OGH 8Ob250/73

OGH8Ob250/7318.12.1973

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hager, Dr. Petretto, Dr. Benisch und Dr. Thoma als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wulf M*****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Helga Jakoncig, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Anton S*****, vertreten durch Dr. Egon Brozek, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Schadenersatzes, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. August 1973, GZ 2 R 171/73‑35, womit infolge Berufung der klagenden und beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 2. März 1973, GZ 7 Cg 170/71‑26, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1973:0080OB00250.730.1218.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

 

Entscheidungsgründe:

Am 11. Juli 1965 ereignete sich auf der Bundesstraße 100 bei Panzendorf (Osttirol) ein Verkehrsunfall, an welchem der Kläger als Motorradfahrer und der Beklagte als PKW‑Lenker beteiligt waren. Der am 24. Mai 1943 geborene Kläger war damals Maschinenbaustudent an der Technischen Hochschule in München. Seine Eltern leben in I*****.

Bereits im Vorprozess AZ 7 Cg 448/67 des Landesgerichts Innsbruck hatte der Kläger gegen den Beklagten wegen dieses Verkehrsunfalls Schadenersatzansprüche geltend gemacht. In diesem Verfahren wurde dem Kläger – bestätigt vom Obersten Gerichtshof mit Urteil vom 18. Dezember 1969, 2 Ob 364/69 – auf der Grundlage des Alleinverschuldens des Beklagten der Betrag von 9.206,56 DM im Schillinggegenwert zuerkannt und überdies die uneingeschränkte Haftung des Beklagten für allfällige künftige Schäden des Klägers aus diesem Verkehrsunfall festgestellt. Der Leistungszuspruch im Urteile AZ 7 Cg 448/67 des Landesgerichts Innsbruck enthielt nebst anderen unfallskausalen Schadensposten den Betrag von 6.000 DM als Ersatz für Verdienstentgang in der Dauer von einem halben Jahr, weil der Kläger, der durch den Unfall eine schwere Gehirnerschütterung und eine Quetschung des Stirnhirnes erlitten hatte, wodurch eine Störung seiner Merk‑ und Konzentrationsfähigkeit eintrat, infolge der dadurch bedingten Behinderung an der Fortsetzung seines Studiums mindestens um diesen Zeitraum am früheren Eintritt in das Erwerbsleben gehindert wurde; der Zuspruch erfasste ferner einen Teilbetrag von 1.800 DM als Ersatz der durch die Studienverlängerung erforderlich gewordenen Mehrkosten.

Mit der vorliegenden, am 11. Mai 1970 erhobenen Klage begehrte der Kläger als weiteren Schadenersatz den Betrag von 59.378,20 DM, der sich wie folgt aufgliedert:

 

1.) Mehrkosten für verlängertes Studium

(400 DM monatlich für 3 1/2 Jahre) 16.800,‑ ‑ DM

2.) Verdienstausfall von 1.000 DM

monatlich für 3 1/2 Jahre 42.000,‑ ‑ DM

3.) Ärztliche Behandlungskosten 578,20 DM

zusammen 59.378,20 DM

 

Er brachte hiezu im Wesentlichen vor:

Nachdem er vor dem Unfall stets gute Prüfungsergebnisse aufzuweisen gehabt habe, hätten die durch den Unfall verursachten Störungen seiner Merk‑ und Konzentrationsfähigkeit ein ganz erhebliches Absinken seiner Studienerfolge mit sich gebracht. Er sei zufolge anhaltender Prüfungsmisserfolge im November 1967 endgültig vom weiteren Studium an der Technischen Hochschule in München ausgeschlossen worden. Um sein Studienziel aber dennoch zu erreichen, habe er an eine andere Technische Hochschule wechseln müssen und habe jene in Karlsruhe zur Fortsetzung seines Studiums gewählt. Dort habe er erst mit dem Wintersemester 1968/69, also im Herbst 1968, zu studieren beginnen können und wiederum mit de, 1. Semester anfangen müssen. Denn von den an der Technischen Hochschule München absolvierten Semestern sei ihm keines angerechnet worden. Trotz nach wie vor bestehender unfallskausaler Beschwerden habe er dann in Karlsruhe sämtliche Prüfungen planmäßig und mit Erfolg abgelegt und werde das achtsemestrige Studium mit der Beendigung des Sommersemesters 1972 abschließen können. Er habe also durch den Unfall acht Semester verloren und damit vier Jahre bis zum Eintritt in das Erwerbsleben eingebüßt.

