OGH 4Ob333/70

OGH4Ob333/7030.11.1970

SZ 43/219

 

Normen

MSchG §1
MSchG §2

 

Spruch:

Die inländische, nur mit dem Vertrieb betraute Tochtergesellschaft eines ausländischen Unternehmens kann auch unter Berufung auf ein eigenes österreichisches Markenrecht nicht verhindern, daß Originalware ihrer Muttergesellschaft, die von dieser selbst im Ausland unter einer gleichlautenden Marke in Verkehr gesetzt und dann von einem Dritten nach Österreich eingeführt wurde ("Parallelimport"), im Inland ohne ihre Zustimmung unter dieser Konzernmarke vertrieben wird

 

OGH 30. November 1970, 4 Ob 333/70 (verstärkter Senat) (OLG Graz 4 a R 48/70: LG Klagenfurt 16 Cg 83/70)

 

 

Die klagende und gefährdete Partei (in der Folge kurz klagende Partei) ist Inhaberin der österreichischen Marken A Nr 63.463 (Rhombus) und Nr 63.464 (Wort), welche ua für unbelichtete Filme eingetragen sind. Die Muttergesellschaft der klagenden Partei, die A*-AG in L*, ist die Inhaberin der gleichen IR-Marken: sie hat der klagenden Partei als österreichische Alleinvertreterin an allen ihren in Österreich wirksamen internationalen Marken für das Gebiet der Republik Österreich eine ausschließliche Lizenz eingeräumt. Diese Lizenz, die spätestens mit Auslauf des Alleinvertriebsabkommens erlischt, erstreckt sich insbesondere auf die folgenden IR-Marken: Nr 278.802 A, Nr 310.171, A-Rhombus und Nr 327.487 A-Color.

Die Klägerin behauptet nun, daß der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge kurz Beklagter) unter ihrer Umgehung A-Filmmaterial aus der Bundesrepublik Deutschland direkt importiere, in Österreich verkaufe und sich weigere, diese Markenverletzungen zu unterlassen. Es stehe der klagenden Partei daher ein Unterlassungsanspruch zu. Zur Sicherung dieses Unterlassungsanspruches wird die Erlassung einer einstweiligen Verfügung begehrt, derzufolge dem Beklagten verboten werden soll, Filme, die mit dem Kennzeichen A versehen sind, auch wenn es sich um in der Bundesrepublik Deutschland hergestellte Originalprodukte handle, in Österreich in den geschäftlichen Verkehr zu bringen, soweit er sie nicht von der Klägerin oder mit deren Zustimmung bezogen habe.

In der Stellungnahme der beklagten Partei zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat sie zugegeben, A-Filmmaterial direkt aus der Bundesrepublik Deutschland zu importieren. Sie macht aber geltend, daß der klagenden Partei ein Untersagungsrecht nicht zustehe, weil es sich bei den importierten Filmen um Original-A-Erzeugnisse handle, die von der deutschen Herstellerfirma A*-AG mit der Bezeichnung "A" versehen worden seien. Bei dieser Sachlage sei die beklagte Partei berechtigt, diese Filme in Österreich zu verkaufen. Interne Vereinbarungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft könnten das Recht des Beklagten auf freien Warenbezug nicht beeinträchtigen.

