OGH 1Ob124/72

OGH1Ob124/7221.6.1972

SZ 45/72

Normen

ABGB §1330 Abs2
JN §99 Abs1
ABGB §1330 Abs2
JN §99 Abs1

 

Spruch:

Ein Anspruch auf Widerruf nach § 1330 Abs 2 ABGB ist ein vermögensrechtlicher Anspruch iS des § 99 Abs 1 JN

OGH 21. 6. 1972, 1 Ob 124/72 (OLG Linz 2 R 30/72; LG Salzburg 6 Cg 207/71)

Text

Mit der am 14. 5. 1971 eingebrachten Klage begehrte der Kläger, der Bauverein F in S, vom Beklagten, einem Wohnungseigentümer, der in der Bundesrepublik Deutschland seinen Wohnsitz hat, den schriftlichen Widerruf der vom Beklagten am 30. 3. 1971 anläßlich einer Wohnungseigentümerversammlung gegenüber dem geschäftsführenden Obmann des Klägers erhobenen, nach Klagebehauptung unwahren Vorwürfe, mit der Baufirma S, die die gegenständlichen Eigentumswohnungen errichtet hatte, unter einer Decke zu stecken und von ihr Provision entgegengenommen zu haben, und die künftige Unterlassung derartiger Äußerungen. Durch die Verbreitung der unwahren Behauptungen sei nicht nur Kredit und Erwerb des Klägers gefährdet, sondern ihm auch ein wirklicher Schaden und ein Gewinnentgang verursacht worden, dessen Geltendmachung ausdrücklich vorbehalten werde. Die Zuständigkeit des Erstgerichtes wurde vom Kläger auf den Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 Abs 1 JN gegrundet, da der Beklagte Eigentümer einer Wohnung in S sei. Bei der ersten Tagsatzung erhob der Beklagte die Einreden der örtlichen Unzuständigkeit sowie des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit und führte diese in der Klagebeantwortung dahin aus, daß mit der vorliegenden Klage kein vermögensrechtlicher Anspruch geltend gemacht werde, da nicht der Ersatz eines Schadens, sondern nur der Widerruf und die künftige Unterlassung ehrenrühriger Erklärungen gefordert werde. Die Voraussetzungen des Gerichtsstandes des Vermögens nach § 99 JN seien daher nicht gegeben.

Das Erstgericht wies nach Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede die Klage zurück. Der Vermögensgerichtsstand des § 99 JN könne nur für vermögensrechtliche Ansprüche herangezogen werden, wozu aber Ansprüche auf Widerruf und Unterlassung von Äußerungen nicht gehörten.

