Spruch:
Nach § 68 EheG kann auch ein vorläufiger Unterhalt vor Entscheidung über den Unterhaltsstreit zuerkannt werden
OGH 15. April 1970, 7 Ob 52/70 (LGZ Wien 43 R 149/70; BG Döbling 6 C 13/70)
Text
Die Ehe der Streitteile wurde am 14. Jänner 1969 aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Die Klägerin begehrt nunmehr von ihrem geschiedenen Gatten Unterhalt gemäß § 68 EheG. Im Zuge des Rechtsstreites begehrte sie, ihr mit einstweiliger Verfügung einen vorläufigen Unterhalt zuzusprechen, weil sie arbeitsunfähig sei und der Not ausgesetzt wäre.
Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, der Unterhaltsanspruch der Ehefrau nach Aufhebung der Ehe sei kein anderer Anspruch im Sinn des § 381 EO, die Voraussetzungen für eine einstweilige Verfügung nach § 379 EO lägen nicht vor.
Das Rekursgericht hob diesen Beschluß unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es führte aus, auch der geschiedenen Gattin könne für die Dauer des Unterhaltsstreits ein vorläufiger Unterhalt nach § 382 Z 8 EO zuerkannt werden, sie müsse nur bescheinigen, daß die Voraussetzungen nach § 68 EheG gegeben seien und daß ihr geschiedener Gatte den Unterhaltsanspruch nicht erfülle. Das Erstgericht müsse daher die hierüber von der Antragstellerin angebotenen Bescheinigungsmittel aufnehmen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der vom Gegner der gefährdeten Partei erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, weil derzeit nicht die Höhe des Unterhalts zur Erörterung steht, sondern der Grund des Anspruchs, ein Rechtsmittel daher auch im Fall des § 502 Abs 2 ZPO zulässig wäre. Der Revisionsrekurs ist aber nicht begrundet.
Es ist dem Erstgericht beizustimmen, daß es sich bei dem geltendgemachten Anspruch um einen Geldanspruch und nicht um einen "anderen Anspruch" im Sinn des § 381 EO handelt (vgl. EvBl 1961/102, EvBl 1968/179), das bedeutet aber nicht, daß deshalb die Bestimmung eines einstweiligen Unterhalts nach § 382 Z 8 EO ausgeschlossen wird. Dort wird eine einstweilige Verfügung besonderer Art angeordnet, die es nach herrschender Rechtsprechung gestattet, auch der bereits geschiedenen Ehegattin für die Dauer des von ihr gegen ihren früheren Ehemann angestrengten Unterhaltsprozesses den vorläufigen Unterhalt zuzuerkennen (SZ 38/209, SZ 22/186 u a). Das Erstgericht ist aber mit Schwind (Kommentar zum österr Eherecht 1951 232 und 296 und in Klang[2] I/1, 881, 882) der Meinung, der geschiedenen Ehegattin stehe ein Unterhalt nach § 68 EheG erst mit Rechtskraft des über die Unterhaltsklage ergehenden Urteils zu, weil dieses Urteil die Beitragspflicht des Mannes erst konstitutiv begrunde. Vorher könne ihr daher auch kein einstweiliger Unterhalt zuerkannt werden. Dieser Meinung kann nicht gefolgt werden. Auch der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Frau ist ein familienrechtlicher Anspruch. Es handelt sich um eine Nachwirkung der ehelichen Unterhaltspflicht. Der Unterhaltsanspruch erfährt zwar im Fall der Scheidung sowohl in den Voraussetzungen als auch in seinem Umfang eine besondere Ausgestaltung, es bleibt aber die Tatsache unberührt, daß der letzte und eigentliche Entstehungsgrund die frühere Ehe ist (vgl Hoffmann - Stephan, EheG 655, EF-Slg 3606). Ob dem nach § 68 EheG Bedürftigen ein Rechtsanspruch, insbesondere ein echter Unterhaltsanspruch zusteht, ist in der Lehre strittig. Szanzoni, Volkmar und Schwind sind der oben dargelegten Ansicht, daß der Anspruch erst durch das Zubilligungsurteil, dem rechtsgestaltende Wirkung zukomme, entstehe. Aus dem Wesen des Unterhaltsanspruchs als Ausfluß der bestandenen Ehe ergibt sich aber, daß durch § 68 EheG dem Bedürftigen ein Rechtsanspruch gewährt wird (so auch Godin, EheG[2] 304), der, wenn seine Voraussetzungen vorliegen, schon mit der Scheidung wenigstens dem Gründe nach entsteht. Auch aus der amtlichen Begründung zum Ehegesetz 1938 (DJ 1938, 1111) ergibt sich, daß ein solcher Anspruch nicht ausgeschlossen werden sollte, denn es wird von einem Unterhaltsanspruch und einer Unterhaltspflicht gesprochen. Es war also nicht beabsichtigt, durch § 68 EheG ein Rechtsverhältnis eigener Art zu schaffen (vgl. Hoffmann - Stephan, EheG 702). Der in der Entscheidung SZ 27/210 dargelegten, den Ausführungen Schwinds folgenden Ansicht kann daher nicht gefolgt werden.
Es ist also davon auszugehen, daß den aus beiderseitigem Verschulden geschiedenen Ehegatten ein Unterhaltsanspruch nicht erst mit Rechtskraft des über das Unterhaltsbegehren ergehenden Urteils zusteht, sondern schon dann, wenn die im Gesetz geforderten Voraussetzungen gegeben sind. Die Antragstellerin muß also zwar diese Voraussetzungen für ihren Anspruch bescheinigen, wie bereits das Rekursgericht ausgeführt hat, sie muß aber eine Gefährdung nicht bescheinigen (EFSlg 3606).
Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.
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