OGH 5Ob165/71

OGH5Ob165/717.7.1971

SZ 44/111

Normen

AO §55f
EO §35
KO §2 Abs2
KO §105 Abs3
KO §109 Abs1
ZPO §529
ZPO §530
AO §55f
EO §35
KO §2 Abs2
KO §105 Abs3
KO §109 Abs1
ZPO §529
ZPO §530

 

Spruch:

§ 55 f AO ist im Zwangsausgleichsverfahren nicht anwendbar Voraussetzungen für die Zurücknahme oder die Anfechtung des Anerkenntnisses einer Konkursforderung durch den Masseverwalter

OGH 7. 7. 1971, 5 Ob 165/71 (OLG Innsbruck 1 R 74/71; LG Innsbruck S 41, 42/62)

Text

Mit Beschluß des LG Innsbruck vom 7. 9. 1962, S 41, 42/62-1 wurde über das Vermögen des Alois St und der Irmgard St von Amts wegen der Anschlußkonkurs eröffnet. Im vorausgegangenen Ausgleichsverfahren hatte die Gläubigerin Bankhaus B eine Forderung von S 98.839.47 angemeldet, die im Konkurs der Irmgard St anerkannt, im Konkurs des Alois St hingegen bestritten wurde, ohne daß in der Folge eine Rechtfertigungsklage erhoben wurde. Mit Schreiben vom 20. 11. 1964 hat die Gläubigerin Bankhaus B die angemeldete Forderung auf S

92.339.47 eingeschränkt. Bei der Prüfungs- und Zwangsausgleichstagsatzung vom 22. 3. 1971 behauptete der Masseverwalter unter Vorlage der entsprechenden Urkunden, daß die genannte Gläubigerin bestätigt habe, gegen Irmgard St keinerlei Forderungen mehr zu stellen, weshalb ihre Anmeldung im Konkurs hinfällig sei. Im gleichen Sinn habe die genannte Gläubigerin den Masseverwalter mit Schreiben vom 12. 11. 1970 verständigt. Er beantrage deshalb, der Gläubigerin das Stimmrecht abzuerkennen. Das Bankhaus B sprach sich gegen diesen Antrag aus, weil die Gemeinschuldnerin diese Bestätigungen durch listige Handlungen erwirkt habe. Eine Klage auf Nichtigerklärung der diesen Bestätigungen zugrunde liegenden Vereinbarungen sei allerdings noch nicht eingebracht worden. Vor der Entscheidung über den Antrag des Masseverwalters wurde die Abstimmung durchgeführt. Das Bankhaus B stimmte für den angebotenen Zwangsausgleich, der mit beiden vom Gesetz geforderten Mehrheiten angenommen wurde. Mit rechtskräftigem Beschluß des Erstgerichtes vom 24. 3. 1971 wurde der Zwangsausgleich, wonach die Konkursgläubiger dritter Klasse eine 40%ige Quote ihrer Forderungen erhalten, gemäß § 152 Abs 1 KO bestätigt und angeordnet, daß das Vermögen der beiden Gemeinschuldner zur Erfüllung des Ausgleiches in den Händen des Masseverwalters als besonderen Sachwalters der Gläubiger zu verbleiben habe. In der Begründung dieses Beschlusses wurde ausgeführt, daß alle vier stimmberechtigten und gleichzeitig bei der Ausgleichstagsatzung anwesenden Gläubiger mit stimmberechtigten Forderungen von zusammen S 390.757.77 für die Annahme des Zwangsausgleiches gestimmt hätten, weshalb der Zwangsausgleich mit beiden nach § 147 KO geforderten Mehrheiten angenommen worden sei.

Mit Eingabe vom 15. 4. 1971 legte der Masseverwalter ua die Schlußabrechnung vor. Zugleich beantragte er, in sinngemäßer Anwendung des § 55 f AO festzustellen, daß die strittige Forderung des Bankhauses B im Konkurs der Irmgard St mutmaßlich nicht bestehe und durch den Verzug in der Erfüllung dieser Forderung die Rechtswirkung des Wiederauflebens der gesamten Forderung nach § 156 Abs 4 KO nicht eintrete. Dazu führte der Masseverwalter aus, daß seiner Meinung nach die Vereinbarung zwischen dem Bankhaus B und der Gemeinschuldnerin rechtsgültig zustande gekommen sei. Ob der Vergleich anfechtbar sei, könne nur über Klage der Gläubigerin entscheiden werden. Es bestehe jedoch die Gefahr, daß die Gläubigerin nach Ablauf der Zahlungsfrist im Zwangsausgleich eine Nachfrist setze und daß schließlich ihre Forderung in voller Höhe wieder auflebe.

Das Erstgericht stellte fest, daß die für den Fall des Verzuges in der Zwangsausgleichserfüllung vorgesehenen Rechtsfolgen die Gemeinschuldnerin Irmgard St insofern nicht treffen, als der Masseverwalter die Forderung der Gläubigerin Bankhaus B von S

92.339.47 bei der Zwangsausgleichserfüllung nicht zur Gänze berücksichtigte. Dazu meint das Erstgericht, daß die Erfüllbarkeit des Zwangsausgleiches ausschließlich vom Gemeinschuldner Alois St abhänge, mit welchem Irmgard St nur solidarisch hafte. Ohne diese Solidarverpflichtung wäre der Konkurs über das Vermögen der Irmgard St mangels Deckung der Kosten aufzuheben. Ob nun der Verzicht des Bankhauses B auf die angemeldete Forderung zu Recht bestehe oder ihr eine 40%ige Quote dieser Forderung gebühre, könne nur im Prozeßweg entschieden werden. Es sei Sache der Gläubigerin, ihre Verzichtserklärung anzufechten. Die vorliegende Entscheidung sei notwendig, weil sich die Sachlage zwischen Prüfungstagsatzung und Zwangsausgleichserfüllung geändert habe. Sie entspreche materiell einer Entscheidung über das Stimmrecht mit der Gläubigerin, die jedoch wegen ihrer Zustimmung zum Zwangsausgleich nicht notwendig gewesen wäre.

Über Rekurs des Bankhauses B änderte die zweite Instanz diesen Beschluß dahin ab, daß der Antrag des Masseverwalters abgewiesen wurde. Die von der Rekurswerberin im Konkurs angemeldete Forderung von S 92.339.47 sei vom Masseverwalter anerkannt und von keinem dazu berechtigten Konkursgläubiger bestritten worden. Sie gelte daher mit der Wirkung einer rechtskräftigen Entscheidung über den Bestand dieser Forderung in der angemeldeten Höhe als festgestellt. Da die Forderung auch in der Folge nicht fallen gelassen wurde, vielmehr die Gläubigerin sogar bei der Zwangsausgleichstagsatzung für die Annahme des angebotenen Ausgleichs gestimmt habe, sei ihr Anspruch auf Bezahlung der Ausgleichsquote voll wirksam. Deshalb müsse nicht sie die Unwirksamkeit ihres vom Masseverwalter geltend gemachten Verzichtes auf die Forderung nachweisen, sondern stehe dieser Nachweis der Gemeinschuldnerin offen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Masseverwalter nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 102 Abs 2 KO gelten im Anschlußkonkurs die im vorausgegangenen Ausgleichsverfahren angemeldeten Forderungen der Gläubiger als angemeldet, wenn diese Anmeldung auch die in Anspruch genommene Rangordnung enthält. Darüber hinaus haben die Konkursgläubiger ihre Forderungen im Konkurs geltend zu machen (vgl Bartsch - Pollak, KO[3] Anm 7 zu § 102 KO). Die Anmeldung hat zur Folge, daß der Masseverwalter im Prüfungsverfahren eine bestimmte Erklärung über die Richtigkeit und über die Rangordnung der angemeldeten Forderung abgeben muß, Vorbehalte des Masseverwalters bei Abgabe dieser Erklärung sind unzulässig (§ 105 Abs 3 KO). Das Recht des Gemeinschuldners und der Konkursgläubiger, deren Forderungen festgestellt werden und deren Stimmrecht anerkannt wird, die angemeldeten Forderungen zu bestreiten, kann hier außer Betracht bleiben. Die Prüfungserklärung des Masseverwalters ist eine an das Gericht gerichtete Prozeßerklärung, also eine Willenserklärung, die wie ein rechtskräftiges Urteil über den Bestand und die Höhe der angemeldeten Forderung wirkt (vgl SZ 23/145). Allerdings ist diese Erklärung weder unwiderruflich noch unanfechtbar. Mit Zustimmung des Konkursgläubigers, dessen Forderung der Masseverwalter anerkannt hat, kann das Anerkenntnis jederzeit zurückgenommen werden. Ohne Zustimmung dieses Gläubigers kann das Anerkenntnis des Masseverwalters aber nur bis zum Schluß der Prüfungsverhandlung (nicht etwa nur der Tagsatzung, bei der die Erklärung abgegeben wurde) zurückgenommen werden, wenn der Anmeldende bei der Prüfungsverhandlung nicht anwesend war oder nicht verhandelte. Darüber hinaus kann das Anerkenntnis des Masseverwalters eben wegen seiner urteilsgleichen Wirkungen nach § 35 EO durch Einwendungen gegen den Anspruch oder nach §§ 529 ff ZPO angefochten werden (vgl Pollak aaO Anm 18, 23 und 25 zu § 106 KO).

Diese Rechtslage wird vom Rekurswerber durchaus nicht in Abrede gestellt; er meint jedoch, daß die Voraussetzungen einer Entscheidung nach § 55f AO gegeben seien. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Nach § 55f AO kann der Bestand oder die Höhe einer bestrittenen Forderung, über die keine Entscheidung nach § 44 Abs 2 und 3, § 46 Abs 4 AO vorliegt, mit bestimmten Wirkungen auf die Folgen des Verzuges in der Erfüllung des Ausgleiches vorläufig ("... mutmaßliche Höhe ...") festgestellt werden. Abgesehen davon, daß das Gesetz eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den Zwangsausgleich nicht kennt (vgl dazu im Gegensatz § 63 AO), kann hier keine Rede davon sein, daß die vom Bankhaus B im Ausgleichsverfahren, also auch im Anschlußkonkurs über das Vermögen der Irmgard St angemeldete und vom Masseverwalter anerkannte Forderung als eine bestrittene Forderung angesehen werden kann. Das Anerkenntnis des Masseverwalters hinsichtlich dieser Forderung war nämlich, da die Gläubigerin zumindest bei der Prüfungs- und Zwangsausgleichstagsatzung vom 22. 3. 1971 darüber verhandelte, nicht mehr einseitig widerruflich. In rechtlicher Erkenntnis dieser Rechtslage hat der Masseverwalter bei dieser Tagsatzung auch gar keinen Widerruf seines Anerkenntnisses erklärt, sondern nur beantragt, der Gläubigerin das Stimmrecht abzuerkennen, weil sie nachträglich, also nach Wirksamwerden seines urteilsgleichen Anerkenntnisses, auf die Geltendmachung ihrer Forderung verzichtet habe. Ihre Forderungsanmeldung sei daher gegenstandslos. Damit behauptete der Masseverwalter aber einen Tatbestand nach § 35 EO, dessen Vorliegen die Gläubigerin sogleich in Abrede stellte. Ob ein solcher Tatbestand vorliegt, kann, wie schon das Erstgericht richtig erkannte, nur im Prozeßweg geklärt werden. Die entsprechende Klage hat jedoch der Masseverwalter bzw der Schuldner anzubringen. Da es sich um eine Angelegenheit des Prüfungsgeschäftes handelt, darf dem Masseverwalter weder der Konkurskommissär noch der Gläubigerausschuß den Auftrag erteilen, diesen Anspruch geltend zu machen (vgl Pollak aaO Anm 25 zu § 106 KO). Es fehlt somit die wesentliche Voraussetzung einer Entscheidung nach § 55f AO, nämlich daß eine bestrittene Forderung vorliegt. Vielmehr steht der Anspruch des Bankhauses B auf Erfüllung der Ausgleichsquote ihrer Forderung auf Grund des Anerkenntnisses des Masseverwalters hinsichtlich der von dieser Gläubigerin angemeldeten Forderung in Verbindung mit der rechtskräftigen Bestätigung des Zwangsausgleiches und deren Rechtsfolgen mit urteilsgleicher Wirkung fest. Der Antrag des Masseverwalters, auszusprechen, daß die Wirkungen des Verzuges in der Erfüllung des Ausgleiches gemäß § 156 Abs 4 KO diesfalls nicht eintreten, ist daher im Gesetz nicht begrundet.

Das Rekursgericht hat deshalb mit Recht diesen Antrag abgewiesen.

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