OGH 2Ob149/72

OGH2Ob149/7227.10.1972

SZ 45/113

Normen

ABGB §890
ABGB §1175
ABGB §1325
ZPO §266
ABGB §890
ABGB §1175
ABGB §1325
ZPO §266

 

Spruch:

Es ist dem Ermessen der Parteien anheimgestellt, ob sie einen direkten oder einen Indizienbeweis führen (hier: zum Nachweis des Verdienstentganges eines Selbständigen). - Forderungen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind regelmäßig Gesamthandforderungen

OGH 27. 10. 1972, 2 Ob 149/72 (LGZ Graz 3 R 167/72; BGZ Graz 7 C 96/71)

Text

Am 4. 8. 1970 fuhr der Erstbeklagte in G der Kreuzung E-gürtel - Astraße mit seinem Kraftwagen auf den zum Abbiegen eingeordneten Wagen des Klägers auf. Der Wagen des Klägers wurde dadurch beschädigt und betriebsunfähig. Er konnte vom Kläger erst nach der Reparatur, die vom 10. 8. bis 14. 8. 1970 dauerte, wieder in Verwendung genommen werden. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer des Erstbeklagten. Das Alleinverschulden des Erstbeklagten an der Beschädigung des Wagens des Klägers ist nicht strittig. Der entstandene Sachschaden wurde ersetzt.

Der Kläger begehrt von den beiden Beklagten zur ungeteilten Hand - nach einer am 5. 11. 1971 erfolgten Teilzahlung von S 1875.- - Zahlung von S 5625.- samt 4% Zinsen aus S 7500.- vom 21. 8. 1970 bis 5. 11. 1971 und aus S 5625.- ab 6. 11. 1971. Er behauptete dazu, durch die Beschädigung seines Wagens sei in dem in der Form einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht geführten Maschinschreibunternehmen ein Verdienstausfall von S 7500.- entstanden, weil er während der Reparaturdauer gehindert gewesen sei, seine Kunden zu besuchen und Aufträge einzuholen. Zur Unfallszeit sei der Kläger voll ausgelastet gewesen und er habe den durch den Entfall des Fahrzeuges entstandenen Schaden auch später nicht wettmachen können, zumal er auch in den folgenden Wochen und Monaten voll ausgelastet gewesen sei. Seine Gesellschafterin Susanne P sei damit einverstanden, daß er den gesamten Schaden im eigenen Namen geltend mache.

Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebegehrens und wendeten vor allem ein, der Kläger habe überhaupt keinen Ausfall erlitten, weil er die Aufträge, die er während der Stehzeit seines Wagens nicht habe einholen können, in der Folge ohnehin erlangt habe.

Das Erstgericht erkannte iS des Klagebegehrens. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Zwischen dem Kläger und Susanne P besteht eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht mit einem Beteiligungsverhältnis von 50:50. Betriebsgegenstand ist die Erteilung von Maschinschreibunterricht an Hauptschüler. Wo der Unterricht erwünscht ist, erhält der Kläger von den Hauptschuldirektoren Namen und Adressen der in Betracht kommenden Schüler der 2. Hauptschulklassen. Sodann sucht der Kläger zusammen mit Susanne P die Eltern dieser Schüler auf, um diese über den Zweck des Kurses und die Geschäftsbedingungen zu informieren. Wenn die Eltern die Teilnahme eines Kindes an dem Kurs wünschen, wird die Einschreibung vorgenommen, dh, ein Vertrag abgeschlossen. Der Maschinschreibunterricht wird in der Hauptschule selbst von einem Hauptschullehrer, der für den Kläger nebenberuflich tätig ist, erteilt.

Der Kläger und die Zeugin Susanne P besuchten während der Reparaturzeit des Wagens des Klägers keine Eltern. Bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu diesem Zwecke wäre kein entsprechender Erfolg zu erzielen gewesen. Dadurch sind ihnen Verträge effektiv entgangen.

