Spruch:
Den Gesellschaftern einer nicht aufgelösten OHG wird die Einrede der Verjährung weder durch die Einbringung der Klage noch durch das Vorliegen eines rechtskräftigen Urteiles gegen die Gesellschaft abgeschnitten
OGH 8. 7. 1971, 2 Ob 327/70 (OLG Wien 6 R 115/70; LGZ Wien 40c Cg 4/70)
Text
Ein Arbeiter der OHG Josef W & Co verschuldete bei der Ausführung von Isolierungsarbeiten in einem Stahlwerk in T am 20. 11. 1961 den Ausbruch eines Brandes. Bei den Löscharbeiten verunglückte der Angehörige der Werksfeuerwehr Josef T tödlich. Die Klägerin hatte aus diesem Anlaß Sozialversicherungsleistungen zu erbringen. Mit der am 18. 11. 1964 beim LGZ Wien zu 37 a Cg .../67 eingebrachten Klage verlangte die Klägerin als Legalzessionarin nach § 332 ASVG von der OHG Josef W & Co und deren Gesellschafter Josef W Rückersatz dieser Leistungen sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für Leistungen, die sie auf Grund des Unfallstodes des Josef T nach den künftigen gesetzlichen Vorschriften an den mj Rudolf T zu erbringen haben werde. Mit diesem Begehren drang die Klägerin durch.
Zur Zeit des Unfalles (20. 11. 1961) waren beide Beklagten Gesellschafter der OHG Josef W & Co. Die Zweitbeklagte ist nach wie vor Gesellschafterin; der Erstbeklagte ist mit 31. 12. 1966 ausgeschieden. Die Anmeldung seines Ausscheidens aus der Gesellschaft wurde beim HG Wien am 7. 3. 1968 vorgenommen.
Mit der vorliegenden, am 2. 4. 1969 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin Verurteilung der beiden Beklagten im Umfange des zu 37 a Cg .../67 des Erstgerichtes ergangenen Urteiles - einschließlich des Kostenausspruches - zur ungeteilten Hand, uzw auch mit der OHG Josef W & Co und dem Gesellschafter Josef W.
Die Beklagten wenden Verjährung ein. Der Erstbeklagte macht auch geltend, die Kosten des Vorprozesses könnten ihm nicht angelastet werden, weil sie erst nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft entstanden seien.
Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Es ging davon aus, daß durch die Einbringung der Klage gegen die Gesellschaft am 18. 11. 1964 die Verjährung auch gegenüber den beiden Beklagten, die damals noch Gesellschafter der OHG gewesen seien, unterbrochen worden sei; die beiden Beklagten haften für den in 37 a Cg .../67 des LGZ Wien genannten Anspruch der Klägerin, und zwar die Zweitbeklagte als Gesellschafterin der fortbestehenden Gesellschaft und der Erstbeklagte als ehemaliger Gesellschafter auf Grund des § 159 HGB. Die Einrede der Verjährung stehe ihnen nicht zu, weil sie nicht in ihrer Person begrundet sei. Auch der Erstbeklagte habe für die Kosten des Vorprozesses einzustehen, weil diese nur einen Anhang zu der Gesellschaftsschuld darstellen.
Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es vertrat die Meinung, zufolge der Selbständigkeit der Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger gegen die Gesellschaft und die einzelnen Gesellschafter stehe den letzteren die Einrede der Verjährung als in ihrer Person begrundet zu (§ 129 Abs 1 HGB). Da bis zur Einbringung der Klage gegen die beiden Beklagten die dreijährige Verjährungszeit des § 1489 ABGB abgelaufen sei, sei die Klage wegen Verjährung abzuweisen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Die Revisionswerberin bekämpft die Ansicht des Berufungsgerichtes, den Beklagten stehe trotz des vorliegenden Urteiles gegen die Gesellschaft die Einrede der dreijährigen Verjährung nach § 1489 ABGB zu, obwohl der Erstbeklagte zur Zeit der Klagseinbringung noch nicht mehr als fünf Jahre aus der Gesellschaft ausgeschieden war und die Zweitbeklagte ihr auch jetzt noch angehöre, unter verschiedenen Gesichtspunkten, von denen sich jedoch keiner als durchschlagend erweist.
Soweit sich die Klägerin zur Stützung ihrer Ansicht, die Klagserhebung gegen die Gesellschaft zu einer Zeit, in der beide Beklagte der Gesellschaft noch angehörten, habe die Verjährung gegenüber den Beklagten unterbrochen, auf § 160 HGB beruft und daraus ableiten will, daß die Judikatsschuld gegenüber dem ausgeschiedenen Erstbeklagten nach § 159 HGB erst in fünf Jahren, der Zweitbeklagten gegenüber aber erst in 30 Jahren verjähre, übersieht sie, daß sich § 160 HGB nur auf den Fall der Unterbrechung der Verjährung gegenüber der aufgelösten, in Liquidation befindlichen und noch nicht nach § 157 HGB gelöschten Firma bezieht. Diese Bestimmung, nach der die Unterbrechung der Verjährung gegenüber der aufgelösten Gesellschaft auch gegenüber den Gesellschaftern wirkt, die der Gesellschaft zur Zeit der Auflösung angehört haben, läßt sich daher auf den Fall der Unterbrechung der Verjährung gegenüber der nicht aufgelösten Gesellschaft nicht anwenden.
