OGH 1Ob52/72

OGH1Ob52/725.4.1972

SZ 45/39

 

 

Spruch:

Die Dienstbarkeit der Schiabfahrt wird nur für jene Teile eines Grundstückes ersessen, die von den die Abfahrt in Anspruch nehmenden Schifahrern tatsächlich benützt werden

So lange die Verwendung neuzeitlicher Pistenbearbeitungsgeräte den Eigentümer einer mit der Dienstbarkeit der Schiabfahrt belasteten Liegenschaft keine fühlbare Belastung bedeutet oder von ihm bei Abschluß eines Dienstbarkeitsvertrages nach den Umständen erwartet werden konnte, muß er sie hinnehmen

 

OGH 5. 4. 1972, 1 Ob 52, 53/72 (OLG Linz 1 R 120, 121/71; LG Salzburg 1 Cg 284/69)

 

Begründung:

Der Kläger und Widerbeklagte (im folgenden als Kläger bezeichnet) ist Eigentümer der Liegenschaften EZ 78 und 80 der KG W sowie der Z 70 KG B.

Der Kläger begehrte die Feststellung, daß zugunsten der beklagten und widerklagenden Partei das ist die Gemeinde B (im folgenden als beklagte Partei bezeichnet) auf angeführten Grundstücken keine wie immer geartete Dienstbarkeit bestehe, und die beklagte Partei schuldig zu erkennen, alle sich als Ausübung einer Dienstbarkeit darstellenden Handlungen zu unterlassen.

Der Kläger begründete dieses Begehren damit, daß in einem von ihm beim LG Salzburg gegen die S-Bergbahn GmbH angestrengten Verfahren letztere die Ersitzung der Schiabfahrtdienstbarkeit durch die Gemeinde B behauptet habe. Der beklagten Partei stehe aber eine solche Dienstbarkeit nicht zu.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Begehrens des Klägers und begehrte ihrerseits mit einer Widerklage die Feststellung, daß ihr auf den gleichen Grundstücken die Dienstbarkeit der öffentlichen Schiabfahrt mit der Berechtigung zustehe, die Schiabfahrtsstrecke durch Einsatz von Maschinen im Sommer und im Winter instandzuhalten und daß der Kläger schuldig sei, in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen.

Zur Begründung führte die beklagte Partei aus, daß sie diese Dienstbarkeit ersessen habe.

Das Erstgericht stellte das Bestehen einer Dienstbarkeit der öffentlichen Schiabfahrt zugunsten der beklagten Partei auf einem seit der zur EZ 78 und 80 der KG W gehörigen Grundstücken sowie den zur EZ 70 KG B gehörigen Grundstücke fest und erkannte den Kläger schuldig, in die Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen. Es stellt weiter das Nichtbestehen einer Dienstbarkeit der öffentlichen Schiabfahrt zugunsten der beklagten Partei auf anderen zur EZ 78 KG W gehörigen Grundstücken sowie an zur EZ 80 KG W gehörigen Grundstücken fest. Das darüber hinausgehende Begehren der Klage und das darüber hinausgehende Begehren der Widerklage wurden abgewiesen.