Das Erstgericht hat die einstweilige Verfügung antragsgemäß bewilligt. Das Markenrecht gewähre der Inhaberin der Marke ein Monopol des Vertriebes ihrer mit der geschützten Marke versehenen Ware. Nach der zwischen der deutschen Muttergesellschaft und der klagenden Partei getroffenen Vereinbarung habe die deutsche Muttergesellschaft als Inhaberin der international registrierten Marken der Klägerin die Lizenz zum ausschließlichen Vertrieb der mit der Marke versehenen Ware in Österreich gewährt und der klagenden Partei auch die Erlaubnis zur Registrierung der Marken in Österreich erteilt. Diese Vereinbarung falle nicht unter das Kartellgesetz. Die Klägerin habe ihr Unternehmen ausschließlich auf den Vertrieb von A-Produkten im gesamten Gebiet der Republik Österreich abgestellt. Der Einrichtung und Organisation des Verkaufsbetriebes der klagenden Partei in Verbindung mit der der Klägerin von der Muttergesellschaft erteilten Lizenz zum Alleinvertrieb der A-Erzeugnisse in Österreich komme daher die gleiche besondere gewerbliche Leistung zu wie die der deutschen Muttergesellschaft. Die Registrierung der Marke in Österreich verschaffe der klagenden Partei das absolute alleinige Gebrauchsrecht der Marke in Österreich und gebe ihr gemäß § 9 Abs 3 UWG einen Unterlassungsanspruch gegen jede Verwendung dieser Marke in Österreich, die nicht mit ihrer ausdrücklichen Zustimmung erfolge; der Unterlassungsanspruch bestehe auch gegenüber demjenigen, der ohne Zustimmung der Klägerin in Österreich Waren in den Verkehr bringe, die befugterweise vom ausländischen Markeninhaber mit der Marke versehen und in das Inland eingeführt worden seien, weil auch diese Verwendung der Marke geeignet sei, eine Verwechslung mit dem Unternehmen hervorzurufen, für welches die Marke in Österreich eingetragen sei. Diese Verwendung erwecke nämlich den Eindruck, daß die mit der Marke versehene Ware vom Unternehmen des österreichischen Markeninhabers stamme.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen wurde. Das Rekursgericht ging in seiner Begründung davon aus, daß der Beklagte die Original-A-Filme direkt von der Muttergesellschaft der Klägerin, von der A*-AG in L*, bezogen habe, wiewohl die beklagte Partei im Punkt 3 der Klagebeantwortung außer Streit gestellt hatte, die Ware von einem deutschen Großhändler bezogen zu haben. Das Rekursgericht ist der Meinung, daß die Erwägungen der vom Erstgericht zitierten Entscheidungen des Oberlandesgerichtes Wien vom 29. Juli 1955, ÖBl 1955, 67, des Obersten Gerichtshofes vom 4. September 1957, ÖBl 1957, 87 und vom 29. März 1960, ÖBl 1960, 72, auf den vorliegenden Fall deshalb nicht anwendbar seien, weil 1. die klagende Partei eine Tochtergesellschaft der A*-AG in Deutschland sei - sie bezeichne diese selbst als Muttergesellschaft - 2. die Muttergesellschaft dieselben Marken führe, die international registriert seien und 3. die beklagte Partei, wie das Erstgericht unbedenklich festgestellt habe, Originalwaren unverändert direkt von der Muttergesellschaft importiert und in den Verkehr gebracht habe. Die klagende Partei stütze ihren Unterlassungsanspruch auf § 9 Abs 1 und 3 UWG. Es müsse daher geprüft werden, ob die beklagte Partei durch einen Parallelimport der Originalware von der Herstellerfirma gegen diese Bestimmung verstoßen habe. Die Marke gebe an sich ein ausschließliches Gebrauchs- und Unterlassungsrecht. Es entstehe durch die Registrierung und sei beschränkt auf jenen Staat, indem die Marke registriert ist. Diese Registrierung hindere nicht, daß einem Unternehmer in einem anderen Staat, oder, wenn es sich um eine internationale Marke handle, in einem Nicht-Vertragsstaat für die gleiche Ware die gleiche Marke registriert werde und dort der ausländische Markeninhaber jedermann vom Gebrauch seiner Marke auszuschließen vermöge. Allerdings sei dieses Gebrauchs- und Untersagungsrecht auf jenen Staat beschränkt, in dem die Marke registriert ist (Territorialprinzip). Wegen dieses Territorialprinzipes werde von der in Österreich herrschenden Rechtsprechung (vgl SZ 30/44, ÖBl 1960, 72) gefolgert, daß eine Erschöpfung des Markenschutzes nur für das Inverkehrsetzen im Inland gelte, nicht aber dann, wenn aus dem Ausland eine Ware, die befugterweise vom ausländischen Markeninhaber mit der Marke versehen würde, in das Inland eingeführt werde und im Inlande die gleiche Marke für die gleiche Ware, aber für ein anderes Unternehmen registriert sei. Hingegen vertrete die herrschende deutsche Rechtsprechung (so die Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofes vom 23. Jänner 1964, 1 b ZR 92/62, GRUR Ausl 202, "Maja-Fall") und ein Teil der deutschen Rechtslehre mit sehr beachtlichen Argumenten einen gegenteiligen Standpunkt, basierend auf der Funktion des Warenzeichens.