Daß die Unterbrechung der Verjährung gegenüber der Gesellschaft auch gegen die ihr zu dem betreffenden Zeitpunkt angehörenden Gesellschafter wirkt, wäre - abgesehen von dem im § 160 HGB geregelten Fall - nur dann ohne weiters zu bejahen, wenn Gesellschaft und Gesellschafter ein und dasselbe Rechtssubjekt wären, denn in diesem Falle müßte die Forderung gegen die Gesellschaft und gegen die nach § 128 HGB haftenden Gesellschafter wegen Nämlichkeit des Rechtsgrundes und - mangels Rechtspersönlichkeit der offenen Handelsgesellschaft - auch der Schuldner eine einheitliche sein. Diese Meinung hat der Oberste Gerichtshof aber abgelehnt. In der Entscheidung 7 Ob 188/67 vom 10. 1. 1968 wurde dargelegt, daß auch einer Personenhandelsgesellschaft eine eingeschränkte Rechtsfähigkeit zuerkannt werden müsse, weil sie unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und geklagt werden könne. Mag auch der Rechtsgrund einer Forderung im Sinne des Entstehungsgrundes gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern ident sein, so ändere das nichts daran, daß sich ihr weiteres Schicksal verschieden gestalten könne. Dies ergebe sich nicht nur aus der in manchen Belangen verschiedenen Regelung der Haftung der Gesellschaft und des Gesellschafters, so im Konkurs- und Ausgleichsverfahren (Art 7 Nr 12 EVHGB) oder insofern, als es dem Gesellschafter gestattet sei, auch nur ihm persönlich zustehende Einwendungen zu erheben (§ 129 Abs 1 HGB), sondern eben auch daraus, daß der Gesellschaftsgläubiger zur Zwangsvollstreckung gegen den Gesellschafter eines besonderen, gegen diesen lautenden Exekutionstitels bedürfe (§ 129 Abs 4 HGB).
Der letzterwähnte Umstand bringt die Möglichkeit mit sich, daß die für die Verjährung entscheidenden Gegebenheiten im Falle der Gesellschaft andere sind als im Falle des Gesellschafters. Es kann, wie im vorliegenden Fall, vorkommen, daß die Gesellschaft noch innerhalb der Verjährungszeit, die Gesellschafter aber erst nach deren Ablauf geklagt werden. Diese Verspätung in der Klageführung betrifft nur den Gesellschafter und nicht die Gesellschaft. Sie bildet daher die Grundlage für eine in seiner Person gelegene Einwendung, deren wirksamer Geltendmachung es keinem Abbruch tut, wenn sie von der innerhalb der Verjährungszeit belangten Gesellschaft noch gar nicht erhoben werden konnte. Daß der Gesellschaft die Einrede der Verjährung an sich ebenso zusteht wie den belangten Gesellschaftern, rechtfertigt nicht die von der Klägerin gezogene Folgerung, daß die Verjährungseinrede nicht in der Person des Gesellschafters iS des § 129 Abs 1 HGB begrundet sein könne.
Den Gesellschaftern einer nicht aufgelösten offenen Handelsgesellschaft wird die Einrede der Verjährung weder durch die Einbringung der Klage noch durch das Vorliegen eines rechtskräftigen Urteiles gegen die Gesellschaft abgeschnitten. Dies entspricht der vom Berufungsgericht zitierten, im deutschen Schrifttum vorherrschenden Meinung (vgl dazu nun auch Fischer in Großkomm HGB[3] II/1 320, Anm 9 zu § 129; siehe auch Staub HGB[14] 737, Anm 5).
Zur Stütze ihrer Ansicht, daß die Schuld jedenfalls gegenüber der Zweitbeklagten aufrecht bestehe, weil diese noch Gesellschafterin der rechtskräftig verurteilten Gesellschaft sei, könnte sich die Klägerin nur auf Hueck, OHG[3] 325, berufen. Dieser Ansicht ist aber weder das übrige Schrifttum (vgl dazu insbesondere Schlegelberger HGB[4] II 1146) noch die Rechtsprechung gefolgt (siehe dazu auch SZ 32/95). Die von Baumbach - Duden HGB noch in der 13. Aufl vertretene Ansicht, daß die persönlichen Einwendungen fallen, wenn Vorgänge zwischen Gesellschaft und Gläubigern entgegenstehen, wie zB eine Klage gegen die Gesellschaft, durch die die Verjährung unterbrochen wurde, wird in den späteren Auflagen nicht mehr erwähnt.
Es besteht also kein Anlaß, im vorliegenden Fall von der in SZ 32/95 und 7 Ob 188/67 zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht abzugehen.
Die unbestrittenermaßen für die Klagsforderung in Betracht kommende dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB war zur Zeit der Einbringung der vorliegenden Klage abgelaufen.
Demzufolge mußte der Revision ein Erfolg versagt bleiben.
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