OGH 2Ob27/71

OGH2Ob27/7118.2.1971

SZ 44/16

Normen

ABGB §1327
ZPO §228
ABGB §1327
ZPO §228

 

Spruch:

Ein Begehren der gemäß § 1327 ABGB Unterhaltsberechtigten auf Feststellung der Ersatzpflicht des Schädigers für entgangenen Unterhalt ist unzulässig, solange der Unterhaltspflichtige lebt

OGH 18. 2. 1971, 2 Ob 27/71 (OLG Linz 4 R 87/70; KG Steyr 1 Cg 56/68)

Text

Rosa E, die Mutter der Kläger, wurde am 19. 9. 1967 bei einem Verkehrsunfall, den die beiden Beklagten als Lenker ihrer Kraftfahrzeuge verschuldeten, verletzt.

Die Kläger begehrten gegenüber den Beklagten die Feststellung, daß diese ihnen zur ungeteilten Hand alles zu ersetzen hätten, was ihnen an gesetzlichem Unterhalt ihrer Mutter Rosa E in Zukunft entgehen werde. Hiezu brachten sie vor, ihre Mutter habe vor dem Unfall zur Gänze für ihre Pflege und Erziehung gesorgt. Unfallsbedingt sei sie seither dazu nicht mehr imstande. Die Kläger befänden sich im Bezirkskinderheim K. Die Kosten der Unterbringung würden die Beklagten zu ersetzen haben. Nach § 1327 ABGB hätten die Beklagten ihnen all das zu vergüten, was ihnen infolge der Unfähigkeit der Mutter zur Pflege, Erziehung und Unterhaltsleistung entgehe.

Das Erstgericht wies die Feststellungsbegehren mit der Begründung ab, daß die Kläger die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für einen künftigen mittelbaren Schaden begehrten. Auf die Bestimmung des § 1327 ABGB könnten sie diesen Anspruch nicht stützen, weil primär unterhaltspflichtig Rosa E gewesen sei und noch immer sei. Ihr Tod als mögliche Unfallsfolge sei "eine bloß hypothetische Möglichkeit eines Schadenseintrittes". In einem solchen Fall bestehe aber kein Feststellungsinteresse.

Das Berufungsgericht bestätigte. Zugleich sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000.- übersteige. Die Ausnahmebestimmung des § 1327 ABGB - so führte das Berufungsgericht aus - begrunde zwar einen Anspruch auf Ersatz mittelbaren Schadens, stelle jedoch ausdrücklich auf den Tod des Unterhaltspflichtigen ab. Für die Kläger sei auch auf Grund der erstmals in der Berufung herangezogenen Bestimmungen der §§ 25 Abs 1 und 21a FürspflV nichts zu gewinnen. Der Bezirksfürsorgeverband Steyr - Land, der für die Unterbringung der Kläger aufkomme, könne nämlich durch schriftliche Anzeige an die Mutter Rosa E eine Legalzession der Rechtsansprüche der Kläger gegenüber ihrer Mutter bewirken. Daher bestehe kein Anlaß, einen besonderen Schadenersatzanspruch der Kläger bezüglich der Kosten ihrer Heimunterbringung zuzulassen. Wenn Rosa E unfallsbedingt ihren gesetzlichen Pflichten gegenüber den Klägern nicht mehr nachkommen könne und hiefür fremde Hilfe in Anspruch nehmen müsse, so begrunde dies einen Vermögensnachteil der Rosa E, den sie als unmittelbare Unfallsfolge selbst einfordern könne.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Entscheidend ist, daß es sich beim Anspruch, der Gegenstand des Feststellungsbegehrens ist, um einen mittelbaren Schaden handelt.

Die Beklagten haben Verkehrsvorschriften verletzt: Der strafgerichtlich verurteilte Erstbeklagte hielt beim Befahren einer Kurve mit seinem Moped nicht seine rechte Fahrbahnseite ein und befand sich im Unfallszeitpunkt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand; der Zweitbeklagte fuhr nach den Feststellungen des Erstgerichtes mit seinem PKW mit überhöhter Geschwindigkeit in die erwähnte Kurve, was zur Folge hatte, daß er beim scharfen Bremsen das Fahrzeug nicht mehr beherrschen konnte. Zweck der Straßenverkehrsbestimmungen ist es, die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten und Sachschaden zu verhüten, keineswegs jedoch, dritte, nicht unfallsbeteiligte Personen vor Vermögensschäden zu schützen. Demnach sind die Kläger zufolge des Schutzzweckes der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen hinsichtlich des Klagsgegenstandes nicht unmittelbar geschädigt. Unter "jedermann" iS des § 1295 ABGB ist grundsätzlich nur der durch die rechtswidrige Handlung unmittelbar Verletzte bzw der aus einem Schuldverhältnis unmittelbar Berechtigte zu verstehen. Der in § 1327 ABGB geregelte Ausnahmefall, der den gesetzlich Unterhaltsberechtigten nach einem Getöteten Ersatzansprüche gibt, liegt nicht vor. Es können zwar auch bedingte Rechte unter gewissen Voraussetzungen festgestellt werden (vgl SZ 53; Fasching, III 57). Nun ist aber der Tod der Mutter der Kläger nicht bloße Bedingung für deren Ersatzanspruch gegenüber den Beklagten, sondern rechtserzeugende Tatsache. Der Anspruch entsteht mit dem Tod des unmittelbar Betroffenen von vornherein in der Person des mittelbar Geschädigten. Aus der selbständigen Natur des Anspruches folgt, daß dem geschädigten Dritten Ansprüche erst mit dem Tod des Verletzten entstehen. Solange dieser lebt, bestehen zwischen dem Schädiger und dem Unterhaltsberechtigten keine rechtlichen Beziehungen (vgl VersR 1966. 670).

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