Normen
ABGB §1295
ABGB §1311
Strafgesetz §335
Strafgesetz §431
StVO §32 Abs6
ABGB §1295
ABGB §1311
Strafgesetz §335
Strafgesetz §431
StVO §32 Abs6
Spruch:
Die Verpflichtung des Baumeisters zur unfallsicheren Aufstellung von Verkehrszeichen ergibt sich aus der Verkehrssicherungspflicht
Die Bestimmung des § 32 Abs 6 StVO statuiert eine Erhaltungspflicht und regelt nicht nur die Frage, wer die Kosten der Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs zu tragen hat
OGH 27. 5. 1971, 2 Ob 47/71 (KG Leoben R 2094/70; BG Bruck/Mur 2 C 746/69)
Text
Am 20. 8. 1969 ereignete sich auf der Bundesstraße 17 am Beginn der Großbaustelle "Umfahrung M" dadurch ein Verkehrsunfall, daß ein Verkehrszeichen, das Dienstnehmer des mit Straßenbauarbeiten betrauten Beklagten auf der - aus Richtung K gesehen - rechten Straßenseite aufgestellt hatten, umkippte, den auf einem Moped vorbeifahrenden Kläger am Hinterkopf traf und zu Sturz brachte.
Mit der Behauptung, daß der Beklagte für die durch die unsichere Aufstellung des Verkehrszeichens verursachten Unfallfolgen nach den Vorschriften der §§ 1315, 1318, 1319 ABGB und § 32 Abs 6 StVO 1960 hafte und überdies die Schadenersatzpflicht anerkannt habe, begehrte der Kläger für Schmerzengeld, Verdienstentgang und Beschädigung seines Anoraks den Gesamtbetrag von S 5880.02.
Der Beklagte bestritt den Anspruch nach Grund und Höhe. Er behauptete, daß das Verkehrszeichen von verläßlichen Arbeitern ordnungsgemäß aufgestellt worden sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Infolge Berufung des Klägers hob das Berufungsgericht das Urteil erster Instanz nach Beweiswiederholung mit Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes begann der Beklagte mit den ihm übertragenen Bauarbeiten, die ein Jahr dauern sollten, im Jahre 1968. Vor Arbeitsbeginn erhielt der Beklagte von der Bezirkshauptmannschaft M den Auftrag, zur Regelung und Sicherung des Verkehrs im Baustellenbereich an den im Bescheid bezeichneten Stellen Verkehrszeichen unfallsicher anzubringen. Dienstnehmer des Beklagten stellten unter anderem zirka 150 m vor dem Anfang der Baustelle an der rechten Seite der Bundesstraße 17 ein 1.80 m hohes Holzgestell auf, an dem oben eine runde Tafel im Durchmesser von 70 cm mit dem Verkehrszeichen "Erlaubte Höchstgeschwindigkeit 30 km/h" und darunter das Gefahrenzeichen "Baustelle" sowie das Verbotszeichen „Überholverbot" befestigt waren. Das Gestell bestand aus einer in ein Holzkreuz mit einer Balkenlänge von 50 cm eingesetzten Vierkantsäule. Es stand zur Unfallszeit auf dem an die Fahrbahn anschließenden zirka 1.50 m breiten Radweg, der weiterhin von Radfahrern benützt wurde. Ein Balken des Fußkreuzes ragte in die etwas tiefer liegende Fahrbahn hinein. Ab 1. 8. 1969 war das Fußkreuz nur mit einem Stein in der Länge von zirka 50 cm und in einem Durchmesser vom zirka 20 cm beschwert. Es ist nicht erwiesen, daß es vorher durch mehrere Quadersteine belastet war. Es kam wiederholt vor, daß Verkehrszeichen im Baustellenbereich des Beklagten umgestürzt oder daß Steine, die zur Belastung dienten, entfernt wurden. Verantwortlicher Polier für die Baustelle war von März bis Juli 1969 Gottfried S und ab 1. 8. 1969 der angelernte Hilfspolier August R. Beide hatten vom Beklagten und vom Bauleiter Josef O, der auch eine andere Baustelle leitete, den Auftrag, auf die ordentliche Aufstellung der Verkehrszeichen zu achten und sie zu kontrollieren. Die Kontrollen wurden am Morgen und Abend, gelegentlich auch untertags durchgeführt. Der Bauleiter O beschränkte die gelegentlich des Vorbeifahrens durchgeführten Kontrollen auf die richtige Aufstellung. Der Beklagte fuhr täglich mindestens dreimal an der Baustelle vorbei, achtete aber nicht auf die Beschwerung des Gestells. Er gab weder dem Bauleiter O noch dem Hilfspolier spezielle Aufträge. Die Art der Beschwerung und die Sicherung der Stabilität wurde den Polieren überlassen, weil man auf ihre Sachkunde vertraute. Zur Unfallszeit wehte schwacher Wind. Als der Kläger, der zum rechten Fahrbahnrand einen Seitenabstand von zirka 1 m einhielt, vom Verkehrszeichen noch 3 bis 5 m entfernt war, kippte dieses um. Der Kläger erklärte dem Beklagten, daß lediglich das Moped beschädigt und sein Anorak zerrissen sei. Der Beklagte forderte den Kläger auf, das Moped reparieren zu lassen; er werde der Versicherung Meldung erstatten. Auf die vom Beklagten angebotene Beschaffung eines gleichwertigen Anoraks verzichtete der Kläger. Als der Kläger mit der Reparaturrechnung für das Moped erschien, versprach der Beklagte, die Rechnung der Versicherung einzuschicken. Auf Drängen des Klägers, der das Geld sofort haben wollte, bezahlte der Beklagte die Reparaturkosten aus seiner Kasse.