Selbst wenn man sich der Auslegung des Obersten Gerichtshofes in den vorgenannten Entscheidungen über den Begriff des Inverkehrsetzens, der Erschöpfung des Markenrechtes und des Territorialitätsprinzipes anschließe, könne aber im vorliegenden besonders gelagerten Falle nicht an der Tatsache vorbeigegangen werden, daß die Muttergesellschaft Inhaberin der gleichen Warenzeichen sei, die überdies international registriert seien. Inhalt und Umfang des Schutzes der international registrierten Marke bestimmen sich nach nationalem Recht, in Österreich nach österreichischem Recht. Es genieße also im Gegensatz zu den von der Klägerin bezogenen Entscheidungen nicht nur die Marke der Klägerin, sondern auch jene der deutschen Muttergesellschaft in Österreich Schutz, von der der Beklagte die Originalware erhalten habe. Das Inverkehrsetzen dieser Ware durch die Erzeugerfirma und der Bezug durch den Beklagten könne daher weder in der Bundesrepublik Deutschland noch in Österreich rechtswidrig sein, unbeschadet der konkurrierenden Marken der klagenden Partei und ihrer Muttergesellschaft, weil diese Konkurrenz lediglich das interne Rechtsverhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft, nicht aber das Verhältnis zu Dritten betreffe. Deshalb werde sich die klagende Partei, sollte die Muttergesellschaft die Lizenzvereinbarung verletzen, mit ihr auseinanderzusetzen haben. Der Anspruch der klagenden Partei sei daher nicht bescheinigt, wobei es nichts ändere, wenn der Beklagte - was die Klägerin nicht behauptet habe - Originalware von einem Zwischenhändler in Deutschland bezogen haben sollte, welcher befugterweise von der Erzeugerfirma beliefert worden sei, weil mit dieser Belieferung jedenfalls im Hinblick auf die Tatsache, daß die Marke der Muttergesellschaft international, also auch für Österreich, registriert sei, durch das Inverkehrsetzen in der Bundesrepublik Deutschland das Markenrecht erschöpft sei. Der Untersagungsanspruch der klagenden Partei sei aber auch aus einem anderen Grund nicht gegeben. Der Marke begriffsnotwendig sei die Herkunfts- und Garantie(Güte)funktion, was seinen Niederschlag in der Bestimmung des § 9 MSchG 1953 finde. Auch das schweizerische Bundesgericht habe in seiner Entscheidung vom 4. Oktober 1960 (vgl GRUR Ausl 1961, 294) ausgeführt, daß das Markenschutzgesetz dem Markeninhaber keine Mittel an die Hand gibt, um einen von ihm nicht gebilligten Handel mit seinen eigenen Erzeugnissen oder den Erzeugnissen seiner Konzernangehörigen zu unterbinden, sowie die von ihnen festgesetzten örtlichen Absatzbeschränkungen, Alleinvertriebsrechte, Einhaltung von Preisen und dergleichen durchzusetzen. Das Markenschutzgesetz schütze vielmehr nur gegen Handlungen, die die (mindestens abstrakte) Gefahr schaffen, daß die nachgemachte, nachgeahmte oder rechtswidrigerweise angebrachte Marke das Publikum über die Herkunft der Ware täusche. Der deutsche Bundesgerichtshof schließlich habe in dem bereits zitierten Maja-Fall vom 22. Jänner 1964 ausgeführt, daß ein Zeicheninhaber, der übereinstimmende Warenzeichen im Ausland und im Inland habe registrieren lassen, die Einfuhr seiner unveränderten Originalware in das Inland auf Grund seines inländischen Zeichenrechtes nicht untersagen könne, wenn er die Ware im Ausland mit dem Zeichen versehen und dort in Verkehr gebracht habe. Dies gelte auch dann, wenn der Zeicheninhaber einem Dritten das Recht zum Alleinvertrieb seiner Waren und zur ausschließlichen Benützung seines Warenzeichens für das Inland eingeräumt habe. Durch den Parallelimport von Originalerzeugnissen einerseits durch die Klägerin, andererseits durch den Beklagten könne die der Marke innewohnende Herkunfts- und Garantie(Güte)funktion nicht beeinträchtigt sein und damit das Publikum auch nicht getäuscht werden. Beeinträchtigt könne die Klägerin nur dadurch sein, daß die Muttergesellschaft Parallelimporte unbeschadet des zwischen ihr und der Klägerin bestehenden Lizenzvertrages durchführe. Der Anspruch der klagenden Partei sei nicht bescheinigt, weil das ausschließliche Recht des Markeninhabers sich mit dem ersten Inverkehrbringen der Ware im Inland, im besonderen Falle aber auch im Ausland, erschöpft habe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wohl ist im Sinne der Außerstreitstellung im Punkt 3 der Klagebeantwortung davon auszugehen, daß der Beklagte nicht von der A*-AG in L*, der Herstellerfirma, die strittigen Filme bezogen hat, sondern von einem deutschen Großhändler, ein Umstand, der, wie sich aus den weiteren Gründen ergeben wird, aber deshalb keine Rolle spielt, weil nicht behauptet und nicht bescheinigt ist, daß dieser Großhändler die Ware unter Verstoß gegen das deutsche Warenzeichengesetz von der Mutterfirma der klagenden Partei erworben hat. Es ist daher bei der Entscheidung davon auszugehen, daß die vom Beklagten vertriebenen A-Filme Originalfilme sind, die von der deutschen Herstellerfirma in Deutschland in den Verkehr gebracht wurden, wodurch jedenfalls in Deutschland das Markenrecht der A*-AG, der Muttergesellschaft der klagenden Partei, an der vom Beklagten vertriebenen Ware in Deutschland erschöpft ist. Daß durch das Inverkehrsetzen von Markenware im Inland das inländische Markenrecht erschöpft wird, ist ständige Rechtsprechung (vgl 3 Ob 356/57, ÖBl 87, "Brunswick", 4 Ob 358/59, ÖBl 60, 72, "Seeburg-Automaten") und einheitliche Rechtslehre (vgl Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht10, II, 383) und wird auch von der klagenden Partei nicht bezweifelt, wie sich aus der Fassung des Klagebegehrens und des Begehrens auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ergibt.

