OGH 1Ob110/70

OGH1Ob110/705.6.1970

SZ 43/99

Normen

Mietengesetz §19 Abs4
Mietengesetz §19 Abs4

 

Spruch:

§ 19 Abs 4 MG i d F des MRÄG ist auch dann anwendbar, wenn ein geschiedener Ehegatte dem anderen Teil die Wohnung überläßt, sofern nur die Eheleute bis dahin im gemeinsamen Haushalt gelebt haben und der Grund der Überlassung der Mietrechte in der Scheidung der Ehe gelegen ist

OGH 5. Juni 1970, 1 Ob 110/70 (LGZ Graz 3 R 18/70; BGZ Graz 6 C 131/69)

Text

Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, daß sie Hauptmieterin der im Haus der Beklagten gelegenen Wohnung, bestehend aus vier Zimmern, Vorzimmer, Küche, Mädchenzimmer, Bad, Speise und WC, sei. Nach dem Klagevorbringen sei ursprünglich Kurt J, der seinerzeitige Ehegatte der Klägerin, Mieter dieser Wohnung gewesen. Anläßlich der am 8. August 1968 erfolgten Scheidung der Ehe habe Kurt J in einem gerichtlichen Vergleich der Klägerin seine Mietrechte überlassen und sich gleichzeitig verpflichtet, die Wohnung bis zum 5. September 1968 zu verlassen. Da sich die Beklagte weigere, die Mietrechte der Klägerin anzuerkennen, sei das Feststellungsbegehren berechtigt.

Die Beklagte wendete ein, daß die streitverfangene Wohnung dem nunmehr geschiedenen Ehegatten der Klägerin lediglich als Dienstwohnung überlassen worden sei. Überdies fehle es an einer rechtswirksamen Übertragung allenfalls bestehender Mietrechte an die Klägerin.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt, wobei es von folgenden Feststellungen ausging: Der geschiedene, derzeit noch in Diensten der Beklagten stehende Ehemann der Klägerin habe am 4. November 1964 den Dienstvertrag als Filialdirektor der Beklagten und zugleich auch den Mietvertrag, betreffend die klagsgegenständliche Wohnung, abgeschlossen. Kurt J habe die Wohnung nicht als Dienstwohnung bekommen, sie sei ihm vielmehr vermietet worden. Beim Vertragsabschluß sei keine Rede davon gewesen, daß er die Wohnung bei Beendigung des Dienstverhältnisses zurückstellen müsse; richtig sei jedoch, daß J die Wohnung deshalb vermietet bekommen habe, weil er bei der Beklagten den Dienst als Filialdirektor angetreten habe. Die Beklagte habe das Haus seinerzeit nur erworben, weil sich darin eine leerstehende Wohnung befunden habe, die sie einem zukünftigen Filialdirektor zur Verfügung stellen wollte. Der Mietvertrag sei überschrieben mit "Neuvermietung von Mietgegenständen, auf die das Mietengesetz Anwendung findet". Der Mietvertrag sei auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden und verpflichte den Bestandnehmer, den Mietgegenstand nur für eigene Wohnzwecke zu benützen (P 3). Dem Mieter sei die Untervermietung, Verpachtung oder Überlassung jeder anderen Art an dritte Personen untersagt. Kurt J habe die Klägerin, mit der er im November 1964 in die Wohnung eingezogen sei, am 5. September 1966 geheiratet. Im Sommer 1968 habe die Klägerin die Ehescheidungsklage gegen ihn erhoben. In dem am 8. August 1968 vor dem LGZ Graz geschlossenen Vergleich habe sich Kurt J verpflichtet, für den Fall der Scheidung die Hauptmietrechte an der gegenständlichen Wohnung der Klägerin zu überlassen, die Wohnung bis zum 5. September 1968 zu verlassen und bis dahin auch gegenüber der Hauseigentümerin die nach dem MG erforderlichen Erklärungen abzugeben. Der Vergleich habe vorgesehen, daß Kurt J nur berechtigt sei, die ihm persönlich gehörenden Gegenstände beim Verlassen der Wohnung mitzunehmen. Die Ehe zwischen Kurt J und der Klägerin sei am 8. August 1968 geschieden worden und das Scheidungsurteil am selben Tag in Rechtskraft erwachsen. Der geschiedene Ehemann der Klägerin habe vom Herbst 1964 bis zum Verlassen der Wohnung am 15. August 1968 mit der Klägerin im gemeinsamen Haushalt gelebt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß Kurt J die gegenständliche Wohnung der Klägerin am 8. August 1968 rechtswirksam überlassen habe (§ 19 Abs 4 MG). Das Feststellungsbegehren sei daher gerechtfertigt.

Die Berufung der beklagten Partei blieb erfolglos; das Berufungsgericht billigte die vom Erstgericht vorgenommene rechtliche Beurteilung des erhobenen Sachverhaltsbildes.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach § 19 Abs 4 MG i d F des MRÄG BGBl 1967/281 gilt es nicht als Weitergabe i S des § 19 Abs 2 Z 10 MG, wenn der Mieter die Wohnung verläßt und sie seinem Ehegatten oder Verwandten in gerader Linie, einschließlich der Wahlkinder oder Geschwister, überläßt, falls der Ehegatte oder die Verwandten in gerader Linie mindestens die letzten zwei Jahre mit dem Mieter im gemeinsamen Haushalt in der Wohnung gewohnt haben. Den Revisionsausführungen ist insoweit beizupflichten, daß geschiedene Personen nicht mehr als Ehegatten anzusprechen sind. Wollte man aber i S der Forderung der Rechtsmittelwerberin die zitierte Gesetzesbestimmung wörtlich auslegen, würde einer der wichtigsten und häufigsten Fälle der Überlassung einer Wohnung unter Lebenden der zitierten Schutzbestimmung nicht unterliegen. Die Rechtsprechung, von der abzugehen kein Anlaß besteht, geht daher davon aus, daß § 19 Abs 4 MG i d F des MRÄG (früher § 19 Abs 2 Z 10 Satz 2 MG) auch dann anwendbar ist, wenn ein geschiedener Ehegatte dem anderen Teil die Wohnung überläßt, sofern nur die Eheleute bis dahin im gemeinsamen Haushalt gelebt haben und der Grund der Überlassung der Mietrechte in der Scheidung der Ehe gelegen ist (MietSlg 8210, 7404, 5198, 4665; EvBl 1962/416 = RZ 1962, 254 = ImmZ 1963, 10).

Nach den Urteilsfeststellungen hat Kurt J als Mieter der gegenständlichen Wohnung diese anläßlich der Auflösung der Ehe der Klägerin, mit der er bis zu seinem Wegziehen im August 1968 im gemeinsamen Haushalt gelebt hat, überlassen. Im Sinne der Regelung des § 19 Abs 4 MG i d F des MRÄG ist die Klägerin damit in die Mietrechte an der Wohnung, so wie sie ihr geschiedener Mann besessen hat, eingetreten (MietSlg 19.382). In der Stattgebung des auf die Feststellung dieser Rechte drängenden Klagebegehrens der nunmehrigen Mieterin ist daher ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen.

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