Spruch:
Bei Abholung bereits früher gepfändeter Fahrnisse zum Verkauf durch den Vollstrecker an diesen vom Gemeinschuldner geleistete Zahlungen sind gemäß § 3 KO unwirksam
OGH 29. 9. 1971, 7 Ob 158/71 (OLG Wien 5 R 67/71; LGZ Wien 6 Cg 36/70)
Text
Der Kläger ist Masseverwalter in dem am 24. 2. 1969 über das Vermögen des Elemer S eröffneten Konkurs. Er beantragt Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 40.290.70 sA mit der Begründung, daß der Gemeinschuldner, um die Wegbringung gepfändeter Maschinen, Kleider und Stoffe zwecks Versteigerung zu verhindern, am 10. 3. 1969, demnach nach Konkurseröffnung, an den Vollstreckungsbeamten des ExG Wien für die Beklagte diesen Betrag bezahlt habe. Diese Zahlung sei nach § 3 Abs 1 KO nichtig, die Beklagte daher zur Rückzahlung verpflichtet. Die Beklagte stellte außer Streit, den angeführten Betrag vom ExG erhalten zu haben. Sie behauptete jedoch, daß das Geld im Zuge des Exekutionsvollzuges durch das gerichtliche Vollstreckungsorgan dem Gemeinschuldner abgenommen wurde und bestritt, daß die Zahlung auf Kosten der Masse erfolgt sei. Überdies habe der Masseverwalter auf die Rückforderung des der Beklagten ausbezahlten Betrages dadurch verzichtet, daß er sich mit einer entsprechenden Einschränkung der von der Beklagten im Konkurs angemeldeten Forderung einverstanden erklärt habe. Sollte jedoch die Zahlung vom Gemeinschuldner geleistet worden sein, sei sie keine Rechtshandlung im Sinne des § 3 Abs 1 KO, weil es sich um die Berichtigung eines vom Konkurs nicht berührten Absonderungsanspruches gehandelt habe. Überdies sei die Konkursmasse durch die Einstellung der Exekution bereichert worden, da zufolge der Zahlung andere Absonderungsgläubiger zum Zuge gekommen seien. Schließlich habe die Beklagte durch die zwischenzeitige Verwertung der Pfandsachen ihre Befriedigungsmöglichkeit verloren, so daß ihr ein Schaden in Höhe der Klagsforderung erwachsen sei, den sie compensando geltend mache.
Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Er traf folgende Feststellungen:
Der Kläger hatte am 12. 3. 1969 dem vorläufigen Nichtvollzug der Betriebssperre und der Fortführung der Geschäfte mit nachträglicher Genehmigung des Konkursgerichtes zugestimmt, so daß der Gemeinschuldner bereits begonnene Lohnarbeiten fortsetzen konnte. Als im April 1969 Geld fehlte, berichtete der Gemeinschuldner dem Kläger, daß er am 10. 3. 1969 dem Vollzugsbeamten des ExG W, als dieser die gepfändeten Fahrnisse abholen wollte, insgesamt S
40.290.70 bezahlt habe. Dieser Betrag wurde vom Vollstreckungsorgan an die Beklagte zur Berichtigung mehrerer betriebener Forderungen weitergeleitet. Mit Rücksicht auf diese Zahlung unterblieb die verfügte Überstellung der Pfandsachen. Auf späteres Befragen durch den Kläger erklärte ein Beamter der Beklagten fernmündlich, daß ihm die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Gemeinschuldners bekannt war, er sich aber zur Empfangnahme des Geldes berechtigt glaubte, weil dessen Übergabe durch das Vollstreckungsorgan erfolgt sei. Die Beklagte lehnte eine Rückzahlung ab. Aus dem Erlös der in der Folge versteigerten Pfandsachen wurde eine Forderung erster Klasse eines Finanzamtes in der angemeldeten Höhe von über S 159.000.- zum Teil berichtigt, so daß ein Forderungsrest von S
66.109.44 unberichtigt blieb. Trotz der auf die Zahlungen des Gemeinschuldners zurückzuführenden Exekutionseinstellungen wurde die Masse demnach nicht bereichert.
Rechtlich führte der Erstrichter aus, daß die Zahlung des Gemeinschuldners an die Beklagte im Wege des Vollstreckungsorgans gemäß § 3 Abs 1 KO nichtig sei. Daran ändere auch nichts der Umstand, daß die Beklagte für ihre Forderungen ein Absonderungsrecht gehabt habe. Ein Verzicht des Masseverwalters auf den Rückforderungsanspruch liege nicht vor. Mangels eines Verschuldens des Masseverwalters habe die Beklagte gegen ihn auch keinen Schadenersatzanspruch. Den Beweis für eine Bereicherung der Masse auf Grund der Zahlungen habe die Beklagte nicht erbracht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Wie bereits eingangs dargetan, hat die Beklagte eine Gegenforderung aus dem Titel des Schadenersatzes compensando eingewendet. Der Erstrichter hat über diese Gegenforderung zwar nicht im Spruch seiner Entscheidung erkannt, er hat jedoch in den Entscheidungsgründen ausgeführt, daß die Gegenforderung mangels eines Verschuldens des Klägers nicht gerechtfertigt ist. Da die Beklagte weder einen Ergänzungsantrag hinsichtlich der Aufrechnungseinrede iS des § 423 ZPO stellte noch diese Unterlassung in ihrem Rechtsmittel rügte, ist hierauf nicht weiter einzugehen.