Das Erstgericht ging dabei von den Feststellungen aus, die letzterwähnten zur EZ 78 der KG W gehörigen Grundstücke seien bei der Schiabfahrt überhaupt nicht benützt worden. Hingegen seien die anderen Grundstücke bei der Schiabfahrt benützt worden. Die Schiabfahrt über diese Grundstücke sei seit mehr als 30 Jahren ausgeübt worden. Die Schiabfahrtsstrecke sei im Laufe der Jahre immer mehr ausgebaut worden. Schon in den Jahren 1924 und 1925 habe der Schiclub B Schlägerungen im Bereich der oberen Waldgrenze durchgeführt. Auch während des zweiten Weltkrieges hätten Pioniere der Deutschen Wehrmacht Gräben überbrückt, um die Ausfahrt auszugestalten. Der Ausbau sei nach dem zweiten Weltkrieg fortgesetzt worden, wobei dies im Einvernehmen mit dem Vorbesitzer der gegenständlichen Grundstücke, dem Vater des Klägers, geschehen sei. Seit 1949 habe die Kurverwaltung B für den weiteren Ausbau der Schiabfahrt Sorge getragen. Vor dem Bau der S-Bergbahn sei die Schiabfahrt nur von einzelnen Tourenfahrern betrieben worden. Seit der im Jahre 1951 erfolgten Eröffnung dieser Bergbahn herrsche reger Schifahrtsbetrieb. Die Schifahrt sei für den Fremdenverkehr in B eine absolute Notwendigkeit geworden. Die Gemeindevertretung von B habe am 28. 3. 1968 in einer Sitzung den Beschluß gefaßt, die durch die Gemeindeangehörigen und das Touristenpublikum getätigten Besitzerwerbshandlungen der Schiabfahrt über die klagsgegenständlichen Grundstücke zu genehmigen und für sich das Recht der öffentlichen Schiabfahrt in Anspruch zu nehmen.

Aus diesem festgestellten Sachverhalt zog das Erstgericht die rechtlichen Schlüsse, daß die beklagte Partei die Dienstbarkeit der öffentlichen Schiabfahrt im erwähnten Rahmen über die zur EZ 78 KG W gehörigen Grundstücke durch Ersitzung erworben habe. Auch durch eine Gemeinde könne die Dienstbarkeit einer Schiabfahrt zugunsten der Gemeindeangehörigen und des Touristenpublikums erworben werden.

Das geltend gemachte Recht, die Schiabfahrtsstrecke auch durch Einsatz von Maschinen im Sommer und im Winter instand zu halten, komme der beklagten Partei jedoch auch bezüglich jener Grundstücke nicht zu, hinsichtlich welcher sie die Dienstbarkeit der öffentlichen Schiabfahrt ersessen habe. Es handle sich dabei um die Art der Ausübung der Dienstbarkeit, die im § 484 ABGB geregelt sei. Nach dieser Vorschrift könne der Berechtigte sein Recht zwar auf die ihm gefällige Art ausüben, doch dürften Dienstbarkeiten nicht erweitert werden; sie müßten vielmehr, soweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestatte, eingeschränkt werden. Das Ausmaß der Dienstbarkeit richte sich demnach nach dem Inhalte des Titels im gegenständlichen Falle also nach dem Inhalt der Ersitzung. Nun habe aber die beklagte Partei weder behauptet noch bewiesen, daß die Schiabfahrtsstrecke bereits während der ganzen Ersitzungszeit mit Maschinen bearbeitet worden wäre. Außerdem sei dieses Teilbegehren auch aus formalrechtlichen Gründen nicht zulässig. Gemäß § 228 ZPO seien nämlich nur Rechte und Rechtsverhältnisse feststellbar, nicht aber eine bloße Eigenschaft derselben, also ein qualitatives Element.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien Folge und hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf.

