OGH 6Ob244/72

OGH6Ob244/7221.12.1972

SZ 45/142

Normen

ABGB §543
ABGB §543

 

Spruch:

Die Angabe eines verheirateten Mannes als Erzeugers durch die Mutter eines unehelichen Kindes und das Anerkenntnis der Vaterschaft durch diesen Mann vor dem Jugendamt erfüllt nicht die Voraussetzung eines gerichtlichen Geständnisses iS des § 543 ABGB

OGH 21. 12. 1972, 6 Ob 244/72 (OLG Wien 5 R 99/72; LGZ Wien 7 Cg 420/71)

Text

Die Beklagte ist Alleinerbin ihres am 14. 11. 1970 verstorbenen Gatten Rudolf G. Der Nachlaß wurde ihr mit Einantwortungsurkunde vom 23. 2. 1971 eingeantwortet. Die Klägerin begehrt von der Erbin Zahlung von S 100.000.- als Erfüllung eines Vermächtnisses des Erblassers an sie laut Kodizill vom 15. 3. 1964.

Die Beklagte bekämpfte die Vermächtnisforderung mit der Behauptung, der Erblasser habe trotz aufrechter Ehe mit ihr, mit der Klägerin ehebrecherische Beziehungen zu einer Zeit aufgenommen, als die Klägerin noch nicht einmal das 14. Lebensjahr vollendet hatte. Zwar habe die Beklagte seinerzeit ihrem Ehegatten erklärt, sie wolle die Angelegenheit strafgerichtlich verfolgen, doch habe sie davon auf Bitte ihres Ehegatten Abstand genommen, da dieser sonst wegen des Lebensalters der Klägerin mit strafgerichtlicher Verfolgung hätte rechnen müssen. Die Klägerin habe diese Umstände benützt, um vom Erblasser die Errichtung des Kodizills zu erreichen. Dieses sei daher unter Zwang errichtet worden. Die Beklagte behauptet auch einen Widerruf des Kodizills durch den Erblasser in der Form, daß er geäußert habe, er wolle die Klägerin loswerden, doch habe sie ihn in der Hand.

Die Beklagte bringt weiter vor, die Klägerin habe am 4. 8. 1970 ein Kind zur Welt gebracht und der Erblasser habe am 7. 9. 1970 die Vaterschaft zu diesem Kind anerkannt und sich zu Unterhaltsleistungen verpflichtet. Das Kind sei daher im Ehebruch zwischen der Klägerin und dem Erblasser erzeugt worden. Dabei sei der Klägerin der aufrechte Bestand der Ehe zwischen dem Erblasser und der Beklagten bekannt gewesen. Schon wegen dieses Ehebruchs mit dem Erblasser stehe der Klägerin nichts zu.

Beide Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren auf der Grundlage des nachstehenden Sachverhaltes statt:

Die Klägerin trat im Jahre 1957 in ihrem damaligen Alter von 13 Jahren in ehebrecherische Beziehungen zum Erblasser, dem Ehegatten der Beklagten. Am 25. 12. 1963 verfügte der Erblasser ein Vermächtnis zugunsten der Klägerin im Betrage von S 50.000.-. Dieses Kodizill schrieb er aus freien Stücken, ohne daß ihn die Klägerin beeinflußte. Er begrundete gegenüber der Klägerin dieses Vermächtnis damit, sie solle in ihrem späteren Leben einen Rückhalt haben. In der Folge erklärte der Erblasser der Klägerin, er wolle den Betrag des Vermächtnisses auf S 100.000.- erhöhen. Er errichtete das Kodizill vom 15. 3. 1969 in Anwesenheit der Klägerin, ohne von ihr beeinflußt zu werden.

Die Klägerin brachte am 4. 8. 1970 das Kind Rudolf zur Welt und der Erblasser anerkannte die Vaterschaft zu diesem Kind gegenüber dem Jugendamt am 7. 9. 1970. Zugleich verpflichtete er sich zu einer Unterhaltsleistung. Über Ersuchen des Erblassers unternahm die Beklagte gegen die Klägerin keine gerichtlichen Schritte.