Dem gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom Kläger erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß es die Einreden der örtlichen Unzuständigkeit und der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit verwarf. Der Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 JN könne nur für vermögensrechtliche Ansprüche herangezogen werden. Die Jurisdiktionsnorm gebrauche den Ausdruck "vermögensrechtliche Ansprüche" auch noch in den §§ 49 Abs 1 und 86 Abs 1 im Gegensatz zu solchen Ansprüchen, die dem Personen- oder Familienrecht angehören. Bei den "vermögensrechtlichen Ansprüchen" müsse es sich um solche handeln, die dem großen Gebiete des Vermögensrechtes, das nach dem ABGB in die dinglichen und persönlichen Sachenrechte zerfalle, angehören. Es sei daher bei der Beurteilung eines Anspruches von seinem materiellrechtlichen Inhalt auszugehen. Nach Fasching I, Anm 3 zu § 99 JN seien unter vermögensrechtlichen Ansprüchen alle Ansprüche zu verstehen, die sich entweder aus vermögensrechtlichen Beziehungen ableiten oder die auf Geld oder Geldeswert gerichtet seien. Es entscheidet die Natur des Rechtes, dessen Schutz der Kläger begehrt. Für die Frage, ob der Widerruf nach § 1330 Abs 2 ABGB einen vermögensrechtlichen Anspruch darstelle, sei davon auszugehen, daß der Widerruf im XXX. Hauptstück des ABGB über den Schadenersatz Aufnahme gefunden habe. Neben der allgemeinen Regelung des Schadenersatzes sehe das ABGB bei den einzelnen Arten der Schadenzufügung besondere Ersatzleistungen vor, so im § 1330 Abs 2 ABGB den Widerruf. Der Anspruch auf Widerruf sei daher ein reiner Schadenersatzanspruch. Eine Unterscheidung zwischen dem Ersatz des in Geld abzuschätzenden Schadens und dem Widerruf sei unzulässig; beide zusammen ergäben eben den vom Gesetz dem Geschädigten gewährten Schadenersatzanspruch. Beschränke sich der Schadenersatzanspruch auf den Widerruf, so erfülle dieser die Aufgabe, die Rechtslage des Geschädigten wiederherzustellen und die Schadensfolge zu beseitigen oder eine solche hintanzuhalten.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurse des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Jurisdiktionsnorm gebraucht den Ausdruck "vermögensrechtliche Ansprüche" in den §§ 49 Abs 1 Z 1, 86 Abs 1 und 99 Abs 1 im Gegensatz zu Ansprüchen, die dem Personen- oder Familienrecht angehören (SZ 5/163). Vermögensrechtliche Ansprüche sind solche, die sich entweder aus vermögensrechtlichen Beziehungen ableiten oder die auf Geld oder Geldeswert gerichtet sind. Es entscheidet die Natur des Rechtes, dessen Schutz der Kläger begehrt. Es ist sowohl möglich, daß sich der Anspruch nicht auf ein schuldrechtliches Verhältnis grundet, wohl aber als Gegenstand einen Vermögenswert der eine vermögenswerte Leistung hat, als auch, daß der Grund des Anspruches in einem vermögensrechtlichen Verhältnis liegt, das Begehren jedoch nicht auf Leistung eines Vermögenswertes oder überhaupt nicht auf Leistung gerichtet ist. Daher fallen unter die vermögensrechtlichen Ansprüche auch etwa reine Feststellungsklagen, sofern ihnen eine vermögensrechtliche Beziehung zugrunde liegt (vgl Fasching I, 477, Anm 3). Charakteristisch für vermögensrechtliche Ansprüche ist, daß sie - zumindest in der Regel - vererblich oder veräußerlich sind (vgl dazu Fasching aaO 298, Anm 1; Ehrenzweig[2] II/2. 356; Weiß in Klang[2] III, 23; Gschnitzer, Erbrecht 6). Da § 99 JN dem § 23 der deutschen Zivilprozeßordnung entspricht, kann hier auch auf die deutsche Judikatur verwiesen werden, die denselben Standpunkt einnimmt (vgl Baumbach - Lauterbach[30], Übersicht vor § 1 ZPO unter P 3).

Im vorliegenden Fall stützte der Kläger, ein Bauverein, den Anspruch auf Widerruf gemäß § 1330 Abs 2 ABGB darauf, daß der Beklagte in einer Wohnungseigentümerversammlung gegenüber dem Obmann des Bauvereins den Vorwurf erhoben habe, der Kläger könne und werde die Baufirma, die in seinem Auftrag die Eigentumswohnungen errichtet habe, wegen Behebung von Mängeln nicht klagen, weil er mit dieser Firma unter einer Decke stecke und von ihr Provisionen entgegengenommen habe. Durch die Verbreitung dieser Behauptung, deren Unwahrheit der Beklagte gekannt habe, sei der Kläger in seinem Kredit, Erwerb und Fortkommen gefährdet worden, überdies sei ihm dadurch ein wirklicher Schaden entstanden und ein Gewinn entgangen, dessen Geltendmachung schon in der Klage ausdrücklich vorbehalten wurde. Der Widerruf und die begehrte Unterlassungsverpflichtung sind dazu bestimmt, den Schaden an Vermögensrechten, der dem Kläger nach seiner Behauptung durch die Verbreitung unwahrer Tatsachen durch den Beklagten entstanden sein soll, gutzumachen bzw eine weitere Schädigung zu verhindern. Das Klagebegehren dient also nicht etwa nur den Schutz von ideellen Interessen, sondern auch von Vermögensrechten, sodaß Gegenstand des Klagebegehrens schon vermögensrechtliche Ansprüche bilden, für deren Geltendmachung der Gerichtsstand des Vermögens gegeben ist (vgl dazu auch das Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes BGHZ 14, 74 und die dort zitierte Literatur). Nur der Vollständigkeit halber sei hier noch beigefügt, daß die Lehre gerade bei Unterlassungsansprüchen nach § 1330 ABGB die für Vermögensrechte in der Regel charakteristische Vererblichkeit bejaht (vgl Weiß aaO 27 unter lit f). Das Rekursgericht hat daher ohne Rechtsirrtum das Vorliegen der Voraussetzungen des § 99 Abs 1 JN angenommen.

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