Die Beklagte vertritt die Rechtsansicht, die Aushändigung der Geldbeträge durch den Gemeinschuldner an den Vollstreckungsbeamten des Exekutionsgerichtes sei keine nach § 3 KO unwirksame Rechtshandlung, da eine Exekutionshandlung vorgelegen sei. Es könne keinen Unterschied machen, ob ein Geldbetrag vom Vollstreckungsorgan dem Verpflichteten abgenommen werde, oder ob dieser einen Geldbetrag dem Vollstreckungsorgan ausfolge.
Diesen Rechtsausführungen kann nicht gefolgt werden. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen leistete der Gemeinschuldner die gegenständlichen Zahlungen, als - bereits früher gepfändete - Fahrnisse mit einem Kraftwagen zur öffentlichen Feilbietung abgeholt werden sollten, um die Wegschaffung und den gerichtlichen Verkauf der Pfandsachen zu verhindern. Das Einschreiten des Vollstreckungsbeamten erfolgte daher nicht zwecks Vornahme einer Pfändung. Nun hat zwar das Vollstreckungsorgan beim Vollzug der Pfändung, nicht aber auch beim Vollzug einer nachträglichen Verwahrung oder des Verkaufes zunächst zu versuchen, zur Vermeidung der Pfändung den zur Deckung der betriebenen Gesamtforderung erforderlichen Geldbetrag dem Verpflichteten abzunehmen, vor allem durch eine zuerst durchgeführte sogenannte Taschenpfändung (Neumann - Lichtblau[4], Lieferung 18, 1738). Das Einschreiten des Vollstreckungsorganes an den gegenständlichen Tagen war aber nicht darauf gerichtet, beim Gemeinschuldner eine Pfändung vorzunehmen. Schon aus diesem Gründe ist es unrichtig, die vom Gemeinschuldner geleistete Zahlung als "Exekutionshandlung" zu werten. Des weiteren übersieht die Beklagte, daß das Vollstreckungsorgan mit Rücksicht auf den über das Vermögen des Gemeinschuldners verhängten Konkurs nicht berechtigt gewesen wäre, dem Gemeinschuldner einen Geldbetrag abzunehmen. Dadurch, daß die Beklagte als betreibende Gläubigerin seinerzeit auch die Pfändung allfälliger Geldbeträge und deren Wegnahme beantragt und bewilligt erhalten hatte, hat sie nicht etwa ein Pfandrecht an den jeweils vorhandenen Geldbeträgen erworben, da eine Pfändung von Geldbeträgen, soweit diese überhaupt möglich ist, nicht vollzogen wurde. Die Problematik, die von der Beklagten darin gesehen wird, ob ein Geldbetrag dem Gemeinschuldner abgenommen oder von diesem ausgefolgt wird, besteht daher nicht. Die Zahlung des Gemeinschuldners nach Konkurseröffnung ist als Rechtshandlung unwirksam (siehe auch Gschnitzer in Klang[2] VI 395), die Abnahme des Geldbetrages durch das Vollstreckungsorgan nach Konkurseröffnung widerspräche dem Gesetz und wäre ebenso unwirksam.
Auch der Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 1431, 1421 ABGB vermag dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen. Es liegt keiner der Bereicherungstatbestände der §§ 1431 ff ABGB vor. Der Generalnorm des § 1421 ABGB steht die Spezialnorm des § 3 KO entgegen. Im übrigen ändert der Umstand, daß einem betreibenden Gläubiger ein Recht auf abgesonderte Befriedigung zusteht, nichts an der Verfügungsunfähigkeit des Gemeinschuldners. Absonderungsrechte werden zwar durch die Konkurseröffnung nicht berührt; Vermögenswerte, an denen bestimmten Gläubigern Rechte auf abgesonderte Befriedigung zustehen, gehören aber dennoch zur Konkursmasse, so daß auch hinsichtlich dieser Vermögenswerte dem Gemeinschuldner die Verfügungsfähigkeit mangelt (EvBl 1968/406). Der Gemeinschuldner konnte daher auch nicht wirksam in der Richtung handeln, daß die Masse oder die Sondermasse "ihrer Verbindlichkeit entledigt" wurde; ebensowenig konnte er rechtswirksam das Absonderungsrecht "einlösen".
Zutreffend haben die Unterinstanzen auch das Bestehen eines Rückstellungsanspruches der Beklagten verneint. Nach § 3 Abs 1 KO, letzter Satz, ist dem anderen Teil die Gegenleistung zurückzustellen, soweit sich die Masse durch sie bereichern würde. Wird die Gegenleistung der Beklagten darin gesehen, daß diese ihr Absonderungsrecht an den Pfandgegenständen aufgegeben hat, so wurde die Masse dadurch nicht bereichert, da nach den Feststellungen der Vorinstanzen die Versteigerung der zur Sondermasse gehörigen Vermögensstücke keine Hyperocha ergab, die der Masse zugeflossen wäre. Darin, daß Absonderungs- und gleichzeitig Konkursgläubiger zufolge des Wegfalls des Absonderungsrechtes der Beklagten aus dem Sondervermögen befriedigt und im Umfange der Befriedigung nicht mehr als Konkursgläubiger in Frage kamen, kann keine "Gegenleistung" der Beklagten gesehen werden, durch die die Masse bereichert worden wäre.
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