Normen
Bundesstraßengesetz 1948 §11
Straßenverkehrsordnung §44b
Straßenverkehrsordnung §94
Bundesstraßengesetz 1948 §11
Straßenverkehrsordnung §44b
Straßenverkehrsordnung §94
Spruch:
Maßnahmen wegen bereits eingetretener oder zu erwartender Elementarereignisse sind nicht mehr unter den Begriff der Instandhaltung der Straße zu subsumieren. Eine Haftung nach § 11 BStG 1048 kann dann in Frage kommen, wenn der Straßenerhalter die Errichtung vorgesehener Lawinenschutzbauten vorsätzlich oder grob fahrlässig verzögert hatte
OGH 11. Oktober 1973, 2 Ob 137/73 (OLG Innsbruck 2 R 147/73, LG Feldkirch 3 Cg 1257/72)
Text
Der Kläger fuhr am 8. Mai 1970 als Lenker des ihm gehörenden Personenkraftwagens Marke Volvo auf der Bundesstraße 198 (Lechtalbundesstraße) von Zürs kommend in Richtung Lech. Um etwa 12 Uhr 30 löste sich von der sogenannten "Platte" nördlich der Talstation des Seekopfliftes in Zürs, etwa 150 m oberhalb der Straße, eine Naßschneelawine und verschüttete die Fahrbahn. Dabei wurde der Personenkraftwagen des Klägers schwer beschädigt. Der Kläger selbst wurde verletzt.
Der Kläger verlangt von der Beklagten (Republik Österreich) als Straßenerhalter aus dem Titel des Schadenersatzes Zahlung von 3651.30 DM "zum Devisenkurs am Zahlungstag" und 674.80 DM je samt Anhang. Er stutzt sein Begehren auf § 11 des BStG 1948 und brachte dazu im wesentlichen vor:
Der Abgang der Lawine sei unter den damals herrschenden Verhältnissen zu erwarten gewesen. Die Organe der Beklagten hatten es jedoch grob fahrlässig unterlassen, die Straße in der Mittagszeit des 8. Mai 1970 mittels der für diesen Zweck vorgesehenen und vorhanden gewesenen Straßenschranke zu sperren. Ferner sei ihnen als grobe Fahrlässigkeit anzurechnen daß Lawinenschutzbauten oberhalb des gefährdeten Teiles der Bundesstraße erst nach dem gegenständlichen Unfall errichtet worden seien, obwohl Lawinenabgänge von der genannten Stelle eine seit Jahren bekannte Erscheinung gewesen seien.
Die Beklagte beantragte, allerdings ohne die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges ausdrücklich zu erheben, Zurückweisung, jedenfalls aber die Abweisung des Klagebegehrens. Sie brachte im wesentlichen vor, Lawinenverbauungen seien an der Lechtalbundesstraße im Rahmen der im Budget vorgesehenen Mittel laufend durchgeführt worden, wobei die Reihenfolge der Bauvorhaben festgelegt gewesen sei und durch den Unfall keine Änderung erfahren habe. Die Straßenbaulast und damit die Verpflichtung zur Erhaltung der Bundesstraße gehe nicht so weit, daß ein optimaler Lawinenschutz gleichzeitig oder innerhalb eines beliebig anzunehmenden Zeitraumes gewährleistet sein müßte, zumal die Gefahr von Lawinenabgängen in Vorarlberg den Straßenbenützern bekannt sei und Touristen und Fremde hierauf ständig durch verschiedene Veröffentlichungen aufmerksam gemacht werden. Eine Absperrung der Straße wäre Sache der Straßenpolizeibehörde gewesen. Der Strassenverwaltungsdienststelle wäre eine solche Maßnahme nur im Falle ihrer Unaufschiebbarkeit zugekommen, wodurch sie aber den Charakter eines Hoheitsaktes nicht verloren hätte. Die Voraussetzungen eines Vorgehens nach § 44b StVO 1960 seien aber nicht vorgelegen. Der vom Kläger behauptete Sachverhalt sei somit nicht dem § II BStG 1948 zu unterstellen. Tatsächlich mache der Kläger geltend daß die