Bisher fehlten detaillierte Beweisaufnahmen und Feststellungen darüber, wie sich während des Ersitzungszeitraumes die die gegenständliche Schiabfahrtsstrecke betreffenden Verhältnisse entwickelt bzw verändert hätten. So sei insbesondere nicht geklärt, wie stark die Strecke jeweils frequentiert war, wann, an welchen Stellen und in welchem Umfange in den einzelnen Zeitabschnitten Schlägerungen oder sonstige Veränderungen zur Herstellung der Abfahrtstrasse oder Verbesserung der Abfahrtsverhältnisse vorgenommen wurden, in welcher Breite und auf welchen Teilen der einzelnen Parzellen von den Schifahrern jeweils die Abfahrtstrasse in Anspruch genommen wurde, seit wann und in welcher Weise die Piste präpariert wird, welche mechanischen Aufstiegshilfen außer der S-Bergbahn Schifahrer der gegenständlichen Abfahrtsstrecke zubringen, seit wann und in welchem Ausmaß dies geschieht und schließlich welche Nachteile die jeweiligen Grundeigentümer in den einzelnen Zeitabschnitten durch die gegenständliche Schiabfahrt erlitten haben. Als solche Nachteile kämen insbesondere die Erhöhung der Lawinengefahr und der Gefahr des Abganges von Muren sowie die Änderung der Bewässerungsverhältnisse zufolge der Ausschlägerung der Abfahrtstrasse und der sonstigen Veränderung der Bodenverhältnisse, die Zerstörung oder Beschädigung der Grasnarbe oder des sonstigen Bodenbewuchses durch Befahren der Piste bei dürftiger Schneelage und zur Zeit der Schneeschmelze, weiter der Ausfall des Holzzuwachses auf der Piste, die Beeinträchtigung des Wildbestandes durch den von den Schifahrern und Pistengeräten ausgehenden Lärm und der Wegfall der Möglichkeit der Aufführung von Bauten auf den für die Abfahrtspiste in Anspruch genommenen Grundflächen in Betracht. Erst wenn diese Tatsachen geklärt und festgestellt seien, werde sich rechtlich beurteilen lassen, ab welchem Zeitpunkt die Verhältnisse hinsichtlich der gegenständlichen Schiabfahrt so gestaltet waren, daß sie der derzeitigen Lage entsprachen, auf die zweifellos das Begehren der Widerklage abgestellt sei; dieses Begehren strebt offenbar die rechtliche Sicherung der derzeitigen faktischen Schiabfahrtsverhältnisse an. Diese Klärung sei aber bei einer auf den Rechtstitel der Ersitzung abgestellten Entscheidung erforderlich, weil nur solche Zeiträume in die Ersitzungszeit einbezogen werden könnten, in denen die Abfahrtsverhältnisse von solcher Art waren, daß ihnen gegenüber die derzeitigen Verhältnisse nicht als unzulässige Servitutserweiterung iS § 484 ABGB gewertet werden können.

Auch die Frage, ob eine Servitut der öffentlichen Schiabfahrt mit dem Recht der Instandhaltung der Strecke durch Einsatz von Maschinen im Sommer und Winter ersessen wurde, könne abschließend erst nach Klärung des Sachverhaltes beurteilt werden.

Der Auffassung, daß der Ersitzung der Dienstbarkeit der öffentlichen Schiabfahrt an den gegenständlichen Grundstücken, soweit es sich um Waldparzellen handelt, schon rechtliche Gründe entgegengestanden seien, könne nicht beigetreten werden. Daß die Ersitzung selbständiger Wegerecht an Waldgrundstücken trotz der Bestimmungen des Servitutenregulierungspatentes vom 5. 7. 1853, RGBl 130, nicht ausgeschlossen ist, sei nunmehr ständige Rechtsprechung (SZ 18/218; JBl 1956, 98; RZ 1962, 251; Klang 2 II, 560 und VI, 573). Die Bestimmungen des seit 1. 3. 1938 in Geltung stehenden Salzburger Wald- und Weideservitutengesetzes vom 4. 2. 1938, LGBl 14 (wiederverlautbart mit LGBl 1955/65) und die entsprechenden Grundsatzbestimmungen der Verordnung der Bundesregierung vom 30. 6. 1933, BGBl 307, ließen es aber nicht nur nach ihrem Sinn und Zweck, sondern auch nach ihrem Wortlaut nicht zweifelhaft erscheinen, daß im Lande Salzburg an Waldgrundstücken selbständige Wegerechte ersessen werden können. Auch in der Bestimmung des § 2 des Reichsforstgesetzes (Kaiserlichen Patentes) vom 3. 12. 1852, RGBl 250, wonach ohne behördliche Bewilligung kein Waldgrund der Holzzucht entzogen und zu anderen Zwecken verwendet werden darf, sei bisher von der Rechtsprechung noch nie ein Ersitzungshindernis hinsichtlich von Wegerechten an Waldgrundstücken erblickt worden. Schließlich könnten nach der Rechtsprechung (SZ 34/59) die für Wegerechte iS des § 477 ABGB angestellten Erörterungen auch für Schiabfahrten gelten. In dieser Beziehung sei nämlich eine Schiabfahrt einem Touristenweg gleichzusetzen; denn auch sie diene dem Bedürfnis des Publikums zu winterlichen Bergausflügen.

