OGH 7Ob71/70 (7Ob70/70)

OGH7Ob71/70 (7Ob70/70)29.4.1970

SZ 43/86

Normen

ZPO §84
ZPO §85
ZPO §84
ZPO §85

 

Spruch:

Die Zurückstellung eines Rekurses zur Beibringung eines Armenrechtszeugnisses gemäß § 85 Abs 1 und 2 ZPO ist unzulässig

OGH 29. April 1970, 7 Ob 70, 71/70 (OLG Wien 7 Nc 5, 6/70)

Text

Josef St brachte gegen den Rechtsanwalt Dr. Leo W, der ihn im Strafverfahren wegen Betruges beim Kreisgericht Wr Neustadt im Jahre 1966 vertreten hatte, beim Bezirksgericht Wr Neustadt zu 2 C 69 eine Klage ein, worin er den Ersatz eines Schadens von 15.000 S begehrt, weil ihn Dr. W im Strafverfahren mangelhaft vertreten habe. Das Klagebegehren wurde vom Bezirksrichter Dr. T abgewiesen. Über die Berufung des Klägers wird das Kreisgericht Wr Neustadt zu entscheiden haben. Josef St lehnte den Verhandlungsrichter Dr T als befangen ab, welcher Antrag aber vom Gerichtsvorsteher des Bezirksgerichtes Wr Neustadt abgelehnt wurde. Über den gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs wird ebenfalls das Kreisgericht Wr Neustadt zu entscheiden haben. Nunmehr lehnte St "das gesamte Kreisgericht Wr Neustadt" ganz allgemein und den Kreisgerichtspräsidenten Dr S sowie die Richter des Kreisgerichtes Wr Neustadt, die Oberlandesgerichtsräte Dr Sch, Dr K, Dr R, Dr W, Dr B und Dr L als befangen ab. Das Oberlandesgericht Wien wies die Ablehnungsanträge mit Beschluß vom 30. Jänner 1970 als unbegrundet zurück. Dieser Beschluß wurde St am 20. Februar 1970 mit der Belehrung zugestellt, daß ein Rekurs dagegen mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen sein muß. St, der sich derzeit in der Männerstrafanstalt Stein befindet, brachte dort am 3. März 1970 einen selbst geschriebenen Rekurs ein, worin er auch beantragte, ihm das Armenrecht zu bewilligen und einen Armenvertreter zu bestellen, falls der Rekurs entgegen seiner Meinung von einem Rechtsanwalt unterschrieben werden müsse.

Das Oberlandesgericht Wien wies diesen Antrag mit Beschluß vom 23. März 1970 mit der Begründung ab, das Armenrecht könne nur bei rechtzeitiger Vorlage eines Armenrechtszeugnisses bewilligt werden. Eine Frist zur Vorlage eines solchen Zeugnisses könne nicht erteilt werden, weil es sich hiebei nicht um die Verbesserung eines Schriftsatzes, sondern um die Beibringung einer Beilage handle.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Josef St nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 520 Abs 1 letzter Halbsatz ZPO müssen schriftliche Rekurse mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen sein. Diese Bestimmung findet auch auf das Verfahren über die Ablehnung von Richtern Anwendung (EvBl 1966/406, RZ 1969, 190 u a). Die vom Rekurswerber zitierte Entscheidung RZ 1964, 77 betraf, wie schon das Erstgericht ausführte, einen anderen Fall, nämlich den Rekurs gegen einen Beschluß, womit ein Armenanwalt enthoben und das Armenrecht für erloschen erklärt wurde. Solche Rekurse bedürfen auch im Gerichtshofverfahren nicht der Unterschrift eines Rechtsanwalts. Daher bedurfte der Rekurs, den Josef St gegen den Beschluß erhob, womit sein Antrag, ihm das Armenrecht zu bewilligen und einen Armenanwalt beizustellen, abgewiesen wurde, nicht der Unterschrift eines Rechtsanwalts. Josef St wurde bei Zustellung des Beschlusses vom 30. Jänner 1970 belehrt, daß ein Rekurs gegen diesen Beschluß von einem Rechtsanwalt unterfertigt sein muß. Ein solcher Rekurs konnte auch nicht zu Protokoll gegeben werden. Die Vorschrift des § 520 Abs 1 2. Satz ZPO, wonach bei Bezirksgerichten Rekurse von Parteien, die nicht von einem Rechtsanwalt vertreten sind, auch mündlich zu Protokoll angebracht werden können, findet hier keine Anwendung. Darunter sind nur Rekurse zu verstehen, die beim Bezirksgericht zu erheben sind. Im vorliegenden Fall hat aber in erster Instanz das Oberlandesgericht Wien entschieden. Gemäß § 520 ZPO ist der Rekurs bei dem Gericht zu erheben, dessen Beschluß angefochten wird, also hier beim Oberlandesgericht Wien. Die Regelung des § 520 ZPO über den Protokollarrekurs kann daher nicht herangezogen werden (EvBl 1966/522 u a).

Es war deshalb nur noch die Frage zu erörtern, ob durch den Antrag, das Armenrecht zu bewilligen, und einen Armenvertreter beizustellen, die Frist zur Erhebung des Rechtsmittels erstreckt wird. Wie das Oberlandesgericht Wien zutreffend ausgeführt hat, genügt es zwar, daß die arme Partei innerhalb der Rechtsmittelfrist den Antrag auf Beistellung eines Armenanwalts stellt, sie muß aber innerhalb dieser Frist auch dartun, daß sie arme Partei ist, also die Voraussetzungen des § 63 ZPO erfüllt. Dieser Nachweis kann zwingend nur durch die im § 65 Abs 2 bis 4 ZPO genannten Zeugnisse erbracht werden. Die vom Rekurswerber behauptete Kenntnis seiner Mittellosigkeit seitens des Gerichtes genügt nicht. Die Rechtsmittelfrist wird daher nicht verlängert, wenn nicht innerhalb dieser Frist auch das Armenrechtszeugnis vorgelegt wird (SZ. 32/9, Fasching Komm z ZPO IV 51). Eine Zurückstellung des Rekurses zur Verbesserung durch Beibringung eines Armenrechtszeugnisses im Sinn des § 84 ZPO kam hier nicht in Betracht, weil es sich nicht um Mängel in der Form des Schriftsatzes, also des schriftlichen Rekurses selbst handelt, die die ordnungsgemäße Behandlung verhindern könnten, sondern um das Fehlen von Beilagen, das zwar die Abweisung des Antrages zur Foge hat, aber nicht dessen Behandlung verhindert (vgl RZ 1957, 122, EvBl 1938/45, EvBl 1934/432). Die Ausführungen des Rekurswerbers, er hätte das Armenrechtszeugnis nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist von 14 Tagen vorlegen können, ändern daran nichts.

Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.

Das Fehlen der Unterschrift eines Rechtsanwaltes und einer entsprechenden Vollmachtsurkunde ist dagegen ein behebbares Formgebrechen im Sinn des § 84 ZPO. Der Rekurs gegen den Beschluß vom 30. Jänner 1970 wir daher im Sinn des § 85 ZPO zur Verbesserung zurückzustellen sein.

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