Straßenpolizeibehörde die Straße gemäß § 43 Abs. 1 lit. a StVO 1960 hätten sperren müssen. Dies betreffe aber die Vollziehung des Landes Vorarlberg und falle in die Länderkompetenz. Insoweit sei die Beklagte passiv nicht legitimiert. In Kenntnis dieser Rechtslage habe der Kläger den gegenständlichen Anspruch zum Gegenstand eines Aufforderungsverfahrens nach § 8 AHG gemacht, diese Aufforderung aber später wegen der mangelnden Gegenseitigkeit in Amtshaftungssachen mit der Bundesrepublik Deutschland wieder zurückgenommen. Grobe Fahrlässigkeit von Organen der Beklagten liege nicht vor, denn diese hätten keinesfalls damit rechnen müssen, daß bei der damals herrschenden Witterung an der genannten Stelle eine Lawine abgehen werde. Eine allenfalls vorgekommene Fehleinschätzung der Witterungseinflüsse könne aber grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 11 BStG 1948 nicht begrunden. Schließlich wendete die Beklagte vorsorglich auch noch ein, der Kläger habe die eingeklagten Aufwendungen auf Grund einer Kaskoversicherung und der Bestimmungen über die Sozialversicherung ersetzt erhalten, wofür allerdings keine Beweise angeboten wurden.
Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches ein und erkannte sodann mit Teil-Zwischenurteil, daß der Anspruch des Klägers auf Ersatz des Fahrzeugschadens dem Gründe nach zu Recht bestehe. Es ging dabei von folgenden Feststellungen aus:
Der Arlberg, insbesondere Zürs, ist bei entsprechenden Schnee- und Witterungsverhältnissen ein allgemein bekanntes gefährliches Lawinengebiet. Die gegenständliche Lawinenbahn wird im amtlichen Lawinenkataster als "Platte-Lawine" geführt. Die häufig niedergehende und die Lechtalbundesstraße gefährdende Entladung dieser Lawine ist amtsbekannt.
Vom 28. April bis 1. Mai 1970 waren auf die unbefestigte Oberflächenschichte 80 cm Neuschnee gefallen, Stürmische Winde hatten zu umfangreichen Schneeansammlungen geführt. Am 3. Mai 1970 bewirkte Temperaturzunahme einen Anstieg der Nullgradgrenze bis gegen 2600 m Höhe und damit eine rasche Durchfeuchtung der Schneedecke. Die Wärmeperiode dauerte bis zum Unfallstag. Am 3. Mai 1970 sanken die Nachttemperaturen nicht unter null Grad. Am Morgen des Unfallstages war es stark bewölkt bis bedeckt. Gegen 5 Uhr lag die Temperatur zwischen 3 und 5 Grad und stieg ab 6 Uhr ziemlich gleichmäßig bis gegen 12 Grad. Sie erreichte zwischen 9 und 11 Uhr einen Höchstwert und blieb in dieser Höhe 2 Stunden erhalten.
Die gegenständliche Lawine ging an einem Geländeknick mit deutlicher Wächtenbildung aus dem Abbruchgebiet der Platte als nasse Festschneelawine ab. Bei der "Platte-Lawine handelt es sich um ein kartenmäßig festgehaltenes Gefahrengebiet von dem sich verschiedene Teillawinen entladen können. Der eine Woche vorher erfolgte Abgang einer Teillawine schloß den späteren Abgang der gegenständlichen Teillawine nicht aus.
Entwicklung lag der Abgang der gegenstandlichen Lawine im Bereich naher Möglichkeit, war als natürliche Folge der bekannten örtlichen Gegebenheiten leicht vorauszusehen und mußte damit von mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten schnee- und lawinenkundigen Personen mit größter Wahrscheinlichkeit erwartet werden. Auch nach den Lageberichten des amtlichen Lawinen-Warndienstes vom 1. 5. und 8. Mai 1970 bestand Lawinengefahr.
Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht in rechtlicher Beziehung folgendermaßen:
Die Tätigkeit der Organe einer Körperschaft öffentlichen Rechtes auf dem Gebiete der Straßenverwaltung falle in das Gebiet der Privatwirtschaftsverwaltung, so daß die Passivlegitimation der Beklagten im Rahmen der Bundesstraßenverwaltung gegeben sei. Aus den Bestimmungen der §§ 4 und 11 BStG 1948 sei im Zusammenhange mit der allgemein zu bejahenden Straßenverkehrssicherungspflicht abzuleiten, daß der Straßenerhalter bei nicht beherrschbaren Gefahren zur Sicherung der Straßenbenützer die Absperrung der Straßen zu veranlassen habe. Dies ergebe sich auch aus dem sogenannten Ingerenzprinzip. Wenn die Beklagte Straßen in lawinengefährdete Gebiete baue, schaffe sie für die Straßenbenutzer eine Gefahrenlage und habe daher die zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Welchem Organ der Straßenerhalter die Gefahrenvorsorge auftrage, sei unerheblich; insbesondere komme es nicht darauf an, ob dieses Organ allgemeinhoheitliche aufgaben zu erfüllen habe. Den Organen der Beklagten sei grobe Fahrlässigkeit anzulasten. Die Beklagte habe demzufolge für den Schaden einzustehen, den der Kläger durch den Lawinenabgang erlitten habe. Ein gewisser Fahrzeugschaden stehe der Höhe nach außer Streit, so daß die Voraussetzungen für ein Zwischenurteil über diesen Teilanspruch gegeben seien.
Die Berufung der Beklagten hatte insoweit Erfolg, als das Berufungsgericht das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt aufhob und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz verwies. Es ging zunächst davon aus, daß in der Behauptung einer Unterlassung der Sperre der Bundesstraße wegen eines mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Lawinenabganges nicht die eines mangelhaften Zustandes der Bundesstraße oder einer dazugehörigen Anlage enthalten sei, sondern die Behauptung der Unterlassung einer straßenpolizeilichen Maßnahme nach § 43 Abs. 1 lit. a StVO 1960 Insoweit komme nur ein Ersatzanspruch nach dem Amtshaftungsgesetz in Frage. Daran ändere es nichts, daß die Organe des Straßenerhalters nach § 44b StVO 1960 im Falle der Unaufschiebbarkeit Verkehrsbeschränkungen veranlassen dürfen. Auch solche Maßnahmen fallen in den Bereich der Hoheitsverwaltung, denn sie seien so zu betrachten, als wären sie von der Straßenpolizeibehörde selbst getroffen worden. Außerdem habe der Gesetzgeber eine Verpflichtung des Straßenerhalters bzw. seiner Organe, im Sinne des § 44b StVO 1960 tätig zu werden, bewußt nicht statuiert. Hinsichtlich der unterlassenen Straßenabsperrung werde der Kläger seine Ersatzansprüche nicht auf § 11 BStG 1948 stützen können. Ohne Durchführung des Aufforderungsverfahrens im Sinne des § 8 AHG sei der Rechtsweg unzulässig. Das Erstgericht werde, soweit der Kläger den Ersatzanspruch auf die unterlassene Absperrung der Straße grunde, über die von der Beklagten erhobene Prozeßeinrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges, die in der Klagebeantwortung mit hinreichender Deutlichkeit erhoben worden sei, zu entscheiden haben. Für einen Amtshaftungsanspruch des Klägers wegen der unterlassenen Straßenabsperrung wäre die Beklagte passiv nicht legitimiert, denn die vom Kläger vermißte straßenpolizeiliche Maßnahme falle in die Vollziehung der Länder.