Den Ersatz der Kosten des verlängerten Studiums und des Verdienstentgangs für 1/2 Jahr habe er bereits im Vorprozess AZ 7 Cg 448/67 des Landesgerichts Innsbruck zugesprochen erhalten, sodass aus diesen beiden Titeln noch 3 1/2 Jahre abzugelten seien.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete – soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist – im Wesentlichen Folgendes ein: Zwischen dem Unfallsgeschehen und dem Studienmisserfolg des Klägers an der Technischen Hochschule München nach dem Unfall und Ablauf einer unfallsbedingten Verzögerung im Studium, die bereits im Vorprozess abgegolten worden sei, fehle nunmehr jeglicher Kausalzusammenhang. Ein solcher fehle aber auch zwischen dem Unfallsereignis und der Studienaufnahme des Klägers an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Im Übrigen würde auch ein solches unbegrenztes Sichauswirken der Kausalität als wirtschaftlich unerträglich von der Rechtsordnung abgelehnt werden. Überdies wären dem Kläger an der Technischen Hochschule in Karlsruhe die in München absolvierten Semester angerechnet worden, wenn er bei Fortsetzung seines Studiums in Karlsruhe nachweisen hätte können, dass sein vorgängiger Studienmisserfolg in München ausschließlich, wie von ihm behauptet, in den Unfallsfolgen seine Ursache habe. Er hätte an der Technischen Hochschule Karlsruhe auch schon Wintersemester 1967/68 mit dem Studium beginnen können; er habe es auch unterlassen, in München im Jahre 1967 durch ein Ansuchen an das Bayrische Kultusministerium die Zulassung zur zweiten Wiederholung der nicht bestandenen Diplomprüfung zu erwirken; ein derartiges Ansuchen wäre aber von Erfolg gekrönt und der Neubeginn des Studiums des Klägers in Karlsruhe daher überhaupt vermeidbar gewesen.

Der Kläger sei seit Mai 1971 als wissenschaftliche Hilfskraft an der Technischen Hochschule München beschäftigt und verdiene seit Mai 1971 monatlich 400 DM, welche Entlohnung er sich auf sein Verdienstentgangsbegehren jedenfalls anrechnen lassen müsse.

Das Erstgericht erachtete die dem gegenständlichen Schadenersatzprozess zugrundeliegenden neuerlichen Ansprüche des Klägers im folgenden Ausmaße für berechtigt:

1.) Mehrkosten für verlängertes

Studium mit 300 DM monatlich

für 3 1/2 Jahre 12.600,‑ ‑ DM

2.) Verdienstausfall wegen verzögerten

Eintritts in das Berufsleben

mit 1.000 DM monatlich für 3 1/2 Jahre,

abzüglich eines an der Technischen

Hochschule seit Mai 1971 erzielten

Verdienstes – von 6.840 DM 35.160,‑ ‑ DM

3.) Ärztekosten Dr. H***** 578,20 DM

 

Es sprach dem Kläger daher insgesamt 48.338,20 DM sA zu und wies dessen Mehrbegehren von 11.040 DM ab.