Für den Verhinderungszeitraum vom 10. bis 14. 8. 1970 ist - laut Gutachten des Sachverständigen Rudolf S - ein Entgang von 14 Kursverträgen entsprechend und der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommend anzunehmen. Nach der Erfolgsrechnung für das Jahr 1970 arbeitet das Unternehmen des Klägers mit einem Unkostensatz von rund 32%. Die Einkommensteuer des Klägers beträgt rund 55% Der durchschnittliche Nettoverdienstentgang betrug somit rund S 7500.-.

Die Gesellschafterin Susanne P hat ihr Einverständnis erklärt, daß der Kläger den gesamten Verdienstentgang allein geltend macht.

In rechtlicher Beziehung ging das Erstgericht davon aus, daß die Beklagten den effektiven Verdienstausfall, bei dem es sich um positiven Schaden handle, zu ersetzen haben. Infolge des Einverständnisses der Susanne P sei der Kläger berechtigt, den ganzen Verdienstausfall im eigenen Namen geltend zu machen.

Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und wies die Sache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Sache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung, allenfalls nach ergänzender Berufungsverhandlung, zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Berufungsgericht, das auf die in der Berufung enthaltene Beweisrüge nicht einging, gelangte zur Aufhebung des Ersturteiles auf Grund folgender Erwägungen:

Der für den Kläger in Betracht kommende Kundenkreis sei von vornherein beschränkt gewesen. Daher müsse von ihm der Nachweis verlangt werden, welche Schüler welcher Schulen er im einzelnen als Maschinschreibschüler hätte gewinnen können, wenn es nicht zu dem Unfall und zu dem zeitweisen Ausfall seines Fahrzeuges gekommen wäre. Darüber hinaus könne er auch nicht von seiner Pflicht entbunden werden, den tatsächlich erlittenen Verdienstentgang unter Heranziehung einer entsprechenden Berechnung darzustellen.

Das Berufungsgericht trug somit dem Erstgericht auf, den Kläger im fortgesetzten Verfahren gemäß § 182 ZPO zur Aufstellung der entsprechenden Behauptungen und zum Anbot geeigneter Beweise anzuleiten. Im übrigen werde gegebenenfalls zu prüfen sein, ob der Kläger mit Rücksicht auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis mit Susanne P berechtigt sei, den ganzen Verdienstentgang im eigenen Namen geltend zu machen.

