OGH 5Ob290/70

OGH5Ob290/7030.12.1970

SZ 43/238

Normen

AußStrG §16
UmwG §1 Abs1
AußStrG §16
UmwG §1 Abs1

 

Spruch:

Die Auffassung, daß eine Kapitalgesellschaft, deren Unternehmen verpachtet ist, kein Unternehmen betreibe und daher nicht nach § 1 Abs f UmwG begünstigt (ohne Liquidation) umgewandelt werden könne, ist nicht offenbar gesetzwidrig iS des § 16 AußStrG

OGH 30. Dezember 1970, 5 Ob 290/70 (OLG Wien 3 R 227/70; HG Wien 7 HRB 8939)

Text

Alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Josef S & M, Gesellschaft mbH (in der Folge kurz als Gesellschaft bezeichnet) mit dem Betriebsgegenstand Münzautomaten-Wäscherei und Putzerei ist Else

M.

Die Gesellschaft legte ihre Gewerbeberechtigungen für das Chemisch-Putzergewerbe sowie als Übernahmsstelle für das Chemisch-Putzer, Wäscher und Büglergewerbe am 10. April 1970 und die Gewerbeberechtigung für das Wäschegewerbe am 27. April 1970 zurück. Die Anzeigen über die Zurücklegung der Gewerbeberechtigungen wurden mit den Bescheiden des Mag. Bezirksamtes für den 18. Bezirk in Wien vom 22. April 1970 und 28. April 1970 zur Kenntnis genommen.

Das Unternehmen der Gesellschaft ist seit 1. April 1970 an Friedrich R verpachtet. Die Gesellschaft betreibt seither kein Handelsgewerbe.

Die Generalversammlung der Gesellschaft beschloß am 24. Juni 1970 die Umwandlung der Gesellschaft nach den Bestimmungen der Bundesgesetze vom 23. Jänner 1969, BGBl Nr 68 und BGBl Nr 69 durch Übertragung des Unternehmens der Gesellschaft auf Else M als alleinige Gesellschafterin (Nachfolgeunternehmer) in eine Einzelfirma. Alle Aktiven und Passiven der Gesellschaft sollten unter Ausschluß jeglicher Liquidation auf das Einzelunternehmen übergehen. Auch der bisherige Gegenstand des Unternehmens und sein Sitz sollten als Betriebsgegenstand der Einzelfirma unverändert bleiben.

Am 26. Juni 1970 stellte Else M den Antrag, die Umwandlung der Josef S & M Gesellschaft mbH in das Einzelunternehmen Else M mit dem Standort Wien W-Straße 125 ersichtlich zu machen.

Die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien sprach sich in einem vom Erstgericht eingeholten Gutachten gegen die beantragte Umwandlung infolge Fehlens der erforderlichen Voraussetzungen aus.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Eintragung der Umwandlung der Firma S & M Gesellschaft mbH, mit dem Sitz in W in das Einzelunternehmen Else M mit dem Standort Wien, W- Straße 125 in das Handelsregister ab. Das Erstgericht ging davon aus, daß nach § 1 Abs 1 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1954, BGBl Nr 187 idF BGBl Nr 68/1969 Aktiengesellschaft und Gesellschaften mit beschränkter Haftung ("Kapitalsgesellschaft") durch Übertragung des Unternehmens auf einen Gesellschafter ("Nachfolgeunternehmer") oder in eine Offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft ("Nachfolgeunternehmen") umgewandelt werden können, wenn die Kapitalsgesellschaft länger als zwei Jahre bestehe und wenn sie ein Handelsgewerbe im Sinne des Handelsgesetzbuches betreibe. Auf Grund der angeführten Gesetzesstelle ergebe sich, daß die Möglichkeit einer begünstigten Umwandlung, nämlich ohne Liquidation, nur für solche Kapitalgesellschaften zugelassen werden sollte, die ein Handelsgeschäft betreiben. Zwar bestehe die Gesellschaft länger als zwei Jahre, doch betreibe sie kein Handelsgewerbe, vielmehr sei das Unternehmen im Zeitpunkt des Generalversammlungsbeschlusses über die Umwandlung (24. Juni 1970) und des Registeransuchens (26. Juni 1970) bereits verpachtet gewesen. Die Gewerbeberechtigungen seien bereits vorher zurückgelegt worden. Für die Umwandlung von Kapitalgesellschaften, die kein Handelsgeschäft betreiben, bestehe aber nach dem Zweck des Umwandlungsgesetzes (Herbeiführung wirtschaftlicher Konsolidierung) kein Bedürfnis für eine begünstigte Behandlung.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Was die Zulässigkeit des Revisionsrekurses anlangt, so sind nach Art 9 Abs 1 der 4. EVHGB in Angelegenheiten, die von den Gerichten nach dem 7. Abschnitt des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu behandeln sind, die Vorschriften der §§ 1 bis 19 AußStrG anzuwenden. Der Revisionsrekurs gegen eine bestätigende Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz steht daher unter den Voraussetzungen des § 16 AußStrG offen (HS 400, 2344, 4491, 5632 uva).