Es legte seiner Entscheidung im Wesentlichen folgenden Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger hat sein Studium an der Fakultät für Maschinenwesen und Elektrotechnik an der Technischen Hochschule München mit dem Wintersemester 1963/64 begonnen. Aufgrund der Unfallverletzungen und deren Folgen musste er von der für Oktober 1965 vorgesehenen Diplomprüfung zurücktreten. Er trat zu dieser Prüfung sodann im März 1966 an, bestand sie aber in mehreren Fächern nicht. Im März 1967 wurde er zur Wiederholung dieser Prüfung in den nicht bestandenen Fächern zugelassen, bestand aber die Wiederholungsprüfung in vier Fächern abermals nicht. Sein Ansuchen um Zulassung zu einer zweiten Wiederholungsprüfung, den er ein amtsärztliches Zeugnis über die Unfallsfolgen beigeschlossen hatte, wurde im November 1967 von der Technischen Hochschule München endgültig abgelehnt. Ein Ansuchen an das Bayrische Kultusministerium um Zulassung zu einer zweiten Wiederholung der Diplomvorprüfung wäre unter den gegebenen Umständen aussichtslos gewesen. Das Beweisverfahren ergab keinen Anhaltspunkt, dass etwa die geistigen Fähigkeiten des Klägers für eine rechtzeitige Beendigung des Studiums ohne den Unfall unzureichend gewesen wären. Der Kläger hatte vielmehr im Gymnasium und bei den Zwischenprüfungen an der Technischen Hochschule München vor dem Unfall gute Studienerfolge aufzuweisen. Der Studienmisserfolg des Klägers an der Technischen Hochschule beruht ursächlich – wobei das Erstgericht seine diesbezügliche Feststellung vor allem auf das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten des Univ.‑Prof. Dr. H***** gründet ausschließlich auf den Unfallsfolgen, nämlich auf Gedächtnisstörungen und bedeutender Schwächung der Konzentrations‑ und Merkfähigkeit. Diese Erscheinungen klangen erst im dritten Jahre nach dem Unfall ab, beeinträchtigten den Kläger aber auch noch im Jahre 1968 in seiner Studierfähigkeit und seinen Erfolgsaussichten bei Prüfungen. An unfallsbedingten Kopfschmerzen und Schlafstörungen litt der Kläger noch bis 1971. Für den Kläger bestand bei Fortsetzung seines Studiums an der Technischen Hochschule Karlsruhe keine Möglichkeit, irgendwelche Anrechnungen von Vorprüfungen oder Vorsemestern zu erreichen, die er an der Technischen Hochschule München absolviert hatte. Er konnte vielmehr nicht vermeiden, das Studium in Karlsruhe wiederum mit dem 1. Semester anfangen zu müssen, dies beginnend mit dem Wintersemester 1968/69. Eine frühere Studienzulassung in Karlsruhe wäre nicht möglich gewesen. Das vom Kläger dort eingeschlagene Fachstudium Verfahrenstechnik (Chemieingenieurwesen) – das mit einem Wintersemester zu beginnen ist – war an der Technischen Hochschule in Karlsruhe ein Teil der Fakultät „Maschinenbau“; erst im Wintersemester 1969/70 fand dort eine Trennung der Fachrichtungen Maschinenbau und Verfahrenstechnik statt. Im Frühjahr 1971 legte der Kläger an der Technischen Hochschule Karlsruhe die Diplomvorprüfung mit Erfolg ab, gab sodann das Studium der in Karlsruhe gewählten Fachrichtung auf und wechselte anschließend zum Beginn des fünften Semesters wiederum an die Technische Hochschule München, wo er nunmehr Lebensmitteltechnologie zu studieren begann und wobei ihm die an der Technischen Hochschule Karlsruhe abgelegte Diplomvorprüfung angerechnet wurde. Auch für das Studium der Lebensmitteltechnologie sind ebenso wie für das Fachstudium Maschinenbau und Verfahrenstechnik acht Semester vorgesehen. Zur Studienzulassung in der Fachrichtung Lebensmitteltechnologie ist die erfolgreich abgelegte Diplomvorprüfung unbedingt Voraussetzung.

Seit Mai 1971 übt der Kläger neben dem Studium an der Technischen Hochschule im dortigen Institut für chemisch‑technische Analyse eine entgeltliche Tätigkeit aus, für die er einen Verdienst von monatlich netto 380 DM erzielte. Nunmehr steht er kurz vor dem Abschluss seines Studiums und wird sodann als junger Diplomingenieur sofort mit einem Anfangsgehalt von monatlich mindestens 2.500 DM Anstellung finden können. Ohne den Unfall hätte er aller Voraussicht nach sein mit dem Wintersemester 1963/64 an der Technischen Hochschule München begonnenes Studium nach Absolvierung von acht Semestern als Diplomingenieur für Maschinenbau abschließen und ins Erwerbsleben eintreten können, und zwar mit einem monatlichen Nettoeinkommen von damals jedenfalls mindestens 1.000 DM.

Den vom Kläger mit monatlich 400 DM begehrten Ersatz von Mehrkosten für verlängertes Studium ermittelte das Erstgericht nur mit 300 DM monatlich (wie im Vorprozess AZ 7 Cg 448/67) mit der Begründung, dass für die Berechtigung des Mehrbegehrens von 100 DM monatlich keine Beweise erbracht worden seien.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass die Ansprüche des Klägers an Mehrkosten für verlängertes Studium und an Verdienstausfall wegen Verzögerung seines Eintritts ins Erwerbsleben über insgesamt acht Semester nicht hinausgingen, sodass nach Abgeltung dieser Ansprüche für 1/2 Jahr im Vorprozess im vorliegenden Folgeprozess noch 3 1/2 Jahre unberichtigt seien. Dass der Kläger seine Studienfachrichtung wechselte, sei für die Sachentscheidung völlig unerheblich.