Das Kodizill, auf das die Klägerin ihren Anspruch stützt, lautet wie folgt: "Ich Rudolf G bestimme, daß Julietta M nach meinem Tode Notarisch oder Gerichtlich berechtigt ist, von meinem Vermögen einen Betrag von S 100.000.- (einhunderttausend) zu bekommen. Obwohl keine Zeugen zugegen sind, bestehe ich darauf, daß mein letzter Wille voll erfüllt wird. Geschrieben bei klarem Verstand G Rudolf eh."

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die von der Revision besonders bekämpfte Ansicht der Vorinstanzen, wonach der Ausschluß von der Rechtsnachfolge aus letztem Willen iS des § 543 ABGB davon abhängig ist, daß der letztwillig Bedachte noch zu Lebzeiten des Erblassers des Ehebruchs gerichtlich geständig gewesen oder überwiesen sein muß, steht mit der herrschenden Lehre (Ehrenzweig 374; Bartsch in Swoboda System IV 11; Koziol - Welser, Grundriß II 130) und der diesbezüglich einheitlichen und ständigen Rechtsprechung (SZ 42/144; SZ 32/215 uva) im Einklang. Die Revision weist darauf hin, daß im gegenständlichen Falle von einer Verunglimpfung des Andenkens des Erblassers nicht gesprochen werden könnte, wenn der Ehebruch zwischen ihm und der Klägerin erörtert und festgestellt würde, weil ja die Klägerin den Erblasser als Vater ihres unehelichen Kindes angegeben und damit den Ehebruch zugestanden habe und der Erblasser seine Vaterschaft anerkannt habe. Was zunächst die Frage der Verunglimpfung des Andenkens betrifft, so ist dies lediglich eine Erwägung, die bei Auslegung des Gesetzes von Lehre und Rechtsprechung angestellt und als Motiv des Gesetzgebers angenommen wurde. Ob aber ein solches Motiv des Gesetzgebers, das in abstracto angenommen wird, jedem konkreten Einzelfall entspricht, ist nicht zu untersuchen. Der Gesetzgeber hat sich jedenfalls entschlossen, die Anordnung des § 543 ABGB zu treffen und sein Entschluß und die Verbindlichkeit der Norm gelten unabhängig davon, ob das Motiv dem Einzelfall entspricht.

Nach den vorliegenden Feststellungen hat der Erblasser die Vaterschaft zu dem unehelichen Kind, das jedenfalls im Ehebruch gezeugt wurde, vor dem Jugendamt anerkannt. Daraus folgt, daß die Klägerin gegenüber der Verwaltungsbehörde den Erblasser als Vater des Kindes namhaft gemacht hat. Eine solche Namhaftmachung erfüllt nicht die Voraussetzung eines gerichtlichen Geständnisses iS des § 543 ABGB und die in der Revision vertretene Meinung, dieser Fall stehe dem gesetzlichen Erfordernis gleich, ist durch das Gesetz nicht gedeckt. Zur Zeit des Inkrafttretens des ABGB gab es die zur Obsorge über die Jugend berufenen Verwaltungsbehörden noch nicht. Ihre spätere Einrichtung hat der Gesetzgeber nicht zum Anlaß genommen, die Bestimmung des § 543 ABGB zu ändern bzw anzupassen. Übrigens genügt die bloße Namhaftmachung des Erzeugers eines Kindes den Anforderungen des § 543 ABGB auch aus inhaltlichen Gründen nicht. Das Geständnis müßte alle Merkmale des Ehebruchs umfassen, also auch das Wissen um den Ehestand des Erzeugers des Kindes. Das bloße Vorliegen dieser Tatsachen genügt für sich allein nicht. Abgesehen von dem Hinweis auf ein Anerkenntnis der Vaterschaft durch den Erblasser hat die Beklagte in erster Instanz nicht einmal behauptet, es habe die Klägerin zu Lebzeiten des Erblassers den Ehebruch gerichtlich eingestanden oder sie sei dessen gerichtlich überwiesen worden.

Aus all dem ergibt sich, daß die Revision die zutreffende rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen nicht zu erschüttern vermag, weshalb ihr ein Erfolg zu versagen war.

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