom 8. Feber 1973 sofort - ohne Klage nach § 10 EO - Exekution zu führen.

Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Berufungsgericht hat die Rechtsnatur der gegenständlichen Klage richtig erkannt und das Begehren, von beiden Parteien unbekämpft, als solches gemäß § 10 EO qualifiziert. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß dieses Begehren abzuweisen wäre, falls der zitierte Beschluß des Bezirksgerichtes O vom 8. Feber 1973 im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz tatsächlich rechtskräftig und damit dem Kläger der urkundliche Nachweis dieses Umstandes im Sinn des § 7 Abs. 2 EO möglich gewesen wäre (ebenso Heller - Berger - Stix in Neumann - Lichtblaus Komm. zur EO[4], 246 u. a.).

Mit Recht rügt jedoch die Revision die diesbezügliche Feststellung des Berufungsgerichtes als aktenwidrig. Aus dem Akt E 1503/72 des Bezirksgerichtes O in Verbindung mit dem Schreiben dieses Gerichtes vom 19. November 1973 geht nämlich in Wahrheit hervor, daß die Zustellung des Beschlusses des Rekursgerichtes im Zwangsversteigerungsverfahren vom 17. Mai1973 (ONr. 28), womit dem Rekurs des Verpflichteten gegen die vom Erstgericht bewilligte Zwangsversteigerung teilweise Folge gegeben wurde und welcher daher einem weiteren Rechtszug unterlag, nur hinsichtlich zweier Gläubiger mit den Zustelltagen 28. Juni 1973 und 29. Juni 1973 ausgewiesen ist, im übrigen jedoch im Akt keine Zustellausweise vorhanden sind.

Bei einer Zustellung der erwähnten rekursgerichtlichen Entscheidung am 29. Juni 1973 war die Rechtsmittelfrist am Tag des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung noch nicht abgelaufen, der Kläger hätte daher in diesem Zeitpunkt keinen rechtskräftigen Beschluß als Urkunde im Sinn des § 7 Abs. 2 EO vorlegen können. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die rekursgerichtliche Entscheidung ON 28 nach der Mitteilung vom 19. November 1973 nicht weiter angefochten wurde (und daher nunmehr rechtskräftig ist, sofern sie allen Beteiligten ordnungsgemäß zugestellt worden sein sollte, was bisher nicht aktenkundig ist).

Da der Oberste Gerichtshof der Auffassung des Berufungsgerichtes beitritt, daß der im § 7 Abs. 2 EO geforderte urkundliche Nachweis eines tatsächlichen Umstandes durch eine gerichtliche Entscheidung erst bei Vorlage einer rechtskräftigen Entscheidung erbracht ist, war in dem - bisher - für die Beurteilung der gegenständlichen Rechtssache maßgebenden Zeitpunkt (5. Juli 1973) der damals noch nicht rechtskräftige Beschluß zu E 1503/72 des Bezirksgerichtes O ebensowenig ein Klagshindernis wie das gleichfalls noch nicht rechtskraftige Urteil zu C 44/72 dieses Gerichtes.

Die Tatsache der "Einleitung einer Zwangsversteigerung" ist allerdings in aller Regel entweder durch eine öffentliche Urkunde oder überhaupt nicht zu beweisen, sie stellt daher normalerweise (und auch hier) kein taugliches Substrat für eine Klage gemäß § 10 EO dar. Soweit hingegen die Moglichkeit der Fälligstellung einer Forderung von der Nichterfüllung einer weiteren Verbindlichkeit des Schuldners abhangt, kann eine Klage gemäß § 10 EO sehr wohl in Frage kommen. Zu diesem Klagsgrund wurde festgestellt, daß der Kläger hinsichtlich der im Notariatsakt ziffernmäßig und fälligkeitsmäßig fixierten Zinsen keine rekommandierte Aufforderung an den Beklagten richtete. Selbst bei Verzug des Beklagten mit der bereits exequierbar festgelegten Verpflichtung zur Zinsenzahlung hätte der Kläger daher wegen Fehlens der genannten Voraussetzung (rekommandierte Aufforderung) für die Fälligstellung keine Exekution auf das Gesamtkapital beantragen können. Denn wenn es auch an sich bei Nichterfüllung der bereits exequierbaren Verpflichtung zur Zinsenzahlung keines urkundlichen Nachweises im Exekutionsantrag bedurft hätte (ebenso SZ 7/220, 25/228; JBl. 1956, 343 u. a. bei einer durch Exekutionstitel gedeckten Verpflichtung genügt eben grundsätzlich die bloße Behauptung ihrer Nichterfüllung), so hätte der Kläger bei einem derartigen Exekutionsantrag wahrheitswidrig - und damit gemäß § 36 EO erfolgreich bekämpfbar - in Ansehung der Zinsen die rekommandierte Aufforderung des Beklagten im Sinn des Notariatsaktes behaupten müssen.

Wird jedoch die Fälligkeit der Gesamtforderung aus der Nichterfüllung einer nicht sofortexequierbaren Verpflichtung des Schuldners abgeleitet - wie hier beim Anspruch aus der Wertsicherungsvereinbarung, der nicht exequierbar festgelegt ist und daher erst eingeklagt werden mußte -, so muß bei Exekution auf die gesamte Forderung die Nichterfüllung einer derartigen Verpflichtung urkundlich nachgewiesen werden (ebenso SZ 3/119; RZ 1936, 22; JBl 1956, 353 u a., wobei vor allem die letztgenannte Entscheidung den dargelegten Unterschied besonders hervorhebt); bei Unmöglichkeit eines derartigen urkundlichen Nachweises ist somit die Klage gemäß § 10 EO berechtigt.

In Ansehung der Ansprüche des Klägers aus der Wertsicherungsvereinbarung steht bisher lediglich fest, daß der Beklagte zu ihrer Begleichung rekommandiert aufgefordert wurde. Wäre zusätzlich festgestellt worden, daß er damit tatsächlich in der vorgesehenen Weise (länger als vier Wochen) in Verzug war, so wäre dem gegenständlichen Klagebegehren stattzugeben gewesen, zumal insoweit von einer Streitanhängigkeit keine Rede sein kann (zu C 44/72 des Bezirksgerichtes O soll in Ansehung der Ansprüche aus der Wertsicherungsvereinbarung ein Exekutionstitel geschaffen werden, hier ist hingegen Prozeßgegenstand, ob der Kläger zur Exekution auf das gegesamte Kapital laut vollstreckbarem Notariatsakt berechtigt ist).

Da die nach vorstehenden Ausführungen - bezogen auf die Rechtslage am 5. Juli 1973 - entscheidende Feststellung über den behaupteten Verzug des Beklagten in Ansehung seiner Verbindlichkeit aus der Wertsicherungsvereinbarung bereits vom Erstgericht unterlassen wurde, waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben.

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