Auch der Aufwand des Klägers an Mehrkosten für das unfallsbedingt verlängerte Studium sei rechtlich dem Begriffe des Verdienstentgangs iSd § 1325 ABGB zuzuordnen, ebenso wie sein Ersatzanspruch wegen unfallsbedingt verzögerten Eintritts ins Erwerbsleben. Die beiden Schadensposten stünden im unmittelbaren, ununterbrochenen Zusammenhange mit den Unfallsverletzungen und den dem Kläger daraus erwachsenen Folgen. Den Teilbetrag von 578,20 DM an ärztlichen Behandlungskosten wertete das Erstgericht ohne Begründung als ersatzfähig.

Dieses Urteil wurde von beiden Teilen mit Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil aus Anlass der Berufung des Beklagten im Zuspruch des für Ärztekosten in Anspruch genommenen Teilbetrags als nichtig (§ 477 Z 9 ZPO) auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurück. In seiner Sachentscheidung gab das Gericht zweiter Instanz der Berufung des Beklagten lediglich dahin Folge, dass es – in Berichtigung eines Rechenfehlers des Erstgerichts – den vom Kläger während des geltend gemachten Zeitraums erzielten Verdienst nicht für die Dauer von 18, sondern von 19 Monaten berücksichtigte. Im Übrigen gab es der Berufung des Beklagten nicht Folge und billigte das Ersturteil in diesem Umfange in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Der Berufung des Klägers gab das Gericht zweiter Instanz lediglich insoweit Folge, als es – nach teilweiser Beweiswiederholung – die dem Kläger durch das verlängerte Studium im geltend gemachten Zeitraum erwachsenen Mehrkosten statt mit 300 DM mit 400 DM monatlich ermittelte. Es änderte daher das Ersturteil teilweise dahin ab, dass es dem Kläger mit Teilurteil insgesamt 51.580 DM samt Zinsen zum Schillinggegenwert am Zahlungstag zuerkannte und sein Mehrbegehren von 7.720 DM – unangefochten – abwies.

Das Teilurteil des Gerichts zweiter Instanz wird vom Beklagten in seinem gesamten, der Klage stattgebendem Teile mit Revision angefochten. Der Beklagte macht die Anfechtungsgründe des § 503 Z 2, 3 und 4 ZPO mit dem Antrag geltend, das angefochtene Teilurteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde, oder es aufzuheben und die Rechtssache an eine der beiden Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Eine Aktenwidrigkeit erblickt die Revision in der Auslegung der Beilage ./P durch das Berufungsgericht. Der Anfechtungsgrund des § 503 Z 3 ZPO könnte aber hinsichtlich der Heranziehung einer Urkunde nur dann vorliegen, wenn der Inhalt der Urkunde unrichtig wiedergegeben worden wäre. In der Beurteilung, welche Bedeutung einem aktengetreu wiedergegebenen Inhalt einer Urkunde zukommt, kann schon begrifflich eine Aktenwidrigkeit nicht liegen.