Eine Haftung der Beklagten nach § 11 BStG 1948 käme nur in Ansehung des weiteren Vorwurfes, die Beklagte habe als Straßenerhalter im Unfallsbereich nicht rechtzeitig Lawinenschutzbauten errichtet, in Betracht. Die Behauptung des Fehlens von zugehörigen Anlagen zu einer Bundesstraße müsse kraft Größenschlusses der Behauptung des mangelhaften Zustandes der vorhandenen Anlagen dieser Art gleichgehalten werden. Ob der Beklagten aber die frühere Errichtung solcher Schutzbauten überhaupt zumutbar gewesen wäre, müsse noch geklärt werden. Diesbezüglich seien vom Erstgericht keine Feststellungen getroffen worden, was zur Aufhebung des angefochtenen Urteiles gemäß § 496 Abs. 1 Z. 3 ZPO führen müsse.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Bevor auf die Rekursausführungen eingegangen wird, sei zunächst darauf hingewiesen, daß der Kläger seinen Schadenersatzanspruch ausdrücklich auf § II des zur Zeit des Unfalles geltenden BStG 1948 und nicht etwa auf die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes stutzt und daß die Beklagte auch nicht die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges erhoben, sondern lediglich ihre Passivlegitimation unter Hinweis darauf bestritten hat, daß eine Sperre der Bundesstraße nach § 43 Abs. 1 lit. a StVO 1960 Sache der Straßenpolizeibehörde gewesen wäre, in die Landeskompetenz falle und die Vollziehung des Landes Vorarlberg betreffe. Dem Berufungsgericht kann daher nicht beigepflichtet werden, daß die Beklagte die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges mit hinreichender Deutlichkeit erhoben habe. In dem bloßen Antrag auf Zurückweisung der Klage kann diese Einrede noch nicht erblickt werden. Es besteht daher für das Erstgericht kein Anlaß für eine Entscheidung nach § 261 Abs. 1 ZPO. Im übrigen bestehen auch bei amtswegiger Prüfung keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsweges, soweit das Begehren auf die Unterlassung einer Sperre der Bundesstraße gestützt wird. Die Beklagte wird nur als Straßenerhalterin wegen einer behaupteten Verletzung der ihr obliegenden Instandhaltungspflicht, nicht aber wegen schuldhaftem Handelns ihrer Organe in Vollziehung der Gesetze in Anspruch genommen.
Der Kläger wendet sich in seinem Rekurs gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Straßenerhalter einer Bundesstraße keine Verpflichtung zur Sperre der Lechtalbundesstraße zur Unfallszeit getroffen habe. Er vertritt vielmehr die Ansicht, zur Instandhaltungspflicht im Sinne des § 11 BStG 1948 gehöre auch die Verpflichtung, die Straße mit allen den Vorschriften entsprechenden Verkehrseinrichtungen zu versehen. Dazu gehöre auch die Erlassung von Maßnahmen im Sinne des § 43 Abs. 1 lit. a StVO 1960 und das Tätigwerden der Organe des Straßenerhalters im Sinne des § 44b StVO 1960. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen gehörten Maßnahmen straßenpolizeilicher Art zur Instandhaltungspflicht des Straßenerhalters.
Damit werden jedoch die vom Wortlaut des Gesetzes ausgehenden rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichtes in keiner Weise entkräftet.