Dagegen bringt der Kläger zunächst vor, es könne von ihm nicht verlangt werden, den Nachweis der konkreten Chance eines jeden ihm entgangenen Geschäftes, somit jedes einzelnen der ihm entgangenen Kursverträge unter Namhaftmachung der betreffenden Schule bzw Schüler nachzuweisen, sondern es müsse zulässig sein, aus einem früheren oder späteren Geschäftsverlauf Rückschlüsse auf den mutmaßlichen Geschäftsverlauf in dem Behinderungszeitraum zu ziehen. Dem ist aus der Erwägung beizupflichten, daß die Parteien ihr Prozeßverhalten frei gestalten können, soweit das Prozeßrecht eine solche Verfügung nicht ausdrücklich ausschließt (Fasching III, 5 Anm 6 der Vorbem zu § 226). Den Parteien steht daher die Wahl der Beweismittel, derer sie sich in einem Zivilprozeß bedienen wollen, grundsätzlich frei und es ist auch ihrem Ermessen anheimgestellt, statt einen direkten Beweis zu führen, der ihnen vielleicht unmöglich oder zu schwierig erscheint, sich eines Indizienbeweises zu bedienen, dh, dem Gericht durch den Beweis bestimmter Hilfstatsachen die volle Überzeugung von dem Vorhandensein der direkt nicht oder nur schwer zu beweisenden Haupttatsache zu vermitteln (vgl Fasching III, 229 Anm 14 zu den Vorbem zu § 266). Diesen Weg hat der Kläger im vorliegenden Fall gewählt und das Erstgericht hat auch tatsächlich den Beweis eines unfallsbedingten Verdienstentganges von S 7500.- als erbracht angesehen. Daß dieser Beweis auf indirekte Weise überhaupt nicht hätte geführt werden können, kann von vornherein nicht gesagt werden, weil sich ein Verdienstausfall, den ein Unternehmer dadurch erleidet, daß ein zur Berufsausübung erforderliches Kraftfahrzeug unfallsbedingt einige Tage hindurch nicht zur Verfügung steht, in der Regel durch den Vergleich des Erfolges seiner Geschäftstätigkeit vor der Beschädigung und allenfalls auch nach der Reparatur seines Fahrzeuges nachweisen läßt (vgl dazu ZVR 1966/122, 2 Ob 358/59, 2 Ob 326/60). Daß dieser Grundsatz hier nicht anwendbar wäre, weil der in Frage kommende Kundenkreis des Klägers auf eine bestimmte Personengruppe eingeengt war, läßt sich schon deshalb nicht sagen, weil eine Begrenzung der Tätigkeit auf bestimmte Ortschaften oder Gebiete nicht vorlag. Es kann daher der Beweis, wie ihn das Berufungsgericht für nötig hält, vom Kläger nicht verlangt werden. Das Berufungsgericht hätte sich daher zunächst mit der Bekämpfung der Tatsachenfeststellungen und der Beweiswürdigung auseinandersetzen müssen. Es wird dies im fortgesetzten Verfahren vorzunehmen haben, und es wird seine Sache sein, im Falle von Bedenken gegen die erstrichterliche Beweiswürdigung den betreffenden Teil des Beweisverfahrens zu wiederholen.

Soweit das Berufungsgericht eine Darlegung des vom Kläger behaupteten Verdienstentganges im einzelnen vermißt, sei nur darauf verwiesen, daß diesbezüglich eine konkrete Behauptung vorliegt und daß entsprechende Feststellungen getroffen wurden, sodaß es offenbar nicht mehr notwendig erscheint, den Kläger hier zu einem weiteren Vorbringen anzuhalten, wenn auch die Klage selbst eine Berechnung des Verdienstentganges nicht enthält.

Zur Frage der Aktivlegitimation des Klägers sei auf folgendes verwiesen:

Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes kann ihre Forderungen nicht als Gesellschaft einklagen. Als Kläger haben vielmehr grundsätzlich die Gesellschafter aufzutreten (Fasching II, 118, EvBl 1962/514, Arb 5718 ua). Das bedeutet aber noch nicht, daß ein Gesellschafter allein keinesfalls zur Klage legitimiert wäre. Die Forderungen der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes sind nämlich regelmäßig als Gesamthandforderungen anzusehen (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 290, Ehrenzweig[2] II/1, 548, SZ 7/25). Infolge dieser Rechtsnatur der hier eingeklagten Forderung hatte der Kläger schon zufolge § 890 Satz 2 ABGB bei Nachweis der "Übereinkunft aller Mitgläubiger", also hier mit der Gesellschafterin Susanne P, die Legitimation zur Einklagung der gesamten Forderung. Die Erklärung der Susanne P, mit der Einklagung des ganzen Schadens durch den Kläger einverstanden zu sein, stellt vorliegendenfalls also nicht etwa eine - nach der neueren Rechtsprechung unzulässige - bloße Übertragung des Prozeßführungsrechtes, sondern den Nachweis der nach § 890 Satz 2 ABGB erforderlichen "Übereinkunft" dar (vgl dazu auch EvBl 1971/177). Auch in dieser Hinsicht ist das Verfahren nicht ergänzungsbedürftig.

Demzufolge war dem Rekurs Folge zu geben, der angefochtene Beschluß des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung, allenfalls nach ergänzender Verhandlung, zurückzuverweisen.

Stichworte