Als Mangelhaftigkeit rügt der Revisionswerber zunächst, dass seinem Antrag auf Wiedereröffnung des Verfahrens vom Erstgericht nicht entsprochen wurde und dass das Berufungsgericht dies gebilligt habe. Dem ist zu erwidern, dass das Unterbleiben der Wiedereröffnung nur eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz bilden könnte, von der das Berufungsgericht erkannt hat, dass sie nicht vorliegt. Dieser Umstand kann daher nicht zum Gegenstand der Revision gemacht werden (SZ 22/106, 41/8; EvBl 1969/263, JBl 1972, 313 ua, 8 Ob 54/73, 8 Ob 258/71). Den Ausführungen der Mängelrüge über die Unterlassung von nach ihrer Meinung erforderlich gewesenen Beweisaufnahmen ist im Übrigen Folgendes entgegenzuhalten: Die Frage, ob der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche ausreicht, bildet den Gegenstand der rechtlichen Beurteilung und wird daher bei der Erledigung der Rechtsrüge zu beantworten sein. Die Frage, ob die durchgeführten Beweise zur Gewinnung der getroffenen Feststellungen ausreichen oder aber ob hiezu allfällige weitere Beweismittel erforderlich sind, betreffen den Beweiswert der herangezogenen Beweismittel und damit die Beweiswürdigung, deren Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht stattfindet. Was insbesondere das Gutachten des Sachverständigen Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Heinrich H*****, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, anlangt, so wendet sich die Revision insbesondere gegen dessen durch die Vorinstanzen vorgenommene Verwertung zu der Feststellung, dass der Studienmisserfolg des an sich hochintelligenten Klägers in den Jahren 1966 und 1967 ausschließlich auf die Unfallsfolgen zurückzuführen sei; die Revision will demgegenüber von vornherein bestandene und somit unfallsunabhängige Begabungsmängel des Klägers festgestellt wissen. Damit greift die Revision die Richtigkeit des Sachverständigengutachtens an. Die Würdigung der tatsächlichen Feststellungen des Gutachtens und der zur Gewinnung der Tatsachenfeststellungen vom Sachverständigen angewandten Regeln der Wissenschaft und Sachkunde, die ihrerseits Erfahrungssätze zur Gewinnung des Sachverhalts darstellen, ist nur unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung unter der Voraussetzung möglich, dass der Sachverständige bei seinen Schlussfolgerungen gegen zwingenden Denkgesetze oder gegen den objektiv überprüfbaren zwingenden Gesetze des sprachlichen Ausdrucks verstoße hat (EvBl 1959 Nr 160, EvBl 1956 Nr 258, SZ XXII 126, 2 Ob 252/71 uam). Solche Verstöße kann die Revision, wie schon hier zur Rechtsrüge vorweggenommen sei, nicht aufzeigen. Die Beantwortung der Frage aber, ob noch ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden soll, wenn, wie hier, das schon vorliegende Gutachten schlüssig ist, bildet, wie überhaupt die Beurteilung des Erfordernisses von Kontrollbeweisen, den Gegenstand der Beweiswürdigung, welche in letzter Instanz dem Berufungsgericht obliegt (JBl 1972, 572; RZ 1973/144; 1 Ob 220/71, 1 Ob 144/72, 8 Ob 94/73 uva). Die Revisionsausführungen bieten keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Insbesondere lässt sich aus der von der Revision herangezogenen Entscheidung EvBl 1948/643, nichts für ihren Standpunkt gewinnen. Dort hat der Oberste Gerichtshof den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO als nicht gesetzmäßig ausgeführt erachtet, weil die Anführung der vermissten Beweismittel fehlte. Damit ist aber über den Grund der Nichtzulassung dieser Beweismittel nichts ausgesagt. Sollte diese deshalb erfolgt sein, weil bereits die übrigen Beweismittel für eine verlässliche Feststellung ausreichten, dann läge ein Akt der Beweiswürdigung vor; wäre den Beweisanträgen aus Gründen des Prozessrechtes nicht entsprochen worden, könnte – unter den sonstigen Voraussetzungen – eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens in Betracht kommen.

Die Ausführungen der Mängelrüge sind nicht geeignet, einen rechtlich relevanten Verfahrensverstoß des Berufungsgerichts aufzuzeigen.

Die Rechtsrüge ist, insoweit sie nicht von dem festgestellten Sachverhalt ausgeht, nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt und in diesem Umfange unbeachtlich. Ausgehend von den vorinstanzlichen Feststellungen ist sie nicht begründet.

Vorweg ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung und Lehre für die Beurteilung der aus einer unerlaubten Handlung entspringenden Schuldverhältnisse wie auch für die aus einer Haftpflicht abgeleiteten Ersatzansprüche das Recht des Tatorts maßgebend ist. Nach der lex loci delicti comissi entscheiden sich auch die Wirkungen der unerlaubten Handlungen, der Umfang des Schadenersatzrechtes und die Bedeutung des Mitverschuldens des Verletzten (SZ 29/45, EvBl 1973/260 und die dort angeführte Lehre). Hieraus folgt, dass das Klagebegehren hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen, somit insbesondere hinsichtlich des Verschuldens sowie des Rechtswidrigkeits‑ und des Kausalzusammenhangs nach österreichischem Recht zu beurteilen ist, mögen sich auch auf den Umfang dieser Ansprüche deutsch‑rechtliche Bestimmungen auswirken.