Es erscheine nach Auffassung des Berufungsgerichtes allerdings zweckmäßig, im fortgesetzten Verfahren vorerst die voraussichtlich mit weniger Prozeßaufwand verbundene Frage einer endgültigen Klärung zuzuführen, ob und bejahendenfalls inwieweit die geltend gemachte Servitut der öffentlichen Schiabfahrt vom Kläger oder dessen Rechtsvorgänger durch schlüssiges Verhalten bzw Stillschweigen vertraglich eingeräumt wurde.

Sollte das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren abermals zu dem Ergebnis kommen, daß der beklagten Partei - sei es aus dem Titel der Ersitzung oder demjenigen einer vertraglichen Einräumung - eine Servitut der öffentlichen Schiabfahrt zustehe, werde auch zu klären und festzustellen sein, welche Teile der einzelnen Parzellen von der Servitut erfaßt sind; denn nur in diesem und nicht auch im weitergehenden Umfang seien die Grundstücke belastet.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Kläger versucht zunächst aufzuzeigen, daß die Ersitzung der Dienstbarkeit der Schiabfahrt an Waldgrundstücken sowohl durch die Bestimmungen des Servitutenregulierungspatentes vom 5. 7. 1853, RGBl 130, als auch durch jene des Salzburger Wald- und Weideservitutengesetzes vom 4. 2. 1938 LGBl 14 (wiederverlautbart mit LGBl 1955/65) ausgeschlossen sei.

Die Frage, ob das zitierte Servitutenregulierungspatent die Ersitzung selbständiger Wegerechte an Waldgrundstücken hindere, wurde geraume Zeit in Lehre und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Die richtungsweisende Entscheidung SZ 18/218 gab nicht nur einen historischen Überblick über diesen in Lehre und Rechtsprechung geführten Meinungsstreit, sie hat ihn zumindest für den Bereich der Rechtsprechung auch beendet, indem sie überzeugend darlegte, daß die Ersitzung selbständiger Wegerechte an Waldgrundstücken durch das Servitutenregulierungspatent durchaus nicht ausgeschlossen ist. Die nachfolgenden Entscheidungen (JBl 1948, 62; JBl 1956, 98; JBl 1967, 210; 5 Ob 69/68, 1 Ob 8/70) sind der grundlegenden Entscheidung SZ 18/218, die auch durch maßgebliche Lehrmeinungen gestützt wird (Klang in Klang 2 II, 560, und die dort enthaltenen Literaturhinweise; Gschnitzer, Sachenrecht 153), gefolgt; auch die Rechtsausführungen des Klägers bieten keinen Anlaß, davon abzugehen.

Nach § 1 Abs 1 des Salzburger Wald- und Weideservitutengesetzes vom 4. 2. 1938, LGBl 14 (wiederverlautbart mit LGBl 1955/65), das in Ausführung des Art I der Verordnung der Bundesregierung vom 30. 6. 1933, BGBl 307, betreffend Grundsätze für die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besondere Felddienstbarkeiten, erlassen wurde, sind Nutzungsrechte iS dieses Gesetzes die zu § 1 Z 1, 2, 3 lit a des Servitutsregulierungspatentes bezeichneten Rechte einschließlich der seit Erlassung desselben entstandenen Rechte dieser Art, uzw 1. alle wie immer benannten Holzungs- und Bezugsrechte von Holz ...; 2. die Weiderechte auf fremden Grund und Boden; 3. alle nicht schon unter Z 1 und 2 mit inbegriffenen Feldservituten, bei denen das dienstbare Gut Wald oder der Waldkultur gewidmeter Boden ist, mit Ausnahme der Wegerechte. Nach § 1 Abs 2 des Salzburger Wald- und Weideservitutengesetzes können diese Nutzungsrechte .. der Ergänzungsregulierung, Regulierung oder Ablösung unterzogen werden. § 2 Abs 1 leg cit hingegen bestimmt, daß Nutzungsrechte nicht ersessen werden können. Da das Gesetz die Nutzungsrechte im einzelnen namentlich aufzählt (§ 1 Abs 1 Z 1 bis 3) und die Wegerechte hievon ausdrücklich ausnimmt, ergibt sich, daß das Salzburger Wald- und Weideservitutengesetz die Ersitzung von Wegeservituten gleichfalls nicht ausschließen will.