Es ist zwar richtig, daß der Umfang der im § 11 BStG 1948 statuierten Haftung des Bundes für die vorsätzliche oder grob fahrlässige Vernachlässigung der Instandhaltung der Bundesstraßen durch Organe des Bundes von der Rechtsprechung eher ausdehnend interpretiert wurde. Es wurde wiederholt ausgesprochen, daß zur Instandhaltung der Straße auch die Vornahme der unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Straßenerhalters zumutbaren Maßnahmen gehört, die erforderlich sind, um die Sicherheit des Verkehrs zu gewährleisten (vgl. 2 Ob 56/72). Zu diesen Maßnahmen wurde insbesondere die Kennzeichnung und Beleuchtung von Verkehrshindernissen gerechnet (vgl. ZVR 1956/3); als Verletzung der Instandhaltungspflicht wurde demgemäß die Unterlassung der Aufstellung oder die unrichtige bzw. unzweckmäßige Aufstellung von Verkehrsschildern beurteilt, die auf eine wegen der Fahrbahnbeschaffenheit gefährliche Straßenstelle hinweisen sollten (ZVR 1959/192, ZVR 1960/33, ZVR 1965/67, ZVR 1966/96, ZVR 1971/89, SZ 37/72, SZ 41/59). Alle diese - im Rekurs zum Teil angeführten - Fälle betreffen jedoch keine Maßnahmen im Sinne des § 43 Abs. 1 lit. a StVO 1960, welche Bestimmung vor allem nach Abgang einer Lawine oder bei akuter Lawinengefahr zu treffende Maßnahmen im Auge hat (siehe dazu Kammerhofer, StVO, 5. Auflage Anmerkung 2 zu § 43 StVO). Dies trifft auch auf die vom Rekurs angezogene Entscheidung ZVR 1957/204 zu, die eine unzweckmäßige Aufstellung einer Warnungstafel vor einem im Gefolge einer Überschwemmung entstandenen Schlagloch in der Straßendecke betraf. Der darin ausgesprochene Rechtssatz, die Erlassung von Maßnahmen im Sinne des - damals noch geltenden - § 29 Abs. 3 StPolG (vorübergehende Verkehrsverbote und Beschränkungen im Falle der Unaufschiebbarkeit durch Organe der Straßenverwaltung) gehöre zur Instandhaltungspflicht, kann schon deshalb auf den vorliegenden Fall nicht uneingeschränkt übertragen werden. Abgesehen davon wurde aber mit § 44b StVO 1960, der mit der StVO-Novelle 1963 eingeführt wurde, das bisher in § 43 Abs. 9 StVO 1960 enthaltene Recht der Organe der Straßenaufsicht oder des Straßenerhalters auf selbständige Vorkehrungen bei Eintritt unvorhergesehener Ereignisse auf eine neue Grundlage gestellt. Das Berufungsgericht hat zutreffend auf die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zur StVO-Novelle 1963 (97 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrats, X. GP) hingewiesen, aus denen klarhervorgeht, daß der Gesetzgeber mit der Formulieung des § 44b Abs. 1 StVO 1960. "Im Falle der Unaufschiebbarkeit dürfen die Organe ..." zum Ausdruck bringen wollte, daß er im Hinblick auf die besondere Problematik der Sperre einer Straße wegen drohender Lawinengefahr die Organe der Straßenaufsicht oder des Straßenerhalters von einer Verpflichtung zum Tätigwerden befreien wollte. Maßnahmen wegen bereits eingetretener oder zu erwartender Elementarereignisse sind primär grundsätzlich von der Behörde (siehe §§ 94 ff. StVO 1960) zu treffen. Die Unterlassung solcher Maßnahmen, die auch gar nicht mehr unter den Begriff der Instandhaltung der Straße, auch nicht bei ausdehnender Auslegung, subsumiert werde können, können daher, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nicht zu einer Haftung des Straßenerhalters nach § 11 BStG 1948 führen. Davon, daß die Haftung der Beklagten für den Fahrzeugschaden des Klägers schon wegen der Unterlassung einer Sperre der Lechtalbundesstraße zur Unfallszeit bejaht werden müßte, kann also keine Rede sein. Eine Haftung der Beklagten nach dieser allein in Betracht kommenden Gesetzesstelle könnte daher, worin dem Berufungsgericht ebenfalls zuzustimmen ist, nur dann in Frage kommen, wenn die Beklagte die vorgesehenen Lawinenschutzbauten im Bereich der Unfallstelle vorsätzlich oder grob fahrlässig verzögert hätte, soweit ihr die frühere Errichtung solcher Lawinenschutzbauten überhaupt zuzumuten gewesen wäre.
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