Der Oberste Gerichtshof hat es aber in den beiden genannten Entscheidungen abgelehnt, an die Inverkehrsetzung von Markenware im Ausland die Rechtsfolge zu knüpfen, daß auch damit ein etwaiges inländisches Markenrecht an dieser Ware erschöpft sei. Er hat diese seine Rechtsansicht mit dem "Territorialprinzip" begründet. Mit Rücksicht auf die beachtlichen Argumente der zweiten Instanz und unter Bedachtnahme, daß nicht nur der deutsche Bundesgerichtshof seit der schon genannten "Maja"-Entscheidung, sondern auch das schweizerische Bundesgericht (Entscheidung vom 4. Oktober 1960, GRUR Ausl 1961, 294, "Philips") und ein Teil der deutschen Rechtslehre (vgl Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht 384) nunmehr den gegenteiligen Standpunkt vertreten, liegt es nahe, die Frage neuerlich zu prüfen, ob durch einen sogenannten Parallelimport inländische Markenrechte verletzt werden, zumal wichtige Industriestaaten diese Frage gleich dem deutschen Bundesgerichtshof und dem schweizerischen Bundesgericht verneinen (vgl die Zusammenstellung in Riehle, Markenrecht und Parallelimport, 228 ff).

Das Territorialprinzip kann weder dem österreichischen Markenschutzgesetz noch einem internationalen Übereinkommen, dem Österreich beigetreten ist, unmittelbar entnommen werden. Es wurde vielmehr wegen des Mangels eines einheitlichen Markenrechtes als Kollisionsregel für den Fall entwickelt, daß ein Sachverhalt mehrere Rechtsgebiete berührt (so auch Riehle aaO, 12). Das Territorialprinzip besagt nichts anderes, als daß sich der Schutz einer Marke nach dem Recht jenes Staates richtet, auf dessen Gebiet Dritte von der Benützung kollidierender Kennzeichen ausgeschlossen werden sollen. Dies deckt sich sachlich im wesentlichen mit der Definition des Territorialitätsprinzipes in der "Seeburg-Automaten"- Entscheidung, wonach sich das aus einer Marke resultierende Gebrauchs- und Untersagungsrecht auf den Staat beschränkt, in dem die Marke registriert ist.