Ebenso wie ein Wegerecht von einer juristischen Person (Gemeinde) als unregelmäßige Servitut ersessen werden kann, ohne daß diese Dienstbarkeit nur als Grunddienstbarkeit für ein herrschendes Grundstück begründet werden müßte (Ehrenzweig-Sachenrecht, § 257, 340; Gschnitzer aaO; 5 Ob 69/68), kann auch die Dienstbarkeit der Schiabfahrt durch Ersitzung erworben werden (SZ 34/59 = JBl 1962, 148 mit Glosse von Gschnitzer; LwBetrieb 1969, 104; JBl 1969, 606 mit abl Besprechung von Reindl in JBl 1969, 592). Die von der Rechtsprechung vorgenommene Gleichstellung von Schiabfahrten mit Berg- und Touristenwegen erscheint deshalb zulässig, weil auf dem Wege über Schipisten einem bestimmten Personenkreis eine möglichst gefahrlose Rückkehr von Berghöhen, von Berg- und Schihütten in das Tal gewährleistet wird (vgl SZ 34/59 = JBl 1962, 148; JBl 1969, 606).

Die Bemühungen des Klägers, darzutun, daß sein Rechtsvorgänger die (noch) klagsgegenständliche Dienstbarkeit der Schiabfahrt weder ausdrücklich noch konkludent bestellt habe, jedenfalls aber nicht in dem von der beklagten Partei behaupteten Ausmaße und vor allem auch nicht zugunsten der beklagten Partei, sind allein deshalb nicht zielführend, weil die diesbezügliche Argumentation ein Sachverhaltsbild vorwegnimmt, das zumindest bisher noch nicht erhoben worden ist. Beizupflichten ist den Rekursausführungen des Klägers allerdings darin, daß bei der Prüfung der Frage einer allfälligen schlüssigen Dienstbarkeitseinräumung seitens des Rechtsvorgängers des Klägers zu untersuchen sein wird, ob eine solche zugunsten der beklagten Partei oder aber zugunsten eines anderen Rechtssubjektes (S-Seilbahn AG) erfolgt ist. Unrichtig ist hingegen die Auffassung des Klägers, daß eine im Zusammenhang mit der Errichtung der S-Seilbahn eingeräumte Servitut der Schiabfahrt die Präparierung der entsprechenden Piste (Trasse) mit modernen, zweckentsprechenden Geräten nicht decke. Es handelt sich hier nicht - wie der Rekurswerber anzunehmen scheint - um eine Frage der Ausübung der eingeräumten Servitut, es hat dies auch nichts mit der gesetzlichen Anordnung zu tun, daß Dienstbarkeiten nicht erweitert werden dürfen und nach Möglichkeit eingeschränkt werden sollen (§ 484 ABGB), es geht dabei vielmehr um das Ausmaß der Dienstbarkeit, um den Umfang der damit verbundenen Befugnisse, die sich nach dem Inhalt des Titels richten (vgl Klang aaO II, 564). Sollte vom Rechtsvorgänger des Klägers aus Anlaß und im Zuge der Errichtung der S-Seilbahn die Dienstbarkeit der Schiabfahrt vertraglich, sei es ausdrücklich oder konkludent (§ 863 ABGB) eingeräumt worden sein, dann mußte den Beteiligten allein aus der Größe der projektierten Anlage und dem zu erwartenden Beförderungsvolumen bewußt geworden sein, daß die Instandsetzung der Abfahrtsstrecke mit modernen, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Pistenpräparierungsgeräten eine unabdingbare Voraussetzung für eine den Anforderungen des sporttreibenden Publikums und eine wirtschaftlichen Erfordernissen entsprechende rationelle Betriebsführung bildet.