Was die Kausalität anlangt, so ist die von den Vorinstanzen bejahte Frage, ob der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Verhalten und dem geltend gemachten Schaden gegeben ist, der irrevisiblen Tatsachengrundlage zuzuordnen. Insoweit die Rechtsrüge insbesondere versucht, die Feststellung der Vorinstanzen, dass die Unfallsverletzung die einzige Ursache der Studienmisserfolge des Klägers in den Jahren 1966 und 1967 war, in Zweifel zu ziehen und angebliche Mängel der intellektuellen Fähigkeiten des Klägers hiefür herangezogen wissen will, ist sie nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt. Nach den der Tatsachengrundlage zuzuordnenden Annahme der Vorinstanzen hat das Beweisverfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass etwa die geistigen Fähigkeiten des Klägers für eine rechtzeitige Beendigung des Studiums nicht ausgereicht hätten.

Was die den Gegenstand der rechtlichen Beurteilung bildende Frage der juristischen Kausalität anlangt, so ist diese, wie eingangs dargelegt, gleichfalls nach österreichischem Recht zu lösen. Es erübrigt sich daher, auf die weitwendigen Ausführungen der Revision über die deutsche Rechtsprechung und Lehre einzugehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird die Grenze, bis zu der dem Urheber eine Haftung für die Folgen seiner Handlung zugemutet werden kann, durch die Adäquanz bestimmt (JBl 1966 S 620 ua). Hienach besteht eine Haftung für alle Folgen eines schuldhaften Verhaltens, mit denen in abstracto gerechnet werden musste; sie besteht nur nicht für einen atypischen Erfolg. Es genügt dabei, das die generelle Eignung einer Ursache, den Schaden herbeizuführen, von jedem vernünftigen Menschen erkannt werden konnte, mag auch die Einzelfolge gerade nicht erkennbar gewesen sein, wenn sie nur nicht außerhalb der allgemein menschlichen Erfahrung liegt. Dadurch, dass zwischen Bedingung und Erfolg eine freie menschliche Handlung tritt, wird der Kausalzusammenhang nicht unterbrochen, wenn mit dieser hinzutretenden Ursache nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als wahrscheinlich gerechnet werden konnte (JBl 1966 S 473, ZVR 1971/224 uva). Bei Anwendung der dargelegten Rechtssätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich: Es liegt, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, keineswegs außerhalb jeglicher menschlichen Erfahrung, sondern es entspricht vielmehr dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge, dass eine derart schwere Gehirnverletzung mit mehrjährig anhaltenden Gedächtnis‑ und Konzentrationsstörungen bei einem Hochschüler zu Prüfungsmisserfolgen und Studienverzögerungen auch in dem vorliegendenfalls festgestelltem Ausmaß führen können. Es ist auch keineswegs als atypische Folgeerscheinung anzusehen, wenn die Studienordnungen verschiedener Universitäten an mehrfache Misserfolge bei Prüfungen die festgestellten Folgen knüpfen. Solche Umstände können, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, den Kausalzusammenhang nicht unterbrechen. Ebenso wenig kann das festgestellte Verhalten des Klägers eine derartige Unterbrechung des Kausalzusammenhangs herbeigeführt haben. Wenn die Revision meint, der Kläger hätte sich nicht genügend um die Zulassung zu einer weiteren Wiederholung der Diplomvorprüfung an der Technischen Hochschule bemüht, bzw er hätte nicht ausreichend die Anrechnung von Semestern durch die Technische Hochschule Karlsruhe betrieben und das Studium dort zu spät angetreten, so könnten solche Umstände nicht unter dem Gesichtspunkt der Unterbrechung des Kausalzusammenhangs, sondern nur unter jenem der Verletzung der Schadensminderungspflicht in Betracht kommen. Eine solche könnte jedoch nur dann zu Lasten des Geschädigten ausschlagen, wenn dieser schuldhaft ihm zumutbare Maßnahmen unterlassen hätte, die zur Verkleinerung des Schadens geführt hätten. Dem hierfür behauptungs‑ und beweispflichtigen Schädiger ist der Nachweis eines sachlichen Substrats, das eine derartige Beurteilung rechtfertigen könnte, nicht gelungen. Da vorliegendenfalls feststeht, dass ein Ansuchen an das Bayrische Kultusministerium um Zulassung zu einer weiteren Wiederholung der Diplomvorprüfung an der Technischen Hochschule München unter den gegebenen Umständen aussichtslos gewesen wäre, kann in der Unterlassung eines solchen keine Verletzung der Schadensminderungspflicht liegen. Da ferner feststeht, dass für den Kläger bei Fortsetzung seines Studiums an der Technischen Hochschule Karlsruhe keine Möglichkeit bestand, Anrechnungen von Vorprüfungen oder Semestern zu erreichen, ist auch in dieser Hinsicht dem Kläger kein Vorwurf zu machen. Da schließlich feststeht, dass dem Kläger eine frühere Studienzulassung in Karlsruhe als mit Wintersemester 1968/69 nicht möglich war, ist nicht erkennbar, wieso der Kläger durch den nicht schon im Wintersemester 1967/68 erfolgten Antritt zum Studium in Karlsruhe gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen haben sollte. Da sich Ende 1967 die Gedächtnis‑ und Konzentrationsstörungen des Klägers noch voll auswirkten und erst im November 1967 die endgültige Ablehnung seiner Zulassung zu einer weiteren Wiederholungsprüfung an der Technischen Hochschulen München erfolgte, war ihm – entgegen den Revisionsausführungen – auch nicht zumutbar, gewissermaßen vorsorglich schon im Wintersemester 1967/68 an der Technischen Hochschule Karlsruhe zu inskribieren.