Daraus kann aber keinesfalls, wie es in den beiden genannten Entscheidungen geschehen ist, der Schluß gezogen werden, daß Sachverhalte, die sich außerhalb des Staates zugetragen haben, in dem die Marke registriert ist, von den Gerichten des Registrierungsstaates unbeachtet zu bleiben haben. Ein solcher Rechtssatz kann dem österreichischen Markenrecht nicht entnommen werden. Ein solcher Rechtssatz kann aber auch nicht hinlänglich begründet werden, weil es zweifellos Sachverhalte gibt, die von den inländischen Gerichten kraft ausdrücklicher Vorschrift im Markenschutzgesetz zu beachten sind, auch wenn sie sich im Ausland zugetragen haben. Der Untergang eines ausländischen Unternehmens, für das im Inland eine Marke registriert ist, muß auch zum Untergang (Erlöschen) der inländischen Marke führen, weil das Recht aus der Marke am Unternehmen klebt und nach § 9 MSchG 1953 mit ihm erlischt. Bei der vorliegenden Entscheidung muß daher davon ausgegangen werden, daß die Prüfung des zur Beurteilung stehenden Sachverhaltes nach österreichischem Recht zu erfolgen hat und daß dabei aber auf den gesamten Sachverhalt Bedacht zu nehmen ist, gleichgültig ob er sich im Inland oder im Ausland zugetragen hat.

Daß das Inverkehrsetzen einer mit einer Marke versehenen Ware das Markenrecht "erschöpft", kann zwar gleichfalls nicht aus dem Gesetz entnommen werden, wird aber allgemein und unbestritten aus dem Wesen des Markenrechtes gefolgert. Nach § 1 MSchG ist eine Marke ein Zeichen, das dazu dient, zum Handelsverkehr bestimmte Waren ... eines Unternehmens von gleichartigen Waren ... anderer Unternehmen zu unterscheiden. Sie dient daher, gleich dem deutschen Warenzeichen, im Interesse des Markeninhabers und der Allgemeinheit allein dem Schutz der Herkunftsfunktion des Zeichens und der damit verbundenen Vertrauensfunktion (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerber- und Warenzeichenrecht 383 f, Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht, 162). Diese Funktionen werden nicht dadurch beeinträchtigt, daß rechtmäßig gekennzeichnete und in Verkehr gebrachte Waren weitervertrieben werden. Im Gegenteil, der Hersteller einer Ware muß annehmen, daß jeder Händler, sei er Groß- oder Kleinhändler, die von ihm erworbene Ware nicht horten, sondern weiterveräußern will. In dem Verkauf einer markengeschützten Ware an einen Händler liegt daher schlüssig (§ 863 ABGB) die Ermächtigung, die mit der Marke versehene Ware weiterzuveräußern. Alle diese Erwägungen treffen aber auch zu, wenn das Inverkehrsetzen der mit der Marke geschützten Ware im Ausland geschehen ist. Will der Markeninhaber sicherstellen, daß die mit der Marke versehene Ware nicht exportiert wird, muß er eine entsprechende Vereinbarung mit dem Abnehmer seiner Ware treffen, welche Vereinbarung aber jedenfalls nur diesen Abnehmer und nicht Dritte bindet. Aus diesen Überlegungen ergibt sich, daß die A*-AG in L* weder ihre deutsche noch ihre internationale Marke zur Grundlage eines von ihr angestrebten gleichlautenden Verbotes machen könnte. Eine allfällige Berufung der A*-AG, auf das Territorialprinzip müßte, wie oben ausgeführt, bei richtiger rechtlicher Beurteilung versagen, weil dieses ja nur besagt, daß die Rechtswirkungen des Markenrechtes nur auf das Hoheitsgebiet des rechtsverleihenden Staates beschränkt sind (Baumbach-Hefermehl, 383). Das Territorialprinzip grenzt eben nur die Rechtsordnungen ab, denen das Markenrecht unterworfen ist.

Nun wird aber die vorliegende Klage von einer Klägerin erhoben, die sich auf einen Alleinvertriebsvertrag, auf einen Lizenzvertrag und auf eigene österreichische Marken beruft. Das Alleinvertriebsrecht gibt ihr nur Rechte gegen ihren Vertragspartner, die A*-AG. Aus dem Lizenzvertrag kann sie nicht mehr Rechte ableiten, als der Lizenzgeber hat (Baumbach-Hefermehl, 386). Es bleibt daher zu prüfen, ob ihr der begehrte Unterlassungsanspruch kraft ihres eigenen inländischen Markenrechtes zusteht.