Hierüber konnte jedenfalls ein Zweifel nicht bestehen, so daß der Kläger aus der Bestimmung des § 915 ABGB für seinen Rechtsstandpunkt nichts gewinnen würde.

Die beklagte Partei wendet sich vor allem gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß Besitzhandlungen auf einen Teil einer Grundparzelle nicht zur Ersitzung der Dienstbarkeit auf der gesamten Grundparzelle führen und bekämpft deshalb auch die Forderung, daß sie nachzuweisen habe, welche Teile der einzelnen Parzellen von einer allenfalls ersessenen oder vertraglich eingeräumten Dienstbarkeit der Schiabfahrt erfaßt seien.

Nach der Bestimmung des § 315, erster Halbsatz ABGB erhält man durch unmittelbare Besitzergreifung nur so viel, als wirklich ergriffen, betreten, gebraucht, bezeichnet oder in Verwahrung gebracht worden ist, weil alles, was nicht ergriffen worden, noch allen übrigen zur Besitznehmung offensteht (Schey, Klang aaO II, 82). Ehrenzweig (System2 Sachenrecht 80) weist darauf hin, daß es sich bei der Frage, in welchem Umfang der Besitz erworben worden ist, um eine solche der Auslegung handle. Es komme darauf an, welches Recht der eine Teil ausüben und der andere anerkennen oder dulden wollte. Stets sei nur der erkennbare oder nach den Umständen anzunehmende Wille zu beachten, wobei als maßgebende Umstände der behauptete Rechtstitel, der Grundbuchsstand, das wirtschaftlich Richtige, der Ortsgebrauch in Betracht kämen. Im Zweifel beschränke sich der Besitz auf die bisherige Ausübung.