Nach § 1 Abs 1 des Umwandlungsgesetzes, BGBl 1954/187, idF BGBl 1969/68 können Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung ("Kapitalsgesellschaften") durch Übertragung des Unternehmens auf einen Gesellschafter ("Nachfolgeunternehmer") der in eine offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft ("Nachfolgeunternehmen") umgewandelt werden, wenn die Kapitalsgesellschaft länger als zwei Jahre besteht und wenn sie ein Handelsgewerbe im Sinne des Handelsgesetzbuches betreibt. Daß die gegenständliche Gesellschaft länger als zwei Jahre bestand, haben die Vorinstanzen unangefochten festgestellt.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit soll vorliegen, weil unter dem Betrieb eines Handelsgewerbes im Sinne des § 1 Abs 1 UmwG nicht zu verstehen sei, daß die Gesellschaft das Handelsgewerbe selbst betreiben müsse. Es reiche vielmehr hin, daß das umzuwandelnde Unternehmen ein Handelsgewerbe bilde. Das existente Unternehmen könne auch von einem Pächter betrieben werden. Der Schwerpunkt liege auf dem Betriebsgegenstand. Nur Unternehmen, deren Betriebsgegenstand kein Handelsgewerbe bilde, seien von der begünstigten Umwandlung ausgeschlossen.

Der Rekurswerberin entgeht, daß eine offenbare Gesetzwidrigkeit nur vorliegt, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird. Davon kann aber im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden. Schon auf Grund des Textes des § 1 Abs 1 UmwG läßt sich die Auffassung vertreten, daß eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nur umgewandelt werden kann, wenn sie ein Handelsgewerbe im Sinne des Handelsgesetzbuches betreibt. Wird ein Unternehmen verpachtet, dann betreibt die Gesellschaft nicht mehr ein Handelsgewerbe. Denn durch die im Rahmen des Betriebes (Unternehmens) abgeschlossenen Rechtsgeschäfte wird der Pächter berechtigt. Der Pächter haftet auch für die Verbindlichkeiten aus den von ihm abgeschlossenen Rechtsgeschäften. Er trägt das Risiko des Unternehmens. Der Verpächter hingegen ist auf den Bezug des Pachtschillings beschränkt. Auf die Geschäftsführung des Pächters kommt ihm kein Einfluß zu (Schlegelberger, Handelsgesetzbuch[4] I Anm 20 zu § 1 HGB, Brüggemann in Großkommentar zum Handelsgesetzbuch[3] I Anm 17 zu § 1 HGB, Hämmerle, Handelsrecht[2] I 65, AC Nr 3045). Hat der Verpächter aber nur einen Anspruch auf Entrichtung der ihm auf Grund des Pachtvertrages zukommenden Leistungen, dann betreibt er kein Handelsgewerbe.

Es trifft auch zu, daß die Rechtswirkungen der Umwandlung mit der Eintragung ins Handelsregister eintreten (§§ 5 Abs 1, 7 Abs 3 UmwG, Helbich, Umgrundungen auf der Grundlage des StrukturverbesserungsG, 146, Kastner, Die Umwandlung, ÖJZ 1951, 34). Die Voraussetzungen dazu aber sind, wie bereits oben ausgeführt wurde, nicht gegeben, wenn erst nach der Verpachtung des Unternehmens der Umwandlungsbeschluß gefaßt und um die Registereintragung angesucht wurde. Im vorliegenden Fall ist das Unternehmen seit 1. April 1970 an Friedrich R verpachtet. Am 24. Juni 1970 beschloß die Generalversammlung die Umwandlung der Gesellschaft. Am 26. Juni 1970 wurde das Registeransuchen eingebracht, sodaß der Standpunkt eingenommen werden kann, ein Handelsgewerbe seitens der Verpächterin sei damals nicht mehr betrieben worden.

Auch wenn man die Ansicht vertreten wollte, daß der Pächter das Handelsgewerbe des Verpächters betreibt, weil er nicht berechtigt ist, den Gegenstand des Unternehmens zu verändern und daher das Handelsgewerbe des Verpächters im Sinne des Umwandlungsgesetzes auch bei einer Verpachtung betrieben wird, ist damit nichts gewonnen, weil die vorstehend angeführte Auffassung nicht offenbar gesetzwidrig im Sinne des § 16 AußStrG ist.

Sofern die Rekurswerberin zur Stützung ihrer Auffassung, daß der Betriebsgegenstand maßgebend sei, sich auf die Bestimmung des § 8 Abs 1 StrukturverbesserungsG (BGBl 1969/69) beruft, vermag sie keine offenbare Gesetzwidrigkeit aufzuzeigen, weil sie über den Umweg einer anderen gesetzlichen Vorschrift lediglich eine ihrem Standpunkt entsprechende Gesetzesauslegung vornimmt.

Als Analogie für die Auslegung des § 1 Abs 1 UmwG kann aber auch nicht der Kündigungsgrund des § 19 Abs 2 Z 13 MG herangezogen werden, weil es sich bei den Kündigungsgrunden nach dem Mietengesetz um kein mit der Umwandlung von Kapitalgesellschaften im Zusammenhang stehendes Rechtsgebiet handelt.

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