Auch aus der Änderung der Studienfachrichtung durch den Kläger, der nach Ablegung der Diplomvorprüfung an der Technischen Hochschule Karlsruhe sich an der Technischen Hochschule München der Lebensmitteltechnologie zuwandte, ist für den Standpunkt des Beklagten nichts gewonnen. Insoweit die Revision aus dieser Änderung Rückschlüsse auf die angebliche mangelnde Eignung des Klägers für sein ursprünglich begonnenes Studium ableiten will, stellten sich ihre Ausführungen als unzulässiger Angriff auf die Beweiswürdigung der Vorinstanzen und deren Ergebnisse dar. Im Übrigen hat schon das Erstgericht, gebilligt vom Berufungsgericht, festgestellt, dass auch für das Studium der Lebensmitteltechnologie – ebenso wie für die Fachrichtungen Maschinenbau und Verfahrenstechnik – ein Studium im Ausmaße von acht Semestern vorgesehen ist und dass hiezu die erfolgreiche Ablegung der Diplomvorprüfung erforderlich ist. Es erübrigt sich daher, auf die Ursachen dieser Studienänderung und deren Auswirkungen auf die Semesteranrechnung näher einzugehen, weil hiedurch dem Kläger eine Möglichkeit, schneller ins Erwerbsleben zu treten, nicht eröffnet wurde, eine allfällige hiedurch hervorgerufene Verlängerung der Studienzeit, wie sie der Beklagte aus den Beilagen ./P und ./O abgeleitet wissen will, aber für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits bedeutungslos ist, weil in diesem lediglich der Verdienstentgang für die Dauer von acht Semestern – unter Berücksichtigung des bereits im Vorverfahren zuerkannten Teilbetrags – angesprochen wurde.

Die von der Revision zur Begründung ihres Standpunkts, demzufolge dem Kläger ein Verdienstentgang nicht zustünde, herangezogene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs AZ 2 Ob 331/68 betrifft einen anders gelagerten Fall. Dort war ein Verdienstentgang bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht nachgewiesen. Im vorliegenden Fall aber hätte der Kläger nach der der Tatsachengrundlage zuzuordnenden Annahme der Vorinstanzen ohne den Unfall sein im Wintersemester 1963/64 an der Technischen Hochschule München begonnenes Maschinenbaustudium nach acht Semestern erfolgreich beendet und sofort mit einem Anfangsnettogehalt von mindestens 1.000 DM monatlich eine Anstellung gefunden. Worin eine Denkgesetzwidrigkeit dieser aus den Tatsachenfeststellungen abgeleiteten Schlussfolgerung tatsächlicher Art liegen sollte, ist nicht erkennbar. Da der Kläger das von ihm nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ohne den Unfall erzielbare Einkommen nicht beziehen konnte und infolge des Unfalls zur Erreichung gleichartiger Fachqualifikationen und Berufschancen sein Studium neu beginnen und hiefür mindestens acht Semester aufwenden musste, gebührt ihm, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, der Ersatz des ihm durch den Unfall entgangenen Einkommens sowie die Mehrkosten für sein unfallsbedingt verlängertes Studium, wobei ihm das während des Studiums tatsächlich erzielte Einkommen in Abzug zu bringen war.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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