Der Inhalt des in Besitz genommenen Rechtes wird demnach durch die denselben begründenden Ergreifungsakte bestimmt. Bei der Ersitzung einer Schiabfahrt wird - ebenso wie bei der Ersitzung einer Wegedienstbarkeit - im Regelfall nicht die gesamte belastete Grundparzelle betreten bzw gebraucht. Im konkreten Fall könnte also die behauptete Dienstbarkeit der Schiabfahrt, nur in den räumlichen Grenzen, in denen sie schon vor dreißig Jahren ausgeübt wurde, ersessen worden sein. Nach der Regelung des § 484 ABGB braucht sich der Dienstbarkeitsberechtigte eigenmächtige Maßnahmen des Eigentümers der belasteten Grundfläche nicht gefallen zu lassen, er ist aber andererseits gehalten, die dienstbare Sache tunlichst zu schonen. Hieraus und aus dem Grundsatz, daß Dienstbarkeiten nicht erweitert oder wenigstens nicht über die durch den Erwerbstitel gezogene Grenze ausgedehnt werden dürfen, ergibt sich, daß die beklagte Partei entgegen ihrem Rechtsstandpunkt sehr wohl nachzuweisen hat, auf welchen Teilen der einzelnen Grundparzellen während der Ersitzungszeit Besitzakte gesetzt worden sind. Der Einwand, daß es unter diesen Umständen niemals zur Ersitzung einer Schiabfahrt kommen könnte, weil eine Beweisführung dieser Art bei einer Schiabfahrt schlechterdings unmöglich sei, vermag nicht zu überzeugen. Es liegt in der Natur der Sache, daß beim Nachweis der Ersitzung räumlich beschränkter Dienstbarkeiten (Fußsteig, Viehtrieb, Fahrweg) immer wieder Beweisschwierigkeiten auftreten. Wenn die Rechtsprechung bei der Ersitzung der Dienstbarkeit einer Schiabfahrt die selben Rechtsgrundsätze zur Anwendung bringt, wie bei der Ersitzung einer Wegedienstbarkeit, dann muß dies folgerichtig auch bei der Forderung, den genauen Umfang einer solchen Dienstbarkeit zu ermitteln und damit zugleich der Bestimmung des § 12 GBG zu genügen, gelten. Die Meinung der beklagten Partei, daß die Ersitzung der Dienstbarkeit der Schiabfahrt für jede von der Abfahrtsstrecke berührte Grundparzelle und nicht nur für den tatsächlich benützten Teil dieser Grundparzellen festzustellen wäre, kann daher nicht gebilligt werden. Auch Reindl (Zur Ersitzung von Schiabfahrten, JBl 1969, 592) fordert, daß die Servitut der Schiabfahrt auf einen Teil des Grundstückes zu beschränken ist, wenn einerseits eine der Technik des Schilaufes und der Zahl der Schiläufer angemessener Platz verbleibt und anderseits die Beschwerde für den Gründeigentümer dadurch vermindert werden kann. Reindl (aaO) ist aber auch darin zu folgen, daß bei der Ermittlung des benötigten Abfahrtsraumes die Zahl der Schifahrer, die die Dienstbarkeit am Beginn der Ersitzungszeit ausgeübt haben, einen bestimmenden Faktor darstellt und eine durch die Vermehrung der Zahl der abfahrenden Schiläufer erforderliche Vergrößerung dieser Fläche dann nicht statthaben kann, wenn damit für den Gründeigentümer eine größere Belastung verbunden wäre (vgl EvBl 1961/333).

Dieselben Grundsätze müssen aber auch bei der Lösung der Frage der Art der Vornahme der Instandhaltung (§ 483 ABGB) der Abfahrtsstrecke angewendet werden. Solange die Verwendung neuzeitlicher Pistenbearbeitungsgeräte für den Gründeigentümer keine fühlbare Belastung bedeutet, wird er sie hinnehmen müssen. Sofern dadurch aber die Nutzung der Grundstücke außerhalb der Schisaison beeinträchtigt werden sollte oder andere Nachteile für den Gründeigentümer zu besorgen wären, wird er sich gegen den Einsatz derartiger Geräte mit Erfolg wehren können.

Dem zu erwartenden Einwand, daß unter diesen Umständen Schilift- und Seilbahnanlagen, die unter hohem Kapitaleinsatz errichtet wurden, in ihrem wirtschaftlichen Bestand gefährdet würden, ist entgegenzuhalten, daß derartige Gefahren durch zeitgerechte vertragliche Abmachungen mit den jeweiligen Gründeigentümern ausgeschaltet werden können, ein Hinweggehen über deren legitime Interessen hingegen mit der Privatrechtsordnung unvereinbar wäre.

Die von der beklagten Partei in ihrem Rechtsmittel geforderte "großzügige Vorgangsweise" wird nur verständlich, wenn bedacht wird, daß sie als Körperschaft des öffentlichen Rechtes naturgemäß auch öffentliche Interessen zu wahren hat und die zu treffende Entscheidung über Bestand oder Nichtbestand der Dienstbarkeit der Schiabfahrt öffentliche Interessen berührt. Gerade dieses Kriterium ist aber, anders als im Enteignungsrecht, dem Institut der Ersitzung von Dienstbarkeiten fremd, wie Mayer-Maly, der prinzipiell die Möglichkeit der Ersitzung von Dienstbarkeiten zugunsten von Gemeinden anerkennt, in seiner Kritik der Entscheidung JBl 1969, 606 (Ersitzung von Schiabfahrten? abgedruckt in "Der Staatsbürger", 22. Jahrgang, Folgen 11 und 12) zutreffend hervorgehoben hat.

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