Die klagende Partei bezeichnet sich selbst als Tochtergesellschaft der A*-AG. Von einem Mutter-Tochter-Verhältnis in der Wirtschaft wird gesprochen, wenn die Muttergesellschaft die Tochtergesellschaft gegründet hat und an ihr allein oder maßgeblich beteiligt ist (vgl Basch, Deutsches Konzernrecht, 54). Daß es im gegenständlichen Falle anders sei, wurde nicht behauptet. Gewiß sind die Markeninhaber A*-AG und die Klägerin formal nicht identisch, handelt es sich doch um verschiedene juristische Personen. Doch darf nicht übersehen werden, daß die klagende Partei zum A*-Konzern gehört und zufolge der zumindest maßgeblichen Beteiligung der Muttergesellschaft wirtschaftlich dieser und zu dieser gehört. Die für die Marke kennzeichnende Herkunfts- und Gütefunktion wird nun nicht dadurch verletzt, daß Markenware der Muttergesellschaft von dieser oder durch einen Dritten ins Ausland exportiert wird, wo der Tochtergesellschaft eine eigene gleichlautende Marke zusteht. Infolge der wirtschaftlichen Einheit der Mutter- und Tochtergesellschaft dient die Marke nicht zur Unterscheidung der Waren der Mutter- und Tochtergesellschaft, sondern zur gemeinsamen Bezeichnung der Waren des Konzerns (Baumbach-Hefermehl, 388).

 

Dazu kommt, daß die Unterlassungsklage nach österreichischem Recht nicht auf das Markenschutzgesetz, sondern nur auf § 9 UWG gegründet werden kann. Dieser Tatbestand setzt eine Verwechslungsgefahr der Marken und damit eine Verwechslungsgefahr der mit der Marke bezeichneten Waren voraus. Da es sich um die gleichen Zeichen und um Original-A-Ware handelt, könnte eine Verwechslung bei Abnehmern der beklagten Partei nur insofern vorkommen, als der Vertriebsweg verwechselt wird, daß also jemand annimmt, die vom Beklagten weiterveräußerten Waren seien von der klagenden Partei importiert worden. Es könnte sich also nur um einen Irrtum bezüglich des Importeurs der vom Beklagten veräußerten Ware handeln, nicht aber um einen Irrtum über die Herkunft. Dem Abnehmer der beklagten Partei wird und kann es aber gleichgültig sein, wer die Ware nach Österreich importiert hat (vgl auch die Ausführungen des schweizerischen Bundesgerichtes zur Frage der Verwechselbarkeit von Konzernware in der schon genannten "Philips-Entscheidung"). Ein ins Gewicht fallender Irrtum oder eine ins Gewicht fallende Verwechslung kann daher gar nicht stattfinden. Es soll auch nicht übersehen werden, daß § 9 UWG darauf abstellt, daß die strittige Marke mit der Marke verwechselt werden könnte, der sich ein anderer rechtmäßig bedient. Bei der engen wirtschaftlichen Verpflichtung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft kann aber nicht von der "Marke eines anderen" gesprochen werden, wird doch das strittige Zeichen von Mutter- und Tochtergesellschaft, also von einer wirtschaftlichen Einheit, zur Bezeichnung der gleichen, von der Muttergesellschaft erzeugten Ware benützt. Dazu kommt, daß sich die klagende Partei eine allfällig doch vorkommende Verwechslung selbst zuschreiben müßte. Wenn die klagende Partei ihre Leistungen als Händlerfirma markenrechtlich schützen wollte, so hätte sie eben eine Marke wählen müssen, die nicht mit der Marke des Herstellers, ihrer Muttergesellschaft, identisch ist (so auch Baumbach‑Hefermehl, 388). Der Oberste Gerichtshof kommt daher zu folgendem Ergebnis:

Die inländische, nur mit dem Vertrieb betraute Tochtergesellschaft eines ausländischen Unternehmens kam auch unter Berufung auf ein eigenes österreichisches Markenrecht nicht verhindern, daß Originalware ihrer Muttergesellschaft, die von dieser selbst im Ausland unter einer gleichlautenden Marke in Verkehr gesetzt und dann von einem Dritten nach Österreich eingeführt wurde ("Parallelimport"), im Inland ohne ihre Zustimmung unter dieser Konzernmarke vertrieben wird.

Gegen die hier vertretende Rechtsansicht spricht auch nicht etwa, daß die österreichische Rechtsordnung das Institut der Vorratsmarke (Defensivmarke) kennt. Solche nicht genützte Marken beruhen auf der Ausnahmebestimmung des § 6 MSchG 1953 und berühren die allgemeine Funktion der Marke gemäß § 1 MSchG 1953 nicht. Dort, wo bei einer wirtschaftlichen Einheit, wie im vorliegenden Fall, die Vorratsmarke etwa einem an dieser wirtschaftlichen Einheit Beteiligten zustünde, müßten die oben entwickelten Grundsätze gleichfalls maßgebend sein.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte