Normen
Allgemeine Einbruchsdiebstahlsversicherungsbedingungen Art11
VersVG §6 Abs1
VersVG §6 Abs2
VersVG §58
Allgemeine Einbruchsdiebstahlsversicherungsbedingungen Art11
VersVG §6 Abs1
VersVG §6 Abs2
VersVG §58
Spruch:
Die Anzeigepflicht der Doppelversicherung nach Art. 11 AEB gilt auch für den Fall, daß die Zeitversicherung nur dazu dient, eine bestehende Unterversicherung zu beseitigen. Bei Verletzung der Obliegenheit der Anzeige einer Doppelversicherung tritt die volle Verwirkung der Leistung des Versicherers ohne Rücksicht auf die Kausalität ein. Die Bestimmung des § 6 Abs. 2 VersVG betrifft nur solche Obliegenheiten, die nach ihrem Sinn und Zweck unmittelbar der Gefahrenverminderung usw. dienen
OGH 21. Feber 1974, 7 Ob 7/74 (OLG Linz 2 R 46/73; LG Salzburg 2 Cg 343/72)
Text
Die Klägerin begehrt die Gewährung des Versicherungsschutzes aus der von ihrem früheren Alleininhaber im Jahre 1961 geschlossenen Versicherung gegen Einbruchsdiebstahl für den Versicherungsfall vom 17. November 1971. Die beklagte Versicherungsgesellschaft behauptet Leistungsfreiheit nach Art. II Abs. 1 AEB infolge Nichtanzeige des Eingehens einer Doppelversicherung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen ist seit 17. Dezember 1971 Ch R H als Alleininhaber der Klägerin im Handelsregister eingetragen, während ihm in Innenverhältnis das Uhrenfachgeschäft seit 1. Jänner 1971 bloß verpachtet und das Warenlager gegen Eigentumsvorbehalt verkauft worden war, der am 15. Dezember 1971 durch Restzahlung des Kaufpreises erlosch. Diese Umstände wurden der Beklagten als Versicherer nicht zur Kenntnis gebracht. Am 16. Juli 1971 schloß H für die Klägerin und in ihrem Namen zunächst eine Einbruchdiebstahl-Versicherung betreffend eine Vitrine an anderer Adresse mit der Versicherungsanstalt Ö B ab. Dieser Versicherungsvertrag wurde am 26. August 1971 auf Grund eines fernmündlichen Auftrages Hs mit Wirkung vom 30. Juli 1971 u. a. auf die Auslagen des Geschäftes in S, G-Gasse 7 und schließlich mit Wirkung vom 1. Oktober 1971 auf das gesamte dortige Geschäft ausgedehnt. Erst anläßlich dieser letzten Besprechung teilte H dem Referenten der Versicherungsanstalt Ö B mit, daß bereits bei der Beklagten eine Vorversicherung bestehe; der Angestellte K erklärte hierauf, daß H wegen der Versicherung bei der Beklagten nichts unternehmen brauche, weil er selbst alles Nötige veranlassen und die Vorversicherung kundigen werde. Tatsächlich erfolgte jedoch in der Folge von keiner Seite eine Verständigung der Beklagten vom Abschluß der weiteren Einbruchdiebstahl-Versicherung.
Am 17. November 1971 gegen 20.40 Uhr wurden die beiden Schaufenster des klägerischen Unternehmens aufgebrochen, wobei den Tätern Uhren sowie ein Damenarmband im Gesamtwerte von 333.194 S in die Hände fielen. Dieses Diebsgut stammte zum Teil aus dem übernommenen, noch nicht voll ausbezahlten und daher noch nicht ins Eigentum Hs übergegangenen Warenbestand, zum anderen Teil aus eigenen Einkäufen Hs nach Abschluß des Pachtvertrages. Erst im Verlauf der Schadenserhebung teilte H den Angestellten der beiden Versicherungen mit, daß er das klägerische Unternehmen gepachtet habe, und informierte sie auch vom Bestehen der zweiten Einbruchdiebstahl-Versicherung. Die Versicherungsanstalt Ö B hat an H am 22. Dezember 1917 eine Schadensabfindung von 123.712 S geleistet. Dagegen lehnte die Beklagte, der H auf Anfrage bekanntgegeben hatte, daß sich die entwendeten Sachwerte in seinem Eigentum befunden hätten, die Versicherungsleistung ab.
Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes wäre H als Pächter des Unternehmens und Firmeninhaber gemäß Art. 11 Abs. 1 AEB verpflichtet gewesen, der Beklagten unverzüglich den Abschluß der weiteren Einbruchdiebstahl-Versicherung für die beiden am 17. November 1971 aufgebrochenen Schaufenster bekanntzugeben also ohne schuldhaftes Zögern unverzüglich nach dem 26. August 1971. Da H dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei und die Beklagte vor dem nach mehr als einem Monat erfolgten Eintritt des Schadensfalles auch nicht auf andere Weise Kenntnis von der zweiten Versicherung erlangt habe, berufe sie sich mit Recht auf ihre Leistungsfreiheit. Die Zusage des Angestellten K, die Beklagte vom Abschluß der Zweitversicherung zu verständigen, sei unbeachtlich.
Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin erhobenen Berufung nicht Folge. Es vertrat auf der Grundlage der unbekämpften und als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens bezeichneten Tatsachenfeststellungen die Rechtsansicht, daß zwar das von amts wegen zu prüfende rechtliche Interesse der Klägerin an der alsbaldigen Feststellung des Deckungsanspruches und ihre Aktivlegitimation zu bejahen seien, daß die Klägerin aber die vertragliche Verpflichtung zur Meldung der Doppelversicherung verletzt und den ihr obliegenden Beweis der Schuldlosigkeit für die maßgebliche Monatsfrist nicht einmal angetreten habe. Im Zeitpunkte der Zusage des Versicherungsvertreters der zweiten Versicherung, die Meldung an die Beklagte zu erstatten, sei infolge der Obliegenheitsverletzung die Leistungsfreiheit der Beklagten schon eingetreten gewesen. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteigt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revisionswerberin läßt die Ansicht der Untergerichte unbekämpft, daß eine Doppelversicherung im Sinne des § 58 VersVG und des Art. 11 AEB vorlag. Dies trifft schon deshalb zu, weil auch der zweite Versicherungsvertrag für und im Namen der protokollierten Firma der Klägerin geschlossen wurde und H den Angestellten der beiden Versicherungsanstalten nicht schon damals, sondern erst nach dem Schadensfall aus Anlaß der Schadenserhebung mitteilte, daß er das Unternehmen bloß gepachtet habe. Im Zweifel war daher nach § 80 Abs. 1 VersVG in beiden Fällen das Eigeninteresse des im Handelsregister eingetragenen Inhabers der protokollierten Firma versichert. Sowohl die Versicherungsnehmer als auch das versicherte Interesse sind identisch.
Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß diese Doppelversicherung in bezug auf die hier betroffenen Schaufenster des Geschäftes in S, G-Gasse 7, bereits durch den am 26. August 1971 mit der Versicherungsanstalt Ö B geschlossenen Versicherungsvertrag wirksam wurde, sodaß die Klägerin nach Art. 11 Abs. 1 AEB verpflichtet gewesen wäre, nun unverzüglich dem ersten Versicherer den Namen des anderen Versicherers und die dortige Versicherungssumme schriftlich anzugeben. Die Beklagte hätte dann innerhalb eines Monats, nachdem sie von der anderen Versicherung Kenntnis erlangt hätte, die Versicherung mit einmonatiger Frist kundigen können. Wurde die andere Versicherung nicht angezeigt und war sie dem ersten Versicherer auch sonst nicht bekannt geworden, dann wurde dieser nach derselben Bestimmung von der Entschädigungspflicht für einen Schaden frei, der nach Ablauf eines Monats seit dem Zeitpunkt, zu dem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen, eintrat.
Die zuletzt genannten Voraussetzungen wurden vom Berufungsgericht mit Recht bejaht. Eine unverzügliche Anzeige der Doppelversicherung hätte bis Anfang September 1971 bei der Beklagten eingehen müssen, der Schaden trat erst am 17. November 1971, also später als einen Monat nach diesem Zeitpunkt ein. Die Revisionswerberin spricht zu Unrecht von einer nachträglichen "Erfüllung" der vorerst verletzten Obliegenheitspflicht, durch die der zunächst verwirkte Versicherungsschutz wiederaufleben habe können. Bis zum Eintritt des Versicherungsfalles wurde nämlich die Meldepflicht auch nicht nachträglich erfüllt und der bedungene Zustand demnach nicht hergestellt. Daß entschuldbare Nichterfüllung der Erfüllung gleichstehe, trifft hier schon deshalb nicht zu, weil die Revisionswerberin nicht einmal behauptet hat, daß ihre ursprüngliche Untätigkeit (nach dem 26. August 1971) unverschuldet gewesen sei. Die erst mehr als einen Monat später (am 1. Oktober 1971) von einem Angestellten des Zweitversicherers gegebene Zusage, den ersten Versicherer zu verständigen, konnte, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, am eingetretenen Verzug, also an der bereits erfolgten Verletzung der Obliegenheit nichts mehr ändern. Nicht einmal nachträglich ist dann bis zum Eintritt des Versicherungsfalles die pflichtgemäße Meldung erfolgt. Wieso die bloße Mitteilung an den Zweitversicherer die Obliegenheitsverletzung in Wegfall gebracht haben soll, ist daher nicht zu erkennen.
Der Revisionswerberin kann auch nicht dahin gefolgt werden, daß die Frage der Kausalität der Obliegenheitsverletzung hätte geprüft werden müssen. Die in der Revision bezogene Bestimmung des § 6 Abs. 2 VersVG trifft schon nach ihrem Wortlaut nur jene Fälle, in denen eine Obliegenheit verletzt wurde, die vom Versicherungsnehmer zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer Erhöhung der Gefahr dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist. Dabei kann es sich nur um solche Obliegenheiten handeln, die nach ihrem Sinn und Zweck unmittelbar der Gefahrverminderung usw. dienen (Prölß - Martin[19], 197 zu § 32 VersVG). Hievon kann bei der Obliegenheit der Anzeige einer Doppelversicherung keine Rede sein (E 10 zu § 6 VersvG, MGA 14 a. Band). Diese Verpflichtung gehört somit zu den sonstigen Obliegenheiten, bei deren schuldhafter Verletzung, falls wie hier vereinbart, die volle Verwirkung der Leistung des Versicherers ohne Rücksicht auf die Kausalität eintritt (Prölß - Martin[19], 88).
Es ist schließlich auch ohne rechtliche Bedeutung, ob die Beklagte den Versicherungsvertrag schließlich später als einen Monat nach erlangter Kenntnis der Mehrfachversicherung gekundigt hat. Der OGH vertritt in ständiger Rechtsprechung entgegen dem Bundesgerichtshof, aber mit Billigung der Lehre (vgl. Prölß - Martin[19], 93) den Standpunkt, daß der Versicherer, der weniger als einen Monat vor dem Versicherungsfall oder wie hier erst nachher von der Verletzung einer Obliegenheit erfahren hat, gar nicht zu kundigen braucht, um für diesen Versicherungsfall von der Verpflichtung zur Leistung frei zu sein (SZ 40/46 u. a.). Die Meinung der Revisionswerberin, daß der Versicherer innerhalb der Monatsfrist zumindest seine Leistungsfreiheit in Anspruch nehmen hätte müssen und daß bei Nichtwahrung der Monatsfrist seine Deckungspflicht bestehen bleibe, kann nicht als richtig erkannt werden. Nach dem letzten Satz des Art. II Abs. 1 AEB bleibt die Entschädigungspflicht nur dann ausnahmsweise bestehen, wenn die Kündigungsfrist bereits zur Zeit des Schadenfalles ungenützt abgelaufen war.
Ob die Zweitversicherung dazu diente, eine bestehende Unterversicherung zu beseitigen, ist ohne Bedeutung, weil die Anzeigepflicht einen solchen Fall nicht ausnimmt und die Kausalität der Obliegenheitsverletzung nach §6 Abs. 1 VersVG wie gesagt keine Rolle spielt.
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