Rechtlich billigte das Berufungsgericht die Ansicht des Erstgerichtes, daß der Beklagte die Ersatzansprüche des Klägers nicht anerkannt haben und nicht nach den Vorschriften der §§ 1318, 1319 ABGB hafte. Im Gegensatz zum Erstgericht bejahte es jedoch die Ersatzpflicht des Beklagten nach § 1311 ABGB wegen Übertretung der Vorschrift des § 32 Abs 6 StVO 1960 und wegen Nichtbefolgung des als Schutznorm beurteilten behördlichen Auftrages, die Verkehrszeichen unfallssicher aufzustellen. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes hatte es der Beklagte schuldhaft unterlassen, die feste Verankerung des Verkehrszeichens im Boden anzuordnen oder den Polieren wenigstens die ausreichende Belastung des Fußkreuzes aufzutragen, sowie die Befolgung seiner Anordnungen durch eigene Kontrollen zu überwachen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 32 Abs 6 StVO 1960 ist zur Anbringung und Erhaltung der aus Anlaß von Arbeiten auf oder neben der Straße erforderlichen Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs der Bauführer verpflichtet. Die Ansicht des Rekurswerbers, daß durch diese Vorschrift nur die Frage geregelt werde, wer die Kosten dieser Einrichtungen zu tragen habe, widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes. Die Verpflichtung des Bauführers, die erforderlichen Verkehrszeichen unfallssicher anzubringen, ergibt sich auch der im § 32 Abs 6 StVO 1960 statuierten Erhaltungspflicht, die gewährleisten soll, daß die Straßenbenützer die Baustelle rechtzeitig erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Die Schutznorm des § 32 Abs 6 StVO 1960 bezweckt die Verhinderung von Schäden durch das Fehlen von Einrichtungen zur Verkehrsregelung und Kennzeichnung der Baustelle, wobei es für die Haftung des Bauführers unerheblich ist, ob solche Einrichtungen überhaupt nicht angebracht worden waren oder infolge mangelhafter Anbringung oder Erhaltung nicht mehr vorhanden waren.
Wegen Übertretung dieser Schutzvorschrift haftet der Bauführer aber nicht für Schäden, die dadurch verursacht werden, daß ein Verkehrsteilnehmer von einem umstürzenden Verkehrszeichen getroffen wird.
Ob der vorliegende Auftrag der Verwaltungsbehörde zur unfallssicheren Anbringung der Verkehrszeichen dem Begriff des Schutzgesetzes (§ 1311 ABGB) zu unterstellen sei, kann dahingestellt bleiben, weil sich die Verpflichtung des Bauführers zur unfallssicheren Aufstellung der Verkehrszeichen schon aus dem durch Auslegung der Bestimmungen der §§ 1295 ff ABGB in Verbindung mit den §§ 335, 431 StG gewonnenen allgemeinen Rechtsgrundsatz ergibt, daß jeder, der eine Gefahrenquelle schafft, die notwendigen Vorkehrungen treffen muß, um Schädigungen Dritter nach Tunlichkeit hintanzuhalten. Der Bauführer, der zur Regelung und Sicherung des Verkehrs transportable Verkehrszeichen auf einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Straße aufstellt und dadurch in räumliche Beziehung zu dritten Personen bringt, ist diesen Personen gegenüber verpflichtet, die ihm zumutbaren geeigneten Maßnahmen zur Abwendung der von diesen Verkehrszeichen ausgehenden Gefahren zu treffen. Für den Beklagten als Bauunternehmer war die Notwendigkeit der Sicherung des Verkehrszeichens gegen die Gefahr des Umstürzens erkennbar. Die einseitige Belastung des durch seine Höhe, die Größe der Verkehrstafel und geringe Aufstandsfläche instabilen Holzgestelles mit nur einem, wenn auch großen und schweren Stein, war, wie die Berufungsinstanz richtig dargelegt hat, ungenügend. Daß das Holzgestell wegen des Hineinragens eines Kreuzbalkens in die Fahrbahn umgekippt sei und unter diesen Umständen auch bei allseitiger oder wenigstens zweiseitiger Belastung mit Steinen umgekippt wäre, ist nicht erwiesen. Von einer Einwirkung dritter Personen oder außerordentlicher Naturgewalten kann bei dem von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt nicht die Rede sein. Um seiner Verkehrssicherungspflicht Genüge zu leisten, wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, die Art der Belastung des Holzgestelles anzuordnen und die Befolgung dieser Anordnung zu überwachen. Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß sich der Beklagte dieser Verpflichtung nicht durch die Bestellung eines Bauleiters habe entledigen können. Das Ausmaß der Überwachungstätigkeit bedarf keiner Erörterung, da feststeht, daß der Beklagte eine Überwachungstätigkeit überhaupt nicht